Sozialgericht Gelsenkirchen – S 35 VJ 1144/17 – Urteil vom 19.05.2021
Die “Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs“, also dass nach geltender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht, besteht bei einer Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP (gegen Schweinegrippe) und der Entstehung einer Narkolepsie nebst Kataplexie nicht. Indes ist die ursächliche Entstehung einer Narkolepsie nebst Kataplexie als Reaktion auf die Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP als “gute Möglichkeit” anzunehmen (“Kann-Versorgung”).
Tatbestand
Der am ….. geborene Kläger begehrt die Feststellung eines Impfschadens sowie einen daraus resultierenden Grad der Schädigung von 50 und entsprechende Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er erhielt am 07.11.2013 durch den Betriebsarzt seines ehemaligen Arbeitgebers, der Firma F, am Standort I, insgesamt drei Impfungen. Er war zu diesem Zeitpunkt am Standort in I als Bilanzbuchhalter sowie SAP-Berater tätig, wohnte und lebte jedoch in J. Zum Wochenende hin pendelte er. Bei den Impfstoffen handelte es sich um den Kombinationsimpfstoff REPEVAX, den Kombinationsimpfstoff M-M-R-Vax Pro sowie den Impfstoff VAXIGRIP 2013/2014. Bei letzterem handelt es sich um einen Impfstoff gegen die im Jahre 2009 im asiatischen Raum ausgebrochene Schweinegrippe. Dieser Impfstoff enthält unter anderem den Virenstamm A/California/7/2009(H1N1pdm) (Im Folgenden “A/California”). Wenige Stunden nach der Impfung stellten sich beim Kläger ein geröteter Kopf, gerötete Haut, Kopfschmerzen, Übelkeit und erhebliches Herzrasen ein. Da diese Symptome auch am 08.11.2013 persistierten, suchte er daraufhin den Werksarzt erneut auf. Der Werksarzt wies darauf hin, dass derartige Nebenwirkungen wohl in den Beipackzetteln der Impfstoffe als Nebenwirkungen angegeben seien und zunächst das Wochenende abgewartet werden sollte, bevor weitere medizinische Maßnahmen ergriffen werden würden. Über die nächste Zeit klangen die Nebenwirkungen ab. Erstmals am 26.05.2014 stellte sich der Kläger wegen anhaltender Müdigkeit, auch morgens und tagsüber, Sekundenschlaf und Herzrasen, welches zeitweise 10 Minuten anhalte, bei seinem Hausarzt Herrn Dr. U in J vor. Der Hausarzt veranlasste sodann eine Vorstellung bei der Pneumologin Frau Dr. M in N. Vermutet wurde von ihm zunächst ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Auf Veranlassung der Pneumologin Frau Dr. med. Dr. M erfolge sodann vom 16.11.2014 bis 21.11.2014 eine stationäre Untersuchung des Klägers im Schlaflabor des Klinikum W GmbH, Behandlungszentrum Q Klinik O, Beatmungs- und Schlafmedizin. Ausweislich dem Bericht vom 21.11.2014 stellten die Ärzte dort die Diagnosen Narkolepsie mit Kataplexie, Hypersomie sowie ein geringgradiges zentrales Schlafapnoe-Syndrom fest. Die Einweisung sei zur Abklärung ausgeprägter Tagesschläfrigkeit mit imperativen Schlafdrang erfolgt. Der Patient sei morgens müde, auch wenn er zuvor bereits 15 Stunden geschlafen habe. Darüber hinaus sei der Schlafdrang teilweise so intensiv, dass er sich bei der Arbeit auf die Toilette zurückziehe, um dort kurz zu schlafen. Etwa einmal die Woche würden ihm auch die Beine “weich” werden und er müsse Halt suchen. Ferner bestünden zwischenzeitlich beim Aufwachen Halluzinationen, so auch beim Einschlafen. Es seien die klassischen Symptome einer Narkolepsie festzustellen. Ferner würden sich entsprechende respiratorische Problematiken im Schlaf im Sinne eines leichten OSAS feststellen lassen. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Liquorpunktion sowie MRT im Januar avisiert.
Bei der darauffolgend durchgeführten stationären Behandlung auf der neurologischen Station des Klinikum W am 05.01.2015 bis zum 08.01.2015 zur MRT- und Liquordiagnostik stellten die Ärzte einen verminderten Hypokretin-Spiegel im Liquor von 36 pg/ml bei einem Normalwert von größer als 110 pg/ml fest. Nach Beurteilung der untersuchenden Ärzte, u.a. Prof. Dr. med. X, sei dieser Befund mit einer Narkolepsie mit Kataplexie übereinzubringen und bestätige die Diagnose. Bei dem benannten Stoff Hypokretin handelt es sich um einen körpereigenen Botenstoff, der – gemeinsam mit dem Botenstoff Melatonin – verantwortlich ist für den Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen. Während Melatonin abends ausgeschüttet wird um die Schlafphase des menschlichen Körpers einzuleiten, ist Hypokretin unter anderem verantwortlich für die Wachzeit.
Zur Einholung einer Zweitmeinung begab sich der Kläger sodann im April 2017 nach bereits längerer Behandlungsphase in das Universitätsklinikum P, Klinik für Schlafmedizin, geleitet durch Universitätsprofessor Z. Bei den dortigen Untersuchungen in der Zeit vom 25.04.- 26.04.2017 konnte die Diagnose einer Narkolepsie Typ 1 mit exzessiv gesteigerter Tagesschläfrigkeit, imperativen Einschlafattacken sowie habituell verlängerter Schlafphasendauer und weiterer narkolepsie-typischer Symptome wie Kataplexie, Halluzinationen und Schlafparalysen gesichert werden. Eine Genom-Untersuchung zur Feststellung einer bestimmten Prädisposition stand noch aus, wurde aber angestrengt, da bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe mit einer bestimmten genetischen Disposition gehäuft in Verbindung mit Impfungen gegen die Schweinegrippe Narkolepsieerkrankungen aufgetreten seien. Der Hypokretin-Spiegel sei wiederum mit 36 pg/ml gemessen worden. Ferner sei ein leichtgradiges, rückenlageabhängiges zentrales OSAS festzustellen. Zwei- bis dreimal täglich komme es zu imperativen Einschlafen. Es bestehe eine Leistungsminderung tagsüber. Ferner bestehe eine Monotonie-Intoleranz, die zum Einschlafen führe. Weiterhin, wie schon zuvor, bestehe keine Fahrtauglichkeit mehr. Der behandelnde Arzt stellt in dem Entlassbericht unter anderem fest, dass erste Symptome der Narkolepsie bei dem Kläger anamnetisch nach einer Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP gegen die H1N1-Influenza aufgetreten seien. Ein erhöhtes Risiko für Narkolepsie sei bisher nur nach einer Impfung mit dem Impfstoff PANDEMRIX beschrieben worden, jedoch könne auch eine potentielle Assoziation zwischen der Impfung mit VAXIGRIP und der Narkolepsie nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Impfstoff PANDEMRIX enthält ebenfalls den benannten Virusstamm A/California.
