Soziales
Entschädigungsrecht


Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch

- Soziale Entschädigung - (SGB XIV)

Artikel 1 G. v. 12.12.2019 BGBl. I S. 2652 (Nr. 50)
Geltung ab 01.01.2024, abweichend siehe Artikel 60; FNA: 860-14 Sozialgesetzbuch

 

einschließlich Auszügen aus Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrecht (Deutscher Bundestag Drucksache 19/13824)

 

Grundsätzliche Begründung - Auszüge aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrecht (Deutscher Bundenstag Drucksache 19/13824)

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

1. Zu Artikel 1 (SGB XIV)

 Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Prüfung, wie die gesetzlichen Regelungen den besonderen Bedürfnissen der Opfer sexuellen Missbrauchs besser Rechnung tragen können.

 Begründung:

1. In Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ergeben sich besondere Anforderungen an das Verfahren der für die Gewährung von Hilfen verantwortlichen Behörden, Stellen und Institutionen.

2. Unter anderem auf Basis der Anregungen und Erfahrungen Betroffener hat der Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch Empfehlungen ausgesprochen, die mit Blick auf die Regelungen des Gesetzentwurfs beachtet werden sollten. Dies betrifft insbesondere den Nachweis der Kausalität (§ 4 SGB XIV-E).

 3. Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen liegen häufig viele Jahre, teils Jahrzehnte zurück, bevor Betroffene um Hilfe nachsuchen. Die für die Gewährung von Hilfen verantwortlichen Behörden, Stellen und Institutionen sollten berücksichtigen, dass sich Nachweise in diesen Fällen dann oftmals nur mit großen Schwierigkeiten beibringen lassen (vergleiche Schlussbericht Runder Tisch Sexueller Kindesmissbrauch, Abschnitt 3.2., Seite 19) und genaue Beschreibungen des Tatvorgangs, der Tatzeit und des Tatorts oftmals nicht möglich sind. Zum anderen ist mit einer genauen Rekapitulation des schädigenden Ereignisses und dessen Ursächlichkeit für gesundheitliche und wirtschaftliche Langzeitfolgen das Risiko einer Retraumatisierung verbunden (vergleiche Schlussbericht Runder Tisch Sexueller Kindesmissbrauch, Anlage 1, Seite 73). Betroffene sollten ihre Erlebnisse nicht mehrfach schildern müssen.

 4. Es wird um Prüfung gebeten, wie durch gesetzliche Regelungen besser sichergestellt werden kann, dass die Anforderungen an Nachweise auch in diesen Fällen erfüllbar bleiben und Mehrfachbefragungen (auch durch unterschiedliche Stellen oder Behörden) vermieden werden.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 1 (Zu Artikel 1 SGB XIV allgemein)

 Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu, da der Gesetzentwurf den Bedürfnissen der Opfer sexueller Gewalt bereits an verschiedenen Stellen hinreichend Rechnung trägt: Hervorzuheben sind die Regelungen zu dem im Antrag angesprochenen Nachweisschwierigkeiten der Betroffenen. Bei fehlenden Beweismitteln enthält das Gesetz in § 117 Beweiserleichterungen. Den Nachweisschwierigkeiten bei der Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schä digungsfolge wird durch § 4 Absatz 4 und 5 Rechnung getragen. Es genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese wird bei psychischen Gesundheitsstörungen im Einzelfall vermutet, wenn diejenigen medizinischen Tatsachen vorliegen, die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, einen Ursachenzusammenhang zwischen einem nach Art und Schwere geeigneten schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung und der Schädigungsfolge zu begründen. Die Vermutung kann nur durch einen anderen Kausalverlauf widerlegt werden. Die Bundesregierung hat großes Verständnis für das Anliegen vieler Opfer, das ihnen zugefügte Leid nicht immer wieder vortragen zu müssen. Daher wird ihnen durch das Fallmanagement eine Ansprechperson zur Seite gestellt, die sie im Verfahren der Sozialen Entschädigung begleitet. Die Erbringung der Leistungen des Fallmanagements steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörden. War das schädigende Ereignis aber eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, ist das Ermessen im Interesse der Betroffenen eingeschränkt.

 

Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften

 

§ 1 Aufgabe und Anwendungsbereich der Sozialen Entschädigung 

§ 2 Berechtigte der Sozialen Entschädigung

§ 3 Leistungen der Sozialen Entschädigung

 

Kapitel 2 Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung

Abschnitt 1 Allgemeine Voraussetzungen

 

§ 4 Anspruch auf Leistungen für Geschädigte

§ 5 Grad der Schädigungsfolgen, Verordnungsermächtigung

§ 6 Anspruch auf Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende

§ 7 Anspruch auf Leistungen für Ausländerinnen und Ausländer

§ 8 Konkurrenz von Ansprüchen

§ 9 Ausschluss der Pfändbarkeit von Ansprüchen

§ 10 Antragserfordernis

§ 11 Beginn der Leistungserbringung, Kostenregelung für die erste Inanspruchnahme Schneller Hilfen

§ 12 Übernahme der Aufwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Kommunikationshilfen

 

Abschnitt 2 Entschädigungstatbestände

Unterabschnitt 1 Gewalttaten

 

§ 13 Opfer von Gewalttaten

§ 14 Gleichstellungen

§ 15 Anspruch auf Leistungen bei Gewalttaten im Ausland

§ 16 Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen

§ 17 Versagung von Leistungen

§ 18 Ansprüche bei Gebrauch eines Kraftfahrzeugs

§ 19 Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, Konkurrenzen

§ 20 Versagung von Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende

 

Unterabschnitt 2 Kriegsauswirkungen beider Weltkriege

 

§ 21 Opfer von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege

§ 22 Versagung, Entziehung und Minderung der Leistung

 

Unterabschnitt 3 Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes

 

§ 23 Geschädigte durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes

 

Unterabschnitt 4 Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe

 

§ 24 Geschädigte durch Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe

 

Kapitel 3 Leistungsgrundsätze

 

§ 25 Voraussetzungen

§ 26 Leistungsformen

§ 27 Vorrang von Leistungen zur Teilhabe

§ 28 Verhältnis zu Leistungen anderer Träger

 

Kapitel 4 Schnelle Hilfen

Abschnitt 1 Leistungen der Schnellen Hilfen

 

§ 29 Leistungen und Leistungsart

 

Abschnitt 2 Fallmanagement

 

§ 30 Leistungen des Fallmanagements

 

Abschnitt 3 Traumaambulanz

 

§ 31 Leistungen in einer Traumaambulanz

§ 32 Psychotherapeutische Frühintervention

§ 33 Psychotherapeutische Intervention in anderen Fällen

§ 34 Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfang

§ 35 Weiterer Bedarf nach Betreuung in der Traumaambulanz

§ 36 Fahrkosten

§ 37 Vereinbarungen mit Traumaambulanzen

§ 38 Verordnungsermächtigung

 

Abschnitt 4 Kooperationsvereinbarungen

 

§ 39 Kooperationsvereinbarungen für Beratungs- und Begleitangebote

§ 40 Verordnungsermächtigung

 

Kapitel 5 Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung

Abschnitt 1 Leistungen und Nachweispflicht

 

§ 41 Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung

§ 42 Krankenbehandlung

§ 43 Ergänzende Leistungen der Krankenbehandlung

§ 44 Sachleistungsprinzip, Kostenbeteiligung

§ 45 Nachweispflicht

§ 46 Versorgung mit Hilfsmitteln, Pauschbetrag für außergewöhnlichen Verschleiß von Kleidung und Wäsche

§ 47 Krankengeld der Sozialen Entschädigung

§ 48 Beihilfe bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage

§ 49 Zuschüsse bei Zahnersatz

§ 50 Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung

§ 51 Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt

§ 52 Beiträge zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Alterssicherung

§ 53 Reisekosten

 

Abschnitt 2 Vergütung der Leistungserbringer

 

§ 54 Vergütung für Leistungen der Krankenbehandlung

§ 55 Vergütung für ergänzende Leistungen

§ 56 Vergütung für die Versorgung mit Hilfsmitteln

 

Abschnitt 3 Zuständigkeit und Datenübermittlung

 

§ 57 Zuständigkeit

§ 58 Zuständigkeit zur Entscheidung über Widersprüche

§ 59 Datenübermittlung

 

Abschnitt 4 Erstattungen von Aufwendungen und Verwaltungskosten

 

§ 60 Erstattung an Krankenkassen

§ 61 Erstattung an Unfallkassen der Länder

 

Kapitel 6 Leistungen zur Teilhabe

 

§ 62 Leistungsumfang

§ 63 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

§ 64 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen

§ 65 Leistungen zur Teilhabe an Bildung

§ 66 Leistungen zur Sozialen Teilhabe

§ 67 Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches

§ 68 Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches

§ 69 Wunsch- und Wahlrecht

§ 70 Besonderheiten der Leistungsbemessung

 

Kapitel 7 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

Abschnitt 1 Anspruch und Pflegebedürftigkeit

 

§ 71 Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

§ 72 Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad

§ 73 Kostenübernahme vor Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches

 

Abschnitt 2 Umfang der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

 

§ 74 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

§ 75 Ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

§ 76 Häusliche Pflege im Arbeitgebermodell

 

Abschnitt 3 Zuständigkeit und Erstattung

 

§ 77 Zuständigkeit

§ 78 Widersprüche

§ 79 Datenübermittlung

 

Abschnitt 4 Erstattungen von Aufwendungen und Verwaltungskosten

 

§ 80 Erstattung an Pflegekassen

§ 81 Erstattung an Unfallkassen der Länder

 

Kapitel 8 Leistungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit

 

§ 82 Anspruch und Umfang

 

Kapitel 9 Entschädigungszahlungen

Abschnitt 1 Entschädigungszahlungen an Geschädigte

 

§ 83 Monatliche Entschädigungszahlung

§ 84 Abfindung

 

Abschnitt 2 Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene

 

§ 85 Monatliche Entschädigungszahlung an Witwen und Witwer sowie an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft

§ 86 Abfindung für Witwen und Witwer

§ 87 Monatliche Entschädigungszahlung an Waisen

§ 88 Monatliche Entschädigungszahlung an hinterbliebene Eltern

 

Kapitel 10 Berufsschadensausgleich

 

§ 89 Voraussetzung und Höhe

§ 90 Feststellung

§ 91 Verordnungsermächtigung

 

Kapitel 11 Besondere Leistungen im Einzelfall

 

§ 92 Anspruch und Umfang

§ 93 Leistungen zum Lebensunterhalt

§ 94 Leistung zur Förderung einer Ausbildung

§ 95 Leistungen zur Weiterführung des Haushalts

§ 96 Leistungen in sonstigen Lebenslagen

§ 97 Wunsch- und Wahlrecht

§ 98 Besonderheiten der Leistungsbemessung

 

Kapitel 12 Überführung und Bestattung

 

§ 99 Leistungen bei Überführung und Bestattung

 

Kapitel 13 Härtefallregelung

 

§ 100 Ausgleich in Härtefällen

 

Kapitel 14 Regelungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

 

§ 101 Leistungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

 

Kapitel 15 Besonderheiten der Leistungserbringung für einzelne Entschädigungstatbestände

 

§ 102 Leistungen bei Gewalttaten im Ausland

§ 103 Leistungen für Zivildienstgeschädigte und Hinterbliebene

§ 104 Krankengeld der Sozialen Entschädigung für Zivildienstgeschädigte

 

Kapitel 16 Einsatz von Einkommen und Vermögen

 

§ 105 Grundsätze

§ 106 Berücksichtigung von Einkommen

§ 107 Einkommensgrenze

§ 108 Berücksichtigung von Vermögen

§ 109 Verordnungsermächtigung

 

Kapitel 17 Anpassung

 

§ 110 Höhe und Zeitpunkt der Anpassung, Verordnungsermächtigung

 

Kapitel 18 Organisation, Durchführung und Verfahren

Abschnitt 1 Organisation und Durchführung

 

§ 111 Träger der Sozialen Entschädigung

§ 112 Sachliche Zuständigkeit

§ 113 Örtliche Zuständigkeit

§ 114 Aufgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

 

Abschnitt 2 Verfahren zur Prüfung des Leistungsanspruchs

 

§ 115 Erleichtertes Verfahren bei Leistungen der Schnellen Hilfen

§ 116 Weiteres Verfahren

§ 117 Beweiserleichterungen

§ 118 Beiziehung von Unterlagen und Anhörung

§ 119 Vorzeitige Leistungen und vorläufige Entscheidung

 

Abschnitt 3 Weitere Regelungen

 

§ 120 Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige

§ 121 Erstattung von Leistungen durch öffentlich-rechtliche Stellen

§ 122 Überzahlung von Geldleistungen nach dem Tod der oder des Berechtigten

 

Kapitel 19 Bundesstelle für Soziale Entschädigung

 

§ 123 Bundesstelle für Soziale Entschädigung

§ 124 Aufgaben der Bundesstelle für Soziale Entschädigung

§ 125 Fachbeirat Soziale Entschädigung

 

Kapitel 20 Statistik und Bericht

 

§ 126 Amtliche Statistik

§ 127 Erhebungsmerkmale

§ 128 Erhebungsmerkmale zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung

§ 129 Hilfsmerkmale

§ 130 Stichtag für die Erhebungen

§ 131 Auskunftspflicht, Übermittlung statistischer Daten

§ 132 Bericht

 

Kapitel 21 Kostentragung

 

§ 133 Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern

§ 134 Kostentragung durch den Bund

§ 135 Kostentragung durch die Länder

§ 136 Kostentragung beim Zusammentreffen von Ansprüchen

 

Kapitel 22 Übergangsvorschriften

 

§ 137 Zeitlicher Geltungsbereich

§ 138 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Opfer von Gewalttaten

§ 139 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Kriegsopfer beider Weltkriege

§ 140 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Zivildienstgeschädigte

§ 141 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Geschädigte durch Schutzimpfungen oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe

 

Kapitel 23 Vorschriften zu Besitzständen

Abschnitt 1 Grundsätze und Leistungen

 

§ 142 Grundsätze

§ 143 Heil- und Krankenbehandlung

§ 144 Geldleistungen

§ 145 Befristete oder auf Zeit erbrachte Leistungen

§ 146 Pflegeleistungen für Geschädigte

§ 147 Pflegeausgleich bei langjähriger schädigungsbedingter Pflege

§ 148 Monatliche Entschädigungszahlung für Witwen und Witwer bei nicht schädigungsbedingtem Tod

 

Abschnitt 2 Neufeststellungen und Anpassung

 

§ 149 Neufeststellungen

§ 150 Anpassung, Verordnungsermächtigung

 

Abschnitt 3 Vertrauensschutz für die Absicherung gegen Krankheit

 

§ 151 Absicherung gegen Krankheit

 

Abschnitt 4 Wahlrecht

 

§ 152 Wahlrecht

§ 153 Schriftform

 

Abschnitt 5 Anrechnung

 

§ 154 Anrechnungsvorschrift

 

Abschnitt 6 Kostentragung und Zuständigkeit

 

§ 155 Kostentragung

§ 156 Pauschaliertes Abrechnungsverfahren

§ 157 Zuständigkeit

 

Abschnitt 7 Umsetzung

 

§ 158 Umsetzungsbegleitung

 

 

 

Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften

 

§ 1 Aufgabe und Anwendungsbereich der Sozialen Entschädigung

(1) Die Soziale Entschädigung unterstützt Menschen, die durch ein schädigendes Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt, eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, bei der Bewältigung der dadurch entstandenen Folgen.

(2) Schädigende Ereignisse sind:

1. Gewalttaten nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1,

2. Kriegsauswirkungen beider Weltkriege nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 sowie

3. Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 sowie

4. Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 4,

die eine gesundheitliche Schädigung verursacht haben.

(3) Das schädigende Ereignis kann ein zeitlich begrenztes, ein wiederkehrendes oder ein über längere Zeit einwirkendes Ereignis sein.

 

Zu § 1 (Aufgabe und Anwendungsbereich der Sozialen Entschädigung)

Die Vorschrift benennt Aufgabe und Anwendungsbereich der Sozialen Entschädigung.

Die Leistungen der Sozialen Entschädigung sind innerhalb des Systems der Sozialleistungen durch eine Sonderstellung gekennzeichnet. Sie sind nicht primär auf die Behebung einer sozialen Notlage ausgerichtet, sondern dienen der Entschädigung, dem angemessenen Ausgleich und der Abgeltung auch der immateriellen Nachteile nach einem schädigenden Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt.

Personen, die eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, für den die staatliche Gemeinschaft einzutreten hat, sollen angemessene und ihren Bedürfnissen entsprechende Leistungen erhalten. Die Leistungen der Sozialen Entschädigung sollen die Folgen des schädigenden Ereignisses, soweit dies möglich ist, beheben oder lindern. Eine völlige Schadlosstellung der Berechtigten wird nicht angestrebt, sondern eine unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltete Entschädigung.

Voraussetzungen für alle Leistungsansprüche des Sozialen Entschädigungsrechts sind eine gesundheitliche Schädigung oder der Tod des Geschädigten durch das schädigende Ereignis. Aus der gesundheitlichen Schädigung müssen gesundheitliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen folgen. Werden nur Sachen oder das Vermögen beschädigt, zerstört oder gemindert, besteht kein Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem SGB XIV.

Absatz 1 enthält den Kausalitätsgrundsatz als tragende und unverzichtbare Säule der Sozialen Entschädigung. Für die Erbringung einer staatlichen Entschädigung ist die ursächliche Verbindung sowohl zwischen schädigendem Ereignis und gesundheitlicher Schädigung als auch zwischen gesundheitlicher Schädigung und Schädigungsfolge unabdingbar. Die besondere Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft im Sinne des § 5 SGB I besteht nur für auf diese Weise begründete Schädigungsfolgen.

Das SGB XIV regelt die Entschädigung von Opfern einer Gewalttat, von künftigen möglichen Kriegsopfern der beiden Weltkriege und von Entschädigungsberechtigten nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Struktur des Gesetzes ermöglicht eine Erweiterung um weitere Entschädigungstatbestände.

Absatz 2 definiert das schädigende Ereignis als Grundlage jeglicher Entschädigung nach diesem Buch. Dabei wird durch Satz 2 klargestellt, dass nicht zwingend ein einmaliges Ereignis erforderlich ist. Vielmehr gelten auch mehrere aufeinander folgende Ereignisse, die sich in ihrer Gesamtheit schädigend auswirken, wie z. B. bei der Nachstellung oder im Bereich des Menschenhandels, aber auch anhaltende Situationen, wie z. B. während einer Gefangenschaft, als ein Ereignis im Sinne dieses Buches. Die in Betracht kommenden schädigenden Ereignisse unterscheiden sich je nach den Voraussetzungen der verschiedenen Anspruchsnormen der Sozialen Entschädigung.

Absatz 3 führt die relevanten schädigenden Ereignisse auf, die Grundlage für Leistungen der Sozialen Entschädigung sein können. 

 

§ 2 Berechtigte der Sozialen Entschädigung

(1) Berechtigte sind Geschädigte sowie deren Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende.

(2) Geschädigte sind Personen, die durch ein schädigendes Ereignis nach diesem Buch unmittelbar eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben.

(3) Angehörige sind Ehegatten sowie Kinder und Eltern von Geschädigten. Als Kinder gelten auch in den Haushalt Geschädigter aufgenommene Stiefkinder sowie Pflegekinder im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Bundeskindergeldgesetzes.

(4) Hinterbliebene sind

1. Witwen, Witwer und Waisen,

2. Eltern sowie

3. Betreuungsunterhaltsberechtigte

einer an den Folgen einer Schädigung verstorbenen Person. Als Waisen gelten auch in den Haushalt der an den Folgen einer Schädigung verstorbenen Person aufgenommene Stiefkinder sowie Pflegekinder im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Bundeskindergeldgesetzes.

(5) Nahestehende sind Geschwister sowie Personen, die mit Geschädigten eine Lebensgemeinschaft führen, die der Ehe ähnlich ist.

 

Zu § 2 (Berechtigte der Sozialen Entschädigung)

Die Regelung definiert unterschiedliche Gruppen von Berechtigten der Sozialen Entschädigung, weil sich aus der Gruppenzugehörigkeit unterschiedliche Ansprüche auf Leistungen ergeben. Es handelt sich um Personengruppen, die grundsätzlich bei allen Entschädigungstatbeständen anspruchsberechtigt sein können. Soweit bei einzelnen Entschädigungstatbeständen weitere Personengruppen anspruchsberechtigt sein können, ergibt sich dies aus den Sonderregelungen in Kapitel 2 Abschnitt 2.

Nach Absatz 2 werden die unmittelbar durch ein schädigendes Ereignis betroffenen Personen einheitlich als Geschädigte bezeichnet. Im Bereich der Opferentschädigung können als Sonderfall auch Personen Geschädigte sein, die einen sogenannten Schockschaden erlitten haben (§ 14 Absatz 2).

In den Absätzen 3 bis 5 werden weitere berechtigte Personengruppen bestimmt. Angehörige nach Absatz 3 sind Ehegatten, Kinder und Eltern einer noch lebenden geschädigten Person, wobei definiert wird, wer als Kind gilt. Die Regelungen für Ehegatten gelten auch für eingetragene Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner. Diese Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen ergibt sich aus § 21 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) als Generalklausel für alle Regelungen, die nach dem 22. Dezember 2018 in Kraft treten. Eine ausdrückliche Gleichstellung im SGB XIV ist daher nicht erforderlich. Durch die Gleichstellung gelten Kinder von eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern als Stiefkinder der geschädigten eingetragenen Lebenspartnerin bzw. des geschädigten eingetragenen Lebenspartners.

Berechtigte nach Absatz 4 sind Witwen oder Witwer sowie Waisen, wenn die geschädigte Person an den Folgen der Schädigung verstorben ist. Aus der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen in § 21 LPartG folgt, dass die Regelung für Witwen und Witwer entsprechend für hinterbliebene eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner gilt. Waisen sind nach der Definition in Absatz 3 Satz 2 Kinder von getöteten Personen. Berechtigte nach Absatz 4 Nummer 2 sind Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn nach dem Tod des Partners die Betreuung eines gemeinsamen Kindes übernommen wird.

Im Absatz 5 wird die Personengruppe der Nahestehenden definiert. Dabei handelt es sich um Geschwister einer geschädigten oder getöteten Person sowie Personen, die mit dieser in einem eheähnlichen Verhältnis stehen. Bei der Einschätzung des eheähnlichen Verhältnisses ist eine gewisse, einer Ehe ähnliche Stabilität der Paarbeziehung erforderlich. Es ist auf die Umstände der Partnerschaft abzustellen; eine reine Wohngemeinschaft reicht nicht aus. Die verstärkte Einbeziehung des persönlichen Umfelds der geschädigten Person in den Kreis der Berechtigten des Sozialen Entschädigungsrechts berücksichtigt, dass eine Gewalttat oder ein anderes schädigendes Ereignis im Sinne dieses Gesetzes auch über die unmittelbar betroffene Person hinaus einen Einschnitt im Leben dieser Person darstellt. Daher wird auch Personen im Umfeld der oder des Geschädigten Zugang zu Schnellen Hilfen ermöglicht.

Welche Leistungen den Berechtigten jeweils zustehen können, ergibt sich aus den einzelnen Regelungen in den Kapiteln 4 bis 15.

 

§ 3 Leistungen der Sozialen Entschädigung

Die Soziale Entschädigung umfasst:

1. Leistungen des Fallmanagements und Leistungen in einer Traumaambulanz als Schnelle Hilfen nach Kapitel 4,

2. die Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung nach Kapitel 5,

3. Leistungen zur Teilhabe nach Kapitel 6,

4. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7,

5. Leistungen bei Blindheit nach Kapitel 8,

6. Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9,

7. den Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10,

8. Besondere Leistungen im Einzelfall nach Kapitel 11,

9. Leistungen bei Überführung und Bestattung nach Kapitel 12,

10. den Ausgleich in Härtefällen nach Kapitel 13,

11. Leistungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nach Kapitel 14 sowie

12. Leistungen nach den Vorschriften zu Besitzständen nach Kapitel 23. 

 

Zu § 3 (Leistungen der Sozialen Entschädigung)

Die Vorschrift führt abschließend die in Betracht kommenden Leistungen der Sozialen Entschädigung auf. Sie konkretisiert die in § 5 SGB I und in § 24 Absatz 1 SGB I benannten Sozialleistungen.
 

Kapitel 2 Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung

 

Abschnitt 1 Allgemeine Voraussetzungen

 

§ 4 Anspruch auf Leistungen für Geschädigte

(1) Geschädigte haben Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung wegen der anerkannten gesundheitlichen und der wirtschaftlichen Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die ursächlich auf ein schädigendes Ereignis zurückzuführen ist. Das Vorliegen der in Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen ist auf Antrag festzustellen.

(2) Ein Anspruch entsprechend Absatz 1 besteht auch bei gesundheitlichen Schädigungen, die

1. herbeigeführt worden sind durch einen Unfall von Geschädigten

a) auf einem Hin- oder Rückweg, der notwendig ist, um Leistungen nach diesem Buch in Anspruch zu nehmen,

b) bei Inanspruchnahme der ihnen nach diesem Buch zustehenden Leistungen oder

c) bei der unverzüglichen Erstattung einer Strafanzeige oder auf dem Hin- oder Rückweg hiervon,

2. eine Person bei einem Unfall im Sinne von Nummer 1 bei der notwendigen Begleitung einer geschädigten Person erleidet.

(3) Ein Anspruch entsprechend Absatz 1 besteht auch bei Beschädigung oder Verlust eines im oder am Körper getragenen Hilfsmittels.

(4) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

(5) Bei psychischen Gesundheitsstörungen wird die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs im Einzelfall vermutet, wenn diejenigen medizinischen Tatsachen vorliegen, die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, einen Ursachenzusammenhang zwischen einem nach Art und Schwere geeigneten schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung und der Schädigungsfolge zu begründen und diese Vermutung nicht durch einen anderen Kausalverlauf widerlegt wird.

(6) Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der Gesundheitsstörung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt werden. In den Fällen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 4 tritt an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden. 

 

Zu § 4 (Anspruch auf Leistungen für Geschädigte)

Die Vorschrift greift in Absatz 1 Satz 1 nochmals das Kausalitätsprinzip als tragende Säule der Sozialen Entschädigung auf und macht deutlich, dass ein Anspruch auf staatliche Entschädigung für kausal verursachte Schädigungsfolgen besteht. Satz 2 regelt, dass der Grundbescheid über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen der Sozialen Entschädigung nach Satz 1 nur dann erlassen wird, wenn dies ausdrücklich beantragt wurde.

Nach Absatz 2 Nummer 1 besteht ein Leistungsanspruch von Geschädigten auch bei gesundheitlichen Schädigungen anlässlich oder auf dem Weg zu einer Leistung nach diesem Buch. Nummer 2 begründet einen Anspruch für eine Begleitperson, wenn die Begleitung in den Fällen nach Nummer 1 notwendig war.

Absatz 3 knüpft an die Regelung des § 8b BVG an. Der Leistungsanspruch wird ausnahmsweise auf Sachschäden ausgedehnt. Er wird erweitert auf Beschädigungen und Verlust von im oder am Körper getragenen Hilfsmitteln. Hierzu gehören auch Brillen, Kontaktlinsen und Zahnersatz. Die Vorschrift zielt darauf ab, dass auch schädigungsunabhängig getragene Hilfsmittel, die durch ein schädigendes Ereignis beschädigt oder abhanden gekommen sind, nach den Vorschriften des Kapitels 5 wiederhergestellt oder ersetzt werden. Nach entschädigungsrechtlichen Grundsätzen wird der Zustand vor dem schädigenden Ereignis wiederhergestellt.

Absatz 4 regelt den Maßstab für den ursächlichen Zusammenhang. Hierfür genügt entschädigungsrechtlich die (einfache) Wahrscheinlichkeit. Sie ist gegeben, wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Es ist nicht ausreichend, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist. Haben konkurrierende Vorgänge zur primären Gesundheitsstörung beigetragen, von denen einem dieser Vorgänge gegenüber der Gesamtheit der anderen eine mindestens gleichwertige Bedeutung zukommt, ist dieser Vorgang Ursache im entschädigungsrechtlichen Sinn.

Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt für die Bewertung des kausalen Zusammenhangs. Davon zu unterscheiden ist die Ermittlung von Tatsachen. Bei der Tatsachenermittlung ist grundsätzlich ein Vollbeweis erforderlich. Es besteht jedoch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung gemäß § 117. Der kausale Zusammenhang ist dagegen eine Wertung, die nicht glaubhaft gemacht werden kann.

Durch das Einführen einer widerlegbaren Vermutung in Absatz 5 wird der wesentliche Inhalt des Urteils des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 12. Juni 2003 (B 9 VG 1/02 R) in den Gesetzestext übernommen Diesem Urteil hatte sich auch das BMAS mit Rundschreiben vom 9. Mai 2006 (IVc 2 - 47035/3) an die Länder angeschlossen und im Interesse einer gleichmäßigen Durchführung des OEG um Beachtung und Anwendung gebeten. Die Vermutung bezieht sich auf psychische Gesundheitsstörungen. Das BSG hatte dazu in seiner o.g. Entscheidung ausgeführt: "Insbesondere bei Krankheiten, die auf seelischen Einwirkungen beruhen, bestehen - anders als bei Verletzungsfolgen - regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, den rechtlich nach den jeweiligen Entschädigungsgesetzen entscheidenden Vorgang - also das die Entschädigungspflicht auslösende Ereignis - als die wesentliche medizinische Ursache festzustellen. Es verbleibt meistens die Unsicherheit, ob nicht andere wesentlich mitwirkende Bedingungen, etwa eine bereits vorbestehende Anlage von Krankheitswert, für die Ausbildung einer seelischen Dauererkrankung (des seelischen Dauerschadens) vorhanden sind. Dieses bedeutet, dass im Regelfall zahlreiche Möglichkeiten des Ursachenzusammenhanges bestehen. Wenn jedoch ein Vorgang nach den medizinischen Erkenntnissen - etwa fußend auf dem Erfahrungswissen der Ärzte - in signifikant erhöhtem Maße geeignet ist, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich bei einem hiervon Betroffenen im Einzelfall die Gefahr einer Schädigung auch tatsächlich verwirklicht hat; die Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit."

Absatz 6 regelt die sogenannte Kann-Versorgung in der Sozialen Entschädigung. In Ausnahmefällen kann hierbei eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der festgestellten Gesundheitsstörung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht.

Eine Kann-Versorgung kommt nur dann in Betracht, wenn die einer Gesundheitsstörung zu Grunde liegende Ursache (Ätiologie) nicht durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert ist und fundierte wissenschaftliche Arbeitshypothesen einen ursächlichen Zusammenhang begründen. Eine von der medizinischen Wissenschaft abweichende persönliche Auffassung ist nicht mit Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft gleichzusetzen.

 

§ 5 Grad der Schädigungsfolgen, Verordnungsermächtigung

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Er ist nach Zehnergraden von zehn bis 100 zu bemessen. Ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Bei geschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1. die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind,

2. die Grundsätze aufzustellen, die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge nach § 4 Absatz 4 bis 6 maßgebend sind sowie

3. das Verfahren für die Aufstellung und Fortentwicklung der in Nummer 1 und 2 genannten Grundsätze zu regeln.

 

Zu § 5 (Grad der Schädigungsfolgen, Verordnungsermächtigung)

Die Norm regelt den Beurteilungsmaßstab für den GdS und enthält eine Verordnungsermächtigung.

Absatz 1 definiert, dass als Schädigungsfolge die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigung anzusehen ist, die kausal aus der durch das schädigende Ereignis verursachten Gesundheitsstörung entstanden ist. Diese Definition einer Beeinträchtigung in ihrer Auswirkung auf alle Lebensbereiche ist im Ergebnis identisch mit der Definition in § 2 SGB IX, sie unterscheidet sich lediglich dadurch, dass für sie ein Ursächlicher Zusammenhang mit einem schädigenden Ereignis festgestellt wurde. Damit ist keine rechtliche oder fachliche Neugestaltung des Begriffes der Schädigungsfolge im Vergleich zum BVG gegeben. Die Neuformulierung trägt jedoch insbesondere dem gewandelten Verständnis von Teilhabe und Behinderung, auch im Zuge der Umsetzung der UN-BRK, Rechnung. Die Einteilung in körperliche, geistige, seelische oder Sinnesbeeinträchtigung ist - entsprechend den aktuellen Änderungen im SGB IX und im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) - eine sprachliche Angleichung an die UN-BRK. Die Sätze 2 bis 4 entsprechen dem Recht nach dem BVG. Satz 5 regelt den Fall, dass sich eine Beeinträchtigung für Erwachsene weniger gravierend auswirkt als für Kinder. In diesem Falle ist die Beeinträchtigung nicht nach den Maßstäben für Erwachsene, sondern nach der individuellen Auswirkung für das Kind zu beurteilen.

Absatz 2 enthält die neue Verordnungsermächtigung, die an die Stelle der bisherigen Verordnungsermächtigung nach § 30 Absatz 16 BVG tritt. Die Verordnung zur Durchführung des § 1 Absatz 1 und 3, des § 30 Absatz 1 und des § 35 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV), die zugleich gemäß § 153 Absatz 2 SGB IX auch für die Bewertung des Grades der Behinderung anzuwenden ist, bleibt erhalten. Sie kann im Hinblick auf Beurteilungsmaßstäbe, die für die Soziale Entschädigung relevant sind, auf Grund der hier neu formulierten Ermächtigung fortgeschrieben und geändert werden. Damit ist wie bisher die einheitliche Beurteilung von Beeinträchtigungen der Teilhabe im Schwerbehindertenrecht und im Sozialen Entschädigungsrecht in einer Rechtsverordnung zu finden. Die auf Grund der bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes gültigen Ermächtigungsgrundlage in § 30 Absatz 16 BVG erlassenen Regelungen gelten weiter, soweit und solange sie nicht von neuen Regelungen auf Grund dieses Gesetzes abgelöst werden. Eine gesamte oder teilweise Neuverkündung der Verordnung ist nicht erforderlich.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

2. Zu Artike1 (§ 5 Absatz 1 Satz 6 und 7 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 5 Absatz 1 wie folgt zu ändern:
a) In Satz 6 ist der Punkt am Ende durch die Wörter ", soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist." zu ersetzen.
b) Satz 7 ist zu streichen. Begründung: 5. In der Versorgungsmedizin-Verordnung gibt es für Kinder altersbezogene Kriterien. In § 5 Absatz 1 Satz 7 SGB XIV-E wird eine Individualität in den Gesetzestext hereingebracht, die keinen Bezug mehr zur Versorgungsmedizin-Verordnung hat. Satz 7 ist zu streichen, da die Kriterien der Versorgungsmedizin-Verordnung für Kinder ohnehin anzuwenden sind. Es sollte daher auf die bewährte Formulierung des § 30 Absatz 1 Satz 4 BVG zurückgegriffen werden. Der Satz 6 ist daher entsprechend zu ergänzen. Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 2 (Zu Artikel 1, § 5 Absatz 1 Satz 6 und 7 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

 

§ 6 Anspruch auf Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende

(1) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende erhalten Schnelle Hilfen nach Maßgabe der Vorschriften des Kapitels 4 sowie besondere psychotherapeutische Leistungen nach § 43 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 43 Absatz 4.

(2) Hinterbliebene erhalten darüber hinaus Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 63 Absatz 3, Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene nach Kapitel 9 Abschnitt 2, Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93 Absatz 1 Satz 2 und die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94.

Zu § 6 (Anspruch auf Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende)

Die Vorschrift legt fest, welche Leistungen Personen erhalten können, die selbst nicht Geschädigte sind.

 

§ 7 Anspruch auf Leistungen für Ausländerinnen und Ausländer

Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

 

Zu § 7 (Anspruch auf Leistungen für Ausländerinnen und Ausländer)

Die Vorschrift legt fest, dass Ausländerinnen und Ausländer ohne Rücksicht auf ihren aufenthaltsrechtlichen Status dieselben Ansprüche auf Leistungen nach diesem Buch haben wie deutsche Staatsangehörige.

Für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und von Staaten, für die Rechtsvorschriften der Europäischen Union eine Gleichbehandlung mit Deutschen erforderlich machen, ist eine solche Regelung zwingend. Darüber hinaus sind aber auch alle anderen geschädigten Ausländerinnen und Ausländer ungeachtet ihres aufenthaltsrechtlichen Status in den Schutzbereich dieses Buches einzubeziehen. Denn die Pflicht des deutschen Staates, Personen auf seinem Territorium vor bestimmten Gefahren, die im Sozialen Entschädigungsrecht abgebildet sind, zu schützen, ist nicht vom Aufenthaltsstatus dieser Personen abhängig. Gerade Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus können besonders gefährdet sein, z. B. Opfer von Gewalttaten zu werden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch Straftaten, die an Ausländerinnen und Ausländern mit illegalem Aufenthalt verübt werden, strafrechtlich verfolgt werden. Daher ist es folgerichtig, auch diesen Personen den Zugang zu Leistungen der Sozialen Entschädigung zu eröffnen. Umfasst sind davon ebenfalls die Fallkonstellationen, in denen Menschen nicht freiwillig in das Bundesgebiet eingereist sind oder gerade wegen des schädigenden Ereignisses keine Möglichkeit hatten, einen legalen Aufenthalt zu begründen, wie z. B. in Fällen des Menschenhandels.

Die Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Sozialen Entschädigung ändert nichts am aufenthaltsrechtlichen Status, insbesondere bleibt eine bestehende Ausreisepflicht erhalten. Die Überlegungen zu geschädigten Ausländerinnen und Ausländern gelten entsprechend auch für deren Hinterbliebene, Angehörige und Nahestehende.

 

§ 8 Konkurrenz von Ansprüchen

(1) Berechtigte haben wegen eines schädigenden Ereignisses nach diesem Buch gegen den Bund oder die Länder nur die auf diesem Buch beruhenden Ansprüche. Jedoch finden die Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Trifft ein Entschädigungsanspruch aufgrund eines schädigenden Ereignisses nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 mit einem Schadensersatzanspruch aufgrund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, so wird der Anspruch nach § 839 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch bestehen.

(2) Treffen Ansprüche aus mehreren schädigenden Ereignissen nach § 1 Absatz 3 zusammen, so ist ein einheitlicher Grad der Schädigungsfolgen festzusetzen. Dies gilt auch, wenn Ansprüche aus diesem Gesetz mit Ansprüchen aus anderen Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen, zusammentreffen.

(3) Ansprüche nach dem Siebten Buch, nach dem Soldatenversorgungsgesetz oder nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gehen den Ansprüchen nach diesem Buch vor, soweit beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Der Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch ruht in Höhe der Versorgung aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder nach dem Soldatenversorgungsgesetz und in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, soweit beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen.

 

Zu § 8 (Konkurrenz von Ansprüchen)

Absatz 1 beschränkt die Ansprüche der Berechtigten, die sie auf Grund eines schädigenden Ereignisses gegen den Bund oder die Länder haben, auf Leistungen der Sozialen Entschädigung.

Haben Personen einen Antrag auf Leistungen der Sozialen Entschädigung nach § 10 gestellt und sind ihnen auf Grund dessen Leistungen bewilligt worden, so sind ihre Ansprüche hierauf beschränkt. Damit sind über diese Leistungen hinausgehende Ansprüche, beispielsweise Amtshaftungsansprüche, grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt lediglich für Ansprüche nach den Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Diese Ansprüche stehen neben dem Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch.

Absatz 2 Satz 1 regelt den Fall, dass Ansprüche bestehen, die auf unterschiedlichen schädigenden Ereignissen nach § 1 Absatz 3 beruhen. In Anlehnung an § 3 Absatz 1 OEG gilt dies nach Satz 2 auch, wenn Ansprüche aus dem SGB XIV mit Ansprüchen aus anderen Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des SGB XIV vorsehen, zusammentreffen.

Für die Bildung des Gesamt-GdS gelten die Maßstäbe nach Teil A Nummer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Wird ein Gesamt-GdS von mindestens 30 erreicht, hat dies auch die Festsetzung einer einheitlichen monatlichen Entschädigungszahlung zur Folge. Für die Festsetzung ist nach § 113 Absatz 3 das Land zuständig, das über die Ansprüche aus dem letzten schädigenden Ereignis entscheidet. In Anlehnung an § 4 Absatz 4 OEG regelt § 136 die Kostenteilung der betroffenen Leistungsträger.

Absatz 3 regelt den Nachrang und das Ruhen von Leistungen nach diesem Buch bei einem Zusammentreffen mit Ansprüchen aus anderen Versorgungssystemen.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

3. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 3 Satz 3 – neu – SGB XIV)

In Artikel 1 ist dem § 8 Absatz 3 folgender Satz anzufügen: "Die Verwaltungsbehörde kann mit Wirkung für die Geschädigte oder den Geschädigten bei den für die Durchführung des Siebten Buches, des Soldatenversorgungsgesetzes oder der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge zuständigen Behörden einen Antrag auf Leistungen stellen."

 Begründung:

6. Die Regelung in § 8 Absatz 3 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung in § 65 des Bundesversorgungsgesetzes. Sie sollte jedoch um ein eigenes Antragsrecht der Verwaltungsbehörde ergänzt werden, damit der Vorrang der Ansprüche nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch, nach dem Soldatenversorgungsgesetz oder nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge auch umgesetzt werden kann, wenn die Geschädigte oder der Geschädigte es unterlässt, bei dem vorrangigen Versorgungssystem einen Antrag zu stellen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 3 (Zu Artikel 1, § 8 Absatz 3 Satz 3 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu, der Verwaltungsbehörde ein eigenes Antragsrecht hinsichtlich möglicher Ansprüche der/des Berechtigten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge (BeamtVG) und dem Soldatenversorgungsrecht (SVG) einzuräumen.

Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung und der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge sind grundsätzlich keine Antragsleistungen. Es bedarf lediglich einer Anzeige bzw. Meldung des Unfalls. Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung stehen dem Geschädigten von dem Zeitpunkt an zu, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungen (§ 40 Absatz 1 SGB I) erfüllt sind, die Unternehmer haben eine Anzeigepflicht. Verwaltungsbehörden des Sozialen Entschädigungsrechts können Verletzte auf mögliche Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und das Meldeerfordernis nach § 45 BeamtVG hinweisen. Die Meldung eines Unfalls erfolgt zwar im Regelfall durch die Verletzten, kann aber auch durch Sonstige (und somit auch durch Verwaltungsbehörden des Sozialen Entschädigungsrechts) vorgenommen werden. Bei Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles genügt es, dass der Träger der Sozialen Entschädigung seinen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X beim verpflichteten Träger der gesetzlichen Unfallversicherung vorsorglich anmeldet und so eine Fristversäumnis nach § 111 SGB X vermeidet (siehe z.B. BSG, Urteil vom 01.11.1999 - B 2 U 39/98 R). Soweit die Leistungen nach dem SVG einen Antrag erfordern, spricht nach Auffassung der Bundesregierung die Dispositionsbefugnis der/des Geschädigten gegen ein umfassendes Antragsrecht für die Verwaltungsbehörde des Sozialen Entschädigungsrechts anstelle der/des Geschä- digten. Diese Dispositionsbefugnis kann durch Gesetz zwar durch ein Antragsrecht eines erstattungsberechtigen Trägers eingeschränkt werden (so z.B. in § 27i BVG, § 97 SGB VIII, § 95 SGB XII und § 5 Absatz 3 SGB II). Diese Normen bezwecken, den Bezug von Doppelleistungen auszuschließen und haben zudem auch den Sinn, das Eintreten eines Sozialleistungsträgers zu verhindern, der nur subsidiär bei Bedürftigkeit der/des Berechtigten zuständig ist. Auf die Bedürftigkeit kommt es im SGB XIV nur bei den Besonderen Leistungen im Einzelfall (§§ 92 -98 SGB XIV) an. Unter Beachtung des Dispositionsrechts ist daher ein uneingeschränktes Antragsrecht der Verwaltungsbehörde nur mit Zustimmung der/des Berechtigten möglich, z.B. durch Aufnahme einer entsprechenden Passage in das neue Antragsformular nach dem SGB XIV, mit der gleichzeitig weitere in Betracht kommende Anträge bei anderen Sozialleistungsträgern gestellt werden.

 

 

§ 9 Ausschluss der Pfändbarkeit von Ansprüchen

Ansprüche auf Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 und die Geldleistung nach § 144 können nicht gepfändet werden.

 

Zu § 9 (Ausschluss der Pfändbarkeit von Ansprüchen)

Die Vorschrift regelt den Schutz der Entschädigungszahlungen der Sozialen Entschädigung gegenüber Pfändungen. Durch die Regelung wird klargestellt, dass die Entschädigungszahlungen wegen ihrer Zweckbindung nicht der Pfändung unterworfen sind und Gläubiger nicht darauf zugreifen können. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Ersten Buches. So kann die oder der Berechtigte im Rahmen des § 53 SGB I nach wie vor über die Entschädigungszahlungen verfügen und sie zur Erfüllung von Verbindlichkeiten oder zur Absicherung einer Finanzierung einsetzen.

 

 

§ 10 Antragserfordernis

(1) Leistungen der Sozialen Entschädigung werden auf Antrag erbracht, soweit dieses Buch nichts Abweichendes regelt.

(2) Von Amts wegen werden Besondere Leistungen im Einzelfall nach Kapitel 11 erbracht. Hiervon ausgenommen ist die Leistung nach § 94.

(3) Von Amts wegen können erbracht werden:

1. Leistungen der Krankenbehandlung nach Kapitel 5,

2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 63,

3. Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 65 und

4. Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach § 66.

(4) Sind Geschädigte gesetzlich krankenversichert, gelten Anträge auf Leistungen nach Kapitel 5 zugleich als Anträge auf die entsprechenden Leistungen ihrer Krankenkasse, Anträge auf Leistungen ihrer Krankenkasse zugleich als Anträge auf die entsprechenden Leistungen nach Kapitel 5.

(5) Für Leistungen der Traumaambulanz genügt es, wenn unverzüglich nach der zweiten Sitzung ein Antrag gestellt wird. Bei Kontaktaufnahme des Fallmanagements mit möglicherweise berechtigten Personen genügt es, wenn nach der Kontaktaufnahme ein Antrag gestellt wird.

(6) Der Antrag auf Leistungen der Sozialen Entschädigung als Opfer einer Gewalttat nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 kann auch gestellt werden über eine Unterstützungsbehörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 15).

 

Zu § 10 (Antragserfordernis)

Die Vorschrift regelt den im Sozialen Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz des Antragserfordernisses und die hiervon bestehenden Ausnahmen.

Absatz 1 stellt klar, dass für Leistungen der Sozialen Entschädigung grundsätzlich ein Antragserfordernis besteht. Die Berechtigten können entscheiden, ob und wenn ja welche Leistungen sie in Anspruch nehmen möchten. Für die Antragstellung gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Der Antrag ist grundsätzlich nicht fristgebunden, da die Berechtigten selbst entscheiden sollen, wann sie bereit sind, sich im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht mit dem schädigenden Ereignis auseinander zu setzen.

Absatz 2 bestimmt, dass abweichend vom Antragsprinzip nach Absatz 1 Besondere Leistungen im Einzelfall von Amts wegen zu erbringen sind. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 54 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) und trägt damit dem fürsorgerischen Gedanken der Besonderen Leistungen im Einzelfall Rechnung. Eine Ausnahme besteht für die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94. Die im dortigen Absatz 3 geregelte Antragsfrist soll dem Träger der Sozialen Entschädigung eine zeitnahe Prüfung der Anspruchsberechtigung ermöglichen.

Absatz 3 enthält Abweichungen vom Antragsprinzip des Absatzes 1. Nach Nummer 1 können aus Gründen der Fürsorge Leistungen der Krankenbehandlung auch von Amts wegen erbracht werden. Werden der zuständigen Verwaltungsbehörde unmittelbar oder durch Information einer Krankenkasse Umstände bekannt, die darauf schließen lassen, dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht, so soll sie im Hinblick auf die Möglichkeit, Leistungen von Amts wegen zu erbringen, den Sachverhalt aufklären. Nummer 2 und 3 regeln, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Leistungen zur Sozialen Teilhabe auch von Amts wegen erbracht werden können. Damit soll sichergestellt werden, dass Bedarfe, die für eine Teilhabe erforderlich sind, unabhängig von einem Antrag erbracht werden können. Die Leistungserbringung erfolgt im Einvernehmen mit den Berechtigten.

Absatz 4 dient der Verfahrensvereinfachung und stellt für Geschädigte, die gesetzlich krankenversichert sind, eine Erleichterung dar. Da sich die Ursache einer Behandlungsbedürftigkeit häufig nicht einfach und schnell feststellen lässt, werden Geschädigte nicht mit der Entscheidung belastet, ob für die begehrten Leistungen die Krankenkasse oder die Verwaltungsbehörde zuständig ist. Bedeutsam ist dies insbesondere in den Fällen, in denen die Abgrenzung von Schädigungsfolgen und Nichtschädigungsfolgen in Frage steht.

Der Begriff der "entsprechenden Leistung" ist ausgehend vom Zweck der Norm weit auszulegen. Eine Gleichartigkeit der Leistung ist nicht erforderlich.

Nach Absatz 5 genügt es bei den Schnellen Hilfen, wenn der Antrag unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach der zweiten Sitzung in der Traumaambulanz beziehungsweise nach der Kontaktaufnahme des Fallmanagements gestellt wird. Grund ist, dass die Berechtigten möglichst rasch und unbürokratisch von den Schnellen Hilfen Gebrauch machen können sollen. Verzögerungen durch eine vorherige Antragstellungspflicht sollen vermieden werden.

Werden Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der EU Opfer einer Gewalttat in Deutschland im Sinne der §§ 13 ff., so können sie nach Absatz 6 gemäß der Richtlinie 2004/80/EG ihren Antrag über eine Unterstützungsbehörde in ihrem Aufenthaltsstaat stellen. Der Antrag wird dann nach dem in der Richtlinie geregelten Verfahren an die deutsche Behörde weitergeleitet, die für die Entschädigung zuständig ist. Dies wird in Absatz 6 klargestellt.

 

 

§ 11 Beginn der Leistungserbringung, Kostenregelung für die erste Inanspruchnahme Schneller Hilfen

(1) Leistungen, die auf Antrag erbracht werden, sind ab dem Monat zu erbringen, in dem die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme vorliegen, frühestens ab dem Monat, in dem der Antrag auf diese Leistungen gestellt wird.

(2) Abweichend von Absatz 1 sind für Zeiträume vor der Antragstellung Leistungen zu erbringen, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach dem schädigenden Ereignis gestellt war. War die anspruchsberechtigte Person ohne ihr Verschulden an der Antragstellung verhindert, so verlängert sich diese Frist um den Zeitraum der Verhinderung.

(3) Leistungen, die von Amts wegen erbracht werden, sind frühestens ab dem Monat zu erbringen, in dem der zuständigen Behörde die der Leistung zugrundeliegenden Tatsachen bekannt geworden sind.

(4) Leistungen der Schnellen Hilfen werden für Zeiträume vor der Antragstellung nicht erbracht. Dies gilt nicht für die Inanspruchnahme der ersten beiden Sitzungen in der Traumaambulanz sowie die Kontaktaufnahme des Fallmanagements mit möglicherweise berechtigten Personen.

(5) Die Kosten für die ersten beiden Sitzungen in der Traumaambulanz sowie die erste Kontaktaufnahme durch das Fallmanagement werden auch dann getragen, wenn Ansprüche nach diesem Buch nicht bestehen, auch nicht im Erleichterten Verfahren nach § 115.

Zu § 11 (Beginn der Leistungserbringung, Kostenregelung für die erste Inanspruchnahme Schneller Hilfen)

Die Leistungserbringung knüpft nach Absatz 1 an das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen sowie des Antrags an bzw. nach Absatz 3 an das Bekanntwerden der der Leistung zugrundeliegenden Tatsachen.

Die rückwirkende Leistungserbringung unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 stellt einen Anreiz für Berechtigte dar, den Antrag möglichst innerhalb eines Jahres nach dem schädigenden Ereignis zu stellen, denn bei einem länger zurückliegenden schädigenden Ereignis kann die Sachverhaltsaufklärung erschwert sein. Ein möglichst frühes Einsetzen der Leistungen der Sozialen Entschädigung kann sich positiv für die Berechtigten auswirken.

Absatz 4 stellt einerseits klar, dass das Antragserfordernis auch für die Schnellen Hilfen gilt. Andererseits wird verdeutlicht, dass hier Leistungen auch vor Antragstellung erbracht werden können, wenn der Antrag, wie in § 10 Absatz 5 vorgesehen, unverzüglich nach den ersten beiden Sitzungen in der Traumaambulanz oder nach Kontaktaufnahme durch das Fallmanagement gestellt wird.

Absatz 5 stellt sicher, dass Berechtigte nicht aus Furcht vor Erstattungsansprüchen von der zügigen Inanspruchnahme Schneller Hilfen abgehalten werden. Dies würde der Konzeption der Schnellen Hilfen widersprechen.

 

§ 12 Übernahme der Aufwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Kommunikationshilfen

(1) Bei der Ausführung von Leistungen nach diesem Buch und im Verwaltungsverfahren werden notwendige Aufwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer von dem Träger der Sozialen Entschädigung getragen, wenn eine berechtigte oder antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit weniger als fünf Jahren im Geltungsbereich dieses Buches hat.

(2) Hat eine antragstellende oder berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, werden notwendige Aufwendungen für Übersetzerinnen und Übersetzer bei der Antragstellung nach diesem Buch von dem Träger der Sozialen Entschädigung getragen.

(3) Bei der Ausführung von Leistungen nach diesem Buch und im Verwaltungsverfahren werden notwendige Aufwendungen für Kommunikationshilfen nach Maßgabe des § 9 des Behindertengleichstellungsgesetzes in Verbindung mit der Kommunikationshilfenverordnung übernommen.

Zu § 12 (Übernahme der Aufwendungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer)

Absatz 1 regelt, dass bei der Ausführung von Leistungen nach diesem Buch (§ 17 SGB I) und im Verwaltungsverfahren notwendige Aufwendungen für Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen für berechtigte oder antragstellende Personen innerhalb der ersten fünf Jahre des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland von dem Träger der Sozialen Entschädigung getragen werden. Für Übersetzungsleistungen im Verwaltungsverfahren gelten die allgemeinen Regelungen des § 19 Absatz 2 SGB X, die grundsätzlich ein gestuftes Verfahren vorsehen, für ausländische Berechtigte des Sozialen Entschädigungsrechts, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit weniger als fünf Jahren im Geltungsbereich dieses Buches haben, nicht. Insofern handelt es sich hier um eine abweichende Sonderregelung im Sinne des § 37 SGB I.

Der Zeitraum von fünf Jahren entspricht der allgemeinen Frist bis zu einer möglichen Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt. In diesem Zeitraum geht der Gesetzgeber daher regelmäßig von einer erfolgreichen Integrationsleistung aus.

Absatz 2 regelt abweichend von Absatz 1 und § 30 Absatz 1 SGB I, dass notwendige Aufwendungen für Übersetzungsleistungen für Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben, von dem Träger der Sozialen Entschädigung getragen werden. Dies gilt aber nur im Rahmen der Antragstellung. Erfasst werden hierdurch insbesondere Touristinnen und Touristen aus dem Ausland, die im Inland Opfer eines schädigenden Ereignisses werden.

Für die Kostentragung nach den Absätzen 1 und 2 ist Voraussetzung, dass die Dolmetscher- bzw. Übersetzungsleistung notwendig ist. Dies ist nicht gegeben, wenn der Leistungsträger auf andere Weise in der Lage ist, die Anträge oder Dokumente zu verstehen (etwa auf Grund von Sprachkenntnissen eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) oder wenn die antragstellende oder berechtigte Person von einer deutsch sprechenden Person begleitet wird oder von einer solchen Person übersetzte Dokumente vorlegt. Eine Notwendigkeit kann auch entfallen, wenn die antragstellende oder berechtigte Person selbst über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

4. Zu Artikel 1 (§ 12 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

 In Artikel 1 ist dem § 12 folgender Absatz 3 anzufügen: 1. "(3) Bei der Ausführung von Leistungen nach diesem Buch und im Verwaltungsverfahren werden notwendige Aufwendungen für Kommunikationshilfen nach Maßgabe des § 9 des Behindertengleichstellungsgesetzes in Verbindung mit der Kommunikationshilfenverordnung getragen."

 Begründung:

 7. Gemäß § 9 Absatz 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes haben Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die Aufwendungen hierfür sollen die Träger öffentlicher Gewalt übernehmen, sofern die Hilfe erforderlich ist. Damit keine Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen erfolgt und zur Sicherstellung der Teilhabe sind neben den Kosten für Dolmetscher auch die Kosten für Kommunikationshilfen, insbesondere für Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher zu übernehmen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 4 (Zu Artikel 1, § 12 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.


 

Abschnitt 2 Entschädigungstatbestände

 

Unterabschnitt 1 Gewalttaten

 

Zu Unterabschnitt 1 (Gewalttaten)

Dieser Unterabschnitt enthält Vorschriften zur Entschädigung der Opfer von Gewalttaten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Anträge auf Leistungen der Sozialen Entschädigung für Opfer von Gewalttaten abnehmen wird. Durch neue Leistungsangebote im Sozialen Entschädigungsrecht wird der bisherigen erheblichen Diskrepanz zwischen der Anzahl der angezeigten Gewaltdelikte und der gestellten Anträge auf Leistungen der Opferentschädigung Rechnung getragen. Ziel des neuen Sozialen Entschädigungsrechts ist es, möglichst alle Opfer von Gewalttaten durch das niedrigschwellige Angebot der Schnellen Hilfen zu erreichen. Es werden auch Personengruppen erfasst, die nach dem OEG nicht leistungsberechtigt waren, indem nunmehr auch Opfer psychischer Gewalttaten als Opfer einer Gewalttat anerkannt werden.

 

§ 13 Opfer von Gewalttaten

(1) Als Opfer einer Gewalttat erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Absatz 1 Leistungen der Sozialen Entschädigung, wer im Inland oder auf einem deutschen Schiff oder in einem deutschen Luftfahrzeug eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat durch

1. einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, unmittelbar gegen ihre oder seine Person gerichteten tätlichen Angriff (körperliche Gewalttat) oder durch dessen rechtmäßige Abwehr oder

2. ein sonstiges vorsätzliches, rechtswidriges, unmittelbar gegen die freie Willensentscheidung einer Person gerichtetes schwerwiegendes Verhalten (psychische Gewalttat).

(2) Ein Verhalten im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 ist in der Regel schwerwiegend, wenn es den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs (§§ 174 bis 176b des Strafgesetzbuchs), des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung, der Vergewaltigung (§§ 177 und 178 des Strafgesetzbuchs), des Menschenhandels (§§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs), der Nachstellung (§ 238 Absatz 2 und 3 des Strafgesetzbuchs), der Geiselnahme (§ 239b des Strafgesetzbuchs) oder der räuberischen Erpressung (§ 255 des Strafgesetzbuchs) erfüllt oder von mindestens vergleichbarer Schwere ist.

Zu § 13 (Opfer von Gewalttaten)

Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen, unter denen Opfer von Gewalttaten - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Buches - Leistungen der Sozialen Entschädigung erhalten können.

Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegen Minderjährige gelten grundsätzlich als Entschädigungstatbestände nach § 13, auch wenn die Taten äußerlich gewaltlos erscheinen.

Absatz 1 Nummer 1 übernimmt im Wesentlichen die in § 1 Absatz 1 Satz 1 OEG enthaltene Definition. Unter einem rechtswidrigen, unmittelbar gegen eine Person gerichteten tätlichen Angriff ist wie nach bisherigem Recht eine unmittelbar auf den Köper eines Menschen zielende feindselige Einwirkung zu verstehen, für die kein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Unerheblich ist, ob die angreifende Person schuldhaft gehandelt hat. Die gesundheitliche Schädigung durch einen gegen eine andere Person gerichteten Angriff (aberratio ictus) ist nunmehr in § 14 Absatz 1 Nummer 2 geregelt. Der Angriff in der irrtümlichen Annahme des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes ist in § 14 Absatz 1 Nummer 3 normiert. Seit Einführung des OEG im Jahre 1976 wurden neue Erkenntnisse im Bereich der psychischen Gewalt gewonnen. Dementsprechend sieht der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen für die 19. Legislaturperiode vor, dass bei der Neuordnung des Sozialen Entschädigungsrechts veränderten gesellschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen auch im Bereich psychischer Gewalt Rechnung getragen werden soll. Nicht nur ein tätlicher Angriff, sondern auch eine psychische Gewalttat kann zu einer gesundheitlichen Schädigung des Opfers führen. In anderen Rechtsgebieten wurde diesen Erkenntnissen bereits Rechnung getragen. So wurde die Nachstellung als Straftatbestand ins Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen (§ 238 StGB) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz definiert in seinem § 3 Absatz 3 die "Belästigung" als Sonderform der Benachteiligung. Zudem wird mit der Einführung des Tatbestandes der psychischen Gewalt eine Verpflichtung aus dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) vom 11. Mai 2011 (BGBl. 2017 II S. 1027) erfüllt. Das am 12. Oktober 2017 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Übereinkommen zielt u. a. darauf ab, umfassende Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen zu entwerfen (vgl. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens). Zu den von den Unterzeichnerstaaten zu treffenden Maßnahmen gehört die Gewährung einer angemessenen staatlichen Entschädigung für diejenigen, die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben (Artikel 30 Absatz 2 des Übereinkommens). Dabei findet das Übereinkommen auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen Anwendung (Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens), somit auch auf psychische Gewalt. Diese Form der Gewalt ist in Artikel 33 des Übereinkommens explizit als eine zu sanktionierende Gewaltform aufgeführt.

Das neue Soziale Entschädigungsrecht erkennt als Opfer einer Gewalttat nunmehr auch solche Personen an, die durch eine psychische Gewalttat eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Allerdings soll nicht jegliches unerlaubte Verhalten als psychische Gewalttat eingestuft werden, anderenfalls würde der Tatbestand uferlos. Erfasst ist daher nur ein schwerwiegendes Verhalten, das durch Beispiele näher konkretisiert wird. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen die psychische Gewalt in der Regel schwerwiegend ist. Beim Menschenhandel etwa werden nunmehr auch diejenigen Personen als Opfer von Gewalttaten erfasst, die selbst keine körperliche Gewalt erfahren haben, deren freie Willensentscheidung stattdessen durch Androhung von Gewalt, etwa gegen im Heimatland verbliebene Angehörige, eingeschränkt wird.

Die Einführung der Nummer 2 war auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R) erforderlich. Das Gericht hat entgegen seiner vorangegangenen langjährigen Rechtsprechung die Bedrohung mit einer ungeladenen, täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole nicht als "tätlichen Angriff" im Sinne des § 1 OEG angesehen. Damit in diesem Bereich keine Lücke im Entschädigungsrecht verbleibt, wird ausdrücklich klargestellt, dass die räuberische Erpressung nach § 255 StGB ein schwerwiegendes Verhalten im Sinne der Definition der psychischen Gewalttat darstellt. Die Aufzählung in § 13 Absatz 2 ist nicht abschließend. Hierdurch soll die Praxis die Möglichkeit erhalten, in den Fällen von mindestens vergleichbarer Schwere, wie den explizit genannten, Betroffene als Opfer von Gewalttaten anzuerkennen. Von vergleichbarer Schwere wie die genannten Beispielsfälle können im Einzelfall etwa eine Nachstellung im Sinne des § 238 Absatz 1 StGB oder erhebliche, gegen die geschädigte Person gerichtete Verhaltensweisen im Internet sein.


Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

5. Zu Artikel 1 (§§ 13 und 14 SGB XIV)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Prüfung, inwieweit Opfer institutionell erlittener Gewalt nach § 13 SGB XIV-E altersunabhängig als antrags- und leistungsberechtigte Personen dem Grunde nach Berücksichtigung finden beziehungsweise inwieweit der genannte Personenkreis in § 14 SGB XIV-E (Gleichstellungen) als Opfer institutionell erfahrener körperlicher oder psychischer Gewalt sowie sonstiger Schädigungen in Folge von Zwangsmaßnahmen, Vernachlässigung oder unzulässigen
freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen einer gesonderten Nennung in § 14 Absatz 1 SGB XIV-E bedarf.

Begründung:

8. Minderjährige Nachkriegsopfer institutionell erfahrenen Leids und Unrechts in Einrichtungen der Heimerziehung, der Behindertenhilfe und der Psychiatrie sowie in Schulen, Internaten und sonstigen unter öffentlicher Aufsicht stehenden Einrichtungen (23. Mai 1949 bis 31. Dezember 1975 in der Bundesrepublik sowie 7. Oktober 1949 bis 2. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR) sowie Opfer sexueller Gewalt haben die Möglichkeit erhalten, in Ergänzung zum gesetzlichen Sozialleistungssystem als freiwillige Leistungen Hilfen aus den hierzu eingerichteten verschiedenen Opferfonds zu erhalten (Heimkinderfonds, Ergänzendes Hilfssystem sexueller Missbrauch, Stiftung Anerkennung und Hilfe).
9. Im Zeitraum bis zum Jahr 1975 beziehungsweise bis zum Jahr 1990 (DDR) bereits erwachsene Opfer sowie ab Inkrafttreten des OEG (1976) erstmals betroffene minderjährige Opfer institutionell erlittenen Unrechts wurden seit dem Jahr 1976 bereits ausschließlich auf das OEG verwiesen.
10. In Bezug auf alle genannten Opfergruppen bestehen jedoch Anhaltspunkte, dass diese weder durch die aufgelegten freiwilligen Entschädigungssysteme für Minderjährige noch durch das geltende OEG hinreichend erreicht wurden beziehungsweise noch zeitnah erreicht werden.
11. Mit Blick auf anhaltende Traumatisierungen und langfristige Schädigungen sowie stark zeitversetzte Antragstellungen werden daher für eine anzunehmende größere Anzahl von Opfern daher auch lange Zeit nach dem Schadenseintritt und möglichen Verjährungen gegebenenfalls ausschließlich über das OEG erstmalig oder weiter begleitend Hilfen oder Ausgleichsleistungen erforderlich sein.
12. Der Gesetzentwurf selbst und auch die Begründungen zu den §§ 13 und 14 SGB XIV-E enthalten keinen Hinweis auf Opfer institutioneller Gewalt. Die Novellierung des OEG sollte daher bundespolitisch zum Anlass einer Klarstellung oder der Einfügung eines ergänzenden Gleichstellungshinweises zum Beispiel als anzufügende Nummer 7 in § 14 Absatz 1 SGB XIV-E genommen werden, dass nicht nur Opfer privat erlittener Gewalttaten zu den antrags- und gegebenenfalls leistungsberechtigten Personengruppen gehören, sondern – unabhängig vom Tatzeitpunkt und Alter bei Schädigungseintritt sowie gegebenenfalls bereits eingetretener Verjährung der Straftat – auch Opfer institutionell erfahrener Gewalt in Form von unzulässigen Zwangsmaßnahmen, sexuellem Missbrauch, Medikamentenmissbrauch, körperlicher und seelischer Gewalt, Vernachlässigung sowie freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen ohne richterliche Genehmigung in Einrichtungen der Heimerziehung, der Behindertenhilfe, der Psychiatrie und sonstigen öffentlichen oder unter öffentlicher Verantwortung und Aufsicht stehenden Einrichtungen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 5 (Zu Artikel 1, §§ 13 und 14 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Die §§ 13 und 14 erfassen alle Personen, die die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Dabei ist unerheblich, ob sich die Gewalttat oder die ihr gleichgestellte Tat im öffentlichen, privaten oder institutionellen Rahmen ereignet hat. Eine Ergänzung ist daher nicht erforderlich.
Soweit in der Begründung des Antrags darauf hingewiesen wird, dass Taten vor Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) nicht erfasst sind, ist das teilweise zutreffend. Diese Personen sind nicht gänzlich aus dem Anwendungsbereich des SGB XIV ausgeschlossen, vielmehr erhalten sie nur Härteleistungen. Dies betrifft aber nicht die §§ 13 und 14, sondern den zeitlichen Geltungsbereich (§§ 137, 138). Dabei wurde bewusst an der bereits im OEG geltenden Regelung des § 10a festgehalten, wonach für Zeiten vor Inkrafttreten des OEG grundsätzlich nur Härteleistungen erbracht werden. Bereits die Härteregelung des § 10a OEG stellt eine Ausnahme von dem im Sozialrecht und damit auch im Sozialen Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz dar, dass Leistungen erst ab Inkrafttreten des zugrundeliegenden Gesetzes erbracht werden.
Der dem OEG zugrundeliegende Aufopferungstatbestand, dass der Staat ein Opfer nicht vor der Verletzung durch den Gewalttäter hat schützen können, ist erst mit Inkrafttreten des Gesetzes am 16. Mai 1976 manifestiert worden. Der Aufopferungstatbestand kann somit nicht in dem Sinne "vorverlegt" werden, dass für Gewalttaten vor Inkrafttreten des OEG die gleichen Leistungsvoraussetzungen gelten wie nach seinem Inkrafttreten.
Das OEG enthielt daher konsequenterweise ursprünglich überhaupt keine Regelung zur Einbeziehung von Taten vor seinem Inkrafttreten. Die Regelung des § 10a OEG wurde vielmehr erst 1984, also etwa acht Jahre nach Schaffung des OEG, in das Gesetz aufgenommen. Der Gesetzgeber hat auf Grundlage der bis dahin gemachten Erfahrungen dabei mit der Ausgestaltung der Vorschrift als Härteregelung deutlich gemacht, dass zwar Leistungen für Schädigungen aus Taten vor dem Inkrafttreten des OEG erbracht werden können, dies aber auf wenige, besonders schwerwiegende Fälle, in denen sowohl eine schwere gesundheitliche Schädigung als auch eine wirtschaftliche Bedürftigkeit vorliegen, beschränkt werden soll.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Regelung, nach der auch für Taten vor dem Inkrafttreten des OEG das volle Leistungsspektrum des Gesetzes ohne Einschränkungen zu erbringen ist, nicht auf eine bestimmte Opfergruppe, wie etwa die Opfer institutioneller Gewalt, beschränken ließe. Vielmehr müsste diese Regelung mit Blick auf den Gleichheitssatz auf alle Gewaltopfer ausgedehnt werden - mit den damit verbundenen unabsehbaren finanziellen Folgen.
Eine Änderung des zeitlichen Geltungsbereichs hätte zudem zur Folge, dass Personen, die vor Inkrafttreten des OEG geschädigt wurden und deren Antrag auf Entschädigungsleistungen bestandskräftig abgelehnt wurde, schlechter behandelt würden als Personen, die ebenfalls in diesem Zeitraum geschädigt wurden, die aber noch keinen Antrag gestellt haben. Vor diesem Hintergrund lehnt die Bundesregierung eine Änderung des § 138 SGB XIV ab.

 

§ 14 Gleichstellungen

(1) Einer Gewalttat stehen gleich:

1. die vorsätzliche Beibringung von Gift,

2. das Fehlgehen der Gewalttat, so dass sie eine andere Person trifft als die Person, gegen die sie gerichtet war,

3. ein Angriff in der irrtümlichen Annahme des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes,

4. die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen,

5. die erhebliche Vernachlässigung von Kindern und

6. die Herstellung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Kinderpornografie nach § 184b Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 des Strafgesetzbuchs.

(2) Den Opfern von Gewalttaten stehen Personen gleich, die in Folge des Miterlebens der Tat oder des Auffindens des Opfers eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Den Opfern von Gewalttaten stehen weiterhin Personen gleich, die durch die Überbringung der Nachricht vom Tode oder der schwerwiegenden Verletzung des Opfers eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wenn zwischen diesen Personen und dem Opfer im Sinne des § 13 oder des Absatzes 1 eine enge emotionale Beziehung besteht. Eine solche Beziehung besteht in der Regel mit Angehörigen und Nahestehenden.

Zu § 14 (Gleichstellungen)

Nummer 1 und 4 des Absatzes 1 entsprechen dem bisherigen § 1 Absatz 2 OEG. Nummer 3 entspricht dem bisherigen § 1 Absatz 1 Satz 2 OEG.

Bei Nummer 2 des Absatzes 1 handelt es sich um den bisher in § 1 Absatz 1 Satz 1 OEG normierten Angriff gegen eine andere Person. Zugleich wird verdeutlicht, dass damit ausschließlich die aberratio ictus, also der Fall, dass der Angriff auf eine Person fehlgeht und stattdessen eine andere Person als die anvisierte getroffen wird, erfasst wird. Dies entsprach bereits bei Erlass des OEG dem gesetzgeberischen Willen. Nummer 2 erfasst auch den Fall, dass durch den Angriff über die anvisierte Person hinaus weitere Personen eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben.

Nummer 5 enthält eine ausdrückliche Regelung der Fälle, in denen in der Praxis bisher schon oft Leistungen nach dem OEG erbracht wurden. Zur Klarstellung wurde diese Fallgruppe nunmehr ausdrücklich aufgenommen. Gemeint sind Fälle, in denen die Sorgeberechtigten einem Kind keine unmittelbare körperliche Gewalt antun, sie jedoch nicht für sein körperliches und psychisches Wohl sorgen, es sich selbst überlassen, so dass das Kind erheblichen körperlichen oder psychischen Schaden nimmt. Erfasst sind körperliche Vernachlässigungen wie unzureichende Ernährung und Verhinderung medizinisch notwendiger Hilfe. Ebenso erfasst ist psychische Vernachlässigung, sofern sie als dauerhaftes, ausgeprägtes Fehlverhalten der Sorgeberechtigten in Erscheinung tritt. Die Vernachlässigung muss erheblich und als eindeutig falsches Erziehungsverhalten zu werten sein. So genügt etwa das Alleinelassen des Kindes für kurze Zeit nicht, um eine erhebliche Vernachlässigung zu begründen.

Nummer 6 schließt eine Lücke im Bereich der Kinderpornografie. Die in § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuchs genannte Vornahme sexueller Handlungen ist zwar bereits durch § 13 Absatz 1 Nummer 1 erfasst. Allerdings kann sich eine darüber hinausgehende Schädigung durch die weiteren in der Norm genannten Handlungen im Zusammenhang mit Kinderpornografie ergeben. Kinder und Jugendliche können durch die Herstellung, öffentliche Zugänglichmachung etc. von Kinderpornografie schwerste Schäden erleiden, auch wenn diese Handlungen nicht den Tatbestand der Gewalttat i. S. d. § 13 erfüllen. Daher ist es sachgerecht, diese Fallkonstellationen denjenigen des § 13 gleichzustellen. Um Lücken im Bereich der Entschädigung zu vermeiden, werden die Nummern 1, 3 und 4 des § 184b Absatz 1 in ihrer Gänze aufgenommen.

Absatz 2 Satz 1 erfasst Personen, die die Tat unmittelbar miterlebt oder das Opfer aufgefunden haben. Das BSG hatte bereits über die gesetzgeberische Intention hinaus den Anwendungsbereich des OEG auch auf die Opfer sogenannter Schockschäden ausgedehnt. In den Schockschadensfällen tritt die gesundheitliche Schädigung dadurch ein, dass die geschädigte Person eine Gewalttat oder ihr gleichgestellte Tat miterlebt hat, ein Opfer im Sinne des § 13 oder § 14 Absatz 1 (Primäropfer) aufgefunden hat oder ihr die Nachricht vom Tode oder der Verletzung eines Primäropfers überbracht wurde. Diese sogenannten Sekundäropfer haben die gesundheitliche Schädigung also nicht durch eine unmittelbar gegen sie gerichtete Gewalttat erlitten und werden folglich nicht von § 13 oder von Absatz 1 erfasst. Daher bedarf es einer ausdrücklichen Regelung dieser Fälle, die hier in Absatz 2 erfolgt ist.

Um den Tatbestand nicht uferlos auszuweiten, wird, der bisherigen Rechtsprechung entsprechend, bei der Überbringung der Nachricht vom Tode oder der schwerwiegenden Verletzung des Opfers eine enge emotionale Beziehung zwischen Primär- und Sekundäropfer verlangt. Nur in diesen Fällen ist es gerechtfertigt, für die eingetretene gesundheitliche Schädigung erforderlichenfalls dasselbe Leistungsspektrum wie Primäropfern zu erbringen. Das Kriterium der engen emotionalen Beziehung ist ebenso auszulegen wie das entsprechende Erfordernis in der zu Schockschäden ergangenen Rechtsprechung (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12.6.2003, B 9 VG 1/02 R; Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 26. November 2002, IVc2-62039/3). In den in Absatz 2 Satz 3 genannten Fällen liegt eine enge emotionale Beziehung in der Regel vor.

In anderen Fällen ist zu prüfen, ob die Beziehung zwischen Primär- und Sekundäropfer vergleichbar stark durch Nähe und Zuneigung geprägt war wie in den Fällen des Absatz 2 Satz 3. In den Fällen, in denen es an einer solchen engen emotionalen Beziehung fehlt, erhalten die Sekundäropfer Leistungen unter den Voraussetzungen des § 16.

 

§ 15 Anspruch auf Leistungen bei Gewalttaten im Ausland

Personen, die durch ein schädigendes Ereignis nach den §§ 13 und 14 im Ausland eine gesundheitliche Schädigung erleiden, erhalten wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Leistungen nach Maßgabe des § 102, wenn sie

1. ihren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben und

2. sich zum Tatzeitpunkt für einen vorübergehenden Zeitraum von längstens sechs Monaten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufgehalten haben.

Die Frist nach Satz 1 Nummer 2 verlängert sich auf ein Jahr, wenn der Auslandsaufenthalt dem Besuch einer Schule, Hochschule, der Berufsausbildung oder der Leistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes dient.

Zu § 15 (Anspruch auf Leistungen bei Gewalttaten im Ausland)

Die Norm sieht einen Ausgleich für Personen vor, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Buches Opfer von Gewalttaten werden. Anders als in den Fällen der §§ 13 und 14 trifft bei Taten im Ausland den deutschen Staat keine besondere Verantwortung. Die Pflicht zur Entschädigung von Opfern trifft daher primär den Staat, in dem die Gewalttat begangen wurde (so auch Artikel 2 der Richtlinie 2004/80/EG). Da ausländische Systeme der Opferentschädigung aber derzeit noch sehr lückenhaft sind und oft nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen, schafft die Norm hier einen Ausgleich für den Fall, dass die Betroffenen anderweitig keine Hilfe oder zu wenig Hilfe erhalten.

Berechtigt sind nach Nummer 1 Deutsche, Ausländerinnen und Ausländer, die einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 SGB I) im Inland haben. Der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts entspricht dabei dem des Ausländer- und Aufenthaltsrechts.

Außerdem besteht nach Nummer 2 der Anspruch nur, wenn die Geschädigten sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, z. B. auf einer Urlaubs- oder Geschäftsreise. Ausschlaggebend ist die Absicht, sich vorübergehend im Ausland aufzuhalten. So besteht der Anspruch nicht bei einer Person, die dauerhaft ins Ausland verzieht, auch nicht für die ersten sechs Monate. Andererseits kann eine Person anspruchsberechtigt sein, die z. B. im Ausland Opfer einer Entführung wird und daher länger als sechs Monate dort verbleibt.

Der Umfang der Leistungen bestimmt sich nach § 102.

 

§ 16 Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen

(1) Von Ansprüchen nach diesem Buch ist ausgeschlossen, wer das schädigende Ereignis in vorwerfbarer Weise verursacht hat.

(2) Leistungen sind so zu erbringen, dass sie nicht der Person wirtschaftlich zugutekommen, die das schädigende Ereignis verursacht hat.

Zu § 16 (Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen)

Die Vorschrift enthält in Absatz 1 einen Anspruchsausschluss für Personen, die das schädigende Ereignis in vorwerfbarer Weise verursacht haben. Die Norm entspricht weitgehend dem bisherigen § 2 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz OEG. Die Verursachung ist im Sinne der Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung zu verstehen, die geschädigte Person muss also eine wesentliche Bedingung für das schädigende Ereignis gesetzt haben. Dabei genügt nicht jegliche Bedingung. Vielmehr muss die geschädigte Person ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Setzung der Bedingung treffen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie den Angriff selbst herausgefordert hat oder wenn sie Opfer einer Schlägerei geworden ist, in die sie nicht ohne eigenes Verschulden hereingezogen worden ist.

Absatz 2 ist Ausdruck des Grundsatzes, dass nach diesem Buch diejenigen entschädigt werden sollen, die durch das schädigende Ereignis einen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Nachteil erlitten haben. Dieser Grundsatz würde ins Gegenteil verkehrt, wenn die Leistungen den Personen, die das schädigende Ereignis verursacht haben, zu Gute kämen. Überdies kann Absatz 2 ein Grund für das Opfer sein, sich aus dem Einflussbereich der schädigenden Person zu entfernen und so etwaige neue Schädigungen zu vermeiden. Zu prüfen ist, inwieweit die jeweilige Leistung wirtschaftlich tatsächlich dem Täter oder der Täterin zu Gute käme und wenn ja, ob dies durch geeignete Maßnahmen ausgeschlossen werden kann. Von der Leistungserbringung nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind Opfer von häuslicher Gewalt oder Partnerschaftsgewalt, die sich entscheiden in ihr häusliches Umfeld und damit zum Täter oder zur Täterin zurückkehren. Hier ist jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dabei ist bei der Prüfung, ob eine leichtfertige Selbstgefährdung vorliegt, ein individueller Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Die Verwaltungshoheit der für die Gesetzesdurchführung zuständigen Länder wird durch diese gesetzlichen Vorgaben nicht berührt.


Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

6. Zu Artikel 1 (§ 16 Absatz 2 SGB XIV)

 Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Überprüfung der Regelung in § 16 Absatz 2 SGB XIV-E, da unklar ist, ob dieser lediglich die Art und Weise der Leistungsgewährung regelt oder auch einen Leistungsausschluss begründen kann. Es sollte sichergestellt sein, dass eine Versagung von Leistungen, weil auch der Täter von ihnen profitieren würde, allenfalls das letzte Mittel sein kann und vorrangig nach Möglichkeiten zu suchen ist, wie die Leistung so ausgestaltet werden kann, dass sie tatsächlich der geschädigten Person zugute kommt. Des Weiteren sollte geprüft werden, ob flankierende unterhaltsrechtliche Regelungen sinnvoll und geboten sind, um sicherzustellen, dass Täter nicht aufgrund von Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts unterhaltsrechtlich entlastet werden.

