Soziales
Entschädigungsrecht

III. 2.  Soldatenversorgungsgesetz

 

g) Verfahrensrechtliche Besonderheiten

 

aa) Rechtslage bis zum 31.12.2014

Die Durchführung des SVG oblag bis zum 31.12.2014 zwei Leistungsträgern: Den Ausgleich (§ 85 Abs. 1 SVG) - eine besondere rentenähnliche Entschädigungsleistung während der Dienstzeit - stellte der Dienstherr des Soldaten fest, also der Bund. Dies war sinnvoll, denn auch alle sonstigen Bezüge erhält der Soldat aus Bundeskassen. Zuständig für Leistungsfestsetzung und -zahlung war das den Soldaten betreuende Wehrbereichsgebührnisamt; Widerspruchsstelle und vertretungsberechtigt im Klageverfahren war die Wehrbereichsverwaltung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. "Das Bundesministerium der Verteidigung führt die §§ 85 bis 86 bei Behörden der Bundeswehrverwaltung durch.")

Versorgungsleistungen nach Ausscheiden aus dem Wehrdienst gewährte hingegen das örtlich zuständige Versorgungsamt als Landesbehörde (im Auftrag des Bundes, § 88 Abs. 1 Satz 2 SVG a.F. "Im Übrigen wird der Dritte Teil dieses Gesetzes von den zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden im Auftrag des Bundes durchgeführt. In Angelegenheiten des Satzes 2 ist zuständige oberste Bundesbehörde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.").

Um sicherzustellen, dass die unterschiedlichen Entscheidungsträger keine divergierenden Verwaltungsakte erlassen, ordnete § 88 Abs. 3 SVG a.F. an, dass die zeitlich vorangehende Entscheidung der erstentscheidenden Behörde die später entscheidende Behörde bindet ("Die bekannt gegebene Entscheidung einer Behörde der Verwaltung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 oder im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 sowie die rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Absatzes 1 ist für die Behörde der jeweils anderen Verwaltung verbindlich."). Dies betraff nicht nur die Frage der Wehrdienstbeschädigung, der Versorgungsberechtigung in besonderen Fällen und die Fragen des ursächlichen Zusammenhangs - so der Wortlaut des § 88 Abs. 3 SVG a.F. -, sondern auch die Frage der einmal festgestellten Leistungshöhe, mithin des GdS (vgl. dazu BSG, Urteile vom 16.05.1995- 9 RV 1/94 - und vom 02.07.1997 - 9 RV 21/95 -). Das war bedeutsam für die Bindung der Behörden z.B. auch an eine überhöhte GdS-Bewertung oder für die Bindungsfrist, nach der der GdS nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides niedriger festgesetzt werden darf (§ 62 Abs. 2 BVG). Die Bindungswirkung setzte allerdings nach ihrem Sinn voraus, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Zahlung des Ausgleichs (bis Dienstzeitende) und dem Antrag auf Zahlung einer Versorgungsrente (für eine Zeit nach dem Wehrdienst) bestand. Lagen dazwischen fast zehn Jahre, bestand keine Bindungswirkung mehr (BSG, Urteil vom 25.03.2004 - B 9 VS 2/01 R -). Auch ansonsten bestand die Bindungswirkung nicht uneingeschränkt. Nach § 88 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SVG a.F. stand die Bindungswirkung einer anderweitigen Entscheidung der Versorgungsämter nicht entgegen, wenn sich die Feststellung des GdS von Anfang an als fehlerhaft erweist oder eine wesentliche Änderung der für die GdS-Feststellung maßgeblichen Verhältnisse eintrat ("Eine Behörde einer Verwaltung kann jedoch von der Entscheidung einer Behörde der jeweils anderen Verwaltung im Sinne des Absatzes 1 in deren Benehmen unter den Voraussetzungen der §§ 44 und 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, von der rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit unter den Voraussetzungen des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch abweichen. Eine nach Absatz 1 Satz 2 zuständige Behörde kann darüber hinaus von der Entscheidung einer nach Absatz 1 Satz 1 zuständigen Behörde oder von einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit unter den Voraussetzungen des § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch abweichen."). Bei anfänglicher Unrichtigkeit konnte die Versorgungsverwaltung die Entscheidung über §§ 44 bzw. 45 SGB X korrigieren. Lagen die Voraussetzungen des § 48 SGB X vor, konnte der GdS - allerdings nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides der erstentscheidenden Behörde (§§ 85 Abs. 4 Satz 2 SVG, 62 Abs. 2 BVG) - auch niedriger festgesetzt werden. (BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VS 1/99 R -).

Die Bindungswirkung hatte zur Folge, dass etwa in einem beim Sozialgericht anhängigen Rechtsstreit über den Ausgleich das Wohnsitzland (zwingend) beigeladen werden musste (§ 75 Abs. 2 SGG - notwendige Beiladung, natürlich erst, sobald der Soldat (zwischenzeitlich) aus dem Dienst ausgeschieden und geklärt ist, wo er seinen Wohnsitz genommen hat.

bb) Rechtslage ab 01.01.2015

Mit dem Gesetz zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG auf den Bund (BundesZustBHVersÜG) vom 15.7.2013 (BGBl I 2416) ist die Zuständigkeit für die Versorgung der Wehrdienstbeschädigten nach Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen mit Wirkung zum 01.01.2015 (weitgehend) von den Ländern auf den Bund übergegangen (s. § 88 Abs 1 SVG i.d. ab 01.01.2015 geltenden Fassung "Die Versorgung nach dem Dritten Teil wird von Behörden der Bundeswehrverwaltung durchgeführt. Soweit die Versorgung in der Erbringung von Leistungen nach den §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes besteht, wird der Dritte Teil von den für die Durchführung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz zuständigen Behörden im Auftrag des Bundes durchgeführt. In Angelegenheiten nach Satz 2 ist die zuständige oberste Bundesbehörde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales."). Mit Wirkung zum 01.01.2016 wurden auch die Sätze 2 und 3 des § 88 Absatz 1 SVG aufgehoben (s. die ab 01.01.2016 geltdende Fassung des § 88 Abs 1 SVG), so dass damit ausnahmslos die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist. Dort nimmt seit dem 01.01.2015 das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Betreuung der Ansprüche aus dem Sozialen Entschädigungsrecht - im Rahmen einer sog. "Versorgung aus einer Hand" - wahr (s. dazu auch BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 9 V 1/15 R - noch zu der Rechtslage 2015 und auch zu den Fragen eines Beteiligtenwechsels und einer Beiladung). Hintergrund der gesetzlichen Änderungen war, dass der Gesetzgeber zur Vereinfachung für die Betroffenen unter Abschaffung der bisherigen Zuständigkeitsabgrenzungen eine "Versorgung aus einer Hand" schaffen wollte (vgl. BR-Drucks. vom 08.02.2013, 101/13; BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 9 V 1/15 R -). Im Zuge der Gesetzesänderungen wurden auch die Zustimmungsvorschriften des SVG angepasst; es kommt nunmehr in Zustimmungsfällen (z.B. (§ 81 Abs. 6 SVG) auf die Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung, ggf. im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, an.