Gesetz vom 10.12.2019 BGBl. I S. 2135, Geltung ab 01.01.2020
Vorab-Erläuterung durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) Bundesrat Drucksache 395/19
„Entsprechend den Vorgaben des Koalitionsvertrags wird durch dieses Gesetz geregelt, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von mehr als 100 000 Euro im Jahr zurückgegriffen wird. Das Gesetz bezieht sich auf die unterhaltsverpflichteten Angehörigen von Leistungsempfängern der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Gleichzeitig wird die Beschränkung des Unterhaltsrückgriffs auch auf die anderen Leistungen des SGB XII ausgedehnt. Diese Ausweitung ist zum einen im sozialpolitischen Kontext der Reform erforderlich und dient zum anderen der Vermeidung einer Ungleichbehandlung innerhalb der verschiedenen Leistungsarten im SGB XII, insbesondere bei besonders belasteten Familien. Denn ohne diese Regelung würde die Privilegierung der 100 000-Euro-Grenze im SGB XII zwar für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Hilfe zur Pflege Anwendung finden, für andere Leistungen nach dem SGB XII, wie beispielsweise die Hilfe zum Lebensunterhalt für Volljährige oder die Blindenhilfe jedoch nicht. Da auch in diesen Bereichen besondere und regelmäßig langfristig wirkende Belastungen der Familien vorliegen, bietet es sich an, aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten innerhalb der verschiedenen Leistungsarten im SGB XII die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs im gesamten SGB XII nachzuvollziehen, soweit keine minderjährigen Kinder, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, betroffen sind.
Dazu wird die bestehende Regelung, die bisher einen Unterhaltsrückgriff nur für dem Grunde nach Leistungsberechtigte der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) bis zur 100 000-Euro-Grenze ausschloss, in das für alle Leistungen des SGB XII geltende Elfte Kapitel SGB XII verschoben und angepasst. Von der Neuregelung werden damit alle gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB XII unterhaltsverpflichteten Kinder bis zu einem Jahreseinkommen von einschließlich 100 000 Euro profitieren.
Aufgrund der regelmäßig langfristigen Belastung der Familien ist es ebenso angezeigt, den Unterhaltsrückgriff nicht nur im Verhältnis Kinder-Eltern, sondern grundsätzlich auch im Verhältnis Eltern-Kinder zu beschränken. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund angebracht, dass es sich bei Kindern, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten, überwiegend um Menschen mit Behinderungen handelt, deren Familien durch diese Situation schon in besonderem Maß belastet sind. Auch die Eltern volljähriger Kinder bis zur Einkommensgrenze von 100 000 Euro werden durch die neue Regelung deshalb entlastet. Unterhaltsverpflichtete von minderjährigen Kindern nach dem Dritten Kapitel SGB XII werden von der Privilegierung jedoch nicht erfasst sein, weil die besondere Situation dieses Personenkreises nach dem SGB XII die vollständige unterhaltsrechtliche Privilegierung nicht gebietet.
Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass eine auf die Leistungen des SGB XII begrenzte Beschränkung des Unterhaltsrückgriffs auf die reformierte Eingliederungshilfe im Teil 2 SGB IX und auf das Soziale Entschädigungsrecht keine Anwendung finden würde. Eine Schlechterstellung der aus dem SGB XII herausgelösten neuen Eingliederungshilfe gegenüber Leistungen der Sozialhilfe gilt es jedoch zu vermeiden. Denn dies stünde im Widerspruch zu dem mit dem BTHG umgesetzten Ziel, die Eingliederungshilfe zu verbessern und aus dem Leistungsrecht der Sozialhilfe herauszulösen. Aus diesem Grund erfolgt eine Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs auf unterhaltspflichtige Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern auch in der reformierten Eingliederungshilfe nach dem Teil 2 SGB IX sowie im Sozialen Entschädigungsrecht.
Zudem sollen die Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel SGB XII zukünftig auch bei Überschreiten der 100 000-Euro-Grenze durch unterhaltsverpflichtete Eltern oder Kinder als Leistungsberechtigte dem Vierten Kapitel SGB XII unterfallen und nicht wie bisher Drucksache 395/19 -4- dem Dritten Kapitel SGB XII. Der bisher vorgesehene Wechsel der Leistungsberechtigten vom Vierten Kapitel SGB XII in das Dritte Kapitel SGB XII wird somit für die Zukunft bei einem Überschreiten der 100 000-Euro-Grenze durch die unterhaltsverpflichteten Eltern beziehungsweise Kinder ausgeschlossen. Vielmehr ist auf die Leistungsberechtigten nunmehr das Leistungskapitel anzuwenden, aus dem sich ihr Leistungsanspruch ergibt, ohne dass eine Neuzuordnung aus formalen Gesichtspunkten erforderlich ist.