Der Kreis S stellte auf Antrag des Klägers aus November 2014 mit Bescheid vom 20.05.2015 einen Grad der Behinderung vom 50 aufgrund der bestehenden Narkolepsie als auch aufgrund des bestehenden Schlafapnoe-Syndroms fest.
Am 13.02.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Versorgung wegen eines Impfschadens nach § 60 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Zur Begründung des Antrages führt er aus, dass am 07.11.2013 die benannten Impfungen gleichzeitig stattgefunden hätten. In der Folgezeit hätten sich eine ständig steigernde Müdigkeit sowie realistische Alpträume, Orientierungslosigkeit und Halluzinationen beim Einschlafen und Aufwachen sowie imperative Schlafattacken eingestellt, die weiterhin schlimmer geworden sind. In den folgenden Wochen nach der Verimpfung sei er ständig müder geworden, bis er dann den Hausarzt aufgesucht habe, da das Schlafverlangen derart unnormal geworden sei und die genannten zusätzlichen Symptome sich eingestellt hätten. Es bestehe daher ein konkreter zeitlicher als auch inhaltlicher Zusammenhang zwischen den verabreichten Impfungen und der eingetretenen Narkolepsie-Erkrankung nebst Kataplexie. Er trage dieselbe genetische Disposition, wie die Gruppe von Menschen, bei denen der Impfstoff PANDEMRIX zu einer signifikant erhöhten Anzahl von Narkolepsie-Erkrankungen geführt habe. Der Impfstoff VAXIGRIP beinhalte denselben Virusstamm wie PANDEMRIX.
Die Beklagte zog zur weiteren Sachverhaltsermittlung die Akte des Kreises S hinsichtlich der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten vom 14.07.2017, erstellt durch Dr. med. K, stellt diese fest, dass die Erstdiagnose der konkreten Erkrankungen erst im November 2014 stattgefunden habe. Bei der Abklärung der übermäßigen Tagesschläfrigkeit wurden auch ein leichtgradiges OSAS sowie eine mittelgradig ausgeprägte Depression diagnostiziert. Ferner wurde eine Narkolepsie festgestellt. Dabei seien aber zu keinem Zeitpunkt die verabreichten Impfungen als Ursache der Narkolepsie in Erwägung gezogen und daher auch keine Blutuntersuchungen zum Nachweis spezieller impfbedingter Antikörper und keine molekulargenetischen Untersuchungen zum Nachweis die Immunreaktion begünstigen definierten Genvariante zeitnah durchgeführt worden. Ein gehäuftes Auftreten von Narkolepsie-Fällen in den Jahren 2009/2010 werde zwar auf die Verwendung eines ganz bestimmten Impfstoffes, dem Schweinegrippenimpfstoff PANDEMRIX, zurückgeführt. Beim Einsatz anderer Impfstoffe habe eine solche Häufung aber nicht beobachtet werden können so auch nicht bei dem hier verwendeten Impfstoff. Verschiedene Faktoren sprächen gegen eine kausale Verbindung zwischen dem der Narkolepsie-Erkrankung und den Impfungen sondern vielmehr für eine idiopathische Ursache. Dies seien insbesondere das männliche Geschlecht, der Beginn der Narkolepsie im “jungen Erwachsenenalter”, ein unauffälliger MRT-Befund des Gehirns sowie fehlende Entzündungszeichen im Hirnwasserbefund bei gleichzeitig erniedrigtem Spiegel für Hypokretin.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers nach §§ 60 ff. IfSG mit Bescheid vom 21.07.2017 ab. Zur Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf die Inhalte der versorgungsmedizinischen Begutachtung. Ferner führte die Beklagte aus, dass auch ein zeitlicher Zusammenhang nicht hinreichend zu erkennen sei. Ein Kausalzusammenhang sei daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 29.07.2017 Widerspruch. Zur Begründung führte er ergänzend und vertiefend aus, dass zum Zeitpunkt der Impfung von einem jungen Erwachsenenalter nicht mehr auszugehen sei. Ferner wurde zwischenzeitlich eine HLAGentypisierung durchgeführt, bei der der Haplo-Typ DQB1 06/02 festgestellt worden sei. Diese Typisierung sei in Verbindung mit der Verimpfung des Impfstoffes PANDEMRIX regelmäßig bei Eintritt einer Narkolepsie-Erkrankung auffällig gewesen. Der Wirkstoff PANDEMRIX beinhalte den gleichen Virenstamm wie der Wirkstoff VAXIGRIP. Dementsprechend bestehe hier eine konkrete Verbindung. Gleichsam sei es zu erheblichen Impfreaktionen wie geschildert gekommen, die wiederum nach Ansicht des Klägers zu einer Immunreaktion geführt haben bzw. Symptom einer heftigen Immunreaktion gewesen seien, die dann schlussendlich zu der Entwicklung der Narkolepsie geführt hätte. Diesbezüglich legte der Kläger ein privates Fachgutachten vor, erstellt durch die Firma R UG, Geschäftsführer T, und hinsichtlich der medizinischen Inhalte geprüft und für einwandfrei befunden durch Prof. Dr. med. C, Arzt für klinische Pharmakologie, C-allee in D. In dem auf den 15.08.2017 datierten Gutachten wird nach umfangreicher Erläuterung der Narkolepsieerkrankung und ihrer wissenschaftlich vermuteten Wirkweise weitergehend ausgeführt, dass bei dem Kläger von einer komplexen Immunreaktion entsprechend der geschilderten Nebenwirkungen nach der Impfung vom 07.11.2013 auszugehen sei. Aufgrund des konkreten Verlaufs einer Narkolepsie-Erkrankung bei Abnahme des Hypokretin-Spiegels könne es auch bis zu 700 Tage dauern, bis sich eine Narkolepsie derart manifestiere, dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird. Der Kläger sei weitaus früher bereits bei seinem Hausarzt vorstellig geworden. Bei einer Narkolepsie werde das Hormon Hypokretin vom Immunsystem im Rahmen einer Immun-Kreutz-reaktion (T-Zellen) angegriffen. Der Spiegel sinke nach und nach unnatürlich ab. Dadurch trete eine Störung des Schlaf-Wach- Rhythmusses ein. Die Impfung mit VAXIGRIP sei eine öffentlich empfohlene Impfung gewesen, wobei die Verabreichung in Verbindung mit den anderen Kombinationsimpfstoffen zeitgleich bereits fehlerhaft erfolgt sei. Diesbezüglich werde hinsichtlich VAXIGRIP auf verstärkte Nebenwirkungen bei zeitgleicher Verabreichung bereits in den Fachinformationen für den Impfstoff hingewiesen. In den Fachinformationen zu VAXIGRIP heißt es unter 6.2 insoweit zu Inkompatibilität: “Da keine Kompatibiliätsstudien durchgeführt wurden, darf dieses Arzneimittel nicht mit anderen Arzneimitteln gemischt werden.” Der Influenzastamm, der sowohl bei dem Impfstoff PANDEMRIX als auch bei dem Impfstoff VAXIGRIP verabreicht werde (A/California), sei identisch mit dem Influenzastamm, der bei VAXIGRIP verwendet werde. Hierbei seien zwischenzeitlich über 100 Nebenwirkungen bei der Verwendung des Impfstoffes VAXIGRIP, der in anderen Ländern unter der Bezeichnung Fluzone vertrieben wird, an die WHO gemeldet worden in Verbindung mit Narkolepsie.