 13. 14. Begründung:

 15. § 16 Absatz 2 SGB XIV-E verlangt, dass Leistungen so zu erbringen sind, dass sie nicht der Person wirtschaftlich zugutekommen, die das schädigende Ereignis verursachthat. Nach dem Wortlaut ist dies eine Regelung der Art und Weise der Leistungserbringung. Eine Versagung von Leistungen, von der aber die Überschrift sowie die Begründung zum Gesetzentwurf offenbar ausgehen, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. 16. Aufgrund der unterhaltsrechtlichen Verflechtungen besteht in Fällen häuslicher Gewalt das Risiko, dass die Leistungsgewährung letztlich auch den Tätern und Täterinnen zugutekommt. Die Begründung, dass über das Versagen von Leistungen, wenn auch der Täter oder die Täterin von diesen profitieren würde, gewaltbetroffene Personen bewegt werden sollen, die Beziehung mit dem gewalttätigen Partner oder der gewalttätigen Partnerin zu verlassen, überzeugt nicht, da durch die Leistungen des Sozialen Entschä- digungsrechts für Unrecht entschädigt werden und die Selbstbestimmung der Betroffenen gestärkt werden soll. Mit einer Leistungsversagung wird dieses Ziel verfehlt. Es ist daher vorrangig eine auf den Einzelfall zugeschnittene Ausgestaltung der Leistungen anzustreben, mit der die ungewollte Folge, dass auch Täter und Täterinnen profitieren, verhindert wird. Sinnvoll wäre zudem die Flankierung durch eine Regelung im Unterhaltsrecht, dass entsprechende Leistungen den unterhaltsrechtlichen Bedarf einer Person nicht mindern. In welchen Fällen dann noch Leistungsausschlüsse auf Basis von § 16 Absatz 2 SGB XIV-E verbleiben, sollte beobachtet und Lösungsmöglichkeiten für dieses ethische Dilemma gesucht werden.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 6 (Zu Artikel 1, § 16 Absatz 2 SGB XIV)

 Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Der Wortlaut der Norm ist hinreichend klar. In § 16 Absatz 2 ist dem Wortlaut nach ein Leistungsgrundsatz formuliert, in dem lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung geregelt wird. Daraus ergibt sich, dass die Leistung nur so erbracht werden darf, dass sie nicht dem Täter wirtschaftlich zugutekommt. Im Umkehrschluss ist die Leistungserbringung nur dann ausgeschlossen, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich ist. Dies ergibt sich auch aus der Bezeichnung der Norm - Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen - sowie aus der Gesetzesbegründung. Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates, dass ein Leistungsausschluss allenfalls das letzte Mittel sein kann; vorranging muss die zuständige Behörde nach einer Möglichkeit suchen, die Leistungen so zu erbringen, dass sie nicht dem Täter zugutekommen. Dies kommt in der expliziten Verpflichtung der Behörde, die Leistungen entsprechend zu erbringen, zum Ausdruck. Eine Änderung des Unterhaltsrechts erachtet die Bundesregierung für nicht erforderlich. Denn auch nach bisherigem Recht können die Leistungen aus Billigkeitsgründen versagt werden, wenn sie dem Täter wirtschaftlich zugutekommen. § 16 Absatz 2 stellt damit nur eine Konkretisierung der bisherigen Rechtslage dar, aber keine Neuerung, die Anpassungen im Unterhaltsrecht erfordern würde.

 

§ 17 Versagung von Leistungen

(1) Leistungen sind zu versagen, wenn es aus in dem eigenen Verhalten der Antragstellerin oder des Antragstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Leistungen der Sozialen Entschädigung zu erbringen.

(2) Leistungen können ganz oder teilweise versagt werden, wenn Geschädigte es unterlassen haben, das ihnen Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung der Täterin oder des Täters beizutragen.

Zu § 17 (Versagung von Leistungen)

Die Vorschrift regelt Fälle, in denen Leistungen der Sozialen Entschädigung zu versagen sind oder versagt werden können.

Absatz 1 entspricht dem bisherigen § 2 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz OEG. Leistungen sind auch weiterhin zu versagen, wenn ihre Erbringung mit Rücksicht auf das eigene Verhalten der antragstellenden Person unbillig wäre. Es genügt ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verhalten der geschädigten Person und dem schädigenden Ereignis. Die geschädigte Person muss nicht selbst eine wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung gesetzt haben. Die Norm erfasst etwa den Fall, dass die Gewalttat verübt wird, während die geschädigte Person selbst eine Straftat begeht. Erfasst werden auch sogenannte "Milieu-Taten", also Fälle, in denen sich die geschädigte Person als Zuhälter, Rauschgifthändler oder sonst in krimineller Weise betätigt und dabei Opfer einer Tat wird, für die auf solchen Gebieten ein besonderes Risiko besteht, etwa einer Gewalttat, die der Rivalität unter Konkurrenten entspringt. Eine Versagung von Leistungen kommt zudem in Betracht, wenn das Opfer sich bewusst selbst gefährdet hat, z. B. durch Reisen in gefährliche Gebiete im Ausland, insbesondere wenn dort Krieg, Bürgerkrieg oder vergleichbare Zustände herrschen. Ein auf einer Erkrankung, etwa einer Alkoholabhängigkeit, beruhendes Verhalten vermag die Unbilligkeit nicht zu begründen.

Die in § 2 Absatz 1 Satz 2 OEG genannten Fälle der Leistungsversagung werden vom allgemeinen Begriff der Unbilligkeit erfasst.

Absatz 2 entspricht dem bisherigen § 2 Absatz 2 OEG. Im Sozialen Entschädigungsrecht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Dabei stützen sich die zuständigen Behörden auf die Ergebnisse polizeilicher Ermittlungen. Deshalb soll die antragstellende Person grundsätzlich an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken und das ihr Mögliche und Zumutbare zur Verfolgung der Täterin oder des Täters beitragen. Damit soll zudem den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, den Täter strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen zu können, dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse Genüge zu tun und zukünftiges Unrecht zu verhindern. Die Leistungsversagung ist jedoch keine zwingende Rechtsfolge, vielmehr hat die zuständige Verwaltungsbehörde ein Ermessen auszuüben. Sie kann den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen und trotz fehlender Mitwirkung Leistungen erbringen, wenn die Mitwirkung dem Opfer nicht zumutbar ist. Dies kommt beispielsweise bei einer verwandtschaftlichen, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung zum Täter oder zur Täterin in Betracht. Unzumutbarkeit kann auch gegeben sein, wenn beispielsweise eine Anzeige für die antragstellende Person zu belastend ist oder wenn die Person minderjährig ist.

 

§ 18 Ansprüche bei Gebrauch eines Kraftfahrzeugs

Wird eine Gewalttat im Sinne des § 13 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Buch erbracht.

Zu § 18 (Ansprüche bei Gebrauch eines Kraftfahrzeugs)

Das bisherige Recht enthielt in § 1 Absatz 11 OEG einen Ausschluss von Leistungen nach dem OEG bei einem tätlichen Angriff durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, wenn Ansprüche gegen den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach § 12 Pflichtversicherungsgesetz (Entschädigungsfonds) bestanden. Aufgabe des Entschädigungsfonds ist es u. a., die Deckung der im Straßenverkehr durch Vorsatztaten entstehenden Schäden zu übernehmen (§ 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 PflVG; zur Begründung vgl. Bundestags-Drs. 7/2506; S 18).

Auch das neue Recht erkennt den Vorrang der Ansprüche gegen den Entschädigungsfonds an. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die dort zur Verfügung stehenden finanziellen Leistungen auf einen Höchstbetrag begrenzt sind; der Entschädigungsfonds leistet im Rahmen der Mindestversicherungssummen − 7,5 Millionen Euro bei Personenschäden, 1,22 Millionen Euro bei Sachschäden. Dies führt insbesondere in den Fällen zu nicht sachgerechten Ergebnissen, in denen auf Grund der großen Anzahl der Opfer die zu ersetzenden Schäden den Höchstbetrag übersteigen, so dass der Einzelne keinen vollen Schadenersatz erhält. Zudem enthält das Recht der Sozialen Entschädigung auch andere, vom Entschädigungsfonds nicht gewährte Leistungen (der Entschädigungsfonds leistet nach Schadensersatzrecht). Sachliche Gründe, diese Leistungen Opfern auf Grund des Tatmittels Kraftfahrzeug vorzuenthalten, sind nicht ersichtlich. Daher soll auch durch einen tätlichen Angriff mit einem Kraftfahrzeug oder Anhänger geschädigten Personen das volle Leistungsspektrum der Sozialen Entschädigung zur Verfügung stehen. Der primären Einstandspflicht des Entschädigungsfonds wird dadurch Rechnung getragen, dass die Ansprüche der geschädigten Person gegen den Entschädigungsfonds auf den Träger der Sozialen Entschädigung übergehen, soweit der Träger Leistungen erbracht hat, die nach Art und Umfang den Leistungen nach Schadensersatzrecht entsprechen. Durch den in § 120 geregelten Anspruchsübergang wird zudem sichergestellt, dass etwaige Uneinigkeiten zwischen dem Träger des Sozialen Entschädigungsrechts und dem Entschädigungsfonds bezüglich der von ihnen jeweils zu erbringenden Leistungen nicht zu Lasten der geschädigten Person gehen.

 

§ 19 Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, Konkurrenzen

(1) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sind von Ansprüchen nach diesem Buch ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 16 in der eigenen Person oder in der Person der oder des Geschädigten vorliegen.

(2) § 18 gilt entsprechend.

Zu § 19 (Ausschluss von Ansprüchen und Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, Konkurrenzen)

Die Vorschrift regelt, in welchen Fällen andere Personen als die primär geschädigte Person von Ansprüchen und Leistungen nach diesem Buch ausgeschlossen sind. Zu beachten ist, dass Angehörige etc. in den Fällen des § 14 Abs. 2 selbst Geschädigte sind. Ihr Anspruch ergibt sich aufgrund der eigenen Gesundheitsschädigung durch das Miterleben der Tat bzw. die Überbringung der Nachricht vom Tod oder der schweren Verletzung. Ihr Anspruch ist in diesen Fällen - wie sich aus der gesetzlichen Gleichstellung ergibt - ein eigenständiger Anspruch. Daher kommt es dabei auch nur darauf an, ob in ihrer Person ein Ausschlussgrund vorliegt.

Absatz 1 regelt mit dem Verweis auf § 16 Absatz 1 den Leistungsausschluss für den Fall, dass die geschädigte oder die antragstellende Person das schädigende Ereignis verursacht hat. In beiden Fällen wäre eine Leistungserbringung nicht sachgerecht. Das Vorliegen eines Leistungsausschlusses nach dieser Norm ist sorgfältig zu prüfen. Dabei ist die zur Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 OEG ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung weiterhin einschlägig. Es ist stets eine konkrete Betrachtung des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. etwa zur Putativnotwehr BSG, 25.3.1999, B 9 VG 1/98 R; zur Selbstgefährdung durch Provokation des Täters vgl. BSG, 18.4.2001, B 9 VG 3/00 R).

Mit dem Verweis auf § 16 Absatz 2 wird geregelt, dass auch die Leistungen der Sozialen Entschädigung für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende nicht der Person zu Gute kommen sollen, die das schädigende Ereignis verursacht hat.

Absatz 2 stellt klar, dass die Regelung des § 18 zum Verhältnis der Ansprüche nach diesem Buch und nach der Kraftfahrzeug-Unfallhilfe auch für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende gilt.

 

§ 20 Versagung von Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende

(1) Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sind zu versagen, wenn die Voraussetzungen des § 17 Absatz 1 in der eigenen Person oder in der Person der oder des Geschädigten vorliegen.

(2) Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende können ganz oder teilweise versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 17 Absatz 2 in der eigenen Person oder in der Person der oder des Geschädigten vorliegen.

Zu § 20 (Versagung von Leistungen für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende)

Die Vorschrift überträgt die für Geschädigte geltenden Versagungsgründe aus § 17 auf Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende. Die Ausführungen in der Begründung zu § 17 gelten entsprechend.

Absatz 1 betrifft den Fall, dass eine Leistungserbringung aus Gründen, die in der Person der Geschädigten oder der Angehörigen, Hinterbliebenen oder Nahestehende liegen, unbillig wäre. Es läge eine sachgrundlose Ungleichbehandlung vor, wenn in den Fällen der Unbilligkeit nur der unmittelbar Geschädigte keine Leistungen erhielte, Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende jedoch Leistungen nach diesem Buch bekämen.

Absatz 2 stellt sicher, dass eine vollständige oder teilweise Leistungsversagung möglich ist, wenn Geschädigte oder Angehörige, Hinterbliebene oder Nahestehende nicht das ihnen Mögliche und Zumutbare tun, um zur Sachverhaltsaufklärung und Täterverfolgung beizutragen. Dabei ist zu beachten, dass Fälle denkbar sind, in denen gerade der nicht unmittelbar geschädigten Person ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist, der geschädigten Person jedoch nicht.

 

Unterabschnitt 2 Kriegsauswirkungen beider Weltkriege

 

§ 21 Opfer von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege

Wer im Inland durch Auswirkungen kriegerischer Vorgänge im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Absatz 1 Leistungen der Sozialen Entschädigung.

Zu § 21 (Opfer von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege)

Es ist immer noch möglich, dass Personen gesundheitliche Schädigungen beispielsweise im Zusammenhang mit bislang noch nicht geborgenen oder entdeckten Minen, Granaten oder Bomben (sogenannte Blindgänger) aus den beiden Weltkriegen erleiden oder trotz einer erlittenen gesundheitlichen Schädigung noch keinen Antrag auf Leistungen gestellt haben. Aller Voraussicht nach werden diese Entschädigungstatbestände nur in wenigen Einzelfällen gegeben sein. Die Vorschrift bezieht diese Entschädigungstatbestände in den Geltungsbereich dieses Buches ein.

Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende erhalten Leistungen nach § 6.

§ 21 stellt keine Regelung zur Kostentragung für die Beseitigung von Kampfmitteln dar. Die bestehende Staatspraxis zur Kostentragung für die Beseitigung von Kampfmitteln durch den Bund und die Länder nach Artikel 120 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz bleibt durch § 21 unberührt.

 

§ 22 Versagung, Entziehung und Minderung der Leistung

(1) Leistungen der Sozialen Entschädigung sind zu versagen, wenn Geschädigte während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben. Anhaltspunkte, die eine besonders intensive Überprüfung erforderlich machen, ob Geschädigte durch ihr individuelles Verhalten gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, können sich insbesondere aus einer freiwilligen Mitgliedschaft in der SS ergeben.

(2) Leistungen sind mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zu entziehen, wenn ein Versagungsgrund im Sinne des Absatzes 1 vorliegt und das Vertrauen der Geschädigten auf eine fortwährende Erbringung der Leistungen im Einzelfall auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzbedürftig ist.

(3) Soweit in den Fällen des Absatzes 2 die sofortige Entziehung oder Minderung der Leistungen zu unbilligen Härten führt, soll die Entziehung oder Minderung nach einer angemessenen Übergangsfrist erfolgen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für Leistungen aus Ansprüchen, die sich von Geschädigten im Sinne von Absatz 1 ableiten.

Zu § 22 (Versagung, Entziehung und Minderung der Leistung)

Die Vorschrift entspricht § 1a BVG. Sie enthält zwei Ausschlussregelungen, denen das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit während des NS-Regimes gemeinsam ist. Absatz 1 greift ein, wenn Leistungen erstmalig beantragt werden, während sich Absatz 2 auf laufende Leistungen bezieht. Während die Versagung nach Absatz 1 einen Leistungsanspruch zwingend vollständig ausschließt, eröffnet Absatz 2 die Möglichkeit, beim Umfang des Leistungsausschlusses unter Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu differenzieren. Diese Differenzierungsmöglichkeit entspricht den vom BSG in seinem Urteil vom 30. September 2009 (B 9 V 1/08 R) dargelegten Grundsätzen zum Vertrauensschutz beim Entzug von Leistungen.

Absatz 3 schafft die Möglichkeit, die vollständige oder teilweise Entziehung der Leistungen erst nach einer angemessenen Übergangszeit eintreten zu lassen, wenn ansonsten eine unbillige Härte gegeben wäre. Eine derartige Übergangsfrist kann insbesondere bei Leistungen angezeigt sein, die dem Ausgleich schädigungsbedingter Mehraufwendungen dienen. Die Entscheidung über die Einräumung einer Übergangsfrist trifft die zuständige Verwaltungsbehörde.

Absatz 4 weitet den Geltungsbereich der Vorschrift auf Leistungen an Hinterbliebene aus.

 

Unterabschnitt 3 Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes

 

§ 23 Geschädigte durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes

(1) Wer im Zusammenhang mit der Ableistung eines Zivildienstes eine gesundheitliche Schädigung durch eine Tätigkeit, einen Unfall, einen Angriff auf seine Person oder in sonstiger Weise erlitten hat (Zivildienstgeschädigter), erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Absatz 1 Leistungen der Sozialen Entschädigung.

(2) Ein Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes besteht auch bei gesundheitlichen Schädigungen, die herbeigeführt worden sind

1. auf dem unmittelbaren Weg von und zu der Dienststelle,

2. auf dem unmittelbaren Hin- oder Rückweg bei Antritt und Beendigung des Zivildienstes,

3. auf einem vom unmittelbaren Weg abweichenden Weg, um

a) ein Kind, das mit dem Dienstleistenden in einem Haushalt lebt, wegen des Zivildienstes fremder Obhut anzuvertrauen oder

b) mit anderen Dienstleistenden oder Berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,

4. auf dem Weg von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn der Dienstleistende wegen der Entfernung seiner Familienwohnung vom Dienstort oder wegen der Pflicht zum Wohnen in einer dienstlichen Unterkunft am Dienstort oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat.

(3) Ein Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes besteht auch bei gesundheitlichen Schädigungen, die im Zusammenhang mit der Behandlung oder dem Bezug von Leistungen für eine Zivildienstschädigung herbeigeführt worden sind.

Zu § 23 (Geschädigte durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes)

Die Vorschrift regelt in Absatz 1 die Voraussetzungen, unter denen Zivildienstgeschädigte - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Buches - Leistungen der Sozialen Entschädigung erhalten können. Sie knüpft an die Tatbestände des § 47 ZDG in der bis ...[Tag des Inkrafttretens dieses Buches] geltenden Fassung an.

Absatz 2 regelt die Berücksichtigung von Wegeunfällen, knüpft an die Regelungen des § 47 Absatz 5 ZDG in der bis ...[ Tag des Inkrafttretens dieses Buches] geltenden Fassung an und ist angelehnt an § 8 Absatz 2 SGB VII. Absatz 3 regelt die Berücksichtigung von Schädigungen im Zusammenhang mit der Behandlung oder dem Bezug von Leistungen für eine Zivildienstschädigung und knüpft an die Regelungen des § 47 Absatz 3 Nummer 2 und des § 47b Absatz 1 ZDG in der bis ...[Tag des Inkrafttretens dieses Buches] geltenden Fassung an.

 

Unterabschnitt 4 Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe

 

§ 24 Geschädigte durch Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe

Wer durch eine Schutzimpfung nach § 2 Nummer 9 des Infektionsschutzgesetzes oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe nach § 2 Nummer 10 des Infektionsschutzgesetzes,

1. die von einer zuständigen Landesbehörde nach § 20 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,

2. die im Inland vorgenommen wurde und auf die Versicherte nach § 20i des Fünften Buches einen gesetzlichen Anspruch haben, das gilt auch, wenn die betroffene Person nicht zum versicherten Personenkreis des Fünften Buches gehört,

3. die von Gesundheitsämtern nach § 20 Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes unentgeltlich durchgeführt wurde oder

4. die auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 20 Absatz 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes angeordnet wurde oder sonst auf Grund eines Gesetzes vorgeschrieben war,

eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, die über das übliche Ausmaß einer Reaktion auf eine Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe hinausgeht, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Absatz 1 Leistungen der Sozialen Entschädigung. Dies gilt auch, wenn die Schutzimpfung mit vermehrungsfähigen Erregern durchgeführt und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.

Zu § 24 (Geschädigte durch Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe)

§ 24 regelt den Entschädigungstatbestand für eine über das übliche Ausmaß einer Reaktion auf eine Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe hinausgehende gesundheitliche Schädigung und tritt an die Stelle des bisherigen § 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Wie bisher nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 IfSG sind von einer zuständigen Landesbehörde nach § 20 Absatz 3 IfSG empfohlene Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe erfasst, die in ihrem Bereich vorgenommen wurden (§ 24 Satz 1 Nummer 1).

Ergänzend sollen künftig Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe erfasst werden, soweit Versicherte nach § 20i SGB V einen gesetzlichen Anspruch auf sie haben und soweit sie im Inland vorgenommen wurden (§ 24 Satz 1 Nummer 2). Versicherte haben insbesondere nach § 20i Absatz 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 IfSG. Gemäß § 20i Absatz 1 Satz 3 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen für Schutzimpfungen auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut gemäß § 20 Absatz 2 des IfSG unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit. Es handelt sich daher um eine bundesweit gültige Richtlinie zu Schutzimpfungen, die gewissermaßen für gesetzlich Versicherte eine Basisversorgung mit Schutzimpfungen gewährleistet. Trotz unterschiedlicher Empfehlungen in den Ländern nach § 20 Absatz 3 IfSG wird auf diesem Wege künftig eine bundesweit einheitliche Soziale Entschädigung in Impfschadensfällen sichergestellt. Ausgeschlossen bleiben hiervon nach § 20i Absatz 1 Satz 2 SGB V Schutzimpfungen, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt indiziert sind, es sei denn, der Auslandsaufenthalt ist beruflich oder durch eine Ausbildung bedingt oder wenn zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse daran besteht, der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen. Des Weiteren haben Versicherte nach § 20i Absatz 3 Satz 2 SGB V einen Anspruch auf Leistungen für diese Schutzimpfungen oder für diese anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, sofern das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung nach § 20i Absatz 3 Satz 1 SGB V festgelegt hat, dass die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen oder für bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe von den Trägern der Krankenversicherung getragen werden müssen. Der Entschädigungstatbestand greift unabhängig davon ein, ob die geschädigte Person tatsächlich gesetzlich krankenversichert war.

Ebenso sollen ergänzend die Fälle erfasst werden, in denen von Gesundheitsämtern nach § 20 Absatz 5 IfSG Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe unentgeltlich durchgeführt wurden (§ 24 Satz 1 Nummer 3). Es ist folgerichtig, diese Fälle nicht anders zu behandeln, als die von der zuständigen Landesbehörde empfohlenen Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe.

Schließlich sieht § 24 Satz 1 Nummer 4 eine Entschädigung auch in den Fällen vor, in denen die Schutzimpfung oder Maßnahme der spezifischen Prophylaxe nach § 20 Absatz 6 oder 7 IfSG angeordnet wurde oder sonst auf Grund eines Gesetzes vorgeschrieben war, diese Regelung ersetzt insoweit § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 IfSG.

§ 24 Satz 2 dient der Klarstellung und schließt insbesondere an die bisherige Definition eines Impfschadens in § 2 Nummer 11 IfSG an.

 

Kapitel 3 Leistungsgrundsätze

 

§ 25 Voraussetzungen

Leistungen der Sozialen Entschädigung werden für schädigungsbedingte Bedarfe erbracht.

Zu § 25 (Voraussetzungen)

Die Soziale Entschädigung fokussiert sich auf den Ausgleich schädigungsbedingter Bedarfe. Nach § 1 Absatz 1 ist der Entschädigungsanspruch von dem Vorliegen von Kausalzusammenhängen abhängig. Zum einen werden Leistungen der Sozialen Entschädigung nur demjenigen gewährt, der durch einen der in § 1 Absatz 2 enumerierten Tatbestände eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat und zum anderen, wenn diese gesundheitliche Schädigung gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen zeigt. Nur diese Folgen sind zu entschädigen. Voraussetzung der Sozialen Entschädigung ist mithin eine mehrgliedrige Kausalkette, vgl. § 4. Das schädigende Ereignis verbindet die haftungsbegründende Kausalität mit der durch dieses hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigung (Primärschaden). Die Verbindung zwischen der gesundheitlichen Schädigung sowie den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung ist der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen.

 

§ 26 Leistungsformen

(1) Leistungen der Sozialen Entschädigung werden erbracht in Form von Dienstleistungen, Sachleistungen und Geldleistungen.

(2) Geldleistungen werden erbracht als Einmalzahlung oder als laufende Zahlungen.

(3) Auf Antrag werden bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 29 des Neunten Buches durch ein Persönliches Budget folgende Leistungen erbracht:

1. Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung nach Kapitel 5,

2. Leistungen zur Teilhabe nach Kapitel 6,

3. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 sowie

4. Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 95.

Zu § 26 (Leistungsformen)

Das SGB XIV sieht als Leistungsformen in Absatz 1 Geld-, Sach- und Dienstleistungen vor. Zu den Geldleistungen als Einmalzahlungen nach Absatz 2 zählen auch Abfindungen.

Nach Absatz 3 der Vorschrift können die in den Nummern 1 bis 4 genannten Leistungen auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, wenn die Berechtigten dies beantragen. Das Persönliche Budget stellt eine Alternative zum Sachleistungsprinzip dar. Es soll Berechtigten ermöglichen, selbstbestimmter und flexibler darüber zu entscheiden, wie ihre Bedarfe gedeckt werden.

 

§ 27 Vorrang von Leistungen zur Teilhabe

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben, die erfolgversprechend und zumutbar sind, haben Vorrang vor dem Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10. Im Übrigen gelten die Regelungen des § 9 des Neunten Buches.

Zu § 27 (Vorrang von Leistungen zur Teilhabe)

Die Vorschrift ist eine Fortentwicklung des dem bisherigen § 29 BVG zugrundeliegenden Gedankens "Rehabilitation vor Rente". Anknüpfend an die Ziele des Sozialen Entschädigunsrechts sind bei Vorliegen einer gesundheitlichen Schädigung alle Angebote und Chancen zu positiven Entwicklungsprozessen aktiv durch Inanspruchnahme von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und von Leistungen zur Teilhabe zu nutzen. In erster Linie sollen die Gesundheitsstörungen gebessert sowie die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht oder gesichert werden. Ein Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 wird als einkommensabhängige Leistung nur erbracht, falls Rehabilitationsmaßnahmen weder erfolgversprechend noch zumutbar sind. Ergänzend gelten die Regelungen des § 9 SGB IX.

 

§ 28 Verhältnis zu Leistungen anderer Träger

(1) Die Leistungen nach diesem Buch wegen eines schädigenden Ereignisses nach § 1 Absatz 2 gehen Leistungen anderer Träger, insbesondere anderer Sozialleistungsträger vor.

(2) Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 und die Einmalzahlungen nach § 102 Absatz 4 und 5 werden nicht als Einkommen oder Vermögen auf andere Sozialleistungen oder auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angerechnet.

(3) Leistungsansprüche aus privaten Sicherungs- oder Versorgungssystemen sind auf Leistungen nach diesem Buch nicht anzurechnen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

Zu § 28 (Verhältnis zu Leistungen anderer Träger)

Absatz 1 der Vorschrift stellt klar, dass grundsätzlich dann, wenn gesetzliche Leistungsansprüche wegen eines schädigenden Ereignisses nach diesem Buch gegenüber anderen Sozialleistungsträgern bestehen, die Leistungen der Sozialen Entschädigung vorrangig sind. Damit werden Doppelleistungen ebenso wie aufwändige Anrechnungen vermieden.

In Absatz 2 wird festgelegt, dass Entschädigungszahlungen - ebenso wie die Grundrenten nach früherem Recht - beim Bezug von Sozialleistungen nicht als Einkommen oder Vermögen angerechnet werden dürfen. Diese Freistellung erfolgt in Anerkennung des von den Betroffenen erlittenen Sonderopfers. Bisherige Sonderregelungen in anderen Sozialleistungssystemen (insbesondere dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)), die bisher einzelgesetzlich eine Nichtanrechnung vorsahen, sind daher nicht länger notwendig. Klarstellungshalber wird auch die Nichtanrechnung von Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 auch für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausdrücklich geregelt, weil Leistungen nach dem AsylbLG nicht vom Begriff der Sozialleistungen nach § 11 Satz 1 SGB I erfasst werden.

Absatz 3 ist Ausdruck des Gedankens, dass sich die auf eigene Kosten erfolgte private Absicherung im Rahmen der Sozialen Entschädigung nicht zum Nachteil des Betroffenen auswirken soll. Entsprechende Leistungen werden daher auf die nach dem SGB XIV erbrachten Leistungen nicht angerechnet.

Nach Absatz 4 gelten die Grundsätze, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes geregelt ist. Abweichende Regelungen enthalten z. B. § 8 Absatz 3 im Hinblick auf Ansprüche nach dem SGB VII, dem Soldatenversorgungsgesetz oder nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge.

 

Kapitel 4 Schnelle Hilfen

 

Abschnitt 1 Leistungen der Schnellen Hilfen

 

§ 29 Leistungen und Leistungsart

(1) Die Leistungen der Schnellen Hilfen umfassen Leistungen des Fallmanagements und Leistungen in einer Traumaambulanz.

(2) Die Leistungen der Schnellen Hilfen stellen eine Leistung eigener Art dar.

Zu § 29 (Leistungen und Leistungsart)

Absatz 1 stellt klar, welche Leistungen Gegenstand der Schnellen Hilfen sind. Nur diesbezüglich kann ein Leistungsanspruch bzw. ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bestehen. Auch das erleichterte Verfahren (§ 115) bezieht sich nur auf diese Leistungen. Die ebenfalls in diesem Kapitel geregelten Kooperationsvereinbarungen stellen hingegen keine Leistung der Schnellen Hilfe dar. Es ist jedoch möglich, zu vereinbaren, dass die Leistungen, die Gegenstand der Kooperationsvereinbarungen sind, ebenfalls zügig und niedrigschwellig erbracht werden, noch vor einer Entscheidung über den Antrag auf Leistungen nach dem SGB XIV.

Absatz 2 hebt den eigenständigen Charakter der Leistungen der Schnellen Hilfen hervor und stellt damit auch klar, dass sie keine Teilhabeleistungen darstellen. Vielmehr handelt es sich um Leistungen eigener Art, für die auch eine spezielle Verfahrensvorschrift in § 115 vorgesehen wurde.

 

Abschnitt 2 Fallmanagement

 

§ 30 Leistungen des Fallmanagements

(1) Beim Fallmanagement werden die Berechtigten von einer Fallmanagerin oder einem Fallmanager aktivierend und koordinierend durch das Antragsverfahren und Leistungsverfahren begleitet.

(2) Leistungen des Fallmanagements werden mit Einwilligung der Berechtigten erbracht, die auch die erforderlichen Datenerhebungen erfasst. Die Einwilligung ist schriftlich zu dokumentieren.

(3) Berechtigte können ein Fallmanagement erhalten.

(4) Geschädigte sollen ein Fallmanagement erhalten, wenn

1. das schädigende Ereignis eine Straftat gegen das Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung war oder

2. sie bei Eintritt des schädigenden Ereignisses minderjährig waren.

(5) Das Fallmanagement umfasst insbesondere:

1. die Ermittlung des möglichen Hilfebedarfs, der durch das schädigende Ereignis unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls entstanden ist,

2. den Hinweis auf die in Betracht kommenden Sozialleistungen,

3. die Begleitung der Berechtigten mit dem Ziel des Erhalts zügiger und aufeinander abgestimmter Leistungen, soweit Berechtigte Ansprüche gegen andere Träger von Sozialleistungen nach den Kapiteln 5, 6, 7 und 11 haben oder haben könnten,

4. die Unterstützung bei der Antragstellung, die Aufklärung über die Einleitung und den Ablauf des Verfahrens in der Sozialen Entschädigung sowie

5. die Begleitung des Verfahrens in der Sozialen Entschädigung.

(6) Das Fallmanagement kann die Kontaktaufnahme mit möglicherweise berechtigten Personen umfassen.

(7) Soweit eine Bedarfsermittlung und ein Teilhabeplanverfahren nach den Kapiteln 2 bis 4 des Neunten Buches durchzuführen sind, werden Leistungen des Fallmanagements ergänzend erbracht.

Zu § 30 (Leistungen des Fallmanagements)

Das Fallmanagement wird als neue Leistung der Sozialen Entschädigung eingeführt.

Das Fallmanagement ist eine eigenständige Sachleistung, ist also nicht identisch mit der von den Sozialleistungsträgern nach den §§ 13 bis 15 SGB I zu erbringenden Aufklärung, Beratung und Auskunft. Sie wird in enger Kommunikation mit den Leistungsberechtigten erbracht. Das Fallmanagement kann von derselben Behörde durchgeführt werden, die auch die Anträge bearbeitet, aber auch von einer anderen Stelle, die zu den in dieser Norm beschriebenen Aufgaben (z. B. Kommunikation mit anderen Sozialleistungsträgern und Teilnahme an Fallkonferenzen im Namen des Trägers der Sozialen Entschädigung) berechtigt ist. In den Fällen, in denen ein Teilhabeplanverfahren durchgeführt wird, ist dieses nach § 7 des Neunten Buches vorrangig; das Fallmanagement kommt dann ergänzend zur Anwendung.

Zum Kreis der Personen, die ein Fallmanagement erhalten können, gehören alle Berechtigten nach § 2, also neben den Geschädigten auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende. Bei einigen dieser Personengruppen kommen weitere Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts über die Schnellen Hilfen hinaus nicht in Betracht. Das Fallmanagement soll sie aber dabei unterstützen, andere Sozialleistungen, die sie insbesondere wegen des schädigenden Ereignisses oder dessen Wechselwirkung mit ihrer Lebenssituation benötigen, in Anspruch zu nehmen. Das Fallmanagement leistet Hilfe bei der Antragstellung bei anderen Trägern und wirkt darauf hin, dass deren Leistungen erbracht werden.

Das Fallmanagement wird grundsätzlich erbracht, so lange ein Bedarf an dieser Leistung besteht.

Nach der Definition in Absatz 1 soll das Fallmanagement Personen, die Ansprüche nach diesem Buch haben oder haben könnten, von behördlicher Seite durch das Antragsverfahren begleiten und ihnen helfen, auch darüber hinaus einen einfachen Zugang zu anderen Sozialleistungen zu erhalten, die den Zielen der Selbstbestimmung und gleichwertigen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dienen.

Absatz 2 stellt klar, dass die Selbstbestimmung der Berechtigten im Vordergrund steht. Berechtigte müssen kein Fallmanagement in Anspruch nehmen. Wenn sie es in Anspruch nehmen, ist dies schriftlich zu dokumentieren. Dies dient der Rechtssicherheit und hat gleich eine Warnfunktion gegenüber den Berechtigten, die Klarheit über Funktion und Durchführung des Fallmanagements erhalten. Alle Schritte, die das Fallmanagement unternimmt, insbesondere die Kontaktaufnahme mit anderen Sozialleistungsträgern, werden mit den Berechtigten abgesprochen. Die Berechtigten können auch entscheiden, dass sie ein Fallmanagement nur im Hinblick auf einen bestimmten Verfahrensschritt oder auf eine bestimmte Sozialleistung in Anspruch nehmen wollen. Die fehlende Einwilligung von Berechtigten zur Erbringung eines Fallmanagements ist nicht als fehlende Mitwirkung im Sinne der §§ 60 ff. SGB I anzusehen, die Verpflichtung zur Mitwirkung nach diesen Normen bleibt aber unverändert. Aus datenschutzrechtlichen Gründen umfasst die Einwilligung auch die Erhebung der erforderlichen Daten, die z. B. zur Ermittlung des Hilfebedarfs erforderlich sind.

Nach Absatz 3 entscheidet die zuständige Verwaltungsbehörde im Rahmen des Erleichterten Verfahrens nach § 115 nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Antragstellerin oder welcher Antragsteller ein Fallmanagement erhalten soll. Das wird in der Regel der Fall sein bei Personen, die erkennbar unterstützungsbedürftig sind, z. B., weil sie schwere traumatisierende Erlebnisse geltend machen oder weil sie aus persönlichen Gründen, z. B. wegen einer Behinderung oder wegen sprachlicher Hindernisse, kommunikative Probleme haben. Ebenso kann dies der Fall sein, wenn zu erwarten ist, dass schwere Schädigungsfolgen eintreten und umfassende Leistungen aus verschiedenen Bereichen erforderlich sein werden.

In den in Absatz 4 aufgeführten Fällen soll ein Fallmanagement erbracht werden. Bei den aufgeführten Fallgestaltungen wird regelmäßig angenommen, dass hierfür ein Bedarf besteht.

Im Absatz 5 werden die Leistungen beschrieben, die das Fallmanagement im Hinblick auf das Leistungssystem des Sozialen Entschädigungsrechts und im Hinblick auf andere Sozialleistungssysteme erbringt. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Weitere mögliche Leistungen des Fallmanagements können z. B. sein die Begleitung des weiteren Verfahrens, die Überprüfung des Verfahrensstandes, die Erstellung eines Hilfeplans für den Bereich der Sozialen Entschädigung und die Sicherstellung zügiger und aufeinander abgestimmter Leistungen im Rahmen der Zuständigkeit der Sozialen Entschädigung. Darüber hinaus kann das Fallmanagement die Unterstützung der Berechtigten bei der Antragstellung bei anderen Trägern und die Kooperation mit anderen Trägern von Sozialleistungen, insbesondere bei Verfahren zur Ermittlung des Teilhabebedarfs sowie bei der Erstellung von Teilhabeund anderen Hilfeplänen und von trägerübergreifenden persönlichen Budgets, umfassen.

Nicht alle aufgeführten Leistungen des Fallmanagements sind in jedem Fall erforderlich. Fallmanager sind persönliche Ansprechpartner, die den Berechtigten für alle Fragen zum Sozialen Entschädigungsrecht zur Verfügung stehen und sie aktiv ansprechen, beraten und über aktuelle Entwicklungen ihres Verfahrens informieren. Eine wichtige Aufgabe des Fallmanagements ist beispielsweise die Abstimmung mit der Traumaambulanz, insbesondere wenn erkennbar wird, dass eine langfristige Psychotherapie notwendig ist. Der Fallmanager oder die Fallmanagerin tauschen sich regelmäßig mit Traumaambulanzen und anderen Akteuren (z. B. Polizei, Organisationen der Opferhilfe) aus.

Das Fallmanagement ist das "Gesicht" der Behörde gegenüber den Berechtigten und wirkt intern darauf hin, dass keine Schnittstellenprobleme entstehen.

Bei der Information der Berechtigten über die in Betracht kommenden Sozialleistungen und über ihre Rechte in den jeweiligen Antragsverfahren übernimmt das Fallmanagement keine anwaltlichen Aufgaben, insbesondere leistet es keine Rechtsberatung im Rahmen von Widerspruchs- und Klageverfahren.

Bei den Tätigkeiten des Fallmanagements im Hinblick auf andere Sozialleistungsträger sind verschiedene Konstellationen denkbar. Zum einen werden Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts auch durch andere Sozialleistungsträger, z. B. in der Krankenbehandlung oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, erbracht. In diesem Fall unterstützt das Fallmanagement Berechtigte bei der Stellung von Anträgen und kommuniziert mit den Sozialleistungsträgern, um eine zügige und abgestimmte Leistungserbringung zu erreichen.

Zum anderen wird das Fallmanagement auch für Hinterbliebene, Angehörige und Nahestehende erbracht, die nicht Anspruch auf das volle Leistungsspektrum des Sozialen Entschädigungsrechts haben, die aber im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis Sozialleistungen benötigen. Das Fallmanagement unterstützt auch diese Personen beim Stellen von Anträgen und wirkt bei anderen Trägern auf eine bedarfsgerechte Erbringung von Leistungen hin.

Das Fallmanagement soll sich auch an Koordinierungsaktivitäten beteiligen, die im Rahmen anderer Sozialgesetzbücher vorgesehen sind, z. B. bei Mechanismen der einheitlichen Bedarfsfeststellung, bei der Erstellung von Hilfe- und Teilhabeplänen und trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Ferner wirkt es bei örtlichen und überregionalen Koordinierungsgremien wie z. B. den Runden Tischen gegen Gewalt mit, ggf. gemeinsam mit Vertretern der Traumaambulanzen.

Gemäß Absatz 6 kann das Fallmanagement auch Kontakt mit Personen aufnehmen, die ihrerseits noch keinen Kontakt mit den Behörden aufgenommen haben. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn den ausführenden Behörden Ereignisse bekannt werden, die für die Soziale Entschädigung relevant sind, wie z. B. schwere Gewalttaten oder Terroranschläge.

Das Fallmanagement ist eine Leistung eigener Art. Da ein Teil der Leistungen jedoch mit dem Teilhabeplanverfahren nach dem SGB IX identisch ist, soll der Vorrang des Teilhabeplanverfahrens auch bezüglich des Fallmanagements gelten. Wird ein Teilhabeplanverfahren durchgeführt, kommt das Fallmanagement nur bezüglich derjenigen Leistungen zur Anwendung, die nicht bereits Gegenstand des Teilhabeplanverfahrens sind.

 

Abschnitt 3 Traumaambulanz

 

Zu Abschnitt 3 (Traumaambulanz)

Seit Erlass des OEG im Jahre 1976 wurden viele Erkenntnisse im Bereich der psychischen Folgen von schädigenden Ereignissen, insbesondere Gewalttaten, gewonnen. Auch wenn die körperlichen Folgen der Tat längst verheilt sind, können die Betroffenen noch unter den psychischen Auswirkungen leiden, etwa in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung. Vor diesem Hintergrund haben die Regierungsfraktionen im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode beschlossen, dass Betroffene schnellen und unbürokratischen Zugang zu Sofortmaßnahmen, etwa Traumaambulanzen, erhalten sollen.

