Soziales
Entschädigungsrecht

III. 1.  Bundesversorgungsgesetz

 

Gliederung

a) Militärischer Dienst
b) Militärähnlicher Dienst
c) Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse
d) Wegeunfälle
e) Zivilisten, Kriegsgefangene und sonstige Personen

 

Einleitung

 

Das "Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges" vom 20.12. 1950 ist am 01.10.1950 (rückwirkend) in Kraft getreten. Es war eines der ersten großen Sozialgesetze der Bundesrepublik. Das Gesetz betrifft Personen, die im Zusammenhang mit militärischem oder militärähnlichem Dienst (- der auch schon vor oder erst nach dem Zweiten Weltkrieg geleistet worden sein konnte -) oder im Zusammenhang mit sonstigen Kriegsereignissen geschädigt worden sind.

Nach § 1 Abs. 1 BVG erhält auf Antrag Versorgung,

"wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat".

Diese Versorgung wird gewährt

"wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung".

Der Wortlaut dieser Vorschrift könnte dazu verleiten, auch die Soldaten der Bundeswehr (BW) oder der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR (NVA) hier einzubeziehen. Dies ist jedoch nicht der Fall: für BW-Soldaten gilt das SVG, das zwar ähnliche, jedoch zum Teil auch andere Voraussetzungen für die Versorgung enthält und lediglich hinsichtlich des Umfangs der Versorgung auf die Vorschriften des BVG verweist.

Bei NVA-Angehörigen ist die Sache schwieriger: Sie werden im Regelfall in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, es sei denn, es handelte sich um DDR-Flüchtlinge, die gesetzlichen Wehrdienst geleistet hatten (Wehrpflicht) und die vor der Herstellung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion (19. Mai 1990) nach Westdeutschland gelangt waren. Diese erhielten und erhalten den sog. "Härteausgleich" nach § 89 BVG (vgl. dazu BMA-Rundschreiben vom 08.10. 1991 in BArbBl. 1991, Heft 12, S. 81; BSG, Urteile vom 25.10.1989 - 2 RU 40/86 -, vom 18.06.1996 - 9 RV 6/94 -, vom 24.02.2000 - B 2 U 8/99 R - und vom 16.04.2002 - B 9 V 7/01 R -). Diese Eingliederung früherer, vor Mai 1990 übergesiedelter DDR-Bürger in das BVG / SVG-System bedeutet allerdings auch, dass ihre Versorgung erst mit einem GdS von 25 v.H. beginnt (vgl. § 31 BVG; s. dazu unter "VIII. Umfang der Versorgung 3. Beschädigtenrente a) Grundrente"), während die Versorgung von NVA-Opfern in den neuen Bundesländern schon bei einer MdE von 20 v.H. einsetzt, weil sie nach unfallversicherungsrechtlichen Grundsätzen entschädigt werden (§ 56 SGB VII).

Berufssoldaten oder Freiwillige, die in der NVA Dienst geleistet und eine Schädigung erlitten haben, erhalten keine Versorgung nach dem BVG oder dem SVG.  Dienstbeschädigtenrenten der DDR aus Sonderversorgungssystemen (Dienstbeschädigungsvollrente und Dienstbeschädigungshinterbliebenenrente <vgl. § 4 Abs. 2 AAÜG>, nicht aber der Dienstbeschädigungsausgleich - LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.03.2011 - L 2 VS 30/08 -) werden durch die Deutsche Rentenversicherung weitergezahlt. Den übrigen Betroffenen steht nach dem DbAG ab 01.01.1997 eine Sonderleistung ("Ausgleich") in Höhe der BVG-Grundrente zu.

 

Grundsätzlich enthält das BVG - mit Ausnahme der Anpassungen an die Leistungshöhe (z.B. Zahlbeträge) - statisches Recht; d.h. Änderungen sind kaum zu vermerken.

Als wesentlich erscheinen aber:

1. Durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGB. I 2007, S. 2904 ff) wurde der bisher verwandte Begriff MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) durch GdS (Grad der Schädigungsfolgen) ersetzt. Das soll der Klarstellung dienen; damit verbunden sind keinerlei materiell-rechtliche Änderungen.

2. Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes sind Ehepartnern gleichgestellt worden (Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 - BGBl. 2004 I S. 3396 ff).

3. (Spät) eingefügt wurde eine Leistungseinschränkung für NS-Täter (§ 1a BVG durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 14.01.1998, BGBl. I S. 66 ff):

Danach erhält der derjenige, der während der NS-Herrschaft gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, keine Versorgung. Dies gilt auch für seine Hinterbliebenen. Die Vorschrift ermöglicht in Fällen früher erfolgter Leistungsbewilligung an NS-Täter (vgl. den Fall des berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler, dessen Witwe trotz erheblichen öffentlichen Aufsehens bis zu ihrem Tod Witwenrente nach dem BVG bezog) zudem die Entziehung der BVG-Leistungen (Ermessensentscheidung, vgl. § 1a Abs. 2 und 3 BVG). Im Ergebnis scheint es sich indes um eine Regelung zu handeln, bei der sich die Sachaufklärung zumindest in nicht offenkundigen Fällen als durchaus schwierig bzw. bei realistischer Betrachtung eher als unmöglich erweist (vgl. dazu u.a. BSG, Urteil vom 06.07.2006 - B 9a V 5/05 R -).

Der Ausschluss von Versorgungsleistungen gilt jedoch nicht für Ansprüche, die auf schädigende Einwirkungen zurückzuführen sind, denen es an einem engen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat fehlt, z.B. bei während der Kriegsgefangenschaft erlittenen Schädigungsfolgen (BSG, Urteil vom 25.11.2005 - B 9a/9 V 8/03 R -).