Nachdem die Beklagte noch weitere Ermittlungen durch Einholung von Fachinformationen durchgeführt hat, wies sie den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2017 zurück.
Zur Begründung führte sie aus, dass die Ursache der Erkrankung und der Zusammenhang insbesondere zum Impfstoff PANDEMRIX oder seiner Bestandteile bislang nicht geklärt seien. Bekannt sei, dass die Narkolepsie durch eine Verminderung des Hypokretins bzw. Hypokretin-haltiger oder produzierender Neuronen stattfinde. Nachweislich sei auch die bei dem Kläger vorliegende genetische Disposition von hoher Wichtigkeit. Weitere experimentelle Studien zum Pathomechanismus hätten aufgezeigt, dass zum einen eine Verbindung zum Impfstoff PANDEMRIX sowie gegebenenfalls eines weiteren adjuvanten Inhaltsstoffes “AS03”, welcher zu einer Verstärkung der Impfreaktion führe, und einen bestimmten Botenstoff beinhalte, vermutet würden, allerdings auch möglicherweise zur Infektion durch den Influenza-Virusstamm als solchen und der Entwicklung einer narkoleptischen Erkrankung. Hier seien noch weitere Forschungsergebnisse abzuwarten. In der Folge liege eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Feststellung eines Kausalzusammenhangs nicht vor.
Der Kläger hat am 08.09.2017 entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides Klage vor dem Sozialgericht L erhoben. Zwischenzeitlich hatte er die berufliche Tätigkeit in I bei der Firma F aufgeben müssen, da er das wöchentliche Pendeln von ca. 300 Kilometern zwischen seinem Wohnort J und der Arbeitsstätte in I nicht mehr habe bewerkstelligen können. Die imperativen Schlafattacken etc., also die Symptome und Folgen der Narkolepsie, hätten sich so verstärkt, dass er die Fahrtstrecke nicht mehr habe meistern können. Zwischenzeitlich sei zum einen Arbeitsunfähigkeit und zum anderen auch Fahruntauglichkeit festgestellt worden, woraufhin er die Tätigkeit in Hanau aufgegeben hatte.
Das Sozialgericht L hat mangels Anknüpfungspunkt zur örtlichen Zuständigkeit die Klage sodann an das Sozialgericht Gelsenkirchen verwiesen.
Zur Begründung der Klage verweist der Kläger im Wesentlichen auf den bisherigen Vortrag. Er führt ergänzend aus, dass der Hausarzt Dr. U noch einmal ärztlich attestiert habe, dass Nachforschungen ergeben hätten, dass die erste Vorstellung wegen anhaltender Müdigkeit, Sekundenschlaf und Herzrasen am 26.05.2014 erfolgt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich die Müdigkeit seit den Impfungen im November 2013 sukzessive verschlechtert, bis sie derart belastend geworden sei, dass er ihr Krankheitswert beigemessen und seinen Hausarzt konsultiert habe. Er ist der Ansicht, dass hier eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP in Kombination mit den weiteren Kombinationsimpfstoffen von 07.03.2011, die allesamt empfohlene Impfungen gewesen seien, und der eingetretenen Narkolepsie-Erkrankung mit Kataplexie festzustellen sei. Die Ergebnisse der Studienlage, welche zum PANDEMRIX-Impfstoff bestehe, seien übertragbar, da derselbe Virusstamm verwendet worden sei. Sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 BVG hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs nicht festgestellt werden könne, sei aber jedenfalls ein hinreichender Zusammenhang im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 BVG anzunehmen. Denn dann sei davon auszugehen, dass die Anerkennung der Gesundheitsstörung in Form der Narkolepsie als Folge der Impfungen hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben sei, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Ursache Ungewissheit bestehe. Insofern sei darauf hinzuweisen, dass aus entsprechenden Studien hervorgehe, dass insbesondere der Impfstamm A/California, welcher in beiden Impfstoffen identisch sei, in Verbindung mit Immunreaktionen und der beim Kläger auch vorliegenden Disposition als Ursache für eintretende Narkolepsie- Erkrankungen in ihrem Zusammenspiel diskutiert würden. Ferner würden Studienlagen ebenfalls nahelegen, dass auch unmittelbare Infektion mit dem konkreten Virusstamm in China im Rahmen der Schweinegrippe-Epidemie zu Signifikant erhöhten Fallzahlen von Narkolepsie-Erkrankungen geführt habe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände bestünde die gute Möglichkeit, dass hier ein hinreichender kausaler Zusammenhang bestehen könne, welcher allerdings noch durch weitere Forschungsergebnisse zu verifizieren sei. Aus diesem Grunde seien die Voraussetzungen einer sogenannten “Kann-Versorgung” erfüllt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 21.07.2017, Aktenzeichen 22/71-17/03IfSG, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2017, Aktenzeichen XXX, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, in einem neuen Bescheid die eingetretene Narkolepsie des Klägers nebst Kataplexie als Folge der Impfungen unter anderem mit dem Impfstoff VAXIGRIP am 07.11.2013 anzuerkennen, sowie die Beklagte zu verpflichten, den Kläger mit Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in Verbindung mit dem Infektionsschutzgesetz nach einem GdS von 50 nach Antragsstellung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass zum einen die Studienergebnisse hinsichtlich des Impfstoffes PANDEMRIX und einem Zusammenhang mit signifikant erhöhten Fallzahlen von Narkolepsie-Erkrankungen nicht auf die Situation hinsichtlich des Impfstoffes VAXIGRIP übertragbar seien. Insbesondere sei auch in der vom Paul-Ehrlich-Institut zwischenzeitlich durchgeführten Studie zu PANDEMRIX-Impfungen und dem Zusammenhang mit einer Narkolepsie in Deutschland darauf abgestellt worden, dass insbesondere der Einfluss der Adjuvanz AS03 auf die eintretenden Narkolepsie-Erkrankungen bislang nicht hinreichend festgestellt sei. Die Erkrankungen würden allerdings auch mit der Adjuvanz in Verbindung gebracht. Dieser Zusatzstoff sei in dem beim Kläger verwendeten Impfstoff jedoch nicht enthalten. Auch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang sei nicht zu erkennen. Mangels jeglicher die klägerische Auffassung stützender anerkannter wissenschaftlicher Lehrmeinungen bestehe auch keine “gute Möglichkeit” im Sinne einer “Kann-Versorgung”. Denn hinsichtlich einer möglichen kausalen Verbindung zwischen dem Impfstoff VAXIGRIP und dem Auftreten von Narkolepsie-Erkrankungen gäbe es keinerlei Studienergebnisse.