Den positiven Effekt einer Frühintervention in einer Traumaambulanz bestätigte die bis Ende 2014 vom Universitätsklinikum Ulm im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführte Studie "Verbesserter Zugang zu Traumaambulanzen durch aktiven Einbezug der Versorgungsbehörden sowie primärer Anlaufstellen und Evaluation der Effektivität von Sofortinterventionen" (TRAVESI). Die Ergebnisse der Studie wurden online publiziert (Miriam Rassenhofer et al., "Effektivität der Frühintervention in Traumaambulanzen", Psychotherapeut vom 11. Dezember 2015, DOI 10.1007/s00278-015-0073-0). Die Studie hat ergeben, dass nach der Frühintervention die Besserung der Traumabelastung hochsignifikant und klinisch bedeutsam war. Die depressive Symptomatik hat sich ebenfalls signifikant gebessert. Eine vergleichbare Verbesserung gab es in der Kontrollgruppe nicht, obwohl die Mehrheit der Betroffenen sich dort ebenfalls in Behandlung begeben hatte, jedoch im Rahmen der Regelversorgung. Diese war oft mit den üblichen Wartezeiten verbunden und die Therapeuten verfügten über die üblich vorhandene Traumaexpertise. Eine statistisch signifikante, im Bereich der posttraumatischen Stresssymptomatik sogar klinisch relevante Reduktion der Belastungen gab es nur nach Inanspruchnahme der Leistungen der Traumaambulanz. Im Bereich der subjektiv empfundenen Sicherheit zeigte sich nach der Inanspruchnahme der Traumaambulanz eine positive Tendenz, während die diesbezüglichen Werte in den Kontrollgruppen gleichblieben. Für eine Besserung des Befindens durch die Inanspruchnahme der Traumaambulanzen spricht zudem, dass die Mehrzahl der dort behandelten Studienteilnehmer danach keine weiterführende Behandlung in Anspruch genommen hat. Nach alledem hat die TRAVESI-Studie ergeben, dass durch eine Frühintervention in einer Traumaambulanz die Belastung nach potenziell traumatischen Erfahrungen reduziert wird, zudem kann hierdurch die Chronifizierung der posttraumatischen Stresssymptomatik verhindert werden. Die schnelle, niedrigschwellige Intervention durch traumatologisch spezialisierte Mitarbeiter einer Traumaambulanz ist der Behandlung im Rahmen der Regelversorgung überlegen.

Auch wenn die Mehrzahl der Bundesländer bereits über Traumaambulanzen verfügt, ist es Ziel dieses Gesetzes, diese Einrichtungen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet einzuführen. Dabei ist auch den speziellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen: denn in diesem Bereich bestehen noch besondere Defizite, wie auch die TRAVESI-Studie festgestellt hat. Zwar gibt es mittlerweile mehr Traumaambulanzen für Kinder und Jugendliche, das Angebot ist aber immer noch nicht flächendeckend. Mit den weiteren Vorschriften dieses Abschnitts wird diesen Zielsetzungen Rechnung getragen.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

7. Zu Artikel 1 (§ 30 Absatz 6 Satz 2 – neu – SGB XIV)

 In Artikel 1 ist dem § 30 Absatz 6 folgender Satz anzufügen: "Hierzu können polizeiliche Ermittlungsbehörden die erforderlichen personenbezogenen Daten der möglicherweise berechtigten Person an das Fallmanagement übermitteln."

 Begründung:

17. Nach § 30 Absatz 6 kann das Fallmanagement Kontakt mit Personen aufnehmen, die noch keinen Kontakt mit den Behörden aufgenommen haben.
18. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn den ausführenden Behörden Ereignisse wie schwere Gewalttaten oder Terroranschlägen bekannt werden, die für die Soziale Entschädigung relevant sind. Diese Kontaktaufnahme wird typischerweise aber nur dann sinnvoll möglich sein, wenn die Ermittlungsbehörden auch zur Übermittlung der hierfür notwendigen Daten der möglicherweise betroffenen Personen (zum Beispiel Name, Anschrift, Geburtsdaten, derzeitiger Aufenthaltsort) an das Fallmanagement befugt sind.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 7 (Zu Artikel 1, § 30 Absatz 6 Satz 2 – neu – SGB XIV)

 Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Sie erachtet das Anliegen des Bundesrates grundsätzlich für nachvollziehbar. Allerdings bestehen Bedenken dagegen, die Regelung im SGB XIV zu verankern. Dies gilt insbesondere aufgrund der fehlenden Kompetenz des Bundes für die Regelung der Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten durch die Landespolizeibehörden. Überdies bleibt offen, welche personenbezogenen Daten unter welchen konkreten Voraussetzungen an das Fallmanagement übermittelt und nach welchen Regeln die übermittelten Daten vom Fallmanagement weiterverarbeitet werden dürfen.


 

 

§ 31 Leistungen in einer Traumaambulanz

(1) In einer Traumaambulanz wird psychotherapeutische Intervention erbracht, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung zu verhindern.

(2) Psychotherapeutische Intervention wird nur in Traumaambulanzen erbracht, mit denen die Träger der Sozialen Entschädigung eine Vereinbarung nach § 37 geschlossen haben.

Zu § 31 (Leistungen in einer Traumaambulanz)

Die Vorschrift beschreibt die in einer Traumaambulanz zu erbringende Leistung und deren Zweck. Zudem wird klargestellt, dass eine Traumaambulanz im Sinne dieses Buches ausschließlich eine solche ist, mit der eine Vereinbarung nach § 37 besteht, auch wenn andere Einrichtungen ebenfalls diese Bezeichnung führen sollten.

 

§ 32 Psychotherapeutische Frühintervention

(1) Geschädigte sollen psychotherapeutische Frühintervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten nach dem schädigenden Ereignis oder nach Kenntnisnahme hiervon erfolgt.

(2) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sollen psychotherapeutische Frühintervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten erfolgt, nachdem sie von dem schädigenden Ereignis Kenntnis erlangt haben.

Zu § 32 (Psychotherapeutische Frühintervention)

Die Vorschrift regelt, dass Berechtigte psychotherapeutische Frühintervention in einer Traumaambulanz erhalten sollen, wenn die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten nach dem schädigenden Ereignis bzw. Kenntnis der berechtigten Person hiervon erfolgt. Geschädigte erhalten im Regelfall die psychotherapeutische Frühintervention nach dieser Norm, der Zugang kann nur in Ausnahmefällen verneint werden.
 Der zwölfmonatige Zeitraum wurde gewählt, weil sich aus wissenschaftlichen Untersuchungen und Gesprächen mit Experten ergeben hat, dass es wichtig ist, Betroffene möglichst frühzeitig psychotherapeutisch zu betreuen. Eine schnelle Hilfe, also möglichst frühzeitige Inanspruchnahme der Traumaambulanz ist am besten geeignet, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung zu verhindern. Warten Betroffene zu lange mit der Inanspruchnahme einer Traumaambulanz, kann der damit verfolgte Zweck meist nicht mehr erreicht werden. Diese Personen benötigen dann keine Schnellen Hilfen mehr, vielmehr erhalten sie reguläre psychotherapeutische Leistungen. Da sich die psychischen Folgen der Tat oft nicht unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis, sondern teilweise auch bis zu einem Jahr danach zeigen, wird den Betroffenen nach der Tat bzw. der Kenntniserlangung hiervon eine Jahresfrist eingeräumt, um die Leistungen der Traumaambulanz in Anspruch zu nehmen. Auf die Kenntniserlangung ist bei Geschädigten etwa dann abzustellen, wenn sie durch die Tat in einen komatösen Zustand fallen. In den Fällen des Absatz 2 können Tat und Information hierüber zeitlich - erheblich - auseinanderfallen, etwa wenn bei einer verschollenen Person erst lange nach ihrer Tötung Gewissheit über ihr Ableben besteht oder deren Hinterbliebene erst viel später ausfindig gemacht werden können.

 

§ 33 Psychotherapeutische Intervention in anderen Fällen

Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sollen psychotherapeutische Intervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn ein mehr als zwölf Monate zurückliegendes schädigendes Ereignis zu einer akuten psychischen Belastung geführt hat und die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten nach Auftreten der akuten Belastung erfolgt.

Zu § 33 (Psychotherapeutische Intervention in anderen Fällen)

Die Vorschrift eröffnet den Zugang zu den Traumaambulanzen auch für Personen, die das schädigende Ereignis zunächst - oft für Jahre oder gar Jahrzehnte - verdrängt haben, aber eine aktuelle psychische Belastung erleben. Diese Konstellation kann z. B. bei Personen auftreten, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden sind.

 

§ 34 Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfang

(1) Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende haben Anspruch auf insgesamt bis zu 15 Sitzungen in der Traumaambulanz nach Maßgabe der folgenden Absätze, sofern die Voraussetzungen nach § 32 oder § 33 vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen beträgt der Höchstanspruch 18 Sitzungen.

(2) Die ersten fünf beziehungsweise bei Kindern und Jugendlichen die ersten acht Sitzungen dienen insbesondere der Abklärung der psychotherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit, der Durchführung der Diagnostik und der erforderlichen Akutmaßnahmen. Sie können in Anspruch genommen werden, auch wenn noch keine Entscheidung im Erleichterten Verfahren nach § 115 ergangen ist.

(3) Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende haben Anspruch auf bis zu zehn weitere Sitzungen, wenn diese erforderlich sind und ein Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz festgestellt wurde. Der Anspruch auf bis zu zehn weitere Sitzungen besteht auch dann, wenn die zuständige Behörde zwei Wochen nach Vorliegen des Antrags keine Entscheidung getroffen hat und die Traumaambulanz die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung der weiteren Sitzungen vorab angezeigt hat.

Zu § 34 (Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfang)

Die Vorschrift regelt den Umfang der in der Traumaambulanz erbrachten Leistungen. Es steht den Trägern der Sozialen Entschädigung frei, über die hier genannten Leistungen hinaus die Erbringung weiterer Leistungen durch die Traumaambulanz zu vereinbaren.

Berechtigte haben nach Absatz 1 Anspruch auf bis zu 15 Sitzungen. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die zuständige Verwaltungsbehörde die Voraussetzungen auf eine Intervention nach § 32 oder § 33 geprüft und nach einer dieser Vorschriften einen Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz dem Grunde nach bejaht hat. Hat die Behörde ihr im Rahmen der §§ 32 und 33 zustehendes Ermessen dahingehend ausgeübt, dass der Zugang zur Traumaambulanz eröffnet ist, besteht ein Anspruch auf erforderliche Leistungen in der Traumaambulanz, maximal auf 15 Sitzungen.

Nach Absatz 2 dienen die ersten fünf Sitzungen vor allem dazu, die Behandlungsbedürftigkeit abzuklären, eine Diagnose zu erstellen und die erforderlichen Akutmaßnahmen durchzuführen.

Um Berechtigten einen schnellen Zugang zu den Traumaambulanzen zu ermöglichen, ist für die Inanspruchnahme der ersten fünf Sitzungen keine positive Entscheidung der zuständigen Behörde erforderlich, auch nicht im Erleichterten Verfahren nach § 115. Dieses sogenannte "5+10"-Modell wird in den bereits existierenden Traumaambulanzen der Länder praktiziert und hat sich bewährt. Sollte die Behörde bis zum Ablauf der ersten fünf Sitzungen keine Entscheidung getroffen haben, geht dies nicht zu Lasten der berechtigten Person.Erforderlichenfalls können nach Absatz 3 bis zu zehn weitere Sitzungen erbracht werden.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

8. Zu Artikel 1 (§ 34 Absatz 1 Satz 2 – neu – , Absatz 2 Satz 1 SGB XIV)

 In Artikel 1 ist § 34 wie folgt zu ändern:
 a) Dem Absatz 1 ist folgender Satz anzufügen: "Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf insgesamt bis zu 18 Sitzungen."
b) In Absatz 2 Satz 1 sind nach den Wörtern "ersten fünf Sitzungen" die Wörter "beziehungsweise bei Kindern und Jugendlichen die ersten acht Sitzungen" einzufügen.

 Begründung:

19. Die ersten probatorischen fünf Sitzungen in der Traumaambulanz sind bei Kindern und Jugendlichen nicht immer ausreichend. 20. Bei Kindern und Jugendlichen kann aufgrund der notwendigen Abstimmung der Traumaambulanz mit den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten sowie weiteren Beteiligten, etwa der Schule, im Einzelfall ein höherer Bedarf an den ersten probatorischen Sitzungen der Traumaambulanz bestehen. Daher ist es sachgerecht, wenn Kinder und Jugendliche die Möglichkeit erhalten, insgesamt bis zu 18 Sitzungen in der Traumaambulanz in Anspruch zu nehmen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 8 (Zu Artikel 1, § 34 Absatz 1 Satz 2 – neu – , Absatz 2 Satz 1 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

9. Zu Artikel 1 (§ 34 Absatz 3 Satz 2 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 34 Absatz 3 Satz 2 wie folgt zu fassen: "Der Anspruch auf bis zu zehn weitere Sitzungen besteht auch dann, wenn die zuständige Behörde zwei Wochen nach Vorliegen des Antrags keine Entscheidung getroffen hat und die Traumaambulanz die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung der weiteren Sitzungen vorab angezeigt hat."

Begründung:

21. Der zuständigen Behörde muss nach der Beantragung von zusätzlichen Traumaambulanzsitzungen eine – wenn auch kurze – Frist eingeräumt werden, um die Sachlage, insbesondere die Erforderlichkeit der weiteren Sitzungen, zu prüfen, bevor eine Genehmigungsfiktion eintritt.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 9 (Zu Artikel 1, § 34 Absatz 3 Satz 2 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

 

§ 35 Weiterer Bedarf nach Betreuung in der Traumaambulanz

(1) Besteht bei Personen, die die Betreuung in der Traumaambulanz in Anspruch nehmen, auch nach dieser Betreuung weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, so verweist der Träger der Sozialen Entschädigung sie auf weitere psychotherapeutische Angebote.

(2) Die Traumaambulanz ist verpflichtet, der zuständigen Behörde den weiteren Bedarf so frühzeitig wie möglich mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständigen Behörden legen in den nach § 39 zu schließenden Vereinbarungen die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht aus Satz 1 fest.

Zu § 35 (Weiterer Bedarf nach Betreuung in der Traumaambulanz)

Die Regelung soll sicherstellen, dass in den Fällen, in denen nach der Betreuung in der Traumaambulanz weiterer psychologischer Betreuungsbedarf besteht, die Berechtigten unmittelbar im Anschluss entsprechende Angebote außerhalb der Traumaambulanz erhalten können. Lange Wartezeiten sollen verhindert werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass in der Traumaambulanz erzielte Erfolge zunichte gemacht werden.

Nach Absatz 1 unterstützen die Träger der Sozialen Entschädigung Berechtigte, die über die Betreuung in der Traumaambulanz hinaus psychotherapeutischen Behandlungsbedarf haben, möglichst zügig die Leistungen nach Kapitel 5 zu erhalten. In diesen Fällen sollen den Berechtigten unmittelbar im Anschluss entsprechende Angebote außerhalb der Traumaambulanz zur Verfügung stehen.

Absatz 2 regelt, dass die frühzeitige Information der zuständigen Behörde nach der fünften Sitzung dieser ermöglichen soll, der berechtigten Person möglichst nahtlos die anschließende Behandlung außerhalb der Traumaambulanz zu ermöglichen. Lange Wartezeiten sollen verhindert werden. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass in der Traumaambulanz erzielte Erfolge zunichte gemacht würden.

Die Regelung der Sanktionierung des Verstoßes gegen die frühzeitige Informationspflicht wird den zuständigen Trägern der Sozialen Entschädigung überlassen. Auf diese Weise können auf den jeweiligen Vertragspartner und die Schwere des Verstoßes angepasste Regelungen im einzelnen Vertrag getroffen werden.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

10. Zu Artikel 1 (§ 35 SGB XIV)

 In Artikel 1 ist § 35 wie folgt zu fassen: "§ 35 Weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf Ist bei Personen, die eine Betreuung in einer Traumaambulanz in Anspruch nehmen, ein psychotherapeutischer Behandlungsbedarf über 15 Sitzungen hinaus gegeben, berät der Träger der Sozialen Entschädigung sie hinsichtlich der Möglichkeiten der Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung und unterstützt sie dabei im Rahmen des Fallmanagements. Die Traumaambulanz unterrichtet den Träger der Sozialen Entschädigung unverzüglich, wenn sich ein weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf abzeichnet."

 Begründung:

22. Die in § 35 SGB XIV-E getroffene Regelung wird grundsätzlich begrüßt. Der nun vorgeschlagene Wortlaut orientiert sich stärker an den Erfordernissen der Praxis. Damit soll die beabsichtigte besondere Unterstützung für Betroffene, die sich zur psychotherapeutischen Behandlung in einer Traumaambulanz befinden, über die im Rahmen des Fallmanagements gebotene Beratung und Unterstützung hinaus betont und herausgearbeitet werden. Missverständnisse bei der Rechtsanwendung und bei Betroffenen, die dadurch entstehen könnten, dass der Begriff "Traumaambulanz" im Gesetz nicht nur als Bezeichnung eines Verfahrens in Abgrenzung zur regulären Krankenbehandlung im Sinne des Sozialen Entschädigungsrechts, sondern auch in einem institutionellen Sinn verwendet wird, werden vermieden.
23. Die Träger der Traumaambulanzen ermöglichen nach derzeitiger Praxis nach Ausschöpfung der nach § 34 SGB XIV-E maximal zulässigen Zahl an Sitzungen eine Weiterbehandlung in der Traumaambulanz im Rahmen ihrer Ermächtigung nach dem SGB V – vorrangig im Interesse der Betroffenen, aber auch aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus. Ist dies nicht möglich, erfolgt die Weitervermittlung an geeignete, nach dem Recht des SGB V zugelassene Therapeutinnen beziehungsweise Therapeuten in der Regel durch die Traumaambulanz, die den Träger der Sozialen Entschädigung entsprechend informiert. Dieses Verfahren hat sich in der Praxis bereits bewährt und ist derzeit in den mit den Traumaambulanzen geschlossenen Vereinbarungen so geregelt. Die nun in Satz 2 getroffene Formulierung ermöglicht die Fortsetzung dieses Verfahrens unter Einbeziehung des gesetzlich nun vorgesehenen Fallmanagements.
24. Eine Verpflichtung zur Festlegung von Konsequenzen, wenn eine Traumaambulanz nicht rechtzeitig – also bereits nach fünf Sitzungen – über sich abzeichnenden weiteren psychotherapeutischen Behandlungsbedarf informiert, ist hingegen fehl am Platze. In den ersten fünf Sitzungen, die auch die probatorischen Sitzungen sind, geht es darum, überhaupt erst einmal einen Eindruck von der Behandlungsbedürftigkeit zu bekommen sowie davon, ob die Behandlung mit dem jeweiligen Therapeuten durchgeführt werden kann. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass bereits in dieser frühen Phase ein über 15 Sitzungen hinausgehender notwendiger Behandlungsbedarf festgestellt werden kann. Genauso ist es aber möglich beziehungsweise sogar wahrscheinlicher, dass sich dieser Behandlungsbedarf erst nach den ersten fünf Sitzungen abzeichnet. Dies ist der therapeutischen Dynamik im Einzelfall geschuldet und entzieht sich im Zweifel der Möglichkeit therapeutischer Steuerung. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, dass Sanktionen vorgesehen werden sollen. Darüber hinaus ist die Aufnahme von Sanktionen in die Vereinbarungen bei Verstoß gegen die Mitteilungspflicht der Zusammenarbeit mit den Trägern der Traumaambulanzen nicht dienlich.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 10 (Zu Artikel 1, § 35 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Für die Betroffenen, die auch nach der Betreuung in der Traumaambulanz weiteren psychotherapeutischen Behandlungsbedarf haben, ist die Möglichkeit einer zeitnahen Weiterbehandlung von großer Bedeutung. Es muss also alles getan werden, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Hierzu zählt zumindest der Verweis auf weitere Angebote, wie im Gesetz vorgesehen. Zu berücksichtigen ist, dass den Ländern noch bis Dezember 2023 Zeit bleibt, um die erforderlichen Verbindungen zu anderen psychotherapeutischen Angeboten herzustellen.

 

§ 36 Fahrkosten

(1) Übernommen werden die erforderlichen Fahrkosten zur nächstgelegenen Traumaambulanz. Gleiches gilt für die erforderlichen Fahrkosten einer notwendigen Begleitperson sowie für Kinder, deren Mitnahme erforderlich ist, weil ihre Betreuung nicht sichergestellt ist. Übernommen werden auch die notwendigen Betreuungskosten für zu pflegende oder zu betreuende Familienangehörige sowohl für die Berechtigten als auch für die notwendigen Begleitpersonen für Kinder und Jugendliche.

(2) Die Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zu Grunde gelegt, der bei der Beförderung in der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist. Bei der Beförderung in einem anderen Verkehrsmittel wird ein Betrag in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 Satz 2 des Bundesreisekostengesetzes zu Grunde gelegt.

Zu § 36 (Fahrkosten)

Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die Übernahme von Fahrkosten. Berechtigte sollen nicht durch die für sie und erforderlichenfalls eine Begleitperson anfallenden Fahrkosten faktisch gehindert werden, die Leistungen der Traumaambulanz in Anspruch zu nehmen. Gleiches gilt im Hinblick auf Betreuungskosten, die wegen des Besuchs der Traumaambulanz entstehen, diese werden daher, soweit sie notwendig sind, ebenfalls übernommen. Die nächstgelegene Traumaambulanz ist diejenige, die für die jeweils betroffene Person das altersspezifische Angebot anbietet, also für Erwachsene die nächste Traumaambulanz mit Angeboten für Erwachsene, für Kinder und Jugendliche die nächste Traumaambulanz mit Angeboten für Kinder und Jugendliche. Verfügt die nächstgelegene Traumaambulanz nicht über freie Kapazitäten gilt als nächstgelegen diejenige Traumaambulanz mit freien Kapazitäten, zu der die betroffene Person die kürzeste Anfahrt hat.

 

§ 37 Vereinbarungen mit Traumaambulanzen

(1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden schließen Vereinbarungen mit Traumaambulanzen, die die Voraussetzungen nach diesem Abschnitt erfüllen. Am 1. Januar 2021 bestehende Vereinbarungen bleiben hiervon für die Dauer ihrer Laufzeit unberührt.

(2) Die Vereinbarung muss die wesentlichen Anforderungen an die Traumaambulanz sowie die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen. In der Vereinbarung muss sich die Traumaambulanz verpflichten, nach § 32 und § 33 berechtigte Personen im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes psychotherapeutisch zu betreuen. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung als Mindestinhalt Regelungen über

1. den psychotherapeutisch zu betreuenden Personenkreis,

2. Art und Ziel der Leistung,

3. die Anforderungen an die personelle Ausstattung und an die Qualifikation des Personals,

4. die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung bestehenden Pflichten der Traumaambulanz,

5. den Datenschutz sowie

6. die Vergütung der von der Traumaambulanz erbrachten Leistungen.

Zu § 37 (Vereinbarungen mit Traumaambulanzen)

Um die Ansprüche berechtigter Personen auf Leistungen der Traumaambulanz erfüllen zu können, schließen nach Absatz 1 die zuständigen Träger der Sozialen Entschädigung entsprechende Vereinbarungen. Satz 1 der Vorschrift stellt klar, dass dabei nur mit solchen Traumaambulanzen kontrahiert werden darf, die die Voraussetzungen nach diesem Buch erfüllen. Satz 2 stellt klar, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Buches noch laufende Vereinbarungen mit Traumaambulanzen unberührt bleiben. Damit soll sichergestellt werden, dass bereits vor Inkrafttreten dieses Buches Leistungen der Traumaambulanz angeboten und dabei auch Vertragslaufzeiten über den ...[Tag des Inkrafttretens] vereinbart werden können, ohne befürchten zu müssen, laufende Verträge fristlos kündigen zu müssen und möglicherweise schadensersatzpflichtig zu werden.

Absatz 2 beschreibt den Mindestinhalt der Vereinbarung. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Berechtigte die ihnen nach diesem Buch in der Traumaambulanz zustehenden Leistungen tatsächlich erhalten. Über den nach dieser Vorschrift zwingenden Inhalt hinaus besteht ein Ermessen des zuständigen Trägers bei der Ausgestaltung der Vereinbarung. Hierdurch soll die Gewinnung geeigneter Traumaambulanzen erleichtert werden.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

11. Zu Artikel 1 (§ 37 Absatz 2 Satz 3 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 37 Absatz 2 Satz 3 zu streichen.

Begründung:

25. Durch die Regelung des § 37 Absatz 2 Satz 3 erfolgt eine Überregulierung, die aus Sicht der Länder weder erforderlich noch zweckmäßig ist. Mit der Normierung des Mindestinhalts wird so weitgehend in das Ermessen der Träger der Sozialen Entschädigung zum Abschluss von Vereinbarungen eingegriffen, dass diesen die für die Durchführung der Aufgaben benötigten Spielräume genommen werden. Die in § 37 Absatz 2 Satz 3 normierten detaillierten Verfahrens-, Qualitäts- und Qualifikationsvorgaben stehen zum einen der Durchführungsverantwortung der Länder und zum anderen der Organisations- und Personalhoheit der Leistungsträger entgegen.
26. Unabhängig davon besteht die Gefahr, dass die Träger der Sozialen Entschädigung aufgrund der gesetzlichen Vorgaben keine geeigneten Einrichtungen finden werden, die bereit sind, unter diesen Bedingungen freiwillig eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen. In Deutschland besteht Vertragsfreiheit, so dass weder die Träger der Sozialen Entschädigung noch sonst eine Institution berechtigt ist, entsprechend geeignete Einrichtungen zum Abschluss einer solchen Vereinbarung zu verpflichten.
27. Es wäre fatal, wenn die bisherige gute Arbeit der Einrichtungen, die Traumaambulanzen vorhalten, durch eine solche Regelung eingestellt werden würde. Das ist weder im Sinne des Gesetzgebers und erst recht nicht im Interesse der Opfer.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 11 (Zu Artikel 1, § 37 Absatz 2 Satz 3 SGB XIV)

Die Bundesregierung prüft den Vorschlag des Bundesrates. Bei ihrer Prüfung wird die Bundesregierung abwägen, ob bundeseinheitliche Mindest- und/oder Qualitätsstandards bei der flächendeckenden Einrichtung von Traumaambulanzen geboten sind.

 

§ 38 Verordnungsermächtigung

Das Nähere zu den Vereinbarungen nach § 37 regelt eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassende Rechtsverordnung, die zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Mindestinhalt der Verordnung sind Bestimmungen

1. zur Qualifikation des Personals der Traumaambulanz, das die Sitzungen durchführt,

2. zur Dauer der einzelnen Sitzung,

3. zur Erreichbarkeit der Traumaambulanz und zum Zeitraum, in welchem die Betroffenen einen Termin dort erhalten müssen, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten,

4. zu den Dokumentationspflichten,

5. zum Abrechnungsverfahren einschließlich der sich daraus ergebenden Datenübermittlungswege,

6. zur Schweigepflichtentbindung und

7. zur Vertraulichkeit.

Zu § 38 (Verordnungsermächtigung)

Ein Großteil der Bundesländer verfügt bereits über Traumaambulanzen. Mit der Verankerung im SGB XIV wird nicht nur deren flächendeckende Verfügbarkeit sichergestellt, vielmehr werden auch bundeseinheitliche Qualitätsstandards festgelegt. Diese Qualitätskriterien sowie die zu beachtenden datenschutzrechtlichen Regelungen werden in einer auf Grundlage der vorliegenden Ermächtigung zu erlassenden Rechtsverordnung festgelegt. Für die Qualität der Leistungen der Traumaambulanz ist die Qualifikation der Personen, die die Sitzungen durchführen, von herausragender Bedeutung. Bei der Festlegung der erforderlichen Qualifikation ist darauf zu achten, dass diese auch im Hinblick auf die psychotherapeutische Intervention bei Kindern und Jugendlichen gegeben ist.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

12. Zu Artikel 1 (§ 38 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 38 zu streichen.

Begründung:

28. Durch die Regelung des § 38 erfolgt eine Überregulierung, die aus Sicht der Länder weder erforderlich noch zweckmäßig ist. Die Länder führen das Soziale Entschädigungsrecht als eigene Angelegenheit gemäß Artikel 84 GG aus. Sie regeln demnach die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren (Artikel 84 Absatz 1 Satz 1 GG). Soweit mit dem vorliegenden Gesetzentwurf über Leistungen und deren Anspruchsvoraussetzungen hinaus auch die Strukturen und das Verfahren vorgegeben werden, ist die Regelung verfassungswidrig, da sie zu dem Grundsatz des Artikels 84 GG im Widerspruch steht.
29. Mit der Verordnungsermächtigung in § 38 und den darin enthaltenen Vorgaben wird in einer Art und Weise in das Ermessen der Träger der Sozialen Entschädigung beim Abschluss von Vereinbarungen eingegriffen, die diesen die für die Durchführung der Aufgaben benötigten Spielräume nehmen. Detaillierte Verfahrens-, Qualitäts- und Qualifikationsvorgaben stehen der Durchführungsverantwortung der Länder entgegen. Darüber hinaus greifen sie auch weit in die Organisations- und Personalhoheit der Leistungsträger ein.
30. Die durch die Verordnung vorgesehenen starren Festlegungen erscheinen insbesondere auch im Hinblick auf die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten als nicht zielführend. 31. Vielmehr besteht aufgrund der Vorgaben die Gefahr, dass die Träger der Sozialen Entschädigung keine geeigneten Einrichtungen finden werden, die bereit sind, unter diesen Voraussetzungen eine Vereinbarung zur Vorhaltung einer Traumaambulanz abzuschließen. 32. Es wäre aber fatal, wenn die bisherige gute Arbeit der Einrichtungen, die Traumaambulanzen vorhalten, durch eine solche Regelung eingestellt werden würde. Das ist weder im Sinne des Gesetzgebers und erst recht nicht im Interesse der Opfer.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 12 (Zu Artikel 1, § 38 SGB XIV)

Die Bundesregierung prüft den Vorschlag des Bundesrates. Bei ihrer Prüfung wird die Bundesregierung abwägen, ob bundeseinheitliche Mindest- und/oder Qualitätsstandards bei der flächendeckenden Einrichtung von Traumaambulanzen geboten sind.

 

Abschnitt 4 Kooperationsvereinbarungen

 

§ 39 Kooperationsvereinbarungen für Beratungs- und Begleitangebote

Die Träger der Sozialen Entschädigung können Kooperationsvereinbarungen mit Organisationen schließen, die eine umfassende qualitätsgesicherte Beratung und Begleitung der Berechtigten sicherstellen. Dabei berücksichtigen sie Angebote, die sich an Angehörige besonders schutzbedürftiger Personengruppen richten. 3Sie können diesen Organisationen Sach- und Geldmittel zur Verfügung stellen.

Zu § 39 (Kooperationsvereinbarungen für Beratungs- und Begleitangebote)

Diese Vorschrift ermöglicht es, Kooperationsvereinbarungen mit Organisationen zu schließen. In vielen Städten und Regionen bestehen beispielsweise bereits heute Beratungsstellen und Einrichtungen, die im Bereich der Opferentschädigung, aber auch in weiteren Bereichen der Opferhilfe tätig sind. Dabei sind ihre jeweilige Rechtsform (z. B. Verein, Stiftung) und Organisationsform (bundesweit, regional, lokal) ebenso unterschiedlich wie die Art ihres Tätigwerdens (ehrenamtlich oder hauptamtlich) und ihr jeweiliges Betätigungsfeld (umfassende Opferhilfe, spezialisierte Fachberatungsstellen z. B. für Opfer sexueller oder häuslicher Gewalt, psychosoziale Prozessbegleitung). Oft wird dabei ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, um den Betroffenen Hilfe in allen Situationen und bei allen Lebensentscheidungen, z. B. im Zusammenhang mit einer Gewalttat, anzubieten. Die Tätigkeit solcher Beratungsstellen kann somit eine wertvolle Ergänzung zur Arbeit der für die Soziale Entschädigung zuständigen Behörden darstellen. Im Interesse der Berechtigten ist daher eine Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit beratenden und unterstützenden Organisationen sinnvoll. Ob und wie diese ausgestaltet wird, ist jeweils von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Vielerorts bestehen bereits Kooperationsvereinbarungen. Diese erhalten durch § 39 nunmehr eine gesetzliche Grundlage.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

13. Zu Artikel 1 (§§ 39 und 40 SGB XIV)

 In Artikel 1 sind die §§ 39 und 40 zu streichen. Folgeänderungen: Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) In der Inhaltsübersicht sind die Wörter "Abschnitt 4 Kooperationsvereinbarung" und die Angaben zu den §§ 39 und 40 zu streichen.
b) Vor § 39 sind die Wörter "Abschnitt 4 Kooperationsvereinbarung" zu streichen.

Begründung:

33. Die Länder fördern schon jetzt Opferhilfeverbände. Oftmals sind andere oberste Landesbehörden als die für die Soziale Entschädigung verantwortlichen dafür zuständig. Daher muss nicht zwingend eine Förderung über die zuständige oberste Landesbehörde im Sozialen Entschädigungsrecht erfolgen. Auch dies ist eine Überregulierung. § 39 Satz 3 SGB XIV-E, wonach diesen Organisationen Sach- und Geldmittel zur Verfügung gestellt werden können, weckt Begehrlichkeiten. Zudem sind keine Haushaltsmittel des Bundes hierfür vorgesehen. Der Bund greift hier in die Organisation und die Haushalte der Länder ein.
34. Auch § 40 SGB XIV-E ist zu streichen. Wenn die Länder schon eigene Haushaltsmittel einsetzen sollen, muss ihnen zugestanden werden, die Voraussetzung für die Förderung selbst zu regeln.
35. In den §§ 39 und 40 SGB XIV-E ist eine Rechtsgrundlage für Kooperationsvereinbarungen sowie eine entsprechende Verordnungsermächtigung geregelt. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Neuregelung des Sozialen Entschädigungsrechts wird nach der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs in Artikel 73 Absatz 1 Nummer 13 beziehungsweise Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes (GG) gesehen. Hier könnte nur die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 GG (öffentliche Fürsorge) einschlägig sein. Der Begriff der öffentlichen Fürsorge umfasst allerdings im Wesentlichen nur die kollektive Unterstützung bei individueller Bedürftigkeit. Eine hierauf gestützte Regelung muss darauf abzielen, eine Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation abzumildern oder zu beseitigen. In den §§ 39 und 40 SGB XIV-E wird nun allerdings die Zusammenarbeit zwischen dem Träger der Sozialen Entschädigung und einem Dritten geregelt. Durch die Verordnungsermächtigung könnte in die Gestaltungsfreiheit der privaten Träger eingegriffen werden. Eine solche rein an organisatorischen Aspekten ausgerichtete Regelung dürfte nicht mehr vom Begriff der öffentlichen Fürsorge umfasst sein.
36. Darüber hinaus widerspricht diese Regelung auch der Systematik des Sozialen Entschädigungsrechts. Nach Sinn und Zweck des § 1 SGB XIV-E soll die Soziale Entschädigung die Berechtigten für ein erbrachtes Sonderopfer oder ein erlittenes Unrecht entschädigen. Die Leistungen sollen die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung verhindern, beseitigen oder mildern. Dementsprechend sieht das bisherige Opferentschädigungsgesetz systematisch ausschließlich Leistungen unmittelbar gegen- über dem Opfer vor. Diese Systematik wird durch die Regelung des § 39 SGB XIV-E durchbrochen. Sie ist daher zu streichen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 13 (Zu Artikel 1, §§ 39 und 40 SGB XIV)

 Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Es gibt Menschen, die den Gang zu Behörden aufgrund schlechter Erfahrungen scheuen und für die deshalb die Möglichkeit wichtig ist, sich auch an eine nichtstaatliche Stelle wenden zu können, die eine Kooperationsvereinbarung mit dem SER-Träger abgeschlossen hat. Dies können z. B. Opferhilfevereine oder spezialisierte Fachberatungsstellen für Opfer sexueller oder häuslicher Gewalt sein. Die Regelungen schaffen die Möglichkeit, entsprechende Vereinbarungen abzuschließen und den kooperierenden Organisationen Geld- und Sachleistungen zur Verfügung zu stellen. Zur Geltung bundeseinheitlicher Qualitätsstandards im Interesse der Berechtigten werden durch eine Verordnung Mindestanforderungen geregelt.

 

 

§ 40 Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die qualitativen Anforderungen an Kooperationsvereinbarungen zu regeln. Mindestinhalte der Verordnung sind:

1. die Anforderungen an die Qualifikation der Organisationen, mit denen Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden können, sowie

2. die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation nach Nummer 1.

Zu § 40 (Verordnungsermächtigung)

In einer auf Grundlage der vorliegenden Ermächtigung zu erlassenden Rechtsverordnung werden die Mindestanforderungen an die Qualifikation der Organisationen, mit denen Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden können, festgelegt.

 

Kapitel 5 Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

14. Zu Artikel 1 (§§ 41 bis 61 SGB XIV)

Der Bundesrat stellt fest, dass der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts insbesondere bei der Erbringung von Sachleistungen ein kompliziertes, miteinander verschränktes Leistungssystem mit unterschiedlichen Zuständigkeiten vorsieht. So sollen die Krankenbehandlung und Pflegeleistungen durch die Leistungsträger der Gesetzlichen Kranken- beziehungsweise Pflegeversicherung erbracht werden, während die Versorgung mit Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie mit wohnumfeldverbessernden Maßnahmen auf die Unfallkassen der Länder übertragen werden soll. Für weitere, über den Leistungskatalog der Gesetzlichen Kranken- beziehungsweise Pflegeversicherung hinausgehende ergänzende Leistungen soll die Versorgungsverwaltung zuständig bleiben. Der Bundesrat lehnt ein derart zersplittertes Leistungssystem ab. Der neue Leistungskatalog eines Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch soll Ausdruck der Weiterentwicklung des Rechts der Sozialen Entschädigung und seiner Anpassung an veränderte gesellschaftliche Entwicklungen und Erkenntnisse sein. Dazu gehört, dass Betroffene schneller und zielgerichteter als bisher Hilfe und Unterstützung erhalten, um zügig wieder am gesellschaftlichen Leben in allen Bereichen teilhaben zu können. Das erfordert nach Auffassung des Bundesrates eine frühestmöglich einsetzende, aufeinander abgestimmte, umfassende und auf die individuellen Bedarfe ausgerichtete Versorgung. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Erbringung von Schnellen Hilfen und ergänzenden Leistungen zusätzlich zu den zergliederten Sach- und Geldleistungen wird dem nicht gerecht. Leistungen aus einer Hand insbesondere in der Krankenbehandlung, Hilfsmittelversorgung und Pflege nach einem einheitlichen Leistungskatalog ermöglichen eine optimal abgestimmte Versorgung und verhindern, dass sich Antragstellende mit verschiedenen Trägern und Verwaltungsverfahren konfrontiert sehen. Dazu kann entweder auf den Leistungskatalog und die Träger der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verwiesen werden oder auf den Leistungskatalog und die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bundesrat spricht sich zu Gunsten einer bestmöglichen Versorgung klar für den Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Unfallkassen der Länder als Träger aus. Nach Auffassung des Bundesrates verfügt die Gesetzliche Unfallversicherung über etablierte Verfahren und leistungsfähige Strukturen, die – unabhängig von der Ursache der Schädigung – auf die besonderen Bedarfe in der Betreuung und Versorgung von Opfern ausgerichtet sind. Den Erfordernissen nach schneller und unbürokratischer Hilfe sowie einer umfassenden und sensiblen Betreuung und Begleitung im Verfahren, wie sie für Opfer von Terroranschlägen formuliert wurden, aber auch für die Opfer anderer Gewaltexzesse einschließlich der neu in das SGB XIV aufgenommenen Formen psychischer Gewalt gelten, kann damit am besten entsprochen werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Aufteilung der Zuständigkeiten auf mehrere Leistungsträger steht nach Auffassung des Bundesrates der erklärten Zielsetzung des beabsichtigten Gesetzes entgegen und verletzt das mit dem Bundesteilhabegesetz gesetzlich festgeschriebene Prinzip einer personenzentrierten Leistungserbringung. Der Bundesrat spricht sich deshalb für eine Übertragung der Leistungsbereiche der Krankenbehandlung und Pflege auf die Gesetzlichen Unfallkassen der Länder nach den Leistungsvorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch aus und fordert die Bundesregierung auf, das weitere Gesetzgebungsverfahren zu nutzen, hierzu mit den Ländern und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Unfallversicherung umgehend in konstruktive Beratungen zu treten.