Es wird der seit 2018 bestehenden Rechtsprechung durch Sozial- und Landessozialgerichte gefolgt und entsprechend klargestellt, dass auch Menschen mit Behinderungen, die das Eingangsverfahren sowie den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen durchlaufen, einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben. Gleichzeitig wird in einem ersten Schritt der Prüfauftrag zur Schnittstellenklärung angesichts der unterschiedlichen Gewährung existenzsichernder Leistungen bei Menschen mit befristeter und dauerhafter voller Erwerbsminderung aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD umgesetzt.
Durch die im Gesetz geregelte, einmalige Nichtanrechnung der Rentenzahlung für den Januar 2020, besteht im Januar 2020 einmalig ein Anspruch auf Sozialhilfe in Höhe des sich im Einzelfall ergebenden Lebensunterhaltsbedarfs (Gesamtbedarf als Summe aller Bedarfe, für die im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt werden). Die Finanzierungslücke wird damit geschlossen. Dies gilt auch für die Betroffenen im Sozialen Entschädigungsrecht. Ohne eine gesetzliche Regelung müsste eine Darlehensregelung nach dem Vorbild von § 37a SGB XII greifen. Diese Darlehen sind jedoch nur auf Antrag des Betroffenen zu gewähren und zwingend in Höhe von bis zu 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 von den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen. Diese Regelung führt jedoch angesichts der Zahl von bis zu 70 000 Betroffenen zu einem hohen Aufwand für die Betroffenen und ihre Angehörigen sowie zu einem hohen Verwaltungsaufwand bei den Trägern der Grundsicherung, die durch den Umstellungsprozess durch das BTHG zum 1. Januar 2020 bereits einer hohen Belastung ausgesetzt sind.
Die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung wird dem Koalitionsvertrag entsprechend über das Jahr 2022 hinaus dauerhaft finanziert werden. Die bislang geltende Befristung wird daher aufgehoben. Weil die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen ansetzt, ist die Finanzierung dieses Teilhabeberatungsangebotes durch den Bund weiterhin geboten. Die Konkretisierung eines Leistungsanspruchs einschließlich der Zuordnung zu einem Träger kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgen, deshalb kann diese Aufgabe nicht in der Verantwortung der Leistungsträger liegen. Die Gewährung des Zuschusses für die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung ist rechtlich so auszugestalten, dass es der Verwaltung bzw. einem von ihr beauftragten Dritten möglich ist, bei der Bestimmung der zu finanzierenden Beratungsangebote im Sinne von § 32 SGB IX einen an bundeseinheitlichen Kriterien und Maßstäben orientierten Entscheidungsspielraum anzuwenden und die Umsetzung der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Durchführung zu überwachen.
Durch die Einführung eines Budgets für Ausbildung werden die Chancen für Menschen mit Behinderungen, die heute eine berufliche Bildung nur in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter erhalten können, dahingehend verbessert, dass sie eine berufliche Ausbildung künftig auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren können. Hiermit werden die bereits mit dem BTHG geschaffenen Alternativen für diese Menschen mit Behinderungen erweitert.
Im SGB IX wird klargestellt, dass die Integrationsämter bei der Arbeitsassistenz kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Leistung haben (Anspruchsleistung), wenn die Notwendigkeit der Assistenz festgestellt ist”.
Das Gesetz:
Artikel 6 Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
Das Bundesversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 30. November 2019 (BGBl. I S. 1948) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 26 Absatz 1 werden vor dem Punkt am Ende die Wörter „sowie als Budget für Ausbildung nach § 61a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch” eingefügt.
2. § 27h wird wie folgt geändert:
a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:
„(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt jeweils mehr als 100.000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der Träger der Kriegsopferfürsorge von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so sind die Kinder oder Eltern der Leistungsberechtigten gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge verpflichtet, über ihre Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses Gesetzes es erfordert. Die Pflicht zur Auskunft umfasst die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Kriegsopferfürsorge Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Sätze 1 bis 6 gelten nicht bei Leistungen nach § 27a an minderjährige Kinder.”
b) In Absatz 2 Satz 3 werden nach der Angabe „27d” die Wörter „mit Ausnahme der Leistung nach § 27d Absatz 1 Nummer 3″ eingefügt.