Das Gericht hat im Rahmen der Amtsermittlung zunächst aktuelle Informationen vom Paul- Ehrlich-Institut (PEI) eingeholt. Dieses hat unter anderem mitgeteilt, dass eine Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des vermehrten Auftretens von Narkolepsie-Erkrankungen nach Verimpfung des Wirkstoffs PANDEMRIX als AS03-adjuvanter pandemischer Influenza- Impfstoff bei Influenza-A(H1N1)pdm09 zwischenzeitlich wissenschaftlich angenommen werde. Der Impfstoff VAXIGRIP beinhalte gespaltene Influenzarviren des gleichen Stammes (A/California) und andere abgeleitete Influenzaviren. Das Antigen sei mit dem Antigen, welches im Impfstoff PANDEMRIX verwendet wird, identisch. Allerdings enthalte PANDEMRIX den Impfverstärkenden Stoff AS03. Es sei aber bislang unklar, welche Rolle diese Adjuvanz konkret bei dem Entstehen von Narkolepsien spiele. Die Erkenntnisse hinsichtlich der Impfung und dem Zusammenhang mit Narkolepsien in Bezug auf PANDEMRIX sei nicht ohne weiteres auf den Impfstoff VAXIGRIP übertragbar.
Der Kläger hat zudem ein Sachverständigengutachten aus einem anderen Streitfall, gerichtet an das Versorgungszentrum E, Familie und Soziales, vom 13.11.2016 vorgelegt. In diesem verweist der dortige Sachverständige auf die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen der Struktur des H1N1-Influenza-Virus und den Strukturen der Hypocretin-bildenen Neuronen im Gehirn, sodass aus H1N1-Kontakt resultierende Antikörper diese Hypocretin-bildenden Zellen fälschlich als Virus-Zellen verkennen und zerstören würden (Kreuzreaktion), dadurch der Hypocretinspiegel absinke und es letztlich zu einer (symptomatischen erworbenen) Narkolepsie führen könnten. Dies erkläre die Häufung von Narkolepsiefällen in Folge der H1N1-Pandemie in China 2009. Er verweist hierbei auf die Studie von Han et al., Ann. Neurol. 70, S 410).
Das Gericht hat weiter ein Sachverständigengutachten der Sachverständigen Frau Prof. Dr. med. F, Fachärztin für Neurologie, Geriatrie, Palliativmedizin, Neurologische Intensivmedizin, Schlafmedizin, physikalische Therapie und Balneologie vom Klinikum Leer, akademisches Leer-Krankenhaus der medizinischen Hochschule K, eingeholt. Sie kommt in ihrem Sachverständigengutachten vom 26.05.2020 im Wesentlichen zu den Feststellungen, dass bei dem Kläger nachgewiesenermaßen eine Narkolepsie-Erkrankung nebst Kataplexie besteht. Darüber hinaus sei beim Kläger eine genetsiche Disposition nach dem HLAHaplotyp DQB10602 festzustellen. Dieser konkrete Haplotyp werde in Verbindung mit Narkolepsie-Erkrankungen in Zusammenhang mit Impfungen gegen das Influenzarvirus durch den Impfstoff PANDEMRIX gebracht. Hinsichtlich der Entstehung einer Narkolepsie- Erkrankung seien regelmäßig weitere Faktoren als notwendig festgestellt worden, wie eine Infektion oder eine Impfung, welche zur Aktivierung des Immunsystems führe. Auch dies sei bei dem Kläger der Fall gewesen. Die Nebenwirkungen, die beim Kläger nach der mehrfachen Impfung am 07.11.2013, unter anderem mit dem Impfstoff VAXIGRIP, stattgefunden hätten, seien erheblich gewesen. Das Immunsystem sei erkennbar stark angeregt worden. Hinsichtlich des Impfstoffes PANDEMRIX werde diskutiert, dass auch die hohe Konzentration des H1N1 Virus-Nukleoproteins, welches sich in diesem Impfstoff befindet, zu einer stärkeren Aktivierung des Immunsystems gegenüber anderen Impfstoffen führe und dies gegebenenfalls ebenfalls auslösender Faktor der dann eintretenden Narkolepsie-Erkrankungen sein könne. Eine ähnliche verstärkte Reaktion des Immunsystems sei jedoch auch beim Kläger zu beobachten gewesen. Letztlich sei jedoch unklar, inwieweit bestimmte Viren oder die Bestandteile von Impfstoffen direkt zu einer Immunreaktion führen könnten oder eine direkte Schädigung der Hypokretin produzierenden Neuronen oder eine Kreuzreaktion des Immunsystems verursachen könnten, welche dann eine Narkolepsie auslösen könne. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass auch ausführliche Abhandlungen und Studien zur Wahrscheinlichkeit des Eintrittes einer Narkolepsie-Erkrankung nach der Infektion mit dem H1N1-Virus als solchem und der Impfung mit einem entsprechenden H1N1-Antigen bestehen würden. Auch habe in wissenschaftlichen Arbeiten nachgewiesen werden können, dass Impfungen allergische Reaktionen auslösen und dies zu einem Auftreten von neuroimmunologsichen Erkrankungen führen kann, beispielsweise bei FSME-Impfungen, die ebenfalls mit dem Auftreten von Narkolepsie-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Zwar sei die Konzentration des H1N1-Virusstammes im Wirkstoff VAXIGRIP geringer als die Konzentration im Impfstoff PANDEMRIX. Jedoch sei das Immunsystem des Klägers durch die Mehrfachimpfung erheblich angeregt worden, sodass hierdurch die Möglichkeit einer kausalen Verbindung zwischen der erfolgten Impfung sowie dem Auftritt der Narkolepsie-Erkrankung anzunehmen sei. Hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs sei in Studien nachgewiesen worden, dass die Entstehung einer Narkolepsie-Erkrankung auch bis zu 700 Tage nach der konkreten Einwirkung bzw. Infektion erst eintreten könne. Es handle sich um einen schleichenden Prozess. Da der Kläger mit entsprechenden Beeinträchtigungen erstmals im Mai 2014, also etwa sechs Monate nach der Impfung seinen Hausarzt aufgesucht habe, genüge dies, um einen entsprechenden zeitlichen Zusammenhang ebenfalls anzunehmen.