Begründung:

37. Der einheitliche Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung differenziert nicht zwischen zweckmäßigen, wirtschaftlichen und daher auf das notwendige Maß begrenzten Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sogenannten ergänzenden Leistungen, die im neuen Sozialen Entschädigungsrecht darüber hinaus vorgesehen sind. Er kennt auch keine Unterscheidung in privat und gesetzlich Versicherte. Eine solche Versorgung mit allen geeigneten Mitteln entspricht nach Ansicht der Länder den Anforderungen eines modernen Sozialen Entschädigungsrechts am besten. Vor allem aber sind nur bei einer Leistungserbringung aus einer Hand die Unfallversicherungsträger in der Lage, Krankenbehandlung, Hilfsmittelversorgung und Pflege so optimal aufeinander abzustimmen, dass das beabsichtigte höhere Qualitätsniveau auch wirklich zum Tragen kommt. Nur mit der Maxime, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen auf einem qualitativ hohen Niveau ohne Beschränkungen auf bestimmte Leistungen wiederherzustellen, bleibt die besondere soziale Verantwortung des Staates für die Opfer von Gewalttaten auch künftig gewahrt.
38. Der umfangreiche Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung erfasst im Grundsatz alle im Gesetzentwurf enthaltenen Sachleistungen. Die Unfallversicherungsträger betreiben mit dem Rehabilitationsmanagement bereits seit langem ein Fallmanagement, sie erbringen schon immer auch Leistungen der beruflichen Teilhabe, sind erfahren in der Anwendung und Prüfung von Kausalitätsfragen und kennen im Bereich der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand einen Betroffenenkreis vom Kleinkind bis zur hochbetagten Person. Eine Leistungsverschlechterung zum Nachteil der Betroffenen würde deshalb bei einer Übertragung der Zuständigkeit auf die Gesetzlichen Unfallkassen der Länder nach den Regelungen des SGB VII nicht eintreten.
39. Soweit im jetzigen Gesetzentwurf vorgesehene bestimmte Leistungen nicht unmittelbar dort enthalten sind, besteht weiterhin die Möglichkeit, diese Regelungen als Sonderanspruch in das SGB XIV aufzunehmen. Dieser Katalog ergänzender Leistungen könnte aber deutlich schlanker ausfallen als im derzeitigen Gesetzentwurf. Bei der Durchführung von Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts durch die Gesetzliche Unfallversicherung in einem Auftragsverhältnis nach den dort geltenden Vorschriften des SGB VII bliebe das Recht der Sozialen Entschädigung als eigenständiges Recht in der Trägerschaft der Länder bestehen und das Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung insoweit unverändert.
40. Den Versorgungsbehörden der Länder schließlich bliebe die ressourcenintensive Klärung von Schnittstellenproblemen und Zuständigkeitsfragen erspart, die nicht selten auch zu Lasten der Betroffenen gehen. Die derzeit vorgesehenen Kostenerstattungsregelungen könnten erheblich verschlankt und für die Länder als Träger der Versorgungsbehörden und Beitragszahler der Unfallkassen der öffentlichen Hand auch vereinfacht werden.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 14 (Zu Artikel 1, §§ 41 bis 61 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Die Bundesregierung hat mit Ländern und gesetzlicher Unfallversicherung intensive Gespräche zu der Frage der Erbringung von Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung und Pflege geführt. Auf der Grundlage dieser Gespräche war festzustellen, dass die Erbringung sämtlicher Leistungen der Krankenbehandlung und der Pflege durch die Unfallkassen der Länder nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung problematisch und nicht zu befürworten ist. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Leistungen der Krankenbehandlung sind auf die besonderen Bedürfnisse von Berechtigten nach dem Sozialen Entschädigungsrecht zugeschnitten und finden sich zum Teil nicht oder nicht in ausreichendem Maße im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung wieder. Bei Anwendung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung entstünden teilweise Versorgungslücken, die durch Sonderregelungen im SGB XIV geschlossen werden müssten. Eine Rechtsvereinfachung und Verschlankung, die von den Ländern als Vorteil gegen- über dem Gesetzentwurf herausgestellt wurde, wäre damit nicht verbunden. Es macht wenig Sinn, ein System durch ein anderes abzulösen, das ebenfalls modifiziert oder ergänzt werden müsste. Die Regelungen im Gesetzentwurf knüpfen im Bereich der Krankenbehandlung an ein seit Jahrzehnten bewährtes und funktionsfähiges System an, bei dem unterschiedliche Leistungen problemlos ineinandergreifen. Danach werden der überwiegende Teil der Leistungen durch die Krankenkassen - auch an privat Krankenversicherte - für die Verwaltungsbehörden entsprechend der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften und einige besondere Leistungen von den Verwaltungsbehörden selbst erbracht. Neu gegenüber dem geltenden Recht ist die auftragsweise Erbringung des eng umgrenzten Bereichs der Hilfsmittelversorgung durch die Unfallkassen der Länder. Diese Änderung führt einerseits zu einer Entlastung der Verwaltungsbehörden der Länder, die trotz sinkender Fallzahlen nach heutigem Recht orthopädische Versorgungsstellen vorhalten müssen, und garantiert andererseits den Berechtigten ein mit dem geltenden Recht vergleichbares Versorgungsniveau. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Fallmanagement leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Berechtigte sich auch im neuen Recht zurechtfinden und schnell ihre Leistungen erhalten. Auch bleiben die Verwaltungsbehörden in den Fällen, in denen Sozialversicherungsträger für sie Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung erbringen, als Auftraggeber verantwortlich und sind fester Ansprechpartner für die Berechtigten. Von einer Verletzung des im Bundesteilhabegesetz festgeschriebenen Prinzips einer personenzentrierten Leistungserbringung kann nicht die Rede sein. Der Vorschlag des Bundesrates geht von der Annahme aus, dass eine Versorgung aus einer Hand im Bereich der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung möglich wäre. Selbst wenn aber die Unfallversicherung nicht nur eigenes Recht, sondern auch Sonderregelungen nach SGB XIV anwenden würde, verblieben bedeutsame Aufgaben u.a. im Bestandsschutz, bei Kausalitätsfragen, bei Auftragssteuerung und Kontrolle bei den Verwaltungsbehörden. Neben Aufgaben im Bestandsschutz wären die Krankenkassen für die Berechnung und Auszahlung des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung zuständig. Da die gesetzliche Unfallversicherung ihr Verletztengeld auch durch die Krankenkassen auszahlen lässt, scheidet eine Berechnung und Auszahlung des am Krankengeld nach SGB V orientierten Krankengeldes der Sozialen Entschä- digung durch sie aus. Eine Reduzierung von Zuständigkeiten ließe sich allenfalls dadurch erreichen, dass die Hilfsmittelversorgung bei den Verwaltungsbehörden der Länder verbliebe. Die Bundesregierung hat hiervon jedoch abgesehen, um die Länder zu entlasten und den Berechtigten ein mit dem geltenden Recht vergleichbares Versorgungsniveau zu garantieren. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass die gesetzliche Unfallversicherung über etablierte Verfahren und leistungsfähige Strukturen verfügt. Aus Sicht der Bundesregierung bestehen aber erhebliche Zweifel, ob das Durchgangsarztverfahren für alle Berechtigten nach dem Sozialen Entschädigungsrecht ein geeignetes Verfahren darstellt. Durchgangsärzte sind von ihrer Ausbildung her Unfallchirurgen oder Orthopäden. Beispielsweise für Missbrauchsopfer, Opfer sexualisierter Gewalt oder impfgeschädigte Kinder sind andere medizinische Fachrichtungen für eine sachgerechte Einschätzung und Behandlung wichtig. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es zwar landesweit Durchgangsärzte gibt, jedoch in ländlichen Regionen mit weiten Anfahrtswegen zu rechnen ist. Dies würde gerade ältere Geschädigte und vor allem die hochbetagten Kriegsbeschädigten vor ein ernsthaftes Problem stellen. Für ältere Geschädigte, die vor Inkrafttreten des SGB XIV schon im Leistungsbezug waren und Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung weitgehend durch ihre Krankenkasse erhalten haben, wäre eine Umstellung auf die Unfallversicherung in jedem Fall sehr schwierig.
Die von den Ländern favorisierte Ausgestaltung lässt - auch wenn es keine genaue Kostenfolgenabschätzung gibt - erhebliche Kostensteigerungen erwarten. In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt der Grundsatz "mit allen geeigneten Mitteln" und im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehen höhere Gebührensätze. Kostengesichtspunkte sind ein Argument, wenn es - wie im Gesetzentwurf vorgesehen - eine angemessene Alternative gibt. Im Übrigen setzen sich die Länder mit ihrem Antrag in Widerspruch zu Ziffer 29, mit dem sie ihre Sorge über finanzielle Mehrbelastungen zum Ausdruck bringen. Nicht geteilt wird die im Vorschlag des Bundesrates vertretene Auffassung, dass die derzeit vorgesehenen Kostenerstattungsregelungen bei Beauftragung der gesetzlichen Unfallversicherung erheblich verschlankt werden könnten. Zwar entfielen weitgehend Erstattungen an die Krankenkassen. Da die Unfallkassen der Länder aber an die Stelle der Krankenkassen treten würden, müssten auch ihnen ihre Aufwendungen erstattet werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat nicht das Mandat, eine Pauschalvereinbarung für alle Unfallkassen der Länder zu treffen. Diese könnte allenfalls in jedem Land einzeln mit der jeweils zuständigen Unfallkasse geschlossen werden. Zu den Leistungen bei Pflegebedürftigkeit: Im Gegensatz zum SGB XIV-E kennt das SGB VII nur einen Paragraphen für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Über diese Generalklausel würde die Unfallkasse im Einzelfall prüfen, welche Pflegeleistungen passend und erforderlich sind. Ein gesetzlich ausdifferenzierter Katalog von Leistungsansprüchen besteht nicht. Daher besteht die Gefahr, dass die Auslegung dessen, "was im Einzelfall erforderlich" ist, von den einzelnen Unfallkassen unterschiedlich beurteilt werden könnte. Eine Leistungserbringung durch die Unfallkassen nach SGB VII hätte einen Systembruch zur Folge, da dann insbesondere andere Kausalitätsprinzipien angewandt würden. Es würde nämlich nicht nur der durch die Schädigungsfolgen verursachte Pflegebedarf, sondern unabhängig von Vorerkrankungen der gesamte Pflegebedarf bei der Berechnung des individuellen Pflegegeldes und auch der Übernahme der Pflegesachkosten abgebildet. Zudem sind die Rahmensätze für das individuell zu berechnende Pflegegeld im SGB VII höher als das Pflegegeld nach SGB XI, so dass insgesamt höhere Kosten zu erwarten sind.
Im Übrigen sieht der Gesetzentwurf in § 112 SGB XIV vor, dass die Länder die für die Durchführung der Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts zuständigen Behörden eigenständig bestimmen. Die Länder können daher über die Hilfsmittelversorgung hinaus die jeweiligen Unfallkassen der Länder beauftragen, Aufgaben nach SGB XIV wahrzunehmen.

 

Abschnitt 1 Leistungen und Nachweispflicht

 

§ 41 Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung

(1) Geschädigte haben für anerkannte Schädigungsfolgen Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung nach den Vorschriften dieses Kapitels.

(2) Ist eine Gesundheitsstörung im Sinne einer Verschlimmerung als Folge einer Schädigung anerkannt, besteht abweichend von Absatz 1 Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung für die gesamte Gesundheitsstörung. Dies gilt nicht, wenn die als Folge einer Schädigung anerkannte Gesundheitsstörung auf den Zustand, der Leistungen der Krankenbehandlung erfordert, ohne Einfluss ist.

Zu § 41 (Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung)

Absatz 1 regelt den Grundsatz, dass Geschädigte für anerkannte Schädigungsfolgen Anspruch auf Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung haben.

Absatz 2 erweitert diesen Grundsatz durch Einbeziehung auch des Teils der Gesundheitsstörung, der keine anerkannte Schädigungsfolge ist. Dies stellt eine Abkehr von der Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung dar. Der anerkannte Verschlimmerungsanteil hat auf den behandlungsbedürftigen Gesundheitszustand Einfluss, wenn er wenigstens eine Bedingung für die Behandlungsbedürftigkeit der gesamten Gesundheitsstörung, das heißt, auch des schädigungsunabhängigen Grundleidens ist. Hingegen ist der anerkannte Verschlimmerungsanteil nicht Bedingung für die Behandlungsbedürftigkeit, wenn diese auch ohne ihn im gleichen Umfang bestehen würde.

 

§ 42 Krankenbehandlung

(1) Geschädigte erhalten für anerkannte Schädigungsfolgen

1. Leistungen der Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel, Fünfter Abschnitt Erster Titel und Siebter Abschnitt des Fünften Buches und

2. weitere Leistungen der Krankenbehandlung in den Leistungsbereichen nach Nummer 1 entsprechend der jeweiligen Satzung der nach § 57 Absatz 2 oder Absatz 3 zuständigen Krankenkasse.

Dabei gelten die Grundsätze der Leistungserbringung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung.

(2) Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 oder höher können für Nichtschädigungsfolgen Leistungen entsprechend dem Dritten Kapitel des Fünften Buches erhalten, wenn sie keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall haben oder diese auf Grund der Schädigungsfolgen nicht mehr unterhalten können und das Versagen von Leistungen eine unbillige Härte bedeuten würde.

(3) Angehörige nach § 2 Absatz 3 und Nahestehende nach § 2 Absatz 5 von Geschädigten, die einen Grad der Schädigungsfolgen von 50 oder höher haben, können Leistungen entsprechend dem Dritten Kapitel des Fünften Buches erhalten, wenn sie keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall haben oder diese auf Grund der Schädigungsfolgen nicht mehr unterhalten können und das Versagen von Leistungen eine unbillige Härte bedeuten würde.

(4) Hinterbliebene nach § 2 Absatz 4 können Leistungen entsprechend dem Dritten Kapitel des Fünften Buches erhalten, wenn sie keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall haben oder diese auf Grund der Schädigungsfolgen nicht mehr unterhalten können und das Versagen von Leistungen eine unbillige Härte bedeuten würde.

(5) Absatz 1 gilt, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

Zu § 42 (Krankenbehandlung)

Absatz 1 Satz 1 regelt Art und Umfang der Krankenbehandlung Geschädigter, unabhängig davon, ob sie gesetzlich krankenversichert sind oder nicht. Das Leistungsspektrum bestimmt sich nach den in Bezug genommenen Vorschriften des SGB V und den in Bezug genommenen Satzungsbestimmungen der nach § 57 Absatz 2 oder Absatz 3 zuständigen Krankenkasse. Erfasst sind dabei auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 11 Absatz 2 SGB V in Verbindung mit §§ 40 ff. SGB V. Leistungen kraft Satzung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 sind aus dem Katalog des § 11 Absatz 6 SGB V Leistungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation, der künstlichen Befruchtung, der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz, die Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln, mit Heilmitteln, im Bereich der häuslichen Krankenpflege und der Haushaltshilfe sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern. Zu den Grundsätzen der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung nach Absatz 1 Satz 2 zählen z. B. die Leistungserbringung grundsätzlich nur durch zugelassene Leistungserbringer, das Wirtschaftlichkeitsgebot, die freie Arztwahl und die Beachtung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Die Absätze 2 bis 4 treffen Regelungen für den Ausnahmefall, dass Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 oder höher, ihre Angehörigen oder Nahestehenden sowie Hinterbliebene von Geschädigten trotz gesetzlicher Verpflichtung keine Absicherung im Krankheitsfall haben. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall ist insbesondere ein bestehendes Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung. Die Verpflichtung zur Versicherung nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V oder nach § 193 Absatz 3 VVG stellt keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall dar. Aus Fürsorgegründen wird von dem Grundsatz, dass Leistungen der Sozialen Entschädigung grundsätzlich nur für anerkannte Schädigungsfolgen erbracht werden, abgewichen. Die Berechtigten werden so gestellt, als wären sie nach den Vorschriften des SGB V als gesetzlich Krankenversicherte leistungsberechtigt.

Die Ermessensentscheidung im Einzelfall, ob eine unbillige Härte vorliegt, obliegt der zuständigen Verwaltungsbehörde. Bei der Abwägung sind zum Beispiel Gesichtspunkte wie Einkommen des Geschädigten bzw. der Leistungsempfänger zu berücksichtigen. Die Möglichkeit des Bezugs von Sozialleistungen schließt eine unbillige Härte nicht grundsätzlich aus. Der Anspruch nach den Absätzen 2 bis 4 kann auch zeitlich begrenzt sein.

Nach Absatz 5 gilt Absatz 1 nur, soweit dieses Buch keine Sonderregelungen trifft. Um Sonderregelungen in diesem Sinne handelt es sich u. a. bei der Hilfsmittelversorgung, die vollständig im Rahmen der Versorgung nach § 46 sichergestellt wird, sodass eine Leistungserbringung durch die Krankenkasse in Anwendung des § 33 SGB V sowie diesbezüglicher Satzungsregelungen nach § 11 Abs. 6 SGB V nicht in Frage kommt, sowie bei der Regelung des § 44 Absatz 2, wonach Geschädigte Sachleistungen ohne Beteiligung an den Kosten erhalten, sodass die Regelung des § 43c SGB V keine Anwendung findet.

 

§ 43 Ergänzende Leistungen der Krankenbehandlung

(1) Geschädigte erhalten für anerkannte Schädigungsfolgen auf Antrag über die Leistungen der Krankenbehandlung nach § 42 hinaus ergänzende Leistungen, wenn diese unter Berücksichtigung der Art und Schwere des Einzelfalls und der besonderen Bedarfe der oder des Geschädigten notwendig sind. Die Krankenkassen sollen der zuständigen Verwaltungsbehörde Fälle mitteilen, in denen die Erbringung einer ergänzenden Leistung der Krankenbehandlung durch die zuständige Verwaltungsbehörde angezeigt ist.

(2) Ergänzende Leistungen sind insbesondere

1. besondere psychotherapeutische Leistungen, die

a) über die nach dem Leistungskatalog des Fünften Buches anerkannten Behandlungsverfahren hinausgehen,

b) die zulässigen Höchstgrenzen der maximalen Stundenzahl für das jeweilige Verfahren und die Behandlungsfrequenz je Woche überschreiten oder

c) von psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzten oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern, die eine Qualifizierung im Bereich der Psychotherapie nachweisen, erbracht werden,

2. besondere zahnärztliche, implantologische, kieferchirurgische und kieferorthopädische Leistungen sowie Mehrleistungen für Zahnersatz,

3. besondere heilpädagogische Leistungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres,

4. besondere verschreibungspflichtige Arzneimittel oder besondere nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel,

5. besondere über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehende ärztliche und nichtärztliche Leistungen im Rahmen einer stationären Behandlung.

(3) Kosten für in Absatz 2 Nummer 2 genannte Leistungen, die in Umfang, Material oder Ausführung über das schädigungsbedingt Notwendige hinausgehen, sind von den Geschädigten selbst zu tragen.

(4) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende erhalten auf Antrag besondere psychotherapeutische Leistungen nach Absatz 2 Nummer 1, wenn diese Leistungen

1. zum Ausgleich von psychischen Beeinträchtigungen erforderlich sind, die mittelbar auf das schädigende Ereignis zurückzuführen sind,

2. im Rahmen der individuellen Absicherung im Krankheitsfall nicht oder nicht in ausreichendem Maße erbracht werden und

3. zur Erreichung oder Sicherung des Behandlungserfolges notwendig sind.

Zu § 43 (Ergänzende Leistungen der Krankenbehandlung)

Die Vorschrift regelt Ansprüche auf Leistungen, die nicht oder nicht nach Art und Höhe im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind. Daher werden die Leistungen als "besondere" Leistungen ausgewiesen.

Nach Absatz 1 Satz 1 werden bei der Entscheidung über die Leistungserbringung die persönlichen Bedarfe der Berechtigten und die sonstigen sich aus dem Umfeld ergebenden besonderen Umstände berücksichtigt. Der Hinweis auf das Antragserfordernis dient der Klarstellung. Die Mitteilungen der Krankenkassen nach Absatz 1 Satz 2 sollen dazu beitragen, dass Geschädigte alle schädigungsbedingt erforderlichen Leistungen erhalten und keine Versorgungsdefizite verbleiben.

Absatz 2 führt mit den Nummern 1 bis 5 einen Katalog der in Betracht kommenden ergänzenden Leistungen der Krankenbehandlung auf. Es handelt sich um die Leistungen, die unter Geltung des BVG bei den Verwaltungsbehörden der Länder häufig nachgefragt wurden und Gegenstand von Härteausgleichen waren.

Zu den ergänzenden Leistungen gehören nach Nummer 1 besondere psychotherapeutische Leistungen.

Nach Buchstabe a wird mit der Ausweitung des Behandlungsangebotes über die nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) anerkannten Verfahren hinaus Geschädigten ein Zugang zu alternativen Therapieformen eröffnet, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die psychische Befindlichkeit mit der Vielfalt der zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen zu bessern. Hierzu zählen beispielsweise die Gestalttherapie, die Musiktherapie und das Psychodrama. Voraussetzung für die Erbringung dieser Leistung ist, dass eine für das angestrebte Behandlungsverfahren zu erwartende spürbar positive Einwirkung zu erwarten ist. Es ist in halbjährlichen Abständen zu überprüfen, ob sich diese einstellt oder absehen lässt. Von einer positiven Einwirkung kann im Einzelfall auch ausgegangen werden, wenn sich die psychische Beeinträchtigung des Geschädigten nicht weiter verschlechtert hat.

Im Einzelfall ist nach Buchstabe b eine Ausweitung der erforderlichen Therapiestunden und der Behandlungsfrequenz über die nach der Psychotherapie-Richtlinie zulässige Höchstgrenze möglich.

Nach Buchstabe c ist auch eine Behandlung durch Personen möglich, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, aber zur Ausübung von Psychotherapie berechtigt sind. Hierzu zählen zum einen psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte, oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung; zum anderen aber auch Personen mit einer Heilpraktikererlaubnis, die eine Qualifizierung im Bereich der Psychotherapie nachweisen. Die Überprüfung dieser erforderlichen Qualifikation obliegt der zuständigen Verwaltungsbehörde.

Zu den ergänzenden Leistungen gehören nach Nummer 2 besondere zahnärztliche, implantologische, kieferchirurgische und kieferorthopädische Leistungen sowie Mehrleistungen für Zahnersatz.

Zur zahnärztlichen Behandlung nach Vollendung des 18. Lebensjahres zählen nach SGB V in der Regel nicht funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen sowie implantologische, kieferchirugische und kieferorthopädische Leistungen. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen werden in Zusammenhang mit einer Zahnbehandlung oder Zahnersatzmaßnahme zur exakten Bewertung der individuellen Mund- und Kiefersituation durchgeführt und dienen insbesondere der Diagnostizierung von Störungen im Zusammenspiel von Zähnen, Gelenken und Muskulatur sowie dem langfristigen Erhalt von Zahnersatz. Nummer 2 stellt u. a. sicher, dass Geschädigte auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres einen Anspruch auf kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung haben, wenn die Schädigungsfolge das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Die Versorgung mit Zahnersatz erstreckt sich auf festsitzenden Zahnersatz wie Zahnkronen, Brücken und Suprakonstruktionen sowie auf herausnehmbaren Zahnersatz wie Teil- und Vollprothesen. Für diese Leistungen werden nach SGB V Festzuschüsse zur Regelversorgung gezahlt, deren Höhe vom jeweiligen zahnmedizinischen Befund und von der regelmäßigen Inanspruchnahme zahnärztlicher Vorsorgeuntersuchungen abhängig ist.

Zu den ergänzenden Leistungen nach Nummer 3 gehören besondere heilpädagogische Leistungen. Die Besonderheit gegenüber den Leistungen nach dem SGB V liegt darin, dass diese auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres erbracht werden. Die Leistungen umfassen insbesondere Maßnahmen zur Entwicklung, Erziehung, Bildung und Förderung. Eine ärztliche Stellungnahme über die Notwendigkeit und die Eignung der heilpädagogischen Maßnahme sollte vorliegen. Um sicherzustellen, dass die heilpädagogischen Leistungserbringer über ein hinreichendes Qualitätsniveau verfügen, sollten diese in der Regel eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin / zum staatlich anerkannten Heilpädagogen aufweisen.

Unter besondere Arzneimittel nach Nummer 4 fallen beispielsweise verschreibungspflichtige Arzneimittel mit einem Preis oberhalb des Festbetrags sowie Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität oder eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund stehen. Ein Nutzen im jeweiligen Anwendungsgebiet muss zu erwarten sein. Um eine fachkundige Beratung sicherzustellen, wird Apothekenpflicht verlangt.

Zu den Leistungen nach Nummer 5 zählen Wahlleistungen im Bereich der Unterkunft sowie ärztliche und weitere medizinische Wahlleistungen (z. B. durch Physiotherapeuten), sofern sie nicht bereits als allgemeine Krankenhausleistungen erbracht werden. Zu diesen besonderen Leistungen gehören insbesondere die Unterbringung in einem Einbettzimmer, die Mitaufnahme einer oder eines Angehörigen, die Chefarztbehandlung sowie besondere medizinische Behandlungsmaßnahmen während des stationären Aufenthaltes wie beispielsweise Massagen oder homöopathische Verfahren. Die Verwaltungsbehörde prüft, ob diese Wahlleistungen in Anbetracht der Art und Schwere der Erkrankung gerechtfertigt sind. Abweichend von den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben Geschädigte für Wahlleistungen nicht in Vorleistung zu treten. Diese werden von den zuständigen Verwaltungsbehörden direkt mit dem Leistungserbringer abgerechnet.

Wie an dem Wort "insbesondere" deutlich wird, ist der Katalog der ergänzenden Leistungen nicht abschließend. Absatz 3 stellt klar, dass Mehrkosten für besondere zahnärztliche, implantologische, kieferchirurgische und kieferorthopädische Leistungen sowie Mehrleistungen für Zahnersatz, die medizinisch nicht begründet sind, nicht erstattungsfähig sind. Da eine schwere Schädigung nicht nur die psychische Gesundheit und Lebensführung der Geschädigten selbst, sondern auch die der Angehörigen, Hinterbliebenen und Nahestehenden beeinträchtigen kann, kommen nach Absatz 4 Leistungen entsprechend Absatz 2 Nummer 1 je nach Ausmaß der psychischen Folgen auch für diese Personengruppen in Betracht. Es handelt sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur Geschädigte Anspruch auf Krankenbehandlung haben können. Der Anspruch von Berechtigten nach Absatz 4 ergänzt deren bestehende individuelle Absicherung im Krankheitsfall. Dabei kann es sich sowohl um eine gesetzliche als auch eine private Absicherung handeln.

 

§ 44 Sachleistungsprinzip, Kostenbeteiligung

(1) Leistungen der Krankenbehandlung werden als Sachleistungen erbracht, soweit sich aus diesem Buch, dem Fünften Buch oder dem Neunten Buch nichts Abweichendes ergibt.

(2) Geschädigte erhalten Sachleistungen ohne Beteiligung an den Kosten.

Zu § 44 (Sachleistungsprinzip, Kostenbeteiligung)

Absatz 1 legt als Grundsatz der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung das Sachleistungsprinzip fest.

Absatz 2 regelt, dass Geschädigte abweichend vom Recht der gesetzlichen Krankenversicherung Sachleistungen ohne Beteiligung an den Kosten erhalten, d. h. es fallen keine Eigenbeteiligungen oder Zuzahlungen an. Beispielweise haben Geschädigte keine Zuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel nach § 31 Absatz 3 Satz 1 und 3 SGB V, für Heilmittel nach § 32 Absatz 2 SGB V, für Haushaltshilfen nach § 38 Absatz 5 SGB V einschließlich selbstbeschaffter Haushaltshilfen (§ 38 Absatz 4 SGB V) und für stationäre Krankenhausbehandlungen nach § 39 Absatz 4 SGB V zu leisten. Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V werden vollständig übernommen. Entgegen § 27a Absatz 3 Satz 3 SGB V hat der Geschädigte keinen Eigenanteil zu tragen. Geschädigte werden daher nicht mit schädigungsbedingten Kosten wirtschaftlich belastet.

 

§ 45 Nachweispflicht

Berechtigte haben gegenüber Ärzten und anderen Leistungserbringern nachzuweisen, dass sie berechtigt sind, Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung in Anspruch zu nehmen. Für die Nachweispflicht gilt § 15 Absatz 2 bis 6 des Fünften Buches entsprechend. Berechtigte, die über keine elektronische Gesundheitskarte nach § 291 des Fünften Buches verfügen, erhalten von der nach § 57 Absatz 3 oder 4 zuständigen Krankenkasse eine mit der elektronischen Gesundheitskarte technisch kompatible Karte.

Zu § 45 (Nachweispflicht)

Ausfluss des im Bereich der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung grundsätzlich geltenden Sachleistungsprinzips ist es, dass Berechtigte ihre Anspruchsberechtigung gegenüber Ärzten, Zahnärzten etc. nachzuweisen haben.

Damit auch Berechtigte, die über keine elektronische Gesundheitskarte nach § 291 SGB V verfügen, ihrer Nachweispflicht entsprechend § 15 SGB V nachkommen können, erhalten sie eine technisch kompatible Karte, so dass die technischen Schnittstellen der bereits vorhandenen Telematikinfrastruktur vollständig genutzt werden können. Geschädigte, die eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291 SGB V besitzen, legitimieren sich mit dieser Karte. Über die Telematikinfrastruktur sind unter Nutzung dieser Karte als Authentisierungs- und Autorisierungsmittel Dienste anzubieten, die eine Differenzierung zwischen schädigungsbedingt und nicht schädigungsbedingt erforderlichen Behandlungen zulassen. Ohne eine solche Differenzierung wären die Erstattungsansprüche der Krankenkassen nach § 60 nicht bezifferbar. Sofern für die Inanspruchnahme bestimmter Leistungen Berechtigungsscheine erforderlich sind, sind Berechtigten diese auszustellen.

 

§ 46 Versorgung mit Hilfsmitteln, Pauschbetrag für außergewöhnlichen Verschleiß von Kleidung und Wäsche

(1) Geschädigte erhalten für anerkannte Schädigungsfolgen

1. die in § 31 Absatz 1 des Siebten Buches genannten Hilfsmittel sowie

2. einen Pauschbetrag für außergewöhnlichen Verschleiß von Kleidung und Wäsche. Zahnersatz gilt nicht als Hilfsmittel.

(2) Art und Umfang der Hilfsmittel sowie der Pauschbetrag richten sich nach

1. der Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 2 des Siebten Buches in der jeweils geltenden Fassung und

2. den gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über die Hilfsmittelversorgung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 31 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches.

Dabei gelten die Grundsätze der Leistungserbringung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.

Zu § 46 (Versorgung mit Hilfsmitteln)

Die Hilfsmittelversorgung erfolgt in entsprechender Anwendung der Regelungen des SGB VII. Durch den Verweis des Absatzes 1 Satz 1 auf § 31 Absatz 1 SGB VII wird die Definition für Hilfsmittel übernommen. Um den Sachzusammmenhang zwischen zahnärztlichen Leistungen und Zahnersatz nicht zu durchbrechen und ein Auseinanderfallen der Leistungsträger zu verhindern, gilt Zahnersatz nach Absatz 1 Satz 2 nicht als Hilfsmittel. Zahnersatz wird ebenso wie die zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlung entsprechend den Vorschriften des Fünften Buches und ergänzend nach § 43 Absatz 2 Nummer 2 erbracht.

Absatz 2 Satz 1 benennt die Rechtsquellen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, nach denen sich Art und Umfang der Hilfsmittel auch für den Bereich der Sozialen Entschädigung bestimmen. Zu den Grundsätzen der Leistungserbringung des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung nach Absatz 2 Satz 2 gehört u. a. der in § 26 SGB VII verankerte Grundsatz "mit allen geeigneten Mitteln". Die Hilfsmittelversorgung nach diesem Maßstab stellt eine angemessene Versorgung dar, um Geschädigten die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens zu erleichtern und ihnen die selbstbestimmte Soziale Teilhabe und die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen.

 

§ 47 Krankengeld der Sozialen Entschädigung

(1) Geschädigte erhalten bei einer durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursachten Arbeitsunfähigkeit oder bei einer wegen einer anerkannten Schädigungsfolge erforderlichen stationären Behandlung Krankengeld der Sozialen Entschädigung entsprechend den Regelungen zum Krankengeld des Fünften Buches nach Maßgabe der Absätze 2 bis 9.

(2) Krankengeld der Sozialen Entschädigung erhalten auch

1. hauptberuflich selbständige Erwerbstätige, die keine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Fünften Buches abgegeben haben,

2. Beschäftigte, die keine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Satz 1 des Fünften Buches abgegeben haben und

3. geringfügig Beschäftigte, deren Beschäftigung keine Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 des Fünften Buches begründet sowie Familienversicherte nach § 10 des Fünften Buches.

(3) Als arbeitsunfähig im Sinne des § 44 Absatz 1 des Fünften Buches sind auch Geschädigte anzusehen, die ohne arbeitsunfähig zu sein, wegen einer Maßnahme der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben können.

(4) Das Krankengeld der Sozialen Entschädigung beträgt 80 Prozent des Regelentgelts, darf jedoch das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der jeweils geltenden Leistungsbemessungsgrenze berücksichtigt. Leistungsbemessungsgrenze ist der 360. Teil der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung.

(5) Für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Fünften Buches abgegeben haben, entsteht der Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung zu den in § 46 Satz 1 des Fünften Buches geregelten Zeiten. § 46 Satz 2 bis 4 des Fünften Buches findet keine Anwendung.

(6) Für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 des Fünften Buches abgegeben haben, ruht der Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung abweichend von § 49 Absatz 1 Nummer 7 des Fünften Buches in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit nicht.

(7) Das Krankengeld der Sozialen Entschädigung endet nicht vor dem Ende einer stationären Behandlung.

(8) Das Krankengeld der Sozialen Entschädigung ist bis zum Beginn von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer weiteren medizinischen Maßnahme weiter zu zahlen, wenn die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder eine weitere medizinische Maßnahme

1. nach Abschluss der Krankenbehandlung erforderlich sind und

2. aus Gründen, die die Geschädigten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden können.

Satz 1 gilt nur, wenn Geschädigte arbeitsunfähig sind und ihnen kein Anspruch auf Krankengeld nach dem Fünften Buch zusteht oder ihnen nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann.

(9) Ein wegen anerkannter Schädigungsfolgen erkranktes Kind, das dadurch bedingt der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege bedarf, hat für den betreuenden Elternteil Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung. Es gilt § 45 des Fünften Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass das Krankengeld der Sozialen Entschädigung

1. abweichend von § 45 Absatz 2 Satz 3 des Fünften Buches 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgeltes des betreuenden Elternteils beträgt, aber den 360. Teil der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen darf,

2. abweichend von § 45 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens des betreuenden Elternteils bis zum 360. Teil der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung beträgt und

3. sich in Fällen des § 45 Absatz 4 des Fünften Buches nach Absatz 4 berechnet.

Zu § 47 (Krankengeld der Sozialen Entschädigung)

Das Krankengeld der Sozialen Entschädigung dient wie das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder sonstigem Erwerbseinkommen. Durch die Leistung soll ein Ausgleich für eine Minderung der Erwerbseinkünfte geschaffen werden, die auf eine schädigungsbedingt verursachte Arbeitsunfähigkeit oder eine schädigungsbedingt erforderliche stationäre Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung zurückzuführen ist. Auch wenn nur eine Verschlimmerung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt ist, findet dennoch die gesamte Gesundheitsstörung Berücksichtigung. Dies gilt nicht, wenn die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung auf die Arbeitsunfähigkeit oder die erforderliche stationäre Behandlung keinen Einfluss hat. Ein Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung steht auch Geschädigten zu, die nicht gesetzlich krankenversichert sind.

Die Vorschrift erklärt die Regelungen des Krankengeldes nach SGB V für entsprechend anwendbar, sieht in den Absätzen 2 bis 9 aber einige begünstigende Sonderregelungen vor. Damit kommt die staatliche Gemeinschaft ihrer besonderen Verantwortung gegenüber Geschädigten nach.

Absatz 2 erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten um die darin genannten Personengruppen. Deren fehlende Anspruchsberechtigung nach SGB V hat Gründe, die im Sozialen Entschädigungsrecht nicht zum Tragen kommen können.

Absatz 3 sieht Berechnungsgrundlagen vor, die dazu führen, dass das Krankengeld der Sozialen Entschädigung im Vergleich zum Krankengeld nach SGB V höher ausfällt. Bei geringfügig Beschäftigten entspricht das der Berechnung des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung zugrundezulegende Regelentgelt dem Nettoentgelt. Bei Geschädigten, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, wird das Krankengeld der Sozialen Entschädigung auf Grundlage der Einnahmen berechnet, die beitragspflichtig wären, wenn die Person gesetzlich krankenversichert wäre. Die Höhe der tatsächlichen Einnahmen haben nicht gesetzlich krankenversicherte Geschädigte gegenüber der Krankenkasse nachzuweisen.

Absatz 4 schafft die Grundlage dafür, dass Geschädigte, die nicht arbeitsunfähig im Sinne des § 44 SGB V sind, aber wegen einer Maßnahme der Krankenbehandlung keiner ganztägigen Erwerbstätigkeit nachgehen können, zum Ausgleich entgangenen Arbeitsentgelts Krankengeld der Sozialen Entschädigung erhalten können.

Absatz 5 sieht zu Gunsten der genannten Personengruppen von einer Karenzzeit ab. Die Regelung des SGB V wird als nicht interessengerecht für Geschädigte angesehen. Wegen des fehlenden Lohnfortzahlungsanspruchs soll der Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung zu den in § 46 Satz 1 SGB V genannten Zeitpunkten entstehen.

Absatz 6 sieht zu Gunsten der genannten Personengruppe von einem sechswöchigen Ruhen des Anspruchs ab. Auch hier wird der besonderen Situation Geschädigter Rechnung getragen.

Absatz 7 stellt zu Gunsten Geschädigter sicher, dass entgegen § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB V das Krankengeld der Sozialen Entschädigung für Geschädigte, die sich in stationärer Behandlung befinden, nicht endet, wenn die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit bereits länger als achtundsiebzig Wochen andauert.

Mit der Regelung zu Absatz 8 wird vermieden, dass Geschädigte während der genannten Zwischenzeiträume finanziell unversorgt bleiben und mit Nachteilen beim Übergangsgeld zu rechnen haben. Die Erforderlichkeit einer weiteren rehabilitativen Maßnahme nach Satz 1 Nummer 1 muss bereits bei Abschluss der ersten Maßnahme feststehen. Nur dann ist ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Maßnahmen gewahrt. Geschädigte haben nach Satz 1 Nummer 2 die Verzögerung nicht zu vertreten, wenn die Ursachen hierfür außerhalb ihrer Sphäre liegen oder sie ihnen nicht vorwerfbar sind. Zu vertreten haben sie eine Verzögerung insbesondere dann, wenn sie die Durchführung einer Folgemaßnahme bewusst verhindert oder die Teilnahme verweigert haben. Die Zumutbarkeit einer Beschäftigung nach Satz 2 beurteilt sich nach § 140 SGB III.

Nach § 45 SGB V wird Krankengeld unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Erkrankung des eigenen Kindes gezahlt.

Absatz 9 modifiziert diese Regelung für den Bereich der Sozialen Entschädigung dahingehend, dass das wegen anerkannter Schädigungsfolgen erkrankte Kind für den betreuenden Elternteil Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung hat. Die nach § 45 SGB V geltenden Voraussetzungen, z. B. der erweiterte Begriff des Kindes nach § 10 Abs. 4 SGB V und die Altersgrenzen sowie die Beschränkungen finden Anwendung. Bei der Berechnung des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung regeln die Nummern 1 bis 3 zugunsten der Berechtigten Abweichungen. Der Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung ist aufgrund der nur entsprechenden Anwendung des § 45 SGB V nicht daran geknüpft, dass das Kind und der betreuende Elternteil gesetzlich krankenversichert sind. Insofern bleibt auch kein Raum für die Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB V.

 

§ 48 Beihilfe bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage

(1) Führt eine notwendige ambulante oder stationäre Behandlung einer anerkannten Schädigungsfolge zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage der oder des Geschädigten, so kann ihr oder ihm eine Beihilfe gezahlt werden.

(2) Eine Beihilfe kann einer oder einem Geschädigten auch gezahlt werden, wenn infolge bestehender, unabwendbarer finanzieller Verpflichtungen die Einkünfte einschließlich des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung nicht ausreichen, den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie ist ausgeschlossen, wenn die finanziellen Belastungen auf einer Verpflichtung beruhen, durch die die Grundsätze wirtschaftlicher Lebensführung verletzt worden sind.

(3) Die Beihilfe ist in angemessener Höhe zu zahlen. Sie soll pro Tag den 720. Teil der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches nicht übersteigen.

(4) Die Beihilfe endet spätestens mit dem Wegfall des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung. Wird kein Krankengeld der Sozialen Entschädigung geleistet, weil Geschädigte kein Einkommen erzielt haben, so endet die Beihilfe spätestens mit dem Zeitpunkt, zu dem, sofern Einkommen erzielt worden wäre, das Krankengeld der Sozialen Entschädigung weggefallen wäre.

Zu § 48 (Beihilfe bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage)

Beihilfe kann neben dem Krankengeld der Sozialen Entschädigung gezahlt werden. Der Anspruch auf Beihilfe setzt voraus, dass Geschädigte während einer ambulanten Behandlung wegen der Folgen einer Schädigung arbeitsunfähig sind oder sich in stationärer Behandlung befinden. Hierdurch bedingt muss es nach Absatz 1 zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage kommen oder der notwendige Lebensunterhalt muss nach Absatz 2 infolge bestehender unabwendbarer finanzieller Verpflichtungen nicht mehr sichergestellt sein.

