In der Reihe der für einen Versorgungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen müssen - nach der Zugehörigkeit zu einem geschützten Personenkreis (Abschnitt III) und dem Eintritt eines schädigenden Ereignisses (Abschnitt IV) sowie einer gesundheitlichen Schädigung (Abschnitt V)- nun noch die Folgen dieser Schädigung festgestellt werden, da es in allen Gesetzen des sozialen Entschädigungsrechts heißt, dass
Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen
gewährt wird.
Die gesundheitlichen Folgen einer Schädigung bilden die eigentliche Grundlage jeglichen Versorgungsanspruchs, da es allein eine Entschädigung der wirtschaftlichen Folgen nicht geben kann, ohne dass eine gesundheitliche Schädigung mit ihren Folgen vorhanden wäre.
Infolgedessen richtet sich jeder Versorgungsantrag zunächst auf die Anerkennung der gesundheitlichen Folgen einer Schädigung, mit der dann oft, aber nicht immer, auch die Gewährung von Leistungen (s. dazu VIII. Umfang der Versorgung) verbunden ist.
Beispiel:
Der Soldat S stürzt bei einer Geländeübung.
(= geschützte Person + schädigendes Ereignis)
Er erleidet einen Bruch des Unterschenkelkochens.
(= gesundheitliche Schädigung).
Infolge unglücklicher Komplikationen muss das Bein im Unterschenkel amputiert werden.
(= Folge der Schädigung = Verlust des Beines im Unterschenkel).
Er erhält Versorgungsrente nach einem GdS um 50 v.H.
(= Umfang der Versorgung).
Auch wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seiner Antragstellung wegen der Geringfügigkeit der bestehenden Schädigungsfolgen und der fehlenden Behandlungsbedürftigkeit anfangs oft keinerlei Leistungen zu beanspruchen hat, müssen auf seinen Antrag hin doch die Schädigungsfolgen in einem förmlichen Bescheid festgestellt (anerkannt) werden. Auf diese Feststellung besteht ein Rechtsanspruch, da sie eventuell später - z.B. bei einsetzender Verschlimmerung der Schädigungsfolgen oder auch bei einer Rechtsänderung - Grundlage von Versorgungsleistungen werden kann. Umgekehrt ist kein Anspruch auf Feststellung einer gesundheitlichen Schädigung - etwa einer Infektion - für sich allein gegeben, wenn diese keine Schädigungsfolgen hinterlassen hat und auch keine Folgen mehr zu befürchten sind (anders als bei den o.a. Schäden, die noch später eine Verschlimmerung erfahren können).
Beispiel:
Die Wehrbereichsverwaltung lehnt gegenüber dem noch Wehrdienst leistenden Soldaten SZ die Zahlung eines Ausgleichs (siehe § 85 SVG) wegen einer nur geringfügigen Tbc ab, weil kein renten- bzw. ausgleichsberechtigender GdS erreicht werde. Einer Feststellung von Schädigungsfolgen bedürfe es nicht, solange keine Geldleistungen zu erbringen seien, weil ein Soldat wegen aller Gesundheitsstörungen freie Heilfürsorge habe.
Diese Entscheidung ist unrichtig! Hier ist es - schon wegen der Bindungswirkung gegen die nach Ausscheiden aus dem Dienst leistungspflichtige Landesverwaltung (s. dazu III. 2. SVG g) Verfahrensrechtliche Besonderheiten) - wichtig, feststellen zu lassen, welche Gesundheitsstörungen genau wehrdienstbedingt sind (BSG, Urteil vom 16.03.1994 - 9 RV 2/93 -).
Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen von Schädigungsfolgen, also etwa ein Herzleiden, "voll" bewiesen sein muss. Diagnostische Zweifel an Bestehen oder Art der Erkrankung gehen zu Lasten des Antragstellers. Nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen ist demgemäß z.B. ein "Verdacht auf Durchblutungsstörungen". Oder: Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfall- bzw. Schädigungsfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (z.B. ICD 10) unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erforderlich, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.03.2016 - L 2 U 117/14 - m.w.N.).
Sind Schädigungsfolgen bereits bindend durch einen Bescheid festgestellt, können später Schädigungsfolgen, die zum Zeitpunkt dieser Feststellung bereits vorhanden waren, nicht aufgrund eines Antrag nach § 48 SGB X, sondern nur aufgrund eines Antrags nach § 44 SGB X Berücksichtigung finden (Bayerisches LSG, Urteil vom 09.12.2014 - L 15 VK 2/14 -).
Bedeutende wirtschaftliche Folgen erfassen zunächst § 30 Abs. 2 ff BVG (Grundrentenerhöhung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit; Berufsschadensausgleich): Hierbei geht es um die besonderen beruflichen Beeinträchtigungen, die eine Gesundheitsstörung mit sich gebracht hat.
Beispiel:
Wenn der früher als Kellner, dann als Gastwirt tätige Soldat, der im Weltkrieg in Russland ein Bein verliert, dadurch seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, dann hat die staatliche Gemeinschaft auch für dieses Sonderopfer gezielt aufzukommen und die Rentenleistungen gegebenenfalls angemessen zu erhöhen bzw. eine Berufsförderung zu gewähren.
Wer in eine wirtschaftliche Notlage gerät, erhält zudem eine einkommensabhängige Ausgleichsrente, ebenso eine Milderung der - vermuteten - wirtschaftlichen Folgen der Schädigung (§ 33 BVG). Diese Leistung wird selbst dann gewährt, wenn sich nicht einmal ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang zwischen Schädigung und dieser Beeinträchtigung wahrscheinlich machen lässt.
Leistungen der Kriegsopferfürsorge treten darüber hinaus in besonderen Not- oder Bedürfnislagen ein.
Hinterbliebene (II. Gemeinsame Begriffe 2) Hinterbliebene), deren Lebensunterhalt auch deshalb eingeschränkt ist, weil der verstorbene Beschädigte wegen der Schädigung nicht ausreichend vorsorgen konnte, erhalten über die Grundrente hinaus z.B. Beihilfen, Schadensausgleich und/oder Ausgleichsrenten (s. dazu im Einzelnen unter VIII. Umfang der Versorgung).
Bei alledem sind zwei Grundsätze zu beachten: Weil zum einen ein genauer Ausgleich aller Schädigungsfolgen faktisch nicht zu berechnen ist und von vielen Unwägbarkeiten abhängt, zum anderen ein voller Ausgleich die staatliche Leistungsfähigkeit übersteigen könnte, darüber hinaus praktikable, für die schnell handelnde Massenverwaltung geeignete Handlungsvorgaben benötigt werden, werden die Leistungen der sozialen Entschädigung nach dem BVG grundsätzlich
a) generalisierend und
b) pauschalierend
gewährt.