Dem Sachverständigengutachten ist die Beklagte wiederum entgegengetreten. Sie hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass eine konkrete Studienlage zu dem konkreten Impfstoff VAXIGRIP nicht erkannt werden könne. Erhebungen hierzu lägen nicht vor. Die Häufung der Narkolepsie-Erkrankungen sei nur nach Impfungen mit dem Impfstoff PANDEMRIX festgestellt worden. Auch bei anderen Impfstoffen wie Arepanex und Focetri, welche den gleichen Virusstamm beinhalten würden, sei – wie auch bei VAXIGRIP – keine gesteigerte Inzidenz festzustellen gewesen. Darüber hinaus sei zum jetzigen Zeitpunkt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen VAXIGRIP und dem Eintritt einer Narkolepsie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Auch eine Unsicherheit für die Ursache des festgestellten Leidens bestehe nicht, da die Ursache für die Erkrankung mit Narkolepsie hinreichend plausibel zwischenzeitlich wissenschaftlich festgestellt sei. Auch werde die Ursache des exogenen Schädigungsfaktors (hier die VAXIGRIP-Impfung) nicht in wissenschaftlichen Arbeitshypothesen theoretisch fundiert in Erwägung gezogen für die Auslösung einer Narkolepsie-Erkrankung, da es überhaupt keine Erkenntnisse für den Zusammenhang zwischen den konkreten Schädigungsfaktoren, nämlich einer Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP, gäbe. Eine wissenschaftliche Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Impfung und Narkolepsie gäbe es nicht. Auch die zeitliche Komponente nicht ausreichend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Verwaltungsakte, sowie der vorbereitenden Schriftsätze und den weiteren Inhalten der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie ist als Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger wird durch den angegriffenen Bescheid vom 21.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2017 beschwert. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig (vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn der Kläger kann einen Anspruch auf Versorgung mit Leistungen nach dem IFSG in Verbindung mit dem BVG für sich geltend machen. Gem. § 60 Abs. 1 IFSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Profilaxe, die
1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen eines Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Für die Versorgung nach den §§ 60 bis 63 IfSG sind nach § 64 IfSG die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Regierung des Landes, das die Versorgung zu gewähren hat. Dementsprechend war vorliegend für das Land P zutreffender Weise das P-Amt für Versorgung und Soziales G, Regierungspräsidium T, zuständig.
Entsprechend dem Staatsanzeiger für das Land P vom 11.11.2013 (StAnz.46/2013 S. 1404 ff.) und auf Grundlage des Erlasses vom 22.12.2011 wurden für P Schutzimpfungen der jeweils gültigen Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut öffentlich für das Land P empfohlen. Darunter finden sich auch die Impfungen, welche dem Kläger verabreicht wurden. Wer durch eine solche Impfung oder eine andere dort genannte Maßnahme der spezifischen Profilaxe eine gesundheitliche Schädigung erleidet, erhält auf Antrag § 60 Abs. 1 IfSG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen eine Entschädigung für die Versorgung entsprechend den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, sofern die §§ 60-63 IfSG nichts Abweichendes bestimmen. Der Antrag ist beim p Amt für Versorgung und Soziales G zu stellen.
Der Kläger kann sich jedoch nicht auf einen Anspruch nach § 1 Abs. 3 S. 1 BVG in Verbindung mit § 60 IfSG stützen. Danach genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Hinreichend bewiesen und auch nicht weiter in Zweifel gezogen wurde vorliegend, dass bei dem Kläger eine Narkolepsie-Erkrankung mit Kataplexie besteht. Dies wird auch gestützt durch die Ergebnisse der verschiedenen diagnostischen Maßnahmen durch das behandelnde Klinikum W als auch das behandelnde Universitätsklinikum N, in denen unter anderem ein deutlich erniedrigter Hyprokretin-Spiegel als auch die entsprechende genetische Disposition für Narkolepsie-Erkrankungen bei dem Kläger nachgewiesen wurden. An den vom Kläger geschilderten eingetretenen Symptomen wie dem imperativen Schlafdrang und ständige Müdigkeit etc. bestehen für die Kammer keine Gründe zu zweifeln. Nach § 2 Nr. 11 IfSG ist im Sinne des Gesetzes ein Impfschaden die gesundheitliche oder wirtschaftliche Folge einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung durch eine Schutzimpfung. Die hier beim Kläger vorliegende Narkolepsie genügt diesem Schadensbegriff. Denn es handelt sich nicht nur – daran besteht kein Zweifel – um eine Impfreaktion als “zumutbare Nebenwirkung”, sondern um eine erheblich über dieses Maß hinausgehende krankhafte dauerhafte Störung, welche eingetreten ist. Dementsprechend liegt eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung im Sinne eines Impfschadens vor.
Ebenso unzweifelhaft ist als schädigender Vorgang die hier in Betracht zu ziehenden Mehrfachimpfungen unter anderem mit dem Impfstoff VAXIGRIP in Bezug zu nehmen. Bei den verabreichten Impfungen handelte es sich auch in allen Fällen ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen wissenschaftlichen Ausführungen des epidemiologischen Bulletins Nummer 34 vom 26.08.2013 um empfohlene Impfungen für Personen im Alter und vom Geschlecht des Klägers.
Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die “Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Ausreichend ist hierfür, dass nach geltender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht; diese erleichterte Beweisanforderung genügt auch für den medizinischen Ursachenzusammenhang zwischen schädigendem Vorgang und gesundheitlicher Schädigung (Rohr/Sträßer/Dahm, Kommentar zum Bundesversorgungsgesetz, Stand: 111. Ergänzungslieferung Juni 2019, § 1 Nr. 11, mit Verweis auf LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.10.1997 – L 3 V 41/96; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27.08.1998 – B 9 VJ 2/97 R; BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, RdNr 37 juris).
Während hinsichtlich des Impfstoffes PANDEMRIX, welcher auch das Adjuvanz AS03 der Firma Glaxo-Smith-Kline enthält, zwischenzeitlich von einer hinreichend gesicherten medizinischen Erkenntnislage ausgegangen werden kann, sodass regelmäßig der Begriff der Wahrscheinlichkeit nach § 1 Abs. 3 S. 1 BVG erfüllt sein dürfte, können diese Erkenntnisse zur Überzeugung der Kammer nicht ohne Weiteres auf die vorliegende Situation der Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP übertragen werden. Zwar beinhaltet der Impfstoff VAXIGRIP unter anderem den gleichen Virenstamm wie der Impfstoff PANDEMRIX. Darüber hinaus ist die Zusammensetzung jedoch eine andere. Insbesondere ist die Konzentration der in dem Impfstoff PANDEMRIX enthaltenen Virenstämme deutlich höher als bei dem Impfstoff VAXIGRIP, zum anderen beinhaltet der Wirkstoff PANDEMRIX das benannte Adjuvanz AS03, welchem eine impfverstärkende Wirkung einerseits zugesprochen wird, andererseits bislang medizinisch nicht hinreichend festgestellt werden kann, ob und in welchem Ausmaß dieser Stoff mitverantwortlich ist für ein Eintreten von Narkolepsie-Erkrankungen nach Verimpfung des Wirkstoffes. Dies hat das Robert-Koch-Institut ausdrücklich dargelegt. Diese Überzeugung der Kammer beruht auf der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere auf den Ausführungen der Sachverständigen Dr. L und den konkreten Angaben des PEI.
Allerdings kann sich der Kläger auf einen Anspruch nach §§ 60 ff. IfSG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 S. 2 BVG stützen. Nach dieser sogenannten “Kann-Versorgung” können auch Gesundheitsstörungen anerkannt werden, bei denen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nur deshalb nicht gegeben ist, weil über deren Ursache in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Für eine solche Anerkennung genügen geringere Anforderungen, als hinsichtlich des Begriffes der Wahrscheinlichkeit. Im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeit genügt eine “gute Möglichkeit” (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 9/9a VS 5/06 R; Rösner, Anerkennung von Leiden unbekannter Ursache in § 1 Abs. 3 S. 2 BVG, Med Sach 115, 5 (6)). Die hierfür bestehenden Anforderungen sind durch die Rechtsprechung einerseits, andererseits auch durch die verordnungsgeberische Tätigkeit in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung – Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) konkretisiert worden.
Die Konkretisierungen zur sogenannten “Kann-Versorgungen” sind in Teil C Abschnitt 4 VMG geregelt. Lässt sich die Frage des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne einer Wahrscheinlichkeit (Teil C Abschnitt 3.4 VMG) nicht bejahen oder verneinen und kann in Ausnahmefällen eine Gesundheitsstörung im Sinne der “Kann-Versorgung” als Schädigung zur Folge anerkannt werden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der festgestellten Gesundheitsstörung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Eine “Kann-Versorgung” kommt gemäß Abschnitt 4.3 nur in Betracht, wenn die einer Gesundheitsstörung zu Grunde liegende Ursache nicht durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert ist und wenn fundierte wissenschaftliche Arbeitshypothesen einen ursächlichen Zusammenhang begründen. Eine von dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft abweichende subjektive Auffassung eines einzelnen Wissenschaftlers oder einer einzelnen Wissenschaftlerin ist nicht mit Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft gleichzusetzen.
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist die Kammer davon hinreichend überzeugt, dass eine “gute Möglichkeit” für eine Ursächlichkeit der Impfungen des Klägers am 03.11.2013 mit dem Impfstoff VAXIGRIP sowie der weiteren Impfstoffe in engerem zeitlichen Zusammenhang und dem daraufhin sich spätestens ab Mai 2014 manifestierenden Erkrankung an einer Narkolepsie mit Kataplexie bestehen.
Dieser Zusammenhang ergibt sich zunächst zur Überzeugung der Kammer hinreichend aus den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. L. Diese hat ausführlich dargelegt, dass hinsichtlich des Impfstoffes VAXIGRIP – anders als hinsichtlich des Impfstoffes PANDEMRIX – keine hinreichende Studienlage für eine Wahrscheinlichkeit besteht, jedoch an verschiedener Stelle eine Vergleichbarkeit der hier vorliegenden Sachlage mit der Situation einer Verimpfung von PANDEMRIX bestehen. So beinhalten beide Impfstoffe denselben Virusstamm, wenn auch in anderer Konzentration. Die Bedeutung der Adjuvanz AS03 als Wirkstoffverstärker des Impfstoffes PANDEMRIX ist entsprechend des Ausführungen der Sachverständigen als auch des Robert-Koch-Institutes bislang ungeklärt, insoweit wird jedoch diskutiert, dass die Verstärkung insbesondere durch die Anregung des Immunsystems durch das Adjuvanz AS03 hervorgerufen werde. Eine solche Anregung des Immunsystems wird nach Studienlage – wie die Sachverständige ausführt – auch dem Entstehen von Narkolepsie-Erkrankungen bei Vorliegen einer der entsprechenden genetischen Disposition betreffend den Haplotyp, welcher auch beim Kläger nachgewiesen wurde, in Verbindung gesetzt mit. Nachvollziehbar für die Kammer weist die Sachverständige darauf hin, dass auch bei dem Kläger – ersichtlich schon durch die erhebliche Immunreaktion auf die Verimpfung der verschiedenen Impfstoffe im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang am 07.03.2013 – eine gesteigerte Erregung des Immunsystems des Klägers stattgefunden hat, die als zusätzlicher Faktor/Auslöser gedient haben kann.