Beihilfe nach Absatz 1 kommt für selbständig Erwerbstätige in Betracht. Ob eine Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage vorliegt, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalles. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage mit Auswirkungen in der Zukunft geht über den zeitweiligen bloßen Einkommensverlust bei unverändert anfallenden Betriebskosten hinaus. Erforderlich ist, dass die berufliche Existenz des Geschädigten infolge fehlender Geschäftseinnahmen gefährdet ist. Dies betrifft vor allem den Fall, dass der Betrieb nicht fortgeführt werden kann, unabwendbare Zahlungsverpflichtungen jedoch fortbestehen und zu erfüllen sind. Bei der Beurteilung des Einzelfalles sind beispielsweise die gesamtwirtschaftliche Lage des Geschädigten, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die Höhe des entgangenen Gewinns und andere Leistungen zum Ausgleich von Einkommensverlusten zu berücksichtigen. Bei Behandlungsmaßnahmen von kurzer Dauer wird in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage nicht anzunehmen sein.

Beihilfe nach Absatz 2 kommt sowohl für selbständig Erwerbstätige als auch für Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit beziehen, in Betracht. Der in Absatz 2 Satz 1 geregelte Tatbestand stellt entscheidend auf das Verhältnis zwischen Einkünften und Bedarf ab. Für den Begriff des notwendigen Lebensunterhaltes ist die Begriffsbestimmung im SGB XII maßgebend. Die unabwendbaren finanziellen Verpflichtungen müssen bereits vor Beginn der Behandlungsmaßnahmen begründet worden sein. Nach dem Versagungsgrund des Absatz 2 Satz 2 sind die Grundsätze der wirtschaftlichen Lebensführung verletzt, wenn bereits bei Eingehung der finanziellen Verpflichtungen damit zu rechnen war, dass die Einkünfte unter Berücksichtigung der bestehenden und der vorhersehbaren Verpflichtungen auch ohne die Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichen, den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Nach Absatz 3 Satz 2 ist eine Beihilfe pro Tag bis zur Höhe des 720. Teils der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 SGB IV angemessen. Mit Änderung dieser Bezugsgröße erfolgt automatisch eine Anpassung des Höchstbetrages der Beihilfe.

Absatz 4 begrenzt die Bezugsdauer der Beihilfe und unterscheidet dabei zwischen den Fallkonstellationen, dass gleichzeitig Krankengeld der Sozialen Entschädigung oder kein Krankengeld der Sozialen Entschädigung bezogen wird.

 

§ 49 Zuschüsse bei Zahnersatz

Anstelle der Versorgung mit Zahnersatz können Geschädigte für die Beschaffung eines Zahnersatzes wegen anerkannter Schädigungsfolgen einen Zuschuss in angemessener Höhe erhalten, wenn

1. sie wegen eines nicht schädigungsbedingten weiteren Zahnverlustes einen erweiterten Zahnersatz anfertigen lassen und

2. es sich bei dem erweiterten Zahnersatz um eine nicht teilbare Leistung handelt.

Zu § 49 (Zuschüsse bei Zahnersatz)

Die Vorschrift stellt eine Abweichung vom Sachleistungsprinzip nach § 44 Absatz 1 dar. Sie regelt die Voraussetzungen, unter denen Geschädigte anstelle einer Versorgung mit Zahnersatz für die Beschaffung eines Zahnersatzes wegen Schädigungsfolgen einen Zuschuss in angemessener Höhe erhalten können.

Bei einem erweiterten Zahnersatz liegt eine "nicht teilbare Leistung" nach Nummer 2 insbesondere dann vor, wenn eine sachliche oder rechnerische Abgrenzung nicht möglich ist.

 

§ 50 Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung

(1) Entstehen Geschädigten Kosten für eine selbst beschaffte notwendige Behandlung von Schädigungsfolgen, bevor ihr Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung anerkannt worden ist, so werden ihnen diese Kosten in angemessenem Umfang erstattet. Dies gilt auch, wenn nach Abschluss der Krankenbehandlung keine Gesundheitsstörung mehr vorliegt. Als angemessen gelten die Kosten, die bei der Inanspruchnahme der Sachleistung angefallen wären.

(2) Entstehen Geschädigten Kosten für die selbst beschaffte notwendige Behandlung von Schädigungsfolgen in dem Zeitraum, für den sie nach § 11 Absatz 2 Leistungen erhalten können, bevor sie ihren Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung geltend gemacht haben, so werden ihnen diese Kosten in der entstandenen Höhe erstattet. Dies gilt auch, wenn die Geschädigten durch Umstände, die außerhalb ihres Willens lagen, daran gehindert waren, diesen Anspruch vor Beginn der Behandlung geltend zu machen.

(3) Entstehen Geschädigten Kosten für eine selbst beschaffte notwendige Behandlung von Schädigungsfolgen, nachdem ihr Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung anerkannt worden ist, so werden ihnen diese Kosten in der entstandenen Höhe erstattet, wenn

1. die Leistung unaufschiebbar war und nicht rechtzeitig von der zuständigen Krankenkasse, der zuständigen Unfallkasse des Landes oder der zuständigen Verwaltungsbehörde erbracht werden konnte oder

2. die zuständige Krankenkasse, die zuständige Unfallkasse des Landes oder die zuständige Verwaltungsbehörde die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

(4) Die Kosten für selbst beschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet.

(5) Werden Geschädigten die Kosten nach Absatz 1, 2, 3 oder 4 erstattet, so haben sie unter den Voraussetzungen des § 47 Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung.

Zu § 50 (Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung)

Die Vorschrift durchbricht das Sachleistungsprinzip nach § 44 Absatz 1. Es werden darin abschließend Sachverhalte geregelt, in denen die Kosten für selbst beschaffte Leistungen erstattet werden. Die Notwendigkeit der Behandlung ist gleichbedeutend mit dem "Maß des Notwendigen" im Sinne des § 12 Absatz 1 SGB V, d. h. die Behandlung muss zur Erreichung der Ziele der Krankenbehandlung erforderlich, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein.

Absatz 1 regelt die Kostenfolge, wenn Geschädigte die notwendige Krankenbehandlung nach Antragstellung und vor Anerkennung des Anspruchs nach § 4 Absatz 1 selbst beschafft haben. Ihnen sind die angemessenen Kosten zu erstatten, d. h. sie sind in der Regel finanziell so zu stellen, als hätten sie die Sachleistung in Anspruch genommen.

Absatz 2 regelt die Kostenfolge, wenn die notwendige Krankenbehandlung vor Geltendmachung des Anspruchs nach § 4 Absatz 1 von Geschädigten selbst beschafft wurde. Es erfolgt eine Erstattung in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Umstände nach Absatz 2 Satz 2 liegen z. B. vor, wenn Geschädigte wegen einer Erkrankung den Ursachenzusammenhang zwischen Gesundheitsstörung und Schädigung nicht erkennen konnten oder wegen der Art und Schwere der Erkrankung nicht fähig waren, Willenserklärungen abzugeben oder hiermit einen Dritten zu beauftragen.

Absatz 3 Satz 1 regelt die Kostenfolge, wenn Geschädigte die notwendige Krankenbehandlung nach Anerkennung des Anspruchs nach § 4 Absatz 1 selbst beschafft haben. Es erfolgt auch hier eine Erstattung in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen.

Eine Leistung im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht eine unverzügliche Behandlung erfolgen musste und keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bestand. Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 setzt zudem voraus, dass die Krankenkasse, die Unfallkasse des Landes oder die zuständige Verwaltungsbehörde nicht in der Lage war, die unaufschiebbare Maßnahme rechtzeitig zu erbringen. Der Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich die Möglichkeit zur Überprüfung des Leistungsbegehrens einzuräumen, bevor Geschädigte sich die benötigte Leistung abweichend vom Sachleistungsprinzip selbst beschaffen können. Fingiert werden kann die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung, wenn eine vorherige Einschaltung der Kassen oder der zuständigen Verwaltungsbehörde nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden kann, z. B. aus Zeitgründen oder weil der Gesundheitszustand des Geschädigten dies nicht zulässt. Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 setzt voraus, dass die zuständige Krankenkasse, die zuständige Unfallkasse des Landes oder die zuständige Verwaltungsbehörde eine von den Geschädigten beantragte und ihnen rechtlich zustehende Leistung objektiv rechtswidrig verweigert.

Absatz 4 verweist hinsichtlich der Erstattung der Kosten selbst beschaffter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf das SGB IX. Für diese Leistungen gilt § 18 SGB IX gemäß § 7 Absatz 2 Satz 1 SGB IX als spezielle Erstattungsvorschrift.

Absatz 5 stellt klar, dass auch bei Kostenerstattung nach Absatz 1 bis 4 bei Vorliegen der Voraussetzungen Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung besteht.

 

§ 51 Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt

(1) Geschädigten werden bei einem vorübergehenden Aufenthalt im Ausland die Kosten der notwendigen Krankenbehandlung anerkannter Schädigungsfolgen erstattet. Der Anspruch auf Erstattung besteht bis zur Höhe der Vergütung, die die Krankenkassen bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätten.

(2) Abweichend von Absatz 1 können die Kosten bis zur Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden, wenn

1. eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nicht im Inland möglich ist oder

2. ein unaufschiebbarer Behandlungsbedarf bestand.

(3) Bei einer Erstattung der Kosten nach Absatz 1 oder 2 können auch weitere im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung anfallende notwendige Kosten für Geschädigte und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise erstattet werden.

(4) Werden Geschädigten Kosten nach Absatz 1 oder 2 erstattet, so haben sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung.

(5) Geschädigte können stationäre Krankenhausleistungen im Ausland in Anspruch nehmen, wenn zuvor die zuständige Verwaltungsbehörde zugestimmt hat. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche Behandlung oder eine Behandlung, die für Geschädigte ebenso wirksam ist und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, rechtzeitig bei einem Vertragspartner der zuständigen Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. War die stationäre Krankenhausbehandlung im Ausland unaufschiebbar, so darf den Geschädigten das Fehlen der vorherigen Zustimmung nicht entgegengehalten werden, soweit und solange sie daran gehindert waren, die Zustimmung einzuholen.

Zu § 51 (Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt)

Die Vorschrift ergänzt die §§ 15, 101 und 102. Es handelt sich ebenso wie bei §§ 49 und 50 um eine Ausnahme vom Sachleistungsprinzip.

Für den Begriff des vorübergehenden Aufenthalts in Absatz 1 Satz 1 werden die Bestimmungen des § 30 Absatz 3 SGB I zum Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt herangezogen. Maßgeblich ist die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts vor Antritt des Auslandsaufenthalts. Die Notwendigkeit der Behandlung ist gleichbedeutend mit "Maß des Notwendigen" im Sinne des § 12 Absatz 1 SGB V. Absatz 1 Satz 2 begrenzt den Umfang des Erstattungsanspruchs auf die Höhe der Vergütung, die die Krankenkassen bei der Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätten.

Da besondere Umstände vorliegen, können abweichend von Absatz 1 in den Fällen nach Absatz 2 Nummer 1 und 2 die Kosten der Auslandsbehandlung bis zur vollen Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen erstattet werden.

Die Übernahme weiterer Kosten der Auslandsbehandlung nach Absatz 3, die im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung entstehen, liegt im Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde. Hierunter können Reise-, Unterbringungs- und Telefonkosten der oder des Geschädigten fallen. Entsprechende Kosten einer Begleitperson können übernommen werden, wenn diese für den Behandlungserfolg medizinisch erforderlich sind. Krankentransportkosten der oder des Geschädigten können bei medizinischer Notwendigkeit im Ausnahmefall übernommen werden.

Absatz 4 stellt klar, dass auch bei einer Auslandsbehandlung bei Vorliegen der Voraussetzungen Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung besteht.

Unter "rechtzeitig" in Absatz 5 ist ein medizinisch vertretbarer Zeitraum zu verstehen. Die erforderliche Zustimmung kann in den Fällen einer unaufschiebbaren Behandlung nachträglich eingeholt und erklärt werden. Hinsichtlich der Unaufschiebbarkeit gelten die Maßstäbe des § 50 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1. Die Zustimmung erfolgt dem Grunde nach. Die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen des Absatzes1 Satz 2 und Absatz 2.

 

§ 52 Beiträge zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Alterssicherung

(1) Für Geschädigte werden für die Zeit, in der sie Krankengeld der Sozialen Entschädigung erhalten, folgende Beiträge entrichtet:

1. Beiträge zur Arbeitsförderung und

2. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

(2) Geschädigten, die nicht rentenversicherungspflichtig sind oder von der Rentenversicherungspflicht befreit sind, werden auf Antrag für die Zeit, in der sie Krankengeld der Sozialen Entschädigung erhalten, die Aufwendungen für die Alterssicherung erstattet. Aufwendungen für die Alterssicherung sind insbesondere

1. freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung,

2. Beiträge zu öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sowie

3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen auf Grund von Lebensversicherungsverträgen, die der Alterssicherung dienen.

Die Erstattung erfolgt bis zur Höhe der Beiträge, die zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit des Bezugs von Krankengeld der Sozialen Entschädigung zu entrichten wären, wenn die Geschädigten rentenversicherungspflichtig wären.

(3) In Fällen des § 47 Absatz 9 werden

1. abweichend von Absatz 1 die Beiträge für den Elternteil entrichtet, für den das geschädigte Kind Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung hat oder

2. abweichend von Absatz 2 dem nicht rentenversicherungspflichtigen oder von der Rentenversicherungspflicht befreiten Elternteil, für den das geschädigte Kind Anspruch auf Krankengeld der Sozialen Entschädigung hat, die Aufwendungen für die Alterssicherung erstattet.

 

Zu § 52 (Beiträge zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Alterssicherung)

Mit der Regelung werden Nachteile in der Altersvorsorge auf Grund des Bezugs von Krankengeld der Sozialen Entschädigung vermieden und die Absicherung gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit wird aufrechterhalten.

Geschädigte, die Krankengeld der Sozialen Entschädigung beziehen, sind nach § 3 Satz 1 Nummer 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Auch sind sie gemäß § 26 Absatz 2 Nummer 1 SGB III in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Krankengeldzahlung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III hatten. Da die Krankengeldzahlung schädigungsbedingt erfolgt, werden nach Absatz 1 Nummer 1 für Geschädigte die Beiträge zur Arbeitsförderung und nach Absatz 1 Nummer 2 die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeiten des Bezugs von Krankengeld der Sozialen Entschädigung entrichtet.

Für nicht rentenversicherungspflichtige oder von der Rentenversicherungspflicht befreite Geschädigte besteht keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie müssen sich im Hinblick auf ihre Altersvorsorge anderweitig absichern. Diesem Personenkreis werden nach Absatz 2 auf Antrag die nachgewiesenen Aufwendungen bis zur Höhe der Beiträge, die nach Absatz 1 Nummer 2 zu entrichten wären, erstattet.

Aufwendungen für die Alterssicherung sind nach Absatz 2 Satz 3 insbesondere freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, Beiträge zu öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen auf Grund von Lebensversicherungsverträgen.

Die während des Bezugs von Krankengeld der Sozialen Entschädigung anfallenden Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung werden nach § 251 Absatz 1 SGB V und § 59 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 SGB XI getragen.

Die Regelung in Absatz 3 trägt der besonderen Situation Rechnung, dass nach § 47 Absatz 9 das Krankengeld der Sozialen Entschädigung dem geschädigten Kind für den betreuenden Elternteil zusteht.

§ 53 Reisekosten

(1) Berechtigte haben Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten und anderen Reisekosten, die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenbehandlung entstehen. Den Berechtigten werden für sich, eine notwendige Begleitung sowie für Kinder, deren Mitnahme erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist, die notwendigen Reisekosten einschließlich des Gepäcktransports sowie der Kosten für Verpflegung und Unterkunft in angemessenem Umfang ersetzt. Maßstab für die Angemessenheit ist das Bundesreisekostengesetz. Kein Anspruch auf Ersatz der Reisekosten besteht, wenn eine stationäre Behandlung ohne zwingenden Grund abgebrochen wird.

(2) Dauert eine Maßnahme länger als acht Wochen, so können auch die notwendigen Reisekosten für im Regelfall monatlich zwei Familienheimfahrten oder monatlich zwei Fahrten eines Familienangehörigen zum Aufenthaltsort des Berechtigten übernommen werden.

(3) Bei notwendiger Begleitung wird Ersatz für entgangenen Arbeitsverdienst in angemessenem Umfang geleistet, wenn der Berechtigte der Begleitperson zur Erstattung verpflichtet ist.

Zu § 53 (Reisekosten)

Absatz 1 stimmt im Wesentlichen mit § 24 Absatz 1 BVG überein. Die Übernahme der Reisekosten stellt eine akzessorische Nebenleistung zu Behandlungsleistungen der Krankenbehandlung als Hauptleistung dar. Reisekosten sind Fahrkosten bei Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Maßnahmen, Nebenkosten und Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Dem besonderen Charakter des Sozialen Entschädigungsrechts entspricht es, dass die Übernahme von Reisekosten über die Übernahme von Fahrkosten nach § 60 Absatz 2 bis 4 SGB V hinausgeht. Die Notwendigkeit von Reisekosten beurteilt sich nach den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls. Eine Begleitung ist notwendig, wenn Geschädigte den Weg von der Wohnung zum Behandlungsort und zurück aus gesundheitlichen - auch schädigungsunabhängigen - Gründen nicht allein zurücklegen können oder wenn sich ihre- auch schädigungsunabhängige Behinderung - so stark auswirkt, dass ohne eine Begleitung der Erfolg der Behandlungsmaßnahme gefährdet ist. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, dass Maßstab für die Angemessenheit von Reisekosten das Bundesreisekostengesetz ist. Ein zwingender Grund im Sinne von Absatz 1 Satz 4 liegt beispielweise bei einer Erkrankung eines Familienangehörigen vor.

Im Unterschied zu den Leistungen nach Absatz 1 handelt es sich bei der Übernahme von Reisekosten für Familienheimfahrten oder Besuchsreisen von Familienangehörigen nach Absatz 2 um Ermessensleistungen. Die Ermessensentscheidung erfolgt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Die familiäre Situation und Zumutbarkeitsgesichtspunkte finden dabei besondere Berücksichtigung. Insoweit wird an die bisherige Rechtspraxis angeknüpft. Reisekosten für Besuchsreisen von Familienangehörigen können nur für einen angemessenen Zeitraum übernommen werden. Je nach Dauer der Anreise liegt die Grenze bei maximal drei bis vier Tagen.

Führt die notwendige Begleitung einer oder eines Berechtigten bei der Begleitperson zu einem Verdienstausfall, wird nach Absatz 3 der oder dem Berechtigen Ersatz geleistet, wenn sie oder er der Begleitperson zur Erstattung verpflichtet ist. Die Regelung betrifft nur den Ersatz von Verdienstausfällen unentgeltlich tätiger Begleitpersonen, die beispielsweise unbezahlten Urlaub nehmen, um eine Begleitung zu ermöglichen. Die oder der Berechtigte hat ihre oder seine Erstattungspflicht gegenüber der Begleitperson der zuständigen Stelle nachzuweisen. Entgangener Arbeitsverdienst wird in der Regel in Höhe des Nettoarbeitsentgelts ersetzt. Bei Begleitpersonen, die selbständig erwerbstätig sind, wird auf den tatsächlichen Ausfall an Arbeitsverdienst abgestellt. Der Berechnung ist grundsätzlich das durch den Einkommensteuerbescheid nachgewiesene Jahreseinkommen zugrunde zu legen.

Der Ausfall von Arbeitsverdienst, der bei der oder dem Berechtigen selbst aufgrund der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenbehandlung entsteht, wird unter den Voraussetzungen des § 47 durch das Krankengeld der Sozialen Entschädigung als Lohnersatzleistung ausgeglichen.

 

Abschnitt 2 Vergütung der Leistungserbringer

 

§ 54 Vergütung für Leistungen der Krankenbehandlung

(1) Die Leistungserbringer der Krankenbehandlung nach § 42 haben Anspruch auf die Vergütung, die für die Krankenbehandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zu zahlen ist.

(2) Der Anspruch ist bei der nach § 57 Absatz 2 und Absatz 3 zuständigen Krankenkasse geltend zu machen.

Zu § 54 (Vergütung für Leistungen der Krankenbehandlung)

Die Vorschrift regelt den Umfang des Vergütungsanspruchs von Leistungserbringern für Leistungen der Krankenbehandlung nach § 42.

Absatz 1 begrenzt den Vergütungsanspruch auf die für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen zu zahlende Vergütung. Die einschlägigen Vergütungsverträge und Vergütungsbestimmungen für die Leistungserbringung nach SGB V sind somit maßgeblich.

Absatz 2 dient der Klarstellung

§ 55 Vergütung für ergänzende Leistungen

(1) Die Erbringer der in § 43 Absatz 1 genannten ergänzenden Leistungen haben Anspruch auf Vergütung. Der Anspruch ist bei der zuständigen Verwaltungsbehörde geltend zu machen.

(2) Die Höhe der Vergütung für besondere psychotherapeutische Leistungen nach § 43 Absatz 2 Nummer 1 richtet sich

1. nach § 21 Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz (PsychThGAusbRefG) und

2. nach der Gebührenordnung für Ärzte in der jeweils geltenden Fassung. § 11 der Gebührenordnung für Ärzte findet keine Anwendung.

(3) Die Höhe der Vergütung für besondere zahnärztliche, implantologische, kieferchirurgische und kieferorthopädische Leistungen sowie für Mehrleistungen für Zahnersatz nach § 43 Absatz 2 Nummer 2 richtet sich

1. nach der Gebührenordnung für Zahnärzte in der jeweils geltenden Fassung und

2. nach der Bundeseinheitlichen Benennungsliste für zahntechnische Leistungen (BEB).

(4) Ist eine Leistung nicht von einer in den Absätzen 2 und 3 genannten Gebührenordnung erfasst, so erfolgt eine angemessene Vergütung in Anlehnung an die genannten Gebührenordnungen. Dabei sind die Besonderheiten des Einzelfalls sowie Art und Umfang der erbrachten Leistungen zu berücksichtigen.

(5) Für besondere heilpädagogische Leistungen nach § 43 Absatz 2 Nummer 3 erhalten die Leistungserbringer eine angemessene Vergütung.

(6) Die Höhe der Vergütung für besondere verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 43 Absatz 2 Nummer 4 richtet sich nach der Arzneimittelpreisverordnung in der jeweils geltenden Fassung. Kosten für besondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Arzneimittel, bei denen der Festbetrag überschritten wird, werden in voller Höhe übernommen.

(7) Die Höhe der Vergütung für besondere über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehende ärztliche und nichtärztliche Leistungen im Rahmen einer stationären Behandlung nach § 43 Absatz 2 Nummer 5 richtet sich nach § 17 des Gesetzes über die Entgelte für vollstationäre und teilstationäre Krankenhausleistungen in der jeweils geltenden Fassung.

Zu § 55 (Vergütung für ergänzende Leistungen)

Absatz 1 dient der Klarstellung.

Die Absätze 2 bis 7 regeln Art und Umfang der Vergütung von Erbringern ergänzender Leistungen der Krankenbehandlung nach § 43. Es wird auf bestehende Regelungen und Verordnungen verwiesen.

Für psychotherapeutische Leistungen wird nach Absatz 2 auf Gebührenordnungen verwiesen, die für die Abrechnung mit Privatpatienten gelten. Die Höhe der Gebühr bemisst sich in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand der einzelnen Leistung. Dies gilt auch nach Absatz 3 für besondere zahnärztliche, implantologische, kieferchirurgische und kieferorthopädische Leistungen sowie für Mehrleistungen für Zahnersatz nach § 43 Absatz 2 Nummer 2. Da die Gebührenordnung für Zahnärzte keine Preisregelung für zahntechnische Leistungen enthält, wird zu deren Vergütung auf die Bundeseinheitliche Benennungsliste für zahntechnische Leistungen (BEB) verwiesen.

Ärztliche und nichtärztliche Leistungen, die in den Gebührenordnungen nicht erfasst sind, werden nach Absatz 4 entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung in Anlehnung an bestehende Gebührenordnungen berechnet.

Die Vergütung für heilpädagogische Leistungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres ist angemessen, wenn sie den ortsüblichen Maßstäben für nach Art, Inhalt und Umfang vergleichbaren Leistungen entspricht. Für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt bundesweit ein einheitlicher Apothekenverkaufspreis. Dieser richtet sich nach der Arzneimittelpreisverordnung. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von dieser Verordnung nicht erfasst und unterliegen nicht der Preisbindung. Die Vergütung für besondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Arzneimittel, bei denen der Festbetrag überschritten wird, erfolgt in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten.

Für die Vergütung für Wahlleistungen gilt § 17 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen.

 

§ 56 Vergütung für die Versorgung mit Hilfsmitteln

(1) Leistungserbringer der Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 46 haben Anspruch auf die Vergütung, die für die Versorgung Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen ist.

(2) Der Anspruch ist bei der zuständigen Unfallkasse des Landes geltend zu machen.

Zu § 56 (Vergütung für die Versorgung mit Hilfsmitteln)

Für die Vergütung der Hilfsmittelversorgung gelten nach Absatz 1 die Vergütungsverträge und Vergütungsbestimmungen für die Leistungserbringung nach SGB VII. Zu den Leistungserbringern nach SGB VII zählen insbesondere Vertragsärztinnen und -ärzte, Durchgangsärztinnen und -ärzte sowie Krankenhausärztinnen und -ärzte.

Absatz 2 dient der Klarstellung.

 

Abschnitt 3 Zuständigkeit und Datenübermittlung

 

§ 57 Zuständigkeit

(1) Die Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde durchgeführt.

(2) Für Geschädigte, die Mitglied einer Krankenkasse oder nach § 10 des Fünften Buches familienversichert sind, erbringt ihre Krankenkasse für die zuständige Verwaltungsbehörde

1. die Krankenbehandlung nach § 42,

2. das Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47 und

3. die Leistungen nach § 53, die mit der Inanspruchnahme einer Hauptleistung nach § 42 in Zusammenhang stehen.

(3) Geschädigte, die weder Mitglied einer Krankenkasse noch nach § 10 des Fünften Buches familienversichert sind, wählen eine nach § 173 des Fünften Buches wählbare Krankenkasse, die für die zuständige Verwaltungsbehörde

1. die Krankenbehandlung nach § 42,

2. das Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47 und

3. die Leistungen nach § 53, die mit der Inanspruchnahme einer Hauptleistung nach § 42 in Zusammenhang stehen,

erbringt. Die Wahl der Krankenkasse nach Satz 1 ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung auszuüben. Wird sie nicht fristgerecht ausgeübt, gilt das Verfahren nach § 175 Absatz 3 Satz 2 des Fünften Buches entsprechend. § 175 Absatz 4 Satz 1 bis 5 des Fünften Buches gilt entsprechend. Kein Recht auf Wahl der Krankenkasse besteht für Geschädigte, für die bereits eine Krankenkasse nach § 264 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 3 des Fünften Buches zuständig ist. 6Diese Krankenkasse ist verpflichtet, die Leistungen nach Satz 1 zu erbringen.

(4) Das Wahlrecht nach Absatz 3 gilt entsprechend für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, die Leistungen nach § 42 Absatz 3 oder Absatz 4 erhalten.

(5) Die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 46 erbringt die zuständige Unfallkasse des Landes für die zuständige Verwaltungsbehörde. 2Sie erbringt auch die Leistungen nach § 53, die mit der Inanspruchnahme einer Hauptleistung nach § 46 in Zusammenhang stehen.

(6) Alle weiteren Leistungen erbringt die zuständige Verwaltungsbehörde. § 18 Absatz 6 Satz 2 und 3 des Neunten Buches bleiben unberührt.

Zu § 57 (Zuständigkeit)

Die Vorschrift differenziert zwischen der Durchführung und der Erbringung von Leistungen der Krankenbehandlung. Die Durchführung betrifft die rechtliche Verantwortlichkeit und die Erbringung die tatsächliche Bereitstellung der Leistung.

Nach Absatz 1 liegt die Zuständigkeit für die Durchführung bei der zuständigen Verwaltungsbehörde. Diese trifft die Entscheidung über die Leistungsgewährung dem Grunde nach.

Die Erbringung der Leistungen obliegt, abhängig von der Art der Leistung, den Krankenkassen, den Unfallkassen der Länder oder den Verwaltungsbehörden.

Nach Absatz 2 und 3 erbringen die Krankenkassen auf Grund gesetzlichen Auftrags die Leistungen nach § 42 und übernehmen als akzessorische Nebenleistung die Reisekosten nach § 53. Sie erbringen auch das Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47, da von einigen Besonderheiten abgesehen hier die Regelungen des Krankengeldes nach SGB V entsprechend gelten.

Geschädigte, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, können nach Absatz 3 die für sie zuständige Krankenkasse wählen. Nach Absatz 4 gilt dies auch für Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, die Leistungen nach § 42 Absatz 3 oder 4 erhalten.

Um eine zügige Krankenbehandlung sicherzustellen, ist nach Absatz 3 Satz 2 das Wahlrecht innerhalb einer Zweiwochenfrist auszuüben, anderenfalls gilt nach Absatz 3 Satz 3 das Verfahren nach § 175 Absatz 3 Satz 2 SGB V entsprechend. Die zur Meldung verpflichtete Stelle ist in diesem Falle die zuständige Verwaltungsbehörde. Die Ausnahme nach Absatz 3 Satz 4 und 5 verhindert, dass für eine Person verschiedene Krankenkassen zuständig werden.

Nach Absatz 5 erfolgt die Versorgung mit Hilfsmitteln und als akzessorische Nebenleistung die Übernahme von Reisekosten nach § 53 durch die Unfallkassen der Länder auf Grund gesetzlichen Auftrags. 

Leistungen, die nach Absatz 6 die Verwaltungsbehörden selbst erbringen, sind die ergänzenden Leistungen nach § 43, die Beihilfe bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage nach § 48, die Zuschüsse bei Zahnersatz nach § 49, die Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung nach § 50, die Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt nach § 51, die Zahlung von Beiträgen zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Alterssicherung nach § 52, die Übernahme von Reisekosten nach § 53, sofern die Verwaltungsbehörde für die Hauptleistung zuständig ist, sowie die Erstattung der Aufwendungen und Verwaltungskosten an die Krankenkassen nach § 60 Absatz 1 und 2 und an die Unfallkassen der Länder nach § 61 Absatz 1 und 2. Satz 2 steht in Zusammenhang mit § 50 Absatz 4. Die Zuständigkeiten nach § 18 Absatz 6 Satz 2 und 3 SGB IX sind nach § 7 Absatz 2 SGB IX unabdingbar.

 

§ 58 Zuständigkeit zur Entscheidung über Widersprüche

Über Widersprüche gegen Verwaltungsakte, die im Rahmen der Leistungserbringung von Krankenkassen nach § 57 Absatz 2, 3 und 4 und von Unfallkassen der Länder nach § 57 Absatz 5 erlassen werden, entscheidet die für die zuständige Verwaltungsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde.

Zu § 58 (Zuständigkeit zur Entscheidung über Widersprüche)

Die Regelung ist notwendig, weil nach § 85 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Widerspruchsstellen der Krankenkassen und der Unfallkassen der Länder nur in Angelegenheiten der Sozialversicherung, nicht aber in Angelegenheiten des Sozialen Entschädigungsrechts, die kraft gesetzlichen Auftrags wahrgenommen werden, entscheiden können.

 

§ 59 Datenübermittlung

(1) Die Leistungserbringer der Krankenbehandlung sind verpflichtet, der zuständigen Krankenkasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde die in den §§ 294, 294a, 295, 295a Absatz 3, §§ 298, 300, 301, 302 und 303 des Fünften Buches genannten Daten zu übermitteln, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Krankenkasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Die Leistungserbringer der Krankenbehandlung sind verpflichtet, der zuständigen Unfallkasse des Landes die in den §§ 201 und 203 des Siebten Buches genannten Daten zu übermitteln, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Unfallkasse des Landes erforderlich ist.

Zu § 59 (Datenübermittlung)

Die Vorschrift ist notwendig, da eine Einschränkung des Rechts der Geschädigten auf informationelle Selbstbestimmung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Absatz 1 verpflichtet die Leistungserbringer der Krankenbehandlung der zuständigen Krankenkasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde die bezeichneten Daten zu übermitteln, soweit die Informationen für deren jeweilige Aufgabenerfüllung erforderlich sind.

Die Befugnis des jeweiligen Leistungserbringers zur Übermittlung von Daten an die zuständige Krankenkasse bzw. die zuständige Verwaltungsbehörde im Einzelfall ergibt sich aus den in Bezug genommenen Vorschriften des SGB V. Die Datenübermittlung ist beispielsweise zu Zwecken der Abrechnung erforderlich; dazu gehören auch die Weiterleitung von Befunden oder die Mitteilung über Art und Datum der jeweiligen Behandlung.

Absatz 2 regelt eine entsprechende Verpflichtung der Leistungserbringer der Krankenbehandlung zur Übermittlung von bezeichneten Daten an die zuständige Unfallkasse des Landes.

 

Abschnitt 4 Erstattungen von Aufwendungen und Verwaltungskosten

 

§ 60 Erstattung an Krankenkassen

(1) Den Krankenkassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach § 57 Absatz 2, 3 und 4 entstehen.

(2) Den Krankenkassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Absatz 1 erstattet.

(3) Ab dem 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 60 Absatz 7 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts folgenden Kalenderjahres werden die Erstattungsansprüche der Krankenkassen nach Absatz 1 pauschal abgegolten. Ab diesem Zeitpunkt werden den Krankenkassen Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Pauschalbetrages nach Satz 1 erstattet. Näheres zur Pauschalabgeltung regelt eine Verwaltungsvereinbarung, die die Bundesstelle für Soziale Entschädigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen abschließt. Die Verwaltungsvereinbarung kann auch eine vorläufige Regelung treffen. Die Vereinbarung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder.

(4) Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zu dem in Absatz 3 Satz 1 genannten Zeitpunkt nicht auf eine Verwaltungsvereinbarung einigen, entscheidet eine Schiedsstelle über die Einzelheiten der Pauschalabgeltung. Die Entscheidung der Schiedsstelle bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder. Die Schiedsstelle besteht aus einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je zwei Vertretern und Vertreterinnen der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Der oder die Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder werden von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam bestellt. Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nicht auf einzelne oder alle unparteiischen Mitglieder einigen, werden diese vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit bestellt.

(5) Die Mitglieder der Schiedsstelle führen ihr Amt als Ehrenamt. Auslagen werden ihnen in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes erstattet. Die Mitglieder der Schiedsstelle sind an Weisungen nicht gebunden. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Entscheidungen werden von der Mehrheit der Mitglieder getroffen. Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des oder der Vorsitzenden den Ausschlag. Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

(6) Bis zur Entscheidung der Schiedsstelle gelten die Absätze 1 und 2.

Zu § 60 (Erstattung an Krankenkassen)

Der Staat kommt mit dem Sozialen Entschädigungsrecht einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nach. Daher dürfen Aufwendungen und Verwaltungskosten der Krankenkassen im Bereich der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung nicht zu Lasten der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung gehen.

Absatz 1 regelt daher die Erstattung von Aufwendungen für Leistungen, die den Krankenkassen auf Grund des gesetzlichen Auftragsverhältnisses nach § 57 Absatz 2, 3 und 4 entstehen. Die Abrechnung erfolgt halbjährlich, um den Verwaltungsaufwand bei den Krankenkassen und den Verwaltungsbehörden in Grenzen zu halten.

Absatz 2 sieht halbjährlich eine Erstattung von Verwaltungskosten vor. Eine Erstattung in Höhe von 5 Prozent des halbjährlichen Erstattungsbetrages für Aufwendungen nach Absatz 1 ist angemessen.

Die Zahlung angemessener Vorschüsse, d. h. von Abschlagszahlungen für Erstattungsansprüche nach Absatz 1 und 2, ist über § 91 Absatz 3 SGB X hinaus auch auf Verlangen der Verwaltungsbehörde möglich.

Zur Verwaltungsvereinfachung werden nach Absatz 3 Satz 1 den Krankenkassen ab dem 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 59 Absatz 6 folgenden Kalenderjahres die Aufwendungen pauschal erstattet. Ab diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass eine hinreichend valide Datenbasis für eine Pauschalierung vorliegt.

Nach Absatz 3 Satz 2 richtet sich die Höhe der an die Krankenkassen zu erstattenden Verwaltungskosten ab 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 59 Absatz 6 folgenden Kalenderjahres nach dem pauschalen Erstattungsbetrag. Hier sind 5 Prozent angemessen.

Einzelheiten der durch Verwaltungsvereinbarung nach Absatz 3 Satz 3 zu regelnden Pauschalerstattung betreffen u. a. die Grundlagen der Bemessung des pauschalen Erstattungsbetrages für Aufwendungen der Krankenbehandlung sowie Verfahrensregelungen, etwa zu den Zeitabständen, in denen die Grundlagen der Pauschalabgeltung von den Vereinbarungspartnern regelmäßig überprüft werden. Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können in der Verwaltungsvereinbarung auch eine vorläufige Regelung treffen, etwa für den Fall, dass wider Erwarten für eine abschließende Regelung noch keine ausreichende Datenbasis vorliegt.

Auf Grund der nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen bedarf nach Absatz 3 Satz 5 die Verwaltungsvereinbarung der Zustimmung des BMAS und des BMG. Dies gilt auch für spätere Änderungen.

Absatz 4 enthält einen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall, dass keine Verwaltungsvereinbarung zustande kommt. In diesem Fall entscheidet eine Schiedsstelle.

Absatz 5 regelt einen Anspruch auf Ersatz von Auslagen, die aufgrund der Ausübung des Ehrenamts anfallen, sowie die Unabhängigkeit der Mitglieder der Schiedsstelle, die Einzelheiten des Abstimmungsverfahrens und die Rechtsaufsicht. Auslagen, die den Mitgliedern der Schiedsstelle entstehen, werden in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes ersetzt.

Absatz 6 sieht vor, dass bis zur Entscheidung der Schiedsstelle weiterhin Spitzabrechnungen erfolgen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

15. Zu Artikel 1 (§ 60 Absatz 3 Satz 3, Absatz 4, § 80 Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 SGB XIV)

 Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
 a) § 60 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Absatz 3 Satz 3 sind nach dem Wort "Krankenkassen" die Wörter "sowie den Ländern" einzufügen.
bb) Absatz 4 ist wie folgt zu fassen: 2. "(4) Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie die Länder bis zu dem in Absatz 3 Satz 1 genannten Zeitpunkt nicht auf eine Verwaltungsvereinbarung einigen, entscheidet eine Schiedsstelle über die Einzelheiten der Pauschalabgeltung. Die Schiedsstelle besteht aus einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je zwei Vertretern und Vertreterinnen der Bundestelle für Soziale Entschädigung, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen sowie der Länder. Der oder die Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder werden von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie den Ländern gemeinsam bestellt. Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie die Länder nicht auf einzelne oder alle unparteiischen Mitglieder einigen, werden diese vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit sowie den Ländern bestellt."
b) § 80 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Absatz 3 Satz 3 sind nach dem Wort "Pflegekassen" die Wörter "sowie den Ländern" einzufügen.
bb) Absatz 4 ist wie folgt zu fassen. 3. "(4) Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung, der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie die Länder bis zu dem in Absatz 3 Satz 1 genannten Zeitpunkt nicht auf eine Verwaltungsvereinbarung einigen, entscheidet eine Schiedsstelle über die Einzelheiten der Pauschalabgeltung. Die Schiedsstelle besteht aus einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je zwei Vertretern und Vertreterinnen der Bundestelle für Soziale Entschädigung, des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen sowie der Länder. Der oder die Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder werden von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung, dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie den Ländern gemeinsam bestellt. Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung, der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie die Länder nicht auf einzelne oder alle unparteiischen Mitglieder einigen, werden diese vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit sowie den Ländern bestellt."

Begründung:

 41. Die Regelungen betreffen die Verwaltungs- und Finanzhoheit der Länder, sodass diese zu beteiligen sind. Einer Zustimmung der Bundesministerien bedarf es nicht, da bereits Vertreter der Bundesebene an der Schiedsstelle selbst beteiligt sind.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 15 (Zu Artikel 1, § 60 Absatz 3 Satz 3, Absatz 4, § 80 Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 SGB XIV)

Die Bundesregierung sieht das Anliegen des Bundesrates dem Grunde nach als berechtigt an und stimmt dem Vorschlag in modifizierter Form zu. Eine Einbeziehung von 16 Ländern in den Prozess der Erarbeitung einer Verwaltungsvereinbarung bzw. von Vertretern der Länder in das Schiedsverfahren würde jedoch das Verfahren erheblich erschweren und wird daher abgelehnt. Auch ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unverzichtbar. Um dem Anliegen der Länder, in die Entscheidung eingebunden zu werden, Rechnung zu tragen, ist beabsichtigt, § 60 Absatz 3 Satz 5 SGB XIV, § 80 Absatz 3 Satz 5, § 60 Absatz 4 Satz 2 und § 80 Absatz 4 Satz 2 SGB XIV dahingehend zu ergänzen, dass die Verwaltungsvereinbarung bzw. die Entscheidung der Schiedsstelle neben der Zustimmung des BMAS und BMG auch der Zustimmung der Länder bedürfen.

 

 

§ 61 Erstattung an Unfallkassen der Länder

(1) Den Unfallkassen der Länder werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach § 57 Absatz 5 entstehen.

(2) Den Unfallkassen der Länder werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Absatz 1 erstattet.

(3) Die Länder können mit den Unfallkassen Vereinbarungen zur Durchführung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 treffen. Haben die Vereinbarungen finanzielle Auswirkungen für den Bund, bedürfen sie der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Zu § 61 (Erstattung an Unfallkassen der Länder)

Absatz 1 regelt die Erstattung von Aufwendungen für Leistungen, die den Unfallkassen der Länder auf Grund des gesetzlichen Auftragsverhältnisses nach § 57 Absatz 5 entstehen. Die Abrechnung erfolgt halbjährlich, um den Verwaltungsaufwand bei den Unfallkassen und den Verwaltungsbehörden in Grenzen zu halten.

Absatz 2 sieht ebenfalls halbjährlich eine Erstattung von Verwaltungskosten vor. Eine Erstattung in Höhe von 5 Prozent des halbjährlichen Erstattungsbetrages für Aufwendungen nach Absatz 1 ist angemessen.

Die Zahlung angemessener Vorschüsse, d. h. von Abschlagszahlungen für Erstattungsansprüche nach Absatz 1 und 2, ist über § 91 Absatz 3 SGB X hinaus auch auf Verlangen der Verwaltungsbehörde möglich.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

16. Zu Artikel 1 (§ 61 Absatz 3 – neu – , § 81 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) Dem § 61 ist folgender Absatz 3 anzufügen: 4. "(3) Die Länder können mit den Unfallkassen Vereinbarungen zur Durchführung der Absätze 1 und 2 treffen."
b) Dem § 81 ist folgender Absatz 3 anzufügen: 5. "(3) Die Länder können mit den Unfallkassen Vereinbarungen zur Durchführung der Absätze 1 und 2 treffen."

Begründung:

42. Anders als bei der Erstattung der Aufwendungen an die Kranken- und Pflegekassen ist bei der Erstattung an die Unfallkassen keine Umstellung auf eine Pauschalabrechnung nach drei Jahren vorgesehen. Die Länder sollten insofern die Möglichkeit bekommen, zur Vereinfachung des Verfahrens und aus finanziellen Gesichtspunkten individuelle Vereinbarungen mit den Unfallkassen zu treffen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 16 (Zu Artikel 1, § 61 Absatz 3 – neu – § 81 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu, sieht allerdings noch Ergänzungsbedarf. Dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Absatz 3 ist ein Satz 2 anzufügen, wonach Vereinbarungen nach Satz 1 der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bedürfen, soweit sich für den Bund finanzielle Auswirkungen ergeben. Durch die Ergänzung werden die finanziellen Interessen des Bundes gewahrt. 

 

Kapitel 6 Leistungen zur Teilhabe

 

Zu Kapitel 6 (Leistungen zur Teilhabe)

Im SGB XIV wird der Teilhabegedanke deutlich und transparent herausgestellt. Teilhabeleistungen werden künftig grundsätzlich ohne den Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht. Anders als im bisherigen BVG gilt dies damit auch für die Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Hierzu werden die Teilhabeleistungen aus den fürsorgerischen Leistungen des bisherigen BVG herausgelöst und in einem eigenen Kapitel geregelt. Die bisher in §§ 26, 26a BVG und § 27d Absatz 1 Nummer 3, Absatz 3 Satz 1 BVG in Verbindung mit Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des SGB IX vorgesehenen Leistungen sind nun in den Leistungen nach Kapitel 6 aufgegangen.

Für Geschädigte werden Leistungen zur Teilhabe erbracht, wenn der Bedarf schädigungsbedingt ist (§ 5 Absatz 1 und § 27). Die Teilhabeleistungen sind nicht von dem Bezug von Entschädigungszahlungen abhängig. Vielmehr reicht es für diese Leistungen aus, dass das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Absatz 1 festgestellt ist. Dies ist eine Änderung im Vergleich zum bisherigen Recht, in dem ein Bezug von Grundrente oder ein Anspruch auf Heilbehandlung bestehen musste.

 

§ 62 Leistungsumfang

Leistungen zur Teilhabe sind

1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,

2. Leistungen zur Teilhabe an Bildung,

3. Leistungen zur Sozialen Teilhabe und

4. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Die Leistungen nach Nummer 4 einschließlich der erforderlichen unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen werden im Rahmen der Leistungen der Krankenbehandlung nach Kapitel 5 erbracht.

Zu § 62 (Leistungsumfang)

Satz 1 enthält eine Übersicht, welche Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB XIV erbracht werden.

Satz 2 stellt klar, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abweichend hiervon auf der Grundlage der Regelungen des Kapitels 5 zur Krankenbehandlung erbracht werden.

 

§ 63 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

(1) Geschädigte erhalten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

1. Leistungen nach den §§ 49 bis 55 des Neunten Buches,

2. Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach § 57 des Neunten Buches,

3. Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach § 58 des Neunten Buches einschließlich des Arbeitsförderungsgeldes nach § 59 des Neunten Buches,

4. Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 des Neunten Buches und

5. ein Budget für Arbeit nach § 61 des Neunten Buches.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen zudem Leistungen zum Betrieb, Unterhalt, Unterstellen und Abstellen eines Kraftfahrzeuges.

(3) Hinterbliebene erhalten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit der Antrag innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tod des oder der Geschädigten gestellt wird.

Zu § 63 (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)

Die Vorschrift entspricht in Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 im Wesentlichen dem bisherigen Recht in § 26 Absatz 1 BVG, indem auf die bewährte Bandbreite möglicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben des SGB IX verwiesen wird. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsfolgenverweis, so dass für den Bezug von beruflichen Teilhabeleistungen nicht erforderlich ist, dass es sich bei den Geschädigten um Menschen mit (drohenden) Behinderungen im Sinne des § 2 Absatz 1 SGB IX handelt. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB XIV vor, sind die in den §§ 50 bis 56 und den §§ 58 und 61 SGB IX genannten Leistungen zu erbringen. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind im Sozialen Entschädigungsrecht darauf auszurichten, durch Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung einer der Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit des Geschädigten entsprechenden beruflichen Tätigkeit die Folgen der Schädigung angemessen auszugleichen oder zu mildern.

Die weiterhin am Schadensausgleich orientierte erstmalige Eingliederung oder Wiedereingliederung der Geschä- digten in den Arbeitsmarkt findet ihren besonderen Ausdruck zusätzlich im Individualisierungsgrundsatz des § 70, wonach sich Art, Ausmaß und Dauer der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach der Besonderheit des Einzelfalles sowie der Art des Bedarfes richtet. Daneben ist für die Gestaltung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben das Wunsch- und Wahlrecht in § 69 in besonderer Weise zu beachten. Der sich daraus ergebende Beurteilungsspielraum ist im Interesse der Sicherung der beruflichen Eingliederung weitestgehend auszuschöpfen. Diese Bandbreite an Leistungen und die anzulegenden Maßstäbe decken die bisherigen Regelungen des Abschnitt 1 der KFürsV ab. So soll die berufliche Ausbildung den Geschädigten die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse für die Ausübung einer ihren Kräften und Fähigkeiten angemessenen qualifizierten beruflichen Tätigkeit vermitteln. Die berufliche Weiterbildung soll Geschädigten mit abgeschlossener Berufsausbildung oder angemessener Berufserfahrung dazu verhelfen, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten oder zu erweitern. Auch erhalten Geschädigte weiterhin Leistungen zur beruflichen Weiterbildung, wenn und solange sie infolge der Schädigung in der Ausübung des erlernten oder ausgeübten Berufs so beeinträchtigt sind, dass sie sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit Nichtgeschädigten nicht behaupten können.

§ 63 Absatz 1 Nummer 1 SGB XIV in Verbindung mit § 49 SGB IX beinhaltet dabei keinen abschließenden Leistungskatalog. Vielmehr lässt sich aus § 49 Absatz 3 SGB IX ("insbesondere") schließen, dass über die dort ausdrücklich genannten Leistungen hinaus weitere nicht ausdrücklich benannte Leistungen nach § 49 Absatz 1 SGB IX zu erbringen sind, die unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Schädigung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern. Einer der des § 26 Absatz 4 Nummer 4 BVG entsprechenden Regelung bedarf es daher nicht mehr. Möglich ist beispielsweise nicht nur die Förderung der Aufnahme oder der Erhalt einer abhängigen Beschäftigung, sondern nach wie vor auch die Erbringung von Leistungen an Geschädigte, die eine selbständige Tätigkeit aufnehmen oder erhalten wollen. Dies ergibt sich aus § 63 Absatz 1 Nummer 1 SGB XIV in Verbindung mit § 49 Absatz 3 Nummer 6 und 7 SGB IX. Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung der Geschädigten außerhalb des eigenen oder elterlichen Haushalts zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe am Arbeitsleben notwendig ist. Dies ergibt sich aus § 63 Absatz 1 Nummer 1 SGB XIV in Verbindung mit § 49 Absatz 7 Nummer 1 SGB IX. Dies gilt unabhängig davon, ob die Geschädigten in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation untergebracht sind oder anderweitig außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts. Die bisherige Fallkonstellation des § 26 Absatz 2 BVG wird somit ebenfalls von dieser Regelung umfasst. Zudem können auch weiterhin Leistungen an Arbeitgeber, also Ausbildungs- und Eingliederungszuschüsse, erbracht werden. Dies ergibt sich aus § 63 Absatz 1 Nummer 1 SGB XIV in Verbindung mit § 50 SGB IX.

Des Weiteren können nach Absatz 1 Nummer 2 Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen erbracht werden.

Zusätzlich aufgenommen sind in Absatz 1 Nummer 3 die Leistungen im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen, die im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 27d Absatz 1 Nummer 3, Absatz 3 Satz 1 BVG in Verbindung mit Teil 2 Kapitel 4 des SGB IX erbracht wurden. Die neue Verortung entspricht der Systematik der §§ 49 ff. SGB IX. Außerdem erhalten die Werkstätten für behinderte Menschen ein Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX.

Nach Absatz 1 Nummer 4 können Geschädigte Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 und 3 in Verbindung mit den §§ 57, 58 SGB IX auch bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX in Anspruch nehmen.

Nach Absatz 1 Nummer 5 erhalten Geschädigte zudem ein Budget für Arbeit nach § 61 SGB IX.

Nach Absatz 2 können Geschädigte bestimmte Leistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines notwendigen Kraftfahrzeugs erhalten, wenn dies infolge der Schädigung für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist. Diese Regelung ist angelehnt an die Regelung in § 10 Absatz 2 Satz 1 KFürsV und erweitert die Leistungen nach § 49 SGB IX zur Kraftfahrzeughilfe um Leistungen zum Betrieb, Unterhalt, Unterstellen und Abstellen eines Kraftfahrzeuges. Die weiteren in § 10 Absatz 2 KFürsV genannten Leistungen (Hilfen zur Beschaffung, zur schä- digungsbedingten Zusatzausstattung sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis) sind bereits durch den Verweis des § 63 Absatz 1 Nummer 1 SGB XIV auf § 49 Absatz 8 Nummer 1 SGB IX und die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung erfasst.

Nach Absatz 3 erhalten Hinterbliebene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit der Antrag innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tod des oder der Geschädigten gestellt wird. Dadurch soll Hinterbliebenen ein angemessener Zeitraum nach dem schädigungsbedingten Tod des oder der Geschädigten eingeräumt werden, um wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Das Vorliegen einer (drohenden) Behinderung ist bei Hinterbliebenen nicht Leistungsvoraussetzung. Wurde eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod des oder der Geschädigten beantragt, so kann diese bis zu ihrem Abschluss durchgeführt werden.

 

§ 64 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen

(1) Geschädigte und Hinterbliebene, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 63 erhalten, erhalten auch die folgenden unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen:

1. Übergangsgeld nach § 65 Absatz 3, 4 und 7 des Neunten Buches sowie nach den §§ 66 bis 72 des Neunten Buches oder Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen des Absatzes 3,

2. Reisekosten nach § 73 des Neunten Buches und

3. Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten nach § 74 des Neunten Buches.

(2) Für die Berechnung des Übergangsgeldes während der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist Leistungsbemessungsgrenze im Sinne des § 67 Absatz 4 des Neunten Buches der 360. Teil der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung.

(3) Geschädigte und Hinterbliebene, die vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erwerbstätig gewesen sind, erhalten anstelle des Übergangsgeldes Unterhaltsbeihilfe. § 71 Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 des Neunten Buches ist anzuwenden. Für die Bemessung der Unterhaltsbeihilfe ist § 93 entsprechend anzuwenden.

(4) Geschädigten und Hinterbliebenen, die nicht rentenversicherungspflichtig oder von der Rentenversicherungspflicht befreit sind, werden für die Zeit, in der sie Übergangsgeld erhalten, die Aufwendungen für die Alterssicherung erstattet. Die Erstattung erfolgt bis zur Höhe der Beiträge, die für die Zeit, in der die Geschädigten und Hinterbliebenen Übergangsgeld beziehen, zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten wären, wenn die Geschädigten und Hinterbliebenen rentenversicherungspflichtig wären. Aufwendungen für die Alterssicherung sind insbesondere

1. freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung,

2. Beiträge zu öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sowie

3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen auf Grund von Lebensversicherungsverträgen, die der Alterssicherung dienen.

(5) § 64 Absatz 2 Satz 1 des Neunten Buches gilt für Geschädigte und Hinterbliebene entsprechend.

Zu § 64 (Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 63 werden flankiert durch unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen nach § 64. Die Vorschrift übernimmt für Geschädigte im Wesentlichen den Katalog des § 26 Absatz 4 BVG. Dieser Katalog wird sprachlich gestrafft. Eine inhaltliche Reduzierung des Leistungsspektrums ist damit nicht verbunden. Nicht ausdrücklich übernommen wird insbesondere § 26 Absatz 4 Nummer 4 BVG. Denn die dort genannten sonstigen Leistungen werden nach § 63 SGB XIV in Verbindung mit § 49 Absatz 3 Nummer 7 SGB IX erbracht. Für Hinterbliebene werden die unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen künftig anders als nach § 26 Absatz 6 BVG nicht lediglich in begründeten Fällen erbracht, sondern immer dann, wenn Hinterbliebene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten.

Absatz 1 entspricht § 26 Absatz 4 Nummer 1, 3 und 5 BVG, für Hinterbliebene nach den vorgenannten Regelungen in Verbindung mit § 26 Absatz 6 BVG. Hiernach erhalten Geschädigte und Hinterbliebene während der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die einschlägigen in den §§ 64 ff. SGB IX geregelten ergänzenden Leistungen wie Übergangsgeld, die Erstattung von Reise- und Kinderbetreuungskosten sowie Haushaltshilfe.

Absatz 2 bestimmt zur Berechnung des Übergangsgeldes die Leistungsbemessungsgrenze für das Soziale Entschädigungsrecht, wenn Geschädigte oder Hinterbliebene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten. Die Regelung entspricht dem bisherigen Recht im BVG. Für die Höhe des Übergangsgeldes im Sozialen Entschädigungsrecht gilt § 66 Absatz 1 Satz 4 SGB IX.

Als Besonderheit im Recht der Sozialen Entschädigung wird in Absatz 3 ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe geregelt. Nach Satz 1 wird die Unterhaltsbeihilfe erbracht, wenn Geschädigte und Hinterbliebene vor dem Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erwerbstätig gewesen sind. Die Unterhaltsbeihilfe wird grundsätzlich für die Zeit erbracht, in der Geschädigte oder Hinterbliebene tatsächlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen. Durch Satz 2 wird der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe auf weitere Fallgestaltungen ausgedehnt. Zum einen betrifft dies nach Satz 2 in Verbindung mit § 71 Absatz 3 SGB IX Fälle, in denen Geschädigte und Hinterbliebene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen. In diesen Fällen wird die Unterhaltsbeilhilfe bis zum vorgesehenen Ende dieser Leistungen, höchstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt. Zum anderen begründet Satz 2 in Verbindung mit § 71 Absatz 4 SGB IX einen Weiterzahlungsanspruch, wenn Geschädigte und Hinterbliebene im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos sind. In diesen Fällen wird die Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sich die Geschädigten und Hinterbliebenen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können. Die Anspruchsdauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Geschädigte und Hinterbliebene im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können. Die Unterhaltsbeihilfe berechnet sich nach Satz 3 entsprechend den Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93.

Für nicht rentenversicherungspflichtige oder von der Rentenversicherungspflicht befreite Geschädigte und Hinterbliebene besteht keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie müssen sich im Hinblick auf ihre Altersvorsorge anderweitig absichern. Diesem Personenkreis werden nach Absatz 4 auf Antrag die nachgewiesenen Aufwendungen bis zur Höhe der Beiträge, die zur gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld zu entrichten wären, erstattet. Aufwendungen für die Alterssicherung im Sinne des Absatzes 4 sind insbesondere freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, Beiträge zu öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen auf Grund von Lebensversicherungsverträgen. Die Regelung entspricht insoweit § 26 Absatz 4 Nummer 2 BVG.

Soweit darüber hinaus in § 26 Absatz 4 Nummer 2 BVG die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld geregelt war, ist eine Regelung im SGB XIV entbehrlich. Denn dies ergibt sich bereits aus dem SGB VI. Nach § 3 Satz 1 Nummer 3 SGB VI besteht für Personen, die Übergangsgeld erhalten, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. In diesen Fällen werden die Beiträge nach § 170 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b SGB VI von den Leistungsträgern getragen, vorliegend also vom Träger der Sozialen Entschädigung.

Absatz 5 regelt durch den Verweis auf § 64 Absatz 2 Satz 1 SGB IX, dass auch im Sozialen Entschädigungsrecht in den Fällen, in denen der Schutz von Geschädigten oder Hinterbliebenen bei Krankheit oder Pflege während der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht anderweitig sichergestellt ist, die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld und zur Pflegeversicherung bei einem Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung oder, wenn dort im Einzelfall ein Schutz nicht gewährleistet ist, die Beiträge zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erbracht werden können. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensleistung.

Im Übrigen ist eine gesonderte Bestimmung zur Tragung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung entbehrlich. Denn auf Grund der Neuregelung des § 5 Absatz 1 Nummer 6 SGB V sind Teilnehmer an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch dann nach § 5 Absatz 1 Nummer 6 SGB V versicherungspflichtig, wenn diese Maßnahmen nach dem SGB XIV erbracht werden. Nach § 251 Absatz 1 SGB V trägt in diesen Fällen der zuständige Rehabilitationsträger, vorliegend also der Träger der Sozialen Entschädigung, die Beiträge.

Auch eine besondere Bestimmung über den Unfallschutz von Teilnehmern an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erübrigt sich, weil dieser bereits durch die in § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b enthaltene Regelung sichergestellt ist.

Nach § 20 Absatz 1 Satz 1 SGB XI besteht zudem eine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Dies wird durch § 20 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 SGB XI ausdrücklich klargestellt. Die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung trägt nach § 59 Absatz 1 Satz 1 SGB XI in entsprechender Anwendung von § 251 Absatz 1 SGB V der zuständige Rehabilitationsträger, vorliegend also der Träger der Sozialen Entschädigung.

Einer gesonderten Bestimmung zur Tragung der Beiträge zur Arbeitsförderung bedarf es nicht, weil durch den Bezug von Übergangsgeld oder Unterhaltsbeihilfe bei berufsfördernden Leistungen kein Versicherungsverhältnis begründet wird. Dies entspricht der geltenden Rechtslage, die durch die Einordnung der Arbeitsförderung in das Sozialgesetzbuch begründet wurde (vgl. BT-Drucksache 13/4941, Seite 251).

 

§ 65 Leistungen zur Teilhabe an Bildung

Geschädigte, die auf Grund der Schädigungsfolgen zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne von § 99 des Neunten Buches gehören, erhalten Leistungen zur Teilhabe an Bildung entsprechend Teil 2 Kapitel 5 des Neunten Buches.

Zu § 65 (Leistungen zur Teilhabe an Bildung)

Die in der Vorschrift genannten Geschädigten erhalten Leistungen zur Teilhabe an Bildung entsprechend Teil 2 Kapitel 5 SGB IX. Bisher waren diese Leistungen mit zahlreichen anderen Leistungen unter der "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nach § 27d BVG und dort unter den Eingliederungshilfeleistungen nach § 27d Absatz 1 Nummer 3 BVG zusammengefasst. Mit der eigenständigen Regelung wird der Teilhabegedanke deutlich und transparent herausgestellt. Der bisherige Charakter der Leistungen zur Teilhabe an Bildung als Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen wird insofern gewahrt, als auch weiterhin Voraussetzung für den Bezug dieser Leistungen ist, dass eine Behinderung im Ausmaß der Zugangsvoraussetzungen für Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX vorliegen oder drohen muss. Diese Behinderung muss auf der Schä- digung beruhen. Im Übrigen kommen die Regelungen des Eingliederungshilferechts hingegen nicht zur Anwendung. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB XIV vor, sind die in Teil 2 Kapitel 5 SGB IX genannten Leistungen zu erbringen. Zu den Leistungen zur Teilhabe an Bildung gehören nach § 112 Absatz 1 Satz 1 SGB IX zum einen Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht einschließlich der Vorbereitung hierzu, zum anderen Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf.

 

§ 66 Leistungen zur Sozialen Teilhabe

(1) Geschädigte, die auf Grund der Schädigungsfolgen zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne von § 99 des Neunten Buches gehören, erhalten Leistungen zur Sozialen Teilhabe entsprechend Teil 2 Kapitel 6 des Neunten Buches.

(2) Abweichend von Absatz 1 werden Leistungen zur Mobilität nach § 83 des Neunten Buches erbracht. Sie umfassen zudem Leistungen zum Betrieb, Unterhalt, Unterstellen und Abstellen eines Kraftfahrzeuges.

Zu § 66 (Leistungen zur Sozialen Teilhabe)

Nach Absatz 1 erhalten die in der Vorschrift genannten Geschädigten Leistungen zur Sozialen Teilhabe entsprechend Teil 2 Kapitel 6 SGB IX. Bisher waren diese Leistungen, wie die Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 65, unter der "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nach § 27d BVG und dort unter den Eingliederungshilfeleistungen nach § 27d Absatz 1 Nummer 3 BVG zusammengefasst. Mit dieser eigenständigen Regelung wird der Teilhabegedanke deutlich und transparent herausgestellt. Der bisherige Charakter der Leistungen zur Sozialen Teilhabe als Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen wird insofern gewahrt, als auch weiterhin Voraussetzung für den Bezug dieser Leistungen ist, dass eine Behinderung im Ausmaß der Zugangsvoraussetzungen für Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX vorliegen oder drohen muss. Diese Behinderung muss auf der Schädigung beruhen. Die Regelungen des Eingliederungshilferechts kommen nicht zur Anwendung. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB XIV vor, sind die in Teil 2 Kapitel 6 SGB IX genannten Leistungen zu erbringen. Zu den Leistungen zählen u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln, heilpädagogische Leistungen für noch nicht eingeschulte Kinder und Leistungen zur Förderung der Verständigung. Auch werden nach dieser Vorschrift Aufwendungen für Wohnraum oberhalb der Angemessenheitsgrenze nach § 42a SGB XII erstattet, soweit wegen des Umfangs von Assistenzleistungen ein gesteigerter Wohnraumbedarf besteht. Leben die in der Vorschrift genannten Geschädigten in der Wohnform des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 SGB XII und übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen die Angemessenheitsgrenze nach § 42a Absatz 5 Satz 4 SGB XII um mehr als 25 Prozent, umfassen die Leistungen nach dieser Vorschrift auch diese Aufwendungen. Erbracht werden auch Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung der Wohnung. Letztgenannte Leistungen entsprechen den Leistungen der Wohnungshilfe in § 27c BVG. Als Folge dieser Neustrukturierung müssen Geschädigte für diese Leistungen kein Einkommen und Vermögen einsetzen.

Nach Absatz 2 können Geschädigte Leistungen zur Mobilität erhalten, wenn dies infolge der Schädigung für die Soziale Teilhabe erforderlich ist. Diese Leistungen zur Mobilität nach § 83 SGB IX umfassen zum einen Leistungen zur Beförderung nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 SGB IX, zum anderen Leistungen für ein Kraftfahrzeug nach § 83 Absatz 1 Nummer 2 SGB IX. Die Leistungen für ein Kraftfahrzeug orientieren sich nach § 83 Absatz 3 Satz 2 SGB IX an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung. Diese werden durch Absatz 2 Satz 2 um Leistungen zum Betrieb, Unterhalt, Unterstellen und Abstellen eines Kraftfahrzeuges erweitert.

 

§ 67 Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches

Werden Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches erbracht, so umfasst die Leistung auch die Pflegeleistung in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten. Satz 1 gilt auch für nicht schädigungsbedingte Pflegebedarfe. In den Fällen der Sätze 1 und 2 gilt § 75 Absatz 3. Stellt der Leistungserbringer fest, dass Berechtigte so pflegebedürftig sind, dass die Pflege in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialen Entschädigung und die zuständige Pflegekasse mit dem Leistungserbringer, dass die Leistung bei einem anderen Leistungserbringer erbracht wird. Dabei ist den berechtigten Wünschen der Berechtigten Rechnung zu tragen.

Zu § 67 (Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches)

Die Vorschrift trifft neben § 68 eine Sonderregelung für das Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen. Soweit die §§ 67 und 68 keine Sonderregelungen enthalten, werden bei schädigungsbedingten Pflegebedarfen Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 erbracht, bei nicht schädigungsbedingten Pflegebedarfen Leistungen nach dem SGB XI bzw. Leistungen der privaten Pflege-Pflichtversicherung und bei Bedarf ergänzend Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII.

Die Vorschrift ist für die Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in Anlehnung an die Regelung des § 103 Absatz 1 SGB IX formuliert. In den erfassten Fällen werden Pflegeleistungen - anders als Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII - ohne Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht.

Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass in den Fällen, in denen die Teilhabeleistungen nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 43a SGB XI erbracht werden, die Leistungen auch die in der Einrichtung erbrachten Pflegeleistungen umfassen. Maßgeblich ist, dass der Teilhabebedarf schä- digungsbedingt ist. Unerheblich ist, ob die Pflegeleistungen schädigungsbedingt oder nicht schädigungsbedingt erforderlich sind. Durch diese Vorschrift wird erreicht, dass Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und Pflegeleistungen aus einer Hand erbracht werden. Um die durch diese Vorschrift bezweckte Konzentrationswirkung herbeizuführen, wird an dieser Stelle vom Grundsatz der Sozialen Entschädigung abgewichen, wonach Leistungen nach diesem Buch nur für schädigungsbedingte Bedarfe erbracht werden. Bei den vollstationären Einrichtungen im Sinne des § 43a SGB XI handelt es sich nach § 71 Absatz 4 SGB XI nicht um stationäre Pflegeeinrichtungen. Deshalb übernimmt die Pflegekasse in diesen Fällen nicht die pauschalen Leistungsbeträge nach § 43 Absatz 2 SGB XI. Ungeachtet dessen werden auch in diesen vollstationären Einrichtungen unter Umständen Pflegeleistungen erforderlich. Durch die Sätze 1 und 2 werden diese Pflegeleistungen als Bestandteil der Teilhabeleistungen erbracht. Satz 3 bewirkt in den Fällen des § 43a SGB XI (Pflege in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a SGB XI in Verbindung mit § 71 Absatz 4 SGB XI) die Kostenübernahme durch den Träger der Sozialen Entschädigung in Höhe von 15 Prozent der vereinbarten Vergütung ohne Deckelung auf den Höchstbetrag von 266 Euro je Kalendermonat. Die Sätze 3 bis 4 regeln das Verfahren, wenn die Pflege in der vollstationären Einrichtung im Sinne des § 43a SGB XI nicht sichergestellt werden kann. Soweit Satz 4 von berechtigten Wünschen spricht, impliziert dies auch eine gewisse Angemessenheit im Sinne von Wirtschaftlichkeit. Berechtigte Wünsche sind solche Wünsche, die sich innerhalb des jeweiligen gesetzlichen Leistungsrechts bewegen und zugleich unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit noch angemessen sind.

 

§ 68 Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches

(1) Treffen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zusammen, so gilt § 13 Absatz 4 Satz 1 bis 3 und Absatz 4a des Elften Buches für den zuständigen Träger der Sozialen Entschädigung und für die zuständige Pflegekasse entsprechend.

(2) Werden Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 erbracht und besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 des Zwölften Buches, so umfassen die Leistungen zur Teilhabe nach § 63 Satz 1 Nummer 1 bis 3 diese Leistungen der häuslichen Pflege nach dem Zwölften Buch, solange die Teilhabeziele erreicht werden können. Satz 1 gilt entsprechend in den Fällen, in denen Berechtigte vorübergehend Leistungen nach den §§ 64g und 64h des Zwölften Buches in Anspruch nehmen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn Berechtigte vor Vollendung des für die Regelaltersgrenze im Sinne des Sechsten Buches erforderlichen Lebensjahres keine Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 erhalten haben, es sei denn, es handelt sich um einen Teilhabebedarf, der durch ein schädigendes Ereignis verursacht worden ist, welches erst nach Vollendung des für die Regelaltersgrenze im Sinne des Sechsten Buches erforderlichen Lebensjahres eingetreten ist.

Zu § 68 (Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches)

Die Vorschrift trifft neben § 67 eine Sonderregelung für das Zusammentreffen von Teilhabeleistungen mit Pflegeleistungen. Soweit die §§ 67 und 68 keine Sonderregelungen enthalten, werden bei schädigungsbedingten Pflegebedarfen Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 erbracht, bei nicht schädigungsbedingten Pflegebedarfen Leistungen nach dem SGB XI bzw. Leistungen der privaten Pflege-Pflichtversicherung und bei Bedarf ergänzend Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII.

Absatz 1 bestimmt, dass in den Fällen, in denen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 mit Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zusammentreffen, der zuständige Träger der Sozialen Entschädigung und die zuständige Pflegekasse mit Zustimmung der leistungsberechtigten Person eine Vereinbarung über die Erbringung der Leistungen zu treffen haben. Eine entsprechende Regelung enthält § 13 Absatz 4 Satz 1 bis 3 und Absatz 4a SGB XI für das Verhältnis zwischen dem zuständigen Träger der Eingliederungshilfe und der zuständigen Pflegekasse. Die Regelung in Absatz 2 ist erforderlich, weil das Zusammentreffen von Teilhabeleistungen nach diesem Buch und Leistungen der Pflegeversicherung anders als das Zusammentreffen der Eingliederungshilfe mit Leistungen der Pflegeversicherung bislang nicht geregelt ist.

Absatz 2 ist für die Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in Anlehnung an die Regelung in § 103 Absatz 2 SGB IX formuliert. Satz 1 bestimmt, dass in den Fällen, in denen außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 neben einem Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII besteht, die Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 auch diese Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XII umfassen. Voraussetzung ist, dass die Teilhabeziele erreicht werden können. Entsprechendes gilt nach Satz 2 in den Fällen, in denen Berechtigte vorübergehend Leistungen nach den §§ 64g und 64h SGB XII in Anspruch nehmen. Durch Satz 1 und 2 wird bewirkt, dass die genannten Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII ohne Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht werden. Damit werden Berechtigte nach dem SGB XIV gegenüber Beziehern von Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX bessergestellt. Ohne diese Sonderregelung würde demgegenüber eine Schlechterstellung der nach dem SGB XIV Berechtigte gegenüber Beziehern von Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX eintreten, weil sich für letztgenannten Personenkreis der Einsatz von Einkommen und Vermögen hinsichtlich der Leistungen der häuslichen Pflege nicht nach dem SGB XII richtet, sondern nach den für Betroffene günstigeren Vorschriften des Teils 2 des SGB IX. Satz 3 ordnet an, dass Satz 1 und 2 nicht gilt, wenn die Berechtigten erst nach Vollendung der Regelaltersgrenze erstmals Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen. Dies entspricht § 103 Absatz 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB IX. Um Nachteile für Personen zu vermeiden, bei denen das schädigende Ereignis erst nach Vollendung der Regelaltersgrenze eingetreten ist, wird im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts in derartigen Fallkonstellationen von § 103 Absatz 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB IX abgewichen mit der Folge, dass die genannten Leistungen der häuslichen Pflege als Leistungen zur Teilhabe erbracht werden.

 

§ 69 Wunsch- und Wahlrecht

Bei der Entscheidung über die Leistungen zur Teilhabe und bei der Ausführung dieser Leistungen wird den berechtigten Wünschen der Berechtigten entsprochen. Dabei sind Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter besonders zu berücksichtigen. 3Im Übrigen gilt § 8 des Neunten Buches.

Zu § 69 (Wunsch- und Wahlrecht)

Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 33 SGB I und nach § 8 SGB IX gilt im Sozialen Entschädigungsrecht bei der Entscheidung über Leistungen zur Teilhabe und bei ihrer Ausführung. Hierbei ist besonders auf Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter Rücksicht zu nehmen.

 

§ 70 Besonderheiten der Leistungsbemessung

Art, Ausmaß und Dauer der Leistungen zur Teilhabe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalls sowie der Art des Bedarfes.

Zu § 70 (Besonderheiten der Leistungsbemessung)

Die Vorschrift enthält den Individualisierungsgrundsatz, der für die Teilhabeleistungen gilt. Das heißt, dass diese Leistungen den individuellen Erfordernissen des Einzelfalls anzupassen sind.

 

Kapitel 7 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

 

Abschnitt 1 Anspruch und Pflegebedürftigkeit

Zu Kapitel 7 (Leistungen bei Pflegebedürftigkeit)

Das Kapitel regelt die Ansprüche auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit für den Fall, dass Geschädigte als Folge der gesundheitlichen Schädigung nach diesem Gesetz pflegebedürftig werden. Leistungen für nicht schädigungsbedingte Pflegebedürftigkeit werden durch andere soziale Sicherungssysteme erbracht.

 

§ 71 Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

(1) Geschädigte haben Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, wenn sie auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen pflegebedürftig sind.

(2) Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit besteht auch, wenn

1. Gesundheitsstörungen, die keine Schädigungsfolge sind, im Zusammenwirken mit anerkannten Schädigungsfolgen Pflegebedürftigkeit verursachen und

2. die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit den anderen Gesundheitsstörungen annähernd gleichwertig sind.

Zu § 71 (Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit)

Die Norm enthält die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht.

Nach Absatz 1 besteht ein Anspruch bei Pflegebedürftigkeit, die kausal auf die Schädigungsfolge im Sinne von § 4 (Beeinträchtigung als Folge einer gesundheitlichen Schädigung wegen eines nach diesem Buch erfassten schädigenden Ereignisses) zurückzuführen ist.

Die Pflegebedürftigkeit muss nach Absatz 2 nicht ausschließlich schädigungsbedingt sein, es reicht aus, wenn der schädigungsbedingte Anteil annähernd gleichwertig dem nicht schädigungsbedingten Anteil ist.

 

§ 72 Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad

(1) Für den Begriff der Pflegebedürftigkeit, für das Verfahren zur Ermittlung des Pflegegrades und für die Einordnung in die Pflegegrade gilt das Zweite Kapitel des Elften Buches.

(2) Liegt eine Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad vor, so ist sie für die zuständige Verwaltungsbehörde bindend. Liegt eine Entscheidung nicht vor, so wirkt die zuständige Verwaltungsbehörde auf eine unverzügliche Entscheidung der Pflegekasse hin.

(3) Kommt ein Anspruch nach dem Elften Buch nicht in Betracht, so ermittelt die zuständige Verwaltungsbehörde den Pflegegrad in eigener Verantwortung. Sie kann sich dabei sachverständiger Dritter bedienen.

Zu § 72 (Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad)

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit in der Sozialen Entschädigung stimmt mit dem des SGB XI überein. Eigene Kriterien gibt es nicht. Die Einstufung in Pflegegrade erfolgt nach den Regelungen des SGB XI. Für einen Leistungsanspruch muss zusätzlich zu der Einstufung in einen Pflegegrad auch die Kausalität der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 71 vorliegen.

Absatz 2 bestimmt, dass die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad auch für die Soziale Entschädigung bindend ist.

Nach Absatz 3 ermittelt die zuständige Verwaltungsbehörde den Grad der Pflegebedürftigkeit, wenn keine Versicherung bei der sozialen oder privaten Pflegeversicherung besteht; dabei bedient sie sich in der Regel des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung.

 

§ 73 Kostenübernahme vor Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches

Für Geschädigte, bei denen auf Grund eines schädigenden Ereignisses voraussichtlich nur weniger als sechs Monate eine Einschränkung der Selbständigkeiten oder der Fähigkeiten vorliegt und daher eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches nicht gegeben ist, können Kosten im Umfang der Leistungen nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches übernommen werden. Dies gilt nicht, wenn die Pflege durch ein Arbeitgebermodell nach § 76 sichergestellt wird.

Zu § 73 (Kostenübernahme vor Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches)

Die Vorschrift gilt für Geschädigte, bei denen schädigungsbedingt ein Bedarf an pflegerischen Leistungen vorliegt, jedoch wegen geringer Dauer des Bedarfs eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI nicht gegeben ist. Dem Grundgedanken der Sozialen Entschädigung folgend, können für diese Geschädigten die schädigungsbedingten Mehraufwendungen erstattet werden. Ebenso wie bei den Leistungen der häuslichen Pflege werden auch hier Kosten der Beschäftigung von Ehegatten sowie Eltern nicht erstattet.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

17. Zu Artikel 1 (§ 73 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 73 zu streichen.

Begründung:
43. Mit § 73 SGB XIV-E soll eine Regelung zur Übernahme von schädigungsbedingten Kosten vor einer Pflegebedürftigkeit eingeführt werden. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Vorschrift für Geschädigte gelten, bei denen schädigungsbedingt ein Bedarf an pflegerischen Leistungen besteht, wegen der geringen Dauer aber keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI vorliegt. Es sollen Kosten im Umfang der Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, also alle Leistungen bei Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit übernommen werden können. Dies ist weder nachvollziehbar noch sachgerecht und wäre mit erhöhten Kosten sowie einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand verbunden, weil die Vorschrift von der zuständigen Verwaltungsbehörde und nicht von der Pflege- oder Krankenkasse umzusetzen wäre.
44. Die Übernahme von Kosten der Kurzzeitpflege ist in § 39c SGB V geregelt, mithin einer Regelung im Rahmen der Krankenbehandlung. Gemäß § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB XIV-E erhalten Geschädigte für anerkannte Schädigungsfolgen unter anderem Leistungen der Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel, Fünfter Abschnitt Erster Titel des SGB V; hierunter fällt auch die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V. Für eine Sonderregelung im SGB XIV besteht daher kein Bedarf.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 17 (Zu Artikel 1, § 73 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Ziel des SGB XIV ist der Ausgleich schädigungsbedingter Bedarfe und Nachteile. Deshalb gehen die Regelungen des SGB XIV mehrfach über die Regelleistungskataloge der bestehenden Sozial(versicherungs)systeme hinaus. Die Regelung des § 73 SGB XIV ist daher konsequent und richtig. Trotz des Anspruchs aus § 39c SGB V bedarf es der Regelung des § 73 SGB XIV, da die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V in Verbindung mit § 42 Absatz 2 Satz 1 SGB XI grundsätzlich auf acht Wochen im Kalenderjahr beschränkt ist. § 73 SGB XIV stellt dagegen sicher, dass bei schädigungsbedingtem Bedarf die entsprechenden Leistungen auch länger als acht Wochen erbracht werden.

 

Abschnitt 2 Umfang der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

 

§ 74 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

Geschädigte erhalten bei schädigungsbedingter Pflegebedürftigkeit im Sinne des Abschnitts 1

1. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit entsprechend dem Vierten Kapitel des Elften Buches,

2. ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 75,

3. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit im Arbeitgebermodell nach § 76.

Zu § 74 (Leistungen bei Pflegebedürftigkeit)

Die Norm führt die nach diesem Buch möglichen Leistungen bei schädigungsbedingter Pflegebedürftigkeit auf. Berechtigte erhalten sowohl die nach dem SGB XI vorgesehenen Leistungen als auch die in den Nummern 2 und 3 aufgeführten besonderen Leistungen der Sozialen Entschädigung. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der Sozialen Entschädigung sind (wie die frühere Pflegezulage nach § 35 BVG) unabhängig von Einkommen und Vermögen zu erbringen.

 

§ 75 Ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

(1) Werden schädigungsbedingte Bedarfe nach § 74 Nummer 1 nur teilweise gedeckt, werden die über die Leistungen des Vierten Kapitels des Elften Buches hinausgehenden, notwendigen und angemessenen Kosten übernommen. Dies gilt bei folgenden Leistungsarten:

1. Pflegesachleistung nach § 36 des Elften Buches,

2. Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson nach § 39 des Elften Buches,

3. Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach § 40 des Elften Buches,

4. Tagespflege und Nachtpflege nach § 41 des Elften Buches,

5. Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches,

6. Vollstationäre Pflege nach § 43 des Elften Buches.

(2) Bei Kombination von Geldleistung und Sachleistung nach § 38 des Elften Buches wird der prozentuale Anteil übernommen, der auf die Sachleistung entfällt.

(3) Bei Pflege in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches werden 15 Prozent der Vergütung übernommen.

(4) Für Geschädigte, die einen Anspruch nach § 4 Absatz 1 haben, trägt die zuständige Verwaltungsbehörde die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, so lange sie nach § 21 des Elften Buches pflegeversichert sind.

(5) Geschädigte, die weder nach dem Elften Buch versichert sind noch nach beamtenrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit haben, erhalten die Leistungen des Vierten Kapitels des Elften Buches sowie die Leistungen nach Absatz 1. Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend.