Ferner existieren Studien, wie auch seitens der Sachverständigen beschrieben, die die Entstehung der Narkolepie-Erkrankungen im Zusammenhang mit dem H1N1-Erreger auf dessen Oberflächenstruktur und die ähnliche Struktur der körpereignen Hypocretin-bildenden Zellen zurückführen. So wird in dem vom Kläger aus einem Parallelverfahren vorgelegten Gutachten auf die Studie von Han et al., Ann Neurol. 70, S 410. verwiesen, in der aber nicht eine Verbindung zu konkreten H1N1-Impfstoffen, sondern dem H1N1 Erreger als solchem und dessen Oberflächenstruktur hergestellt wird. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte diesbezüglich gegenüber dem Gericht ausgeführt, dass VAXIGRIP denselben Virusstamm wie PANDEMRIX enthalte, der mit gesteigerten Fallzahlen von Narkolepsien deutlich in Verbindung gebracht werde. Jedoch enthalte VAXIGRIP anders als PANDEMRIX nicht das Adjuvanz AS03 als Impfverstärker, dessen Rolle jedoch nach heutigem Wissensstand noch unklar sei.
Zusammenfassend hat der Kläger nach Auffassung der Kammer nach durchgeführter Sachverhaltsermittlung und Beweisaufnahme die identische notwendige genetische Disposition für ein erhöhtes Risiko, an Narkolepsie zu erkranken. Er wurde mit dem Virusstamm behandelt, der in seiner Wirkweise als Virus bei Ansteckung einerseits als auch als Impfstoff PANDEMRIX mit der Entstehung von Narkolepsie-Erkrankungen in signifikant erhöhter Inzidenz in Verbindung gebracht. Eine weitere unbekannte Rolle scheint nach dem Stand der Wissenschaft auch das Adjuvanz AS03 zu spielen, welches eine Anregung des Immunsystems und impfverstärkende Wirkung hervorruft. Die Wissenschaft diskutiert derzeit zudem nicht nur vereinzelt darüber, dass die Entstehung einer Narkolepsieerkrankung unter den benannten Vorzeichen zusätzlich in Verbindung mit einer erheblichen Anregung des Immunsystems des jeweiligen Geschädigten in Verbindung steht, welche bei dem Kläger ausweislich der Feststellungen der Sachverständigen hinsichtlich der erheblichen Immunreaktion aufgrund der Mehrfachimpfstoffe anzunehmen ist, auch wenn ihm das Adjuvanz AS03 konkret nicht verabreicht wurde. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände erscheint es für die Kammer durchaus plausibel, dass aus diesen Bausteinen hinsichtlich des Standes der wissenschaftlichen Forschung und Diskussion – wie von der Sachverständigen dargestellt – abzuleiten ist, dass in dieser Konkreten Zusammensetzung des Einzelfalles die ursächlliche Entstehung einer Narkolepsie nebst Kataplexie als Reaktion auf die Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP in Verbindung mit den in zeitlichem Zusammenhang verabreichten Mehrfachimpfungen als “gute Möglichkeit” anzunehmen ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es zur Ansicht der Kammer für die Annahme dieser “guten Möglichkeit” nicht darauf an, dass zu dem konkreten Wirkstoff VAXIGRIP als solchem keine eigenständigen Studien durchgeführt wurden. Denn zur Überzeugung der Kammer, wie es auch die Sachverständige plausibel darstellt, genügt es, dass zu den einzelnen Faktoren, denen entsprechend der wissenschaftlichen Diskussion in ihrer Gesamtheit die konkrete Reaktion in Form einer Schädigung zugeschrieben wird, eine wissenschaftliche Diskussion über Wirkung und Wirkzusammenhänge geführt wird. Dies sind in diesem Fall der konkrete Virusstamm, das Auftreten einer erheblichen Immunreaktion bzw. Anregung des Immunsystems sowie die genetische Prädisposition, welche allesamt vorliegen.
Als nicht durchgreifend erachtet die Kammer den Einwand der Beklagten, dass der ursächliche Zusammenhang der Impfung mit dem Impfstoff VAXIGRIP sowie der weiteren hier vorgenommenen Impfungen einerseits und dem Entstehen der Narkolepsie-Erkrankung andererseits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei. Derartige ausschließende Studienergebnisse oder ähnliche Anhaltspunkte gibt es genauso wenig wie entsprechende bestätigende Studienergebnisse. Hierzu hat weder die Beklagte etwas vorgetragen, noch ist aus dem Sachverständigenvortrag der Sachverständigen Prof. Dr. L einerseits, als auch der sonstigen Sachverständigenstellungnahmen der Beteiligten hierzu etwas festzustellen. Im Gegenteil führt die Beklagte selbst in ihrem Widerspruchsbescheid, den Studienergebnissen des Robert-Koch-Institutes entnommen, aus, dass die Schlafstörung Narkolepsie assoziiert wird mit dem HLA-DQB1*0602 Haplotyp, der Impfung mit PANDEMRIX (einerseits) und möglicherweise auch mit der Infektion durch den Influenza- Virusstamm A/California. Insofern erscheint es der Kammer eine verkürzte Sichtweise, hinsichtlich der wissenschaftlichen Diskussion lediglich auf den konkreten Impfstoff und dessen Zusammensetzung abzustellen, wenn sich die medizinische Wissenschaft und Forschung insbesondere auch mit den verschiedenen Bestandteilen eines Impfstoffes, insbesondere hier mit dem konkreten Virusstamm, und seiner möglichen Assoziation mit der Auslösung von Narkolepsien, ggf. durch eine Kreuzreaktion aufgrund der ähnlichen Beschaffenheit der Viruszellen-Oberfläche und der Oberfläche der Hypocretin-bildenden körpereigenen Zellen beschäftigt. Die Kammer hält es nicht für notwendig, dass zu einem konkreten Impfstoff in seiner konkreten Zusammensetzung eine konkrete Studienlage besteht, sondern es genügt vielmehr, wenn zu den einzelnen Bestandteilen / Faktoren und ihren Zusammenhängen jeweils eine Studienlage sowie eine wissenschaftliche Diskussion besteht. Dies ist hinsichtlich der genetischen Disposition, der Notwendigkeit einer Anregung des Immunsystems sowie dem konkreten Virusstamm A/California vorliegend der Fall.
Auch vermag die Kammer sich nicht der Ansicht der Beklagten anzuschließen, dass es hinsichtlich des festgestellten Leidens keine “Unsicherheit über die Ursache” i.S.d. Teils C Abschnitt 4 VMG gäbe, da der konkrete Entstehungsprozess einer Narkolepsie hinreichend medizinisch geklärt sei. Abschnitt 4.3 Teil C VMG lautet diesbezüglich :” Eine Kann- Versorgung kommt nur in Betracht, wenn die einer Gesundheitsstörung zugrundeliegend Ursache(Ätiologie) nicht durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert ist (…)”.
Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 3 S. 2 BVG und Teil C Abschnitt 4 VMG wird zur Überzeugung der Kammer deutlich, dass hinsichtlich der Ätiologie aber gerade über die Frage nach der möglichen Ursächlichkeit einer konkreten exogenen Einwirkung Sicherheit oder Unsicherheit bestehen muss und nicht, wie die Formulierung vermuten ließe, lediglich darauf abzustellen ist, ob überhaupt die Ätiologie einer bestimmten Gesundheitsstörung bekannt ist oder nicht. Diese Auslegung ergibt sich zum einen aus dem systematischen Argument, dass der gesamte Abschnitt 4 des Teil C die Bewertung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Einwirkung von außen und einer Gesundheitsstörung betrifft. Auch die Frage der Ätiologie muss zur Überzeugung der Kammer dann auf diese konkrete Einwirkung von außen bezogen sein, also, ob diese Einwirkung die Gesundheitsstörung hervorrufen kann und ggf. wie und mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit. Gestützt wird diese Auslegung durch einen Vergleich zur früheren Formulierung des Abschnitts 4 Teil C VMG in der Fassung bis zum 18.12.2019 (a.F.). Die Fassung des Teil C Abschnitt 4 a.F. lautete noch auszugsweise unter b.: “Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
(aa) (…)
(bb) wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ein ursächlicher Einfluss, der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. (…)”
Aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass gerade die ursächliche Bedeutung eines Schädigungstatbestandes oder einer Schädigungsfolge in den Fokus genommen werden muss, der für die Entstehung und den Verlauf des konkreten Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. Da die Neufassung des Abschnitts 4 die Regelung des bisherigen Abschnitts 4 in der bis zum 18.12.2019 geltenden Fassung lediglich “zusammengefasst” hat (Bt-Drs. 19/13824), lässt sich zur Auslegung der Regelung auch die ehemalige Fassung zur Überzeugung der Kammer heranziehen.
Es genügt also zur Überzeugung der Kammer nicht, dass der Konkrete Krankheitsablauf – hier, u.a. die massive Verminderung des Hypocretin-Spiegels – bekannt ist, sondern die notwendige “Unsicherheit” besteht vorliegend in der Frage des konkreten Zusammenhangs zwischen der Anwendung eines Impfstoffs, der einen Virusstamm enthält, welcher aufgrund seiner Oberflächenstruktur körpereigenen hypocretinbildenden Zellen ähnelt und bei dessen Kontakt es vermehrt zu entsprechenden Krankhaften Reaktionen gekommen ist, wenn eine bestimmte genetische Disposition vorliegt und – ebenso vermutlich – wenn eine besondere Anregung des Immunsystems zeitgleich auftritt. Da über diesen pathogenen Zusammenhang keine einheitliche wissenschaftliche Meinung besteht, aber über diese Zusammenhänge verschiedentlich diskutiert wird, sind diese Voraussetzungen erfüllt.
Sofern die Beklagte darüber hinaus der Meinung ist, dass eine wissenschaftliche Evidenz für den Zusammenhang der stattgehabten Impfungen und der Narkolepsie nicht bestehen würden, so kommt es auf diesen Umstand nicht an, da bei Vorliegen einer “wissenschaftlichen Evidenz” bereits der Begriff der “Wahrscheinlichkeit” nach § 1 Abs. 3 S. 2 BVG ausgefüllt wäre und es auf das Bestehen einer “guten Möglichkeit” gerade nicht ankäme.
Die Kammer erkennt auch einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem Auftreten der konkreten Symptomatik der Beklagtenschädigung. Der Kläger hat ausweislich der Aktenlage den Hausarzt Dr. U mit den Beeinträchtigungen einer ständigen Müdigkeit sowie imperativer Schlafattacken etc. erstmals im Mai 2014 aufgesucht. Die Sachverständige weist nachvollziehbar darauf hin, dass es bei der vorliegenden Krankheit und dem zu den Beeinträchtigungen führenden Geschehen um Prozesse handelt, die nach Studienlage auch noch bis zu 700 Tage nach Beginn der Erkrankung erst zu den entsprechenden Symptomatiken führen können. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Kammer hinreichend plausibel, dass nach dem Zeitpunkt der Impfungen im November 2013 der Kläger dann im Mai 2014 den behandelnden Hausarzt erstmals wegen erheblicher Beeinträchtigungen aufsuchte. Diesbezüglich berücksichtigt die Kammer auch, dass eine erhöhte Müdigkeit in den Wintermonaten nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht selten auftreten kann, sondern bei einem Großteil der Bevölkerung ein bekanntes Phänomen ist. Zudem hat die Kammer auch berücksichtigt, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht schon bei den ersten Müdigkeitsanzeichen davon auszugehen wäre, dass der Kläger ein krankhaftes Geschehen vermutet und sich in ärztliche Behandlung begibt, sondern für ihn zunächst ein Niveau und eine Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigungen erreicht werden musste, die den Kläger schlussendlich dazu veranlassten, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das in diesem Fall bestehende Zeitfenster von ca. sechs Monaten erachtet die Kammer diesbezüglich als angemessen.
Der bestehende Grad der Schädigung ist seit dem 01.01.2015 mit 50 zu bewerten. Diesbezüglich hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit in Hanau aufgegeben hat, da es ihm nicht mehr möglich war, die notwendigen Abläufe hinsichtlich der Pendelfahrten zu bewältigen. Zu diesem Zeitpunkt manifestierten sich jedenfalls derart erhebliche Beeinträchtigungen, die ihn in seiner Erwerbstätigkeit erheblich beschränkten. Insoweit wurde zwar auch ein GdB in Höhe von 50 festgestellt, dieser berücksichtigte jedoch einerseits die gesamte Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in seiner Lebenswirklichkeit und nicht nur im Bereich der Erwerbsfähigkeit. Andererseits hat der Kreis Recklinghausen bei dieser Bewertung ausweislich des Bescheides vom 20.05.2015 nicht nur die Narkolepsie-Erkrankung sondern auch das bestehende obstruktive Schlafapnoe-Syndrom zur Bewertung des GdB herangezogen. Anhaltspunkte dafür, dass auch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom mit den hier vorliegenden Impfungen im Zusammenhang stünde und daher in die Bewertung des Grades des GdS mit einzubeziehen wäre, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Für einen Zeitraum vor dem 01.01.2015 vermochte die Kammer keine hinreichenden Feststellungen zu den bestehenden Beeinträchtigungen zu treffen, sodass ein GdS vor diesem Zeitpunkt nicht anzuerkennen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.