Zu § 75 (Ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit)

Reichen die Leistungen des SGB XI nicht aus, um die schädigungsbedingten Bedarfe vollständig zu decken, werden ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit erbracht. Dies betrifft insbesondere Leistungsbereiche, in denen nach dem SGB XI eine Höchstgrenze für Leistungen - insbesondere bei der ambulanten und stationären Pflegesachleistung - besteht. Hier erstattet der Träger der Sozialen Entschädigung den Geschädigten die tatsächlich entstandenen Kosten für schädigungsbedingte Pflegeleistungen, soweit sie angemessen sind. Die Leistungen, bei denen dies in Betracht kommt, sind in Absatz 1 Satz 2 abschließend aufgeführt.

Absatz 2 regelt, wie bei der Kombination von Sachleistung und Pflegegeld zu verfahren ist.

Gemäß Absatz 3 ist in den Fällen des § 43a SGB XI (Pflege in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a SGB XI in Verbindung mit § 71 Absatz 4 SGB XI) die Kostenübernahme nicht auf einen Höchstbetrag gedeckelt, wenn der Pflegebedarf schädigungsbedingt ist, d. h. der Träger der Sozialen Entschädigung übernimmt 15 Prozent der vereinbarten Vergütung.

Absatz 4 regelt die Übernahme der Beiträge zur Pflegeversicherung durch den Träger der Sozialen Entschädigung.

Absatz 5 trifft eine Regelung für den Fall, dass Geschädigte nicht in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind. Es gilt auch hier der Grundsatz, dass nur für schädigungsbedingte Pflegebedarfe geleistet und die Leistung ohne Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht wird.

 

§ 76 Häusliche Pflege im Arbeitgebermodell

(1) Stellen Geschädigte die häusliche Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte auf Grundlage eines Arbeitsvertrages sicher (Arbeitgebermodell), so werden ihnen die hierfür erforderlichen und angemessenen Kosten erstattet. Bei der Erstattung ist das Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches anzurechnen. Kosten der Beschäftigung von Ehegatten sowie Eltern werden Berechtigten erstattet, wenn dadurch eine fachgerechte Pflege gewährleistet ist.

(2) Während einer stationären Behandlung werden den Geschädigten die erforderlichen und angemessenen Kosten für die besondere Pflegekraft für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten weiter erstattet. Eine Erstattung über diesen Zeitraum hinaus kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen.

(3) Die angemessenen Kosten umfassen auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung, die auf das Arbeitsentgelt der besonderen Pflegekraft entfallen.

(4) Aufwendungen für die Erfüllung der Pflichten der Geschädigten als Arbeitgeber können in angemessener Höhe erstattet werden. 2Als angemessen gilt in der Regel ein Betrag in Höhe von bis zu 35 Euro monatlich.

Zu § 76 (Häusliche Pflege im Arbeitgebermodell)

In der Sozialen Entschädigung ist auch die Erstattung von Kosten für eine Pflegekraft oder mehrere Pflegekräfte möglich, die die geschädigte Person selbst als Arbeitgeber beschäftigt (Arbeitgebermodell). Da in diesem Fall keine Leistung des SGB XI unmittelbar greift, werden hier die angemessenen Kosten voll erstattet, das Pflegegeld nach dem SGB XI wird jedoch angerechnet. Die Ergebnisse der Pflegebegutachtung nach dem SGB XI sind auch hier zu beachten. Die Träger der Sozialen Entschädigung entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen über den Umfang der erforderlichen Pflege. Kosten eines Arbeitsvertrags mit Ehegatten oder Eltern sind dann erstattungsfähig, wenn in diesen Fällen die fachgerechte Pflege des oder der Geschädigten gewährleistet ist.

Bei den besonderen Pflegekräften kann es sich um examinierte Pflegekräfte handeln, dies ist aber nicht Voraussetzung. Die Gestaltung des Arbeitsvertrages richtet sich nach den Bedarfen der geschädigten Person.

Absatz 2 enthält eine Regelung, die sicherstellt, dass die Kosten für angestellte besondere Pflegekräfte für einen vorübergehenden Zeitraum weiter erstattet werden, damit eine kontinuierliche Pflege auch nach einem stationären Aufenthalt gewährleistet werden kann. In Einzelfällen kann die Erstattung auch über den Zeitraum von drei Monaten hinausgehen.

Absatz 3 stellt klar, dass auch die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (§ 1 Absatz 1 SGB IV) als angemessene Kosten im Sinne des Absatzes 4 erstattet werden.

Gemäß Absatz 4 werden regelmäßig Kosten in Höhe von bis zu 35 Euro monatlich für die Erfüllung von Arbeitgeberpflichten übernommen, z. B. für die Beauftragung von Dritten zur Lohnabrechnung und Versteuerung. Erstattungsfähig sind die Kosten auch dann, wenn die Pflege durch die vorgenannten Angehörigen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und familiären Situation des Geschädigten fachgerecht erbracht werden kann.

 

Abschnitt 3 Zuständigkeit und Erstattung

 

§ 77 Zuständigkeit

(1) Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach diesem Buch werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde nach Maßgabe der folgenden Absätze erbracht.

(2) Für Geschädigte, die Mitglied einer Pflegekasse oder nach § 25 des Elften Buches familienversichert sind, erbringt ihre Pflegekasse für die zuständige Verwaltungsbehörde die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 74 Nummer 1.

(3) Für Geschädigte, die weder nach dem Elften Buch versichert sind noch nach beamtenrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit haben, erbringt die Pflegekasse, die der Krankenkasse ihrer Wahl gemäß § 57 Absatz 3 entspricht, für die zuständige Verwaltungsbehörde Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 74 Nummer 1. § 57 Absatz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln und wohnumfeldverbessernden Maßnahmen nach § 75 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 erbringt die zuständige Unfallkasse des Landes für die zuständige Verwaltungsbehörde.

(5) Die übrigen Leistungen nach § 75 und § 76 erbringt die zuständige Verwaltungsbehörde.

Zu § 77 (Zuständigkeit)

Die Norm regelt die Zuständigkeit für die Erbringung der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Die im SGB XI vorgesehenen Leistungen werden von der Pflegekasse, in der Berechtigte Mitglied sind oder die bei der Krankenkasse besteht, die sie gemäß § 56 gewählt haben, für die zuständige Verwaltungsbehörde erbracht. Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen werden von der zuständigen Landesunfallkasse für die Verwaltungsbehörde erbracht. Alle anderen Leistungen bei Pflegebedürftigkeit erbringt die zuständige Verwaltungsbehörde selbst.

 

§ 78 Widersprüche

Über Widersprüche gegen Verwaltungsakte, die im Rahmen der Leistungserbringung von Pflegekassen nach § 77 Absatz 2 und 3 und von Unfallkassen der Länder nach § 77 Absatz 4 erlassen werden, entscheidet die für die Verwaltungsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde.

Zu § 78 (Widersprüche)

Über Widersprüche gegen Entscheidungen der Pflegekasse oder der Unfallkasse über Leistungen bei Pflegebedürftigkeit entscheidet, wie bereits bislang, die für die Verwaltungsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde. Dies ist Folge sowohl der Finanzverantwortung als auch der Ausübung einer Steuerungsfunktion der Länder.

 

§ 79 Datenübermittlung

(1) Für die Erbringer von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit gelten die §§ 104 bis 106 des Elften Buches in entsprechender Anwendung, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Pflegekasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Die Erbringer von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sind verpflichtet, der zuständigen Unfallkasse des Landes die in den §§ 201 und 203 des Siebten Buches genannten Daten zu übermitteln, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der Unfallkasse des Landes erforderlich ist.

Zu § 79 (Datenübermittlung)

Die Vorschrift ist notwendig, da eine Einschränkung des Rechts der Geschädigten auf informationelle Selbstbestimmung einer gesetzlichen Grundlage bedarf.

Absatz 1 verpflichtet die Leistungserbringer bei Pflegebedürftigkeit, der zuständigen Pflegekasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde die bezeichneten Daten zu übermitteln, soweit die Informationen für deren jeweilige Aufgabenerfüllung erforderlich sind.

Die Befugnis des jeweiligen Leistungserbringers zur Übermittlung von Daten an die zuständige Pflegekasse bzw. die zuständige Verwaltungsbehörde im Einzelfall ergibt sich aus den in Bezug genommenen Vorschriften des SGB V. Die Datenübermittlung ist beispielsweise zu Zwecken der Abrechnung erforderlich; dazu gehören auch die Weiterleitung von Befunden oder die Mitteilung über Art und Datum der jeweiligen Behandlung.

Absatz 2 regelt eine entsprechende Verpflichtung der Leistungserbringer bei Pflegebedürftigkeit zur Übermittlung von bezeichneten Daten an die zuständige Unfallkasse des Landes.

 

Abschnitt 4 Erstattungen von Aufwendungen und Verwaltungskosten

 

§ 80 Erstattung an Pflegekassen

(1) Den Pflegekassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach § 77 Absatz 2 und 3 entstehen.

(2) Den Pflegekassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Absatz 1 erstattet.

(3) Ab dem 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 60 Absatz 7 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts folgenden Kalenderjahres werden die Erstattungsansprüche der Pflegekassen nach Absatz 1 pauschal abgegolten. Ab diesem Zeitpunkt werden den Pflegekassen Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Pauschalbetrages nach Satz 1 erstattet. Näheres zur Pauschalabgeltung regelt eine Verwaltungsvereinbarung, die die Bundesstelle für Soziale Entschädigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Spitzenverband Bund der Pflegekassen abschließt. Die Verwaltungsvereinbarung kann auch eine vorläufige Regelung treffen. Die Vereinbarung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder.

(4) Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen bis zu dem in Absatz 3 Satz 1 genannten Zeitpunkt nicht auf eine Verwaltungsvereinbarung einigen, entscheidet eine Schiedsstelle über die Einzelheiten der Pauschalabgeltung. Die Entscheidung der Schiedsstelle bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder. Die Schiedsstelle besteht aus einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je zwei Vertretern und Vertreterinnen der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen. Der oder die Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder werden von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen gemeinsam bestellt. Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nicht auf einzelne oder alle unparteiischen Mitglieder einigen, werden sie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit bestellt.

(5) Die Mitglieder der Schiedsstelle führen ihr Amt als Ehrenamt. Auslagen werden ihnen in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes erstattet. Die Mitglieder der Schiedsstelle sind an Weisungen nicht gebunden. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Entscheidungen werden von der Mehrheit der Mitglieder getroffen. Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des oder der Vorsitzenden den Ausschlag. Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

(6) Bis zur Entscheidung der Schiedsstelle gelten die Absätze 1 und 2.

Zu § 80 (Erstattung an Pflegekassen)

Der Staat kommt mit dem Sozialen Entschädigungsrecht einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nach. Daher dürfen Aufwendungen und Verwaltungskosten der Pflegekassen im Bereich der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Sozialen Entschädigung nicht zu Lasten der Beitragszahler der Pflegeversicherung gehen.

Die Norm sieht deshalb in Absatz 1 eine halbjährlich erfolgende Erstattung der Aufwendungen vor, die den Pflegekassen durch die Erbringung von Leistungen der Sozialen Entschädigung bei Pflegebedürftigkeit entstehen. Die Abrechnung erfolgt zunächst in Höhe der in jedem Einzelfall konkret erbrachten Aufwendungen.

Absatz 2 sieht halbjährlich eine Erstattung von Verwaltungskosten vor. Eine Erstattung in Höhe von 5 Prozent des halbjährlichen Erstattungsbetrages für Aufwendungen nach Absatz 1 ist angemessen.

Die Zahlung angemessener Vorschüsse, d. h. von Abschlagszahlungen für Erstattungsansprüche nach Absatz 1 und 2, ist über § 91 Absatz 3 SGB X hinaus auch auf Verlangen der Verwaltungsbehörde möglich. Zur Verwaltungsvereinfachung werden nach Absatz 3 Satz 1 den Pflegekassen ab dem 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 59 Absatz 6 folgenden Kalenderjahres die Aufwendungen pauschal erstattet. Ab diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass eine hinreichend valide Datenbasis für eine Pauschalierung vorliegt.

Nach Absatz 3 Satz 2 richtet sich die Höhe der an die Pflegekassen zu erstattenden Verwaltungskosten ab 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 59 Absatz 6 folgenden Kalenderjahres nach dem pauschalen Erstattungsbetrag. Auch hier sind 5 Prozent angemessen.

Einzelheiten der durch Verwaltungsvereinbarung nach Absatz 3 Satz 3 zu regelnden Pauschalerstattung betreffen u. a. die Grundlagen der Bemessung des pauschalen Erstattungsbetrages für Aufwendungen für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie Verfahrensregelungen, etwa zu den Zeitabständen, in denen die Grundlagen der Pauschalabgeltung von den Vereinbarungspartnern regelmäßig überprüft werden. Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen können in der Verwaltungsvereinbarung auch eine vorläufige Regelung treffen, etwa für den Fall, dass wider Erwarten für eine abschließende Regelung noch keine ausreichende Datenbasis vorliegt.

Auf Grund der nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen bedarf nach Absatz 3 Satz 5 die Verwaltungsvereinbarung der Zustimmung des BMAS und des BMG. Dies gilt auch für spätere Änderungen.

Absatz 4 enthält einen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall, dass eine Verwaltungsvereinbarung nicht zustande kommt. In diesem Fall entscheidet eine Schiedsstelle.

Absatz 5 regelt einen Anspruch auf Ersatz von Auslagen, die aufgrund der Ausübung des Ehrenamts anfallen, sowie die Unabhängigkeit der Mitglieder der Schiedsstelle, die Einzelheiten des Abstimmungsverfahrens und die Rechtsaufsicht. Auslagen, die den Mitgliedern der Schiedsstelle entstehen, werden in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes ersetzt.

Absatz 6 sieht vor, dass bis zur Entscheidung der Schiedsstelle weiterhin Spitzabrechnungen erfolgen.

 

§ 81 Erstattung an Unfallkassen der Länder

(1) Den Unfallkassen der Länder werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach § 77 Absatz 4 entstehen.

(2) Den Unfallkassen der Länder werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Absatz 1 erstattet.

(3) Die Länder können mit den Unfallkassen Vereinbarungen zur Durchführung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 treffen. Haben die Vereinbarungen finanzielle Auswirkungen für den Bund, bedürfen sie der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Zu § 81 (Erstattung an Unfallkassen der Länder)

Absatz 1 regelt die Erstattung von Aufwendungen für Leistungen, die den Unfallkassen der Länder auf Grund des gesetzlichen Auftragsverhältnisses nach § 77 Absatz 4 entstehen. Die Abrechnung erfolgt halbjährlich, um den Verwaltungsaufwand bei den Unfallkassen und den Verwaltungsbehörden in Grenzen zu halten.

Absatz 2 sieht ebenfalls halbjährlich eine Erstattung von Verwaltungskosten vor. Eine Erstattung in Höhe von 5 Prozent des halbjährlichen Erstattungsbetrages für Aufwendungen nach Absatz 1 ist angemessen.

Die Zahlung angemessener Vorschüsse, d. h. von Abschlagszahlungen für Erstattungsansprüche nach Absatz 1 und 2, ist über § 91 Absatz 3 SGB X hinaus auch auf Verlangen der Verwaltungsbehörde möglich.

 

Kapitel 8 Leistungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit

 

§ 82 Anspruch und Umfang

(1) Ist als Schädigungsfolge hochgradige Sehbehinderung nach Teil A Nummer 6 Buchstabe d der Versorgungsmedizin-Verordnung eingetreten, erhalten Geschädigte unabhängig vom Lebensalter die Hälfte des Betrags nach § 72 Absatz 2 des Zwölften Buches, der für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres geleistet wird.

(2) Ist als Schädigungsfolge Blindheit nach Teil A Nummer 6 Buchstabe a bis c der Versorgungsmedizin-Verordnung eingetreten, erhalten Geschädigte unabhängig vom Lebensalter den Betrag nach § 72 Absatz 2 des Zwölften Buches, der für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres geleistet wird. § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches gilt entsprechend.

(3) Ist als Schädigungsfolge Taubblindheit im Sinne von § 3 Absatz 1 Nummer 8 Schwerbehindertenausweisverordnung eingetreten, erhalten Geschädigte unabhängig vom Lebensalter den zweifachen Betrag nach § 72 Absatz 2 des Zwölften Buches, der für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres geleistet wird.

(4) Die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind vorrangig gegenüber landesrechtlichen Leistungen für blindheitsbedingte Mehraufwendungen.

Zu § 82 (Anspruch und Umfang)

Geschädigte, die schädigungsbedingt hochgradig sehbehindert, erblindet oder taubblind sind, erhalten Leistungen nach § 82. Diese Leistung ist eine eigenständige Geldleistung der Sozialen Entschädigung. Sie ist einkommensunabhängig. In der Höhe orientiert sie sich am Betrag nach § 72 SGB XII, wobei wie im bisherigen Recht abweichend von § 72 SGB XII keine unterschiedlichen Beträge für Kinder und Erwachsene gezahlt werden. Zudem wird in Anknüpfung an die bisherige Rechtslage bei Taubblindheit eine erhöhte Leistung erbracht. Die übrigen Regelungen des § 72 SGB XII, insbesondere zur Anrechnung auf Leistungen zur Pflege, finden keine Anwendung.

Absatz 4 regelt, dass die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 vorrangig sind gegenüber landesrechtlichen Leistungen für Aufwendungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit.

 

Kapitel 9 Entschädigungszahlungen

 

Abschnitt 1 Entschädigungszahlungen an Geschädigte

 

§ 83 Monatliche Entschädigungszahlung

(1) Geschädigte erhalten eine monatliche Entschädigungszahlung von

1. 400 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 und 40,

2. 800 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 und 60,

3. 1.200 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 70 und 80,

4. 1.600 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 90,

5. 2.000 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100.

(2) Die monatliche Entschädigungszahlung nach Absatz 1 Nummer 5 erhöht sich für Geschädigte mit schwersten Schädigungsfolgen um 20 Prozent.

(3) Schwerste Schädigungsfolgen liegen vor bei blinden Ohnhändern oder Geschädigten mit Verlust beider Arme im Oberarm und beider Beine im Oberschenkel. Von schwersten Schädigungsfolgen ist ebenfalls auszugehen, wenn bei

1. Querschnittsgelähmten mit Blasen- und Mastdarmlähmung,

2. Hirnbeschädigten mit schweren psychischen und physischen Störungen,

3. Ohnhändern mit Verlust beider Beine im Oberschenkel,

4. blinden Doppel-Oberschenkelamputierten oder

5. Blinden mit völligem Verlust einer oberen und einer unteren Gliedmaße

eine weitere wesentliche Schädigungsfolge vorliegt, so dass der Leidenszustand vergleichbar außergewöhnlich ist wie bei den Geschädigten nach Satz 1. Schwerste Schädigungsfolgen können auch andere Geschädigte mit einem GdS von 100 haben, wenn deren außergewöhnlicher Leidenszustand vergleichbar ist mit den Geschädigten nach Satz 1.

Zu § 83 (Monatliche Entschädigungszahlung)

In dieser Vorschrift werden die Entschädigungszahlungen für Geschädigte geregelt.

Für den Personenkreis nach Absatz 1 werden monatliche Geldzahlungen in fünf Stufen gezahlt, die sich am GdS orientieren. Diese Leistung stellt einerseits eine Anerkennung der durch die erlittene gesundheitliche Schädigung verlorenen gesundheitlichen Integrität dar und hat somit einen stark immateriellen Charakter. Andererseits soll sie dabei helfen, die Mehrbelastungen durch das schädigende Ereignis auszugleichen, die ein gesunder Mensch nicht hat. Die monatlichen Entschädigungszahlungen werden unbefristet erbracht.

Absatz 2 sieht eine Erhöhung der monatlichen Entschädigungszahlung für Geschädigte mit einem GdS von 100 und schwersten Schädigungsfolgen vor, die gesundheitlich zu einer außergewöhnlichen Betroffenheit führen. Im konkreten Einzelfall handelt es sich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände um Schwerstbeschädigte, bei denen ein außergewöhnlicher Leidenszustand vorliegt, der eine Erhöhung der Entschädigungszahlung rechtfertigt.

Absatz 3 regelt, in welchen Fällen schwerste Schädigungsfolgen vorliegen.Die Regelbeispiele Satz machen deutlich, dass eine Erhöhung der monatlichen Entschädigungszahlung nur in Betracht kommt bei einer Kombination schwerster Schädigungsfolgen, die zudem in einem ungünstigen Wechselverhältnis zueinander stehen. Dies besteht zwar auch bei Taubblinden. Deren besonderer Situation wird aber durch die Höhe der Leistung des § 82 Absatz 2 Rechnung getragen. Eine zusätzliche Erhöhung der monatlichen Entschädigungszahlung kommt daher nicht in Betracht.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

18. Zu Artikel 1 (§ 83 Absatz 2 und 3 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 83 wie folgt zu ändern:
a) Absatz 2 ist wie folgt zu fassen: 6. "(2) Die monatliche Entschädigungszahlung nach Absatz 1 Nummer 5 erhöht sich um 20 Prozent für Geschädigte, bei denen aufgrund der Schädigungsfolgen eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, die dem Pflegegrad 5 nach § 15 des Elften Buches entspricht."
 7. b) Absatz 3 ist zu streichen.

Begründung:

45. Ein wesentliches Ziel der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts ist die Ausrichtung an den heutigen Bedarfen der Betroffenen, insbesondere der Opfer von Gewalttaten.
46. Die im bisherigen Absatz 3 genannten schwersten Schädigungsfolgen sind überwiegend typische Kriegsverletzungen durch Schusswaffen, Bomben und Granaten. Dies ist nicht mehr zeitgemäß.
47. Darüber hinaus legt der zu streichende Absatz 3 fest, dass auch vergleichbar schwere Leidenszustände zur Erhöhung der monatlichen Entschädigungszahlung führen können. Diese Regelung ist unpräzise und wird Rechtsstreitigkeiten provozieren.
48. Die Anknüpfung an einen schädigungsbedingten Pflegegrad 5 richtet sich nach den ärztlichen Begutachtungsregeln des SGB XI und ist objektiv abgrenzbar. Sie berücksichtigt gleichermaßen physische und psychische Gewalttaten.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 18 (Zu Artikel 1, § 83 Absatz 2 und 3 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Voraussetzung für den Pflegegrad 5 nach § 15 SGB XI ist eine "schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung". Bei der Begutachtung nach dem SGB XI wird jedoch nicht zwischen schädigungsbedingten und nicht-schädigungsbedingten Folgen unterschieden. Im Neuen Sozialen Entschädigungsrecht wird dagegen allein auf schädigungsbedingte Folgen abgestellt. Zweifelhaft erscheint daher, ob es - wie vom Bundesrat vorgetragen - möglich ist, einen schädigungsbedingten Pflegegrad festzustellen. Das Abstellen auf den Pflegegrad 5 wird daher als nicht dienlich angesehen, um als Voraussetzung für die Heraufsetzung der monatlichen Entschädigungszahlung zu dienen. Ein Abstellen auf den Pflegegrad 5 würde zudem den Berechtigtenkreis deutlich ausweiten, da zahlreiche Betroffene mit einem GdS 100 auch einen Pflegegrad 5 haben. Sinn der Regelung ist aber keine Ausweitung des Berechtigtenkreises, sondern die Abbildung des Besitzstands.

 

 

§ 84 Abfindung

(1) Geschädigte, die einen Anspruch auf eine monatliche Entschädigungszahlung nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 haben, erhalten auf Antrag eine Abfindung. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Bewilligung der Entschädigungszahlung zu stellen.

(2) Die Abfindung erfolgt jeweils für fünf Jahre und beträgt das 60-fache der monatlichen Entschädigungszahlung nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 bis 5. Auf die Abfindung sind bereits geleistete monatliche Entschädigungszahlungen anzurechnen.

(3) Mit Zahlung der Abfindung sind die Ansprüche auf die monatlichen Entschädigungszahlungen für die Dauer von fünf Jahren abgegolten.

Zu § 84 (Abfindung)

Diese Vorschrift gibt Geschädigten die Möglichkeit, sich die Entschädigungszahlung nach § 83 in einer Summe auszahlen zu lassen. Eine besondere Begründung ist dafür nicht erforderlich.

Die Abfindungen werden in vier Stufen, die sich am GdS nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 orientieren, gezahlt. Die Entscheidung, ob eine Abfindung angesichts der persönlichen Situation des Geschädigten angebracht oder sinnvoll ist, liegt allein in dessen Verantwortung, wobei auch im Rahmen des Fallmanagements eine Beratungsmöglichkeit besteht. Angesichts des Schädigungsausmaßes und auch aus Gründen der Fürsorge ist eine Abfindung bei einem GdS von 100 nicht möglich.

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

19. Zu Artikel 1 (§ 84 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 SGB XIV)

In Artikel 1 ist in § 84 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 jeweils die Angabe "1 bis 4" durch die Angabe "1 bis 5" zu ersetzen.

Begründung:

49. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf erhalten Geschädigte, die einen Anspruch auf eine monatliche Entschädigungszahlung nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 SGB XIV-E haben, auf Antrag eine Abfindung. Diese Ausgestaltung hat zur Folge, dass Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 keine Möglichkeit zur Abfindung der monatlichen Entschädigungszahlung erhalten. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sei eine Abfindung bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 angesichts des Schädigungsausmaßes und aus Gründen der Fürsorge nicht möglich.
50. Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Auch Geschädigten mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 muss die Möglichkeit offen stehen, die Entschädigungszahlung als Abfindung zu erhalten. Ein genereller Ausschluss der Abfindungsmöglichkeit für diese Geschädigten liefe den Wertungen der VN-Behindertenrechtskonvention zuwider, da es dadurch zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung aufgrund des Ausmaßes der Behinderung kommen würde. Es sind keine rechtfertigenden Gründe vorhanden, warum der generelle Ausschluss der Abfindungsmöglichkeit notwendig ist. Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 nehmen auch heutzutage in vielfältiger Hinsicht am gesellschaftlichen Leben teil, gehen teilweise einer Erwerbstätigkeit nach oder engagieren sich in sozialen und kulturellen Bereichen. Diesen Personen die Selbstbestimmung über ihre Leistungsansprüche nach dem SGB XIV generell abzusprechen, ist weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar. Die Möglichkeit von Abfindungen bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 ist gerechtfertigt und würde diesen Geschädigten eine umfassendere gesellschaftliche Selbstbestimmung ermöglichen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 19 (Zu Artikel 1, § 84 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

 

Abschnitt 2 Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene

 

 

§ 85 Monatliche Entschädigungszahlung an Witwen und Witwer sowie an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft

(1) Eine monatliche Entschädigungszahlung in Höhe von 1.055 Euro erhält die Witwe oder der Witwer des oder der schädigungsbedingt verstorbenen Geschädigten. Dieser Betrag erhöht sich um jeweils 50 Euro monatlich für jedes im Haushalt lebende minderjährige Kind, das eine monatliche Entschädigungszahlung für Waisen bezieht.

(2) Die monatliche Entschädigungszahlung nach Absatz 1 erhalten auch Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt. Dieser Anspruch besteht für die ersten drei Lebensjahre des Kindes.

(3) Der Anspruch auf die monatliche Entschädigungszahlung erlischt, wenn Witwen oder Witwer oder überlebende Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft heiraten.

Zu § 85 (Monatliche Entschädigungszahlung an Witwen und Witwer sowie an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft)

Die Einstandspflicht der staatlichen Gemeinschaft im Sinne des § 5 SGB I umfasst nicht nur die Geschädigten, sondern auch deren nahe Angehörige. Daher erhalten Witwen und Witwer ebenfalls eine monatliche Entschädigungszahlung. Diese soll eine immaterielle Anerkennung für das erbrachte Opfer darstellen, das oftmals auch die Familie von Geschädigten trifft. Zudem soll sie einen Beitrag dazu leisten, dass Hinterbliebene sich nach dem Tod des Ehepartners auf die neue Lebenssituation einstellen können.

Nach Absatz 1 Satz 2 erhöht sich die monatliche Entschädigungszahlung nach Satz 1 um einen Betrag in Höhe von 50 Euro monatlich für jedes minderjährige Kind, das im Haushalt der Witwe oder des Witwers lebt. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Witwe oder der Witwer alleine für die Kinder verantwortlich ist. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die finanzielle Sorge als auch auf die Betreuung, wodurch auch die berufliche Erwerbstätigkeit der Witwe oder des Witwers eingeschränkt sein kann.

Absatz 2 enthält - wie das bisherige Recht - einen Anspruch auf eine monatliche Entschädigungszahlung für Betreuungsunterhaltsberechtigte, der auf die ersten drei Lebensjahre des gemeinsamen Kindes beschränkt ist. Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt vor, wenn die Verbindung auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen. Erforderlich ist zudem das Zusammenleben in einer Wohnung.

Wenn die oder der Hinterbliebene eine neue Ehe eingeht, besteht kein Erfordernis mehr für weitere Enzschädigungszahlungen. Unter leistungsrechtlichen Gesichtspunkten endet dann der Bezug zwischen Entschädigungszahlung und schädigendem Ereignis, welches den Tod herbeigeführt hat bzw. der Bezug zum Tod des oder der Geschädigten. Damit endet auch die Einstandspflicht der staatlichen Gemeinschaft und der Anspruch auf die Entschädigungszahlung erlischt.

 

 

§ 86 Abfindung für Witwen und Witwer

(1) Witwen und Witwer erhalten auf Antrag eine Abfindung anstelle der monatlichen Entschädigungszahlung. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Bewilligung der Entschädigungszahlung zu stellen.

(2) Die Abfindung beträgt 126.600 Euro. Auf die Abfindung sind bereits geleistete monatliche Entschädigungszahlungen anzurechnen.

(3) Mit der Zahlung der Abfindung sind alle Ansprüche auf die monatlichen Entschädigungszahlungen abgegolten.

Zu § 86 (Abfindung für Witwen und Witwer )

Diese Vorschrift gibt Hinterbliebenen eine Wahlmöglichkeit und erhöht damit ihre Entscheidungsfreiheit. Sie können statt der monatlichen Entschädigungszahlung eine Abfindung wählen, mit der dann allerdings auch alleAnsprüche nach § 85 abgegolten sind. Als Höhe dieser Abfindung erscheint ein Betrag in Höhe des zehnfachen Jahresbetrags einer Entschädigungszahlung nach § 85 unter Berücksichtigung des Leistungszwecks als angemessen. Eine besondere Begründung für die Wahl der Abfindung ist ebenso wenig erforderlich wie die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. Die Entscheidung, ob eine Abfindung angesichts der persönlichen Situation des oder der Hinterbliebenen angebracht oder sinnvoll ist, liegt allein in seiner oder ihrer Verantwortung, wobei auch im Rahmen des Fallmanagements eine Beratung hierzu stattfinden kann.

 

§ 87 Monatliche Entschädigungszahlung an Waisen

(1) Waisen eines schädigungsbedingt verstorbenen Elternteils erhalten jeweils eine monatliche Entschädigungszahlung in Höhe von 390 Euro.

(2) Waisen schädigungsbedingt verstorbener Eltern erhalten jeweils eine monatliche Entschädigungszahlung in Höhe von 610 Euro.

(3) Die monatlichen Entschädigungszahlungen werden gezahlt, bis die Waise 18 Jahre alt wird.

(4) Ist die Waise 18 Jahre alt oder älter, so werden die monatlichen Entschädigungszahlungen gezahlt für die Dauer einer Ausbildung, längstens bis die Waise 27 Jahre alt wird, wenn diese

1. die Arbeitskraft der Waise überwiegend in Anspruch nimmt und

2. nicht mit der Zahlung von Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist oder

3. in den Fällen des § 2 Absatz 2 mit Ausnahme der Nummer 1 Buchstabe a sowie in den Fällen des § 2 Absatz 3 des Bundeskindergeldgesetzes in der jeweils gültigen Fassung mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Vollendung des 25. Lebensjahres die Vollendung des 27. Lebensjahres tritt.

Zu § 87 (Monatliche Entschädigungszahlung an Waisen)

Diese Vorschrift regelt monatliche Entschädigungszahlungen an Waisen. Diese werden grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres erbracht. Dies entspricht ebenso wie die Voraussetzung für eine Zahlung an volljährige Waisen der Rechtslage in anderen Bereichen des Sozialrechts. Zum Schutz der Waisen kann diese Entschädigungszahlung nicht abgefunden werden.

 

§ 88 Monatliche Entschädigungszahlung an hinterbliebene Eltern

(1) Ist die oder der Geschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben, so erhalten Eltern eine monatliche Entschädigungszahlung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert im Sinne des Sechsten Buches sind oder

2. aus anderen zwingenden Gründen eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausüben können oder

3. das 60. Lebensjahr vollendet haben,

frühestens jedoch von dem Monat an, in dem der oder die Geschädigte das 18. Lebensjahr vollendet hätte.

(2) Die monatliche Entschädigungszahlung an Eltern beträgt für jedes Kind, das an den Folgen der Schädigung gestorben ist,

1. für ein noch lebendes Elternteil 250 Euro,

2. für beide Elternteile je 150 Euro.

(3) Den Eltern werden gleichgestellt

1. Stiefeltern oder Pflegeeltern, wenn sie die Geschädigte oder den Geschädigten vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten haben,

2. Großeltern, wenn die oder der Verstorbene ihnen Unterhalt geleistet hat oder hätte.

Zu § 88 (Monatliche Entschädigungszahlung an hinterbliebene Eltern)

§ 88 enthält Regelungen für eine monatliche Entschädigungszahlung an Eltern von schädigungsbedingt verstorbenen Kindern und diesen gleichgestellten Personen. Die Entschädigungszahlung hat im Hinblick auf den erlittenen Verlust vor allem immateriellen Charakter. An die Regelungen zur Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz anknüpfend, erhalten Elternteile nur einen geringfügig geringeren monatlichen Betrag als Elternpaare.

 

Kapitel 10 Berufsschadensausgleich

 

Zu Kapitel 10 (Berufsschadensausgleich)

Die Regelungen des Kapitels 10 betreffen den Ausgleich eines durch Schädigungsfolgen bedingten Verlustes an Erwerbseinkommen. Damit wird an ein seit Jahrzehnten bewährtes Instrument des Sozialen Entschädigungsrechts zum Ausgleich beruflicher Schäden in pauschalierter Form angeknüpft.

 

§ 89 Voraussetzung und Höhe

(1) Hat eine Geschädigte oder ein Geschädigter infolge der gesundheitlichen Schädigung einen Einkommensverlust, so erhält sie oder er monatlich einen Berufsschadensausgleich, wenn

1. bei ihr oder ihm ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 anerkannt worden ist und

2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben

a) bei ihr oder ihm nicht mehr erfolgversprechend sind oder

b) ihr oder ihm nicht mehr zugemutet werden können.

(2) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfasst, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Geschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Geschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(3) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekannt zu geben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden.

(4) Berufsschadensausgleich nach Absatz 1 ist der Nettobetrag des Vergleichseinkommens (Absatz 5) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 6).

(5) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem die oder der Geschädigte auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem die oder der Geschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1. bei verheirateten Geschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1.790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,

2. bei nicht verheirateten Geschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1.380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert

gemindert wird. Im Übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(6) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1. das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,

2. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,

3. sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und

4. das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.

In den Fällen des Absatzes 8 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 5 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(7) Der Berufsschadensausgleich wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfasst sind.

(8) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der die oder der Geschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. 3Scheidet dagegen die oder der Geschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 1 bis 6 errechnet.

(9) Geschädigte nach Absatz 1, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrer Ehegattin oder ihrem Ehegatten, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung führen würden, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

Zu § 89 (Voraussetzung und Höhe)

Die Regelungen zum Berufsschadensausgleich nach dem BVG werden im Wesentlichen übernommen.

Absatz 1 der Vorschrift stellt zunächst klar, dass - wie bislang - in Umsetzung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Rente" die Zahlung eines Berufsschadensausgleichs erst dann in Betracht kommt, wenn Rehabilitationsmaß- nahmen abgeschlossen wurden oder aus den aufgeführten Gründen nicht mehr durchgeführt werden können und mindestens ein GdS von 30 gegeben ist.

Der Einkommensverlust wird nach Absatz 2 durch einen Vergleich zwischen dem derzeitigen monatlichen Einkommen und dem höheren Vergleichseinkommen ermittelt, wobei die Nettoberechnung fortgeführt wird, die bisher schon im BVG für den Berufsschadensausgleich galt.

Absatz 3 regelt die Ermittlung des Vergleichseinkommens. Wie bislang orientiert sich dieses an den Einkommen der Bundesbeamten.

Absatz 4 regelt, dass der Berufsschadensausgleich aus den Nettobeträgen ermittelt wird.

Absatz 5 beschreibt die Festsetzung des Nettobetrags des Vergleichseinkommens in pauschalierter Form.

Absatz 6 beschreibt die Festsetzung des Nettobetrags des Einkommens aus derzeitiger oder früherer Erwerbstätigkeit in pauschalierter Form.

Absatz 7 bestimmt die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer Rentenminderung.

Absatz 8 regelt die Berechnung des derzeitigen Einkommens beim Hinzutreten einer nachträglichen schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung.

Absatz 9 regelt die Berechnung des Berufsschadensausgleichs, wenn der oder die Geschädigte keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern den Haushalt geführt hat.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

20. Zu Artikel 1 (§ 89 Absatz 5 Satz 1 SGB XIV) Artikel 2 Nummer 01 – neu – (§ 30 Absatz 7 Satz 1 BVG) Artikel 59 Absatz 2 und 3 Nummer 1a – neu – (Inkrafttreten)

a) In Artikel 1 sind in § 89 Absatz 5 Satz 1 die Wörter "das 65. Lebensjahr vollendet" durch die Wörter "die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch erreicht" zu ersetzen.
b) In Artikel 2 ist der Nummer 1 folgende Nummer 01 voranzustellen: ‚01. In § 30 Absatz 7 Satz 1 werden die Wörter "das 65. Lebensjahr vollendet" durch die Wörter "die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht" ersetzt.‘
c) Artikel 59 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Absatz 2 ist der Punkt am Ende durch die Wörter ", soweit nicht Absatz 3 etwas Abweichendes regelt." zu ersetzen.
bb) In Absatz 3 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen: "1a. Artikel 2 Nummer 01,"

Begründung:

51. Im Gesetzentwurf führen die Regelungen zu einer Schlechterstellung der Berechtigten. Bei einer Berufstätigkeit wären sie dieser bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze gemäß SGB VI und nicht nur bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nachgegangen. Die Regelungen sollten auch bereits im bestehenden Recht angepasst werden und daher unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 20 (Zu Artikel 1, § 89 Absatz 5 Satz 1 SGB XIV, Artikel 2 Nummer 01 – neu – (§ 30 Absatz 7 BVG), Artikel 59 Absatz 2 und 3 Nummer 1a – neu – (Inkrafttreten)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 90 Feststellung

(1) Der Berufsschadensausgleich ist bei monatlich feststehendem Einkommen endgültig festzustellen. Bei monatlich nicht feststehendem Einkommen ist der Berufsschadensausgleich entsprechend den im Zeitpunkt der Bescheiderteilung bekannten Einkommensverhältnissen vorläufig festzusetzen und jeweils nachträglich endgültig festzustellen. Eine Neufeststellung erfolgt nur, wenn sich das Einkommen um mehr als fünf Euro verändert hat.

(2) Ein monatlich feststehendes Einkommen ist gegeben, wenn sich ein bestimmter Monatsbetrag aus Gesetz, Tarif-, Arbeits- oder sonstigem Vertrag ergibt.

(3) Sonderleistungen, wie Weihnachtsgratifikationen, zusätzliche Monatsgehälter und Erfolgsprämien, sind als Einkommen in den Monaten zu berücksichtigen, in denen sie gezahlt werden.

Zu § 90 (Feststellung)

Absatz 1 legt in Satz 1 und 2 fest, wann der Berufsschadensausgleich endgültig oder lediglich vorläufig festgestellt wird. Satz 3 enthält aus verwaltungsökonomischen Gründen eine Bagatellgrenze für die Neufeststellung des Einkommensverlustes.

Absatz 2 enthält die Definition des monatlich feststehenden Einkommens, dessen Vorliegen Voraussetzung für eine endgültige Feststellung des Einkommensverlustes ist.

Absatz 3 legt fest, dass Sonderleistungen im Monat ihrer Zahlung zu berücksichtigen sind.

 

§ 91 Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen:

1. welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise diese zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,

2. wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluss der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,

3. wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn die oder der Geschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 89 Absatz 9 geführt hätte,

4. was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des § 89 Absatz 8 berücksichtigt wird und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,

5. wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von § 89 Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 und 4 zu ermitteln ist.

Zu § 91 (Verordnungsermächtigung)

Diese Regelung enthält die Ermächtigung für das BMAS, die Einzelheiten zur Berechnung und Feststellung des Berufsschadensausgleichs durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zu regeln.

 

Kapitel 11 Besondere Leistungen im Einzelfall

Zu Kapitel 11 (Besondere Leistungen im Einzelfall)

Die Besonderen Leistungen im Einzelfall werden in einem eigenen Kapitel geregelt.

 

§ 92 Anspruch und Umfang

(1) Geschädigte erhalten Besondere Leistungen im Einzelfall, soweit und solange sie nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, den jeweiligen Bedarf aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken, und dieses Unvermögen durch die Schädigungsfolgen entstanden ist.

(2) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen gilt Kapitel 16.

(3) Ein Zusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem Unvermögen, den jeweils anzuerkennenden Bedarf aus dem eigenen Einkommen und Vermögen zu decken, wird vermutet, sofern nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist. Der Zusammenhang ist stets anzunehmen bei minderjährigen Geschädigten sowie Geschädigten, die Entschädigungszahlungen bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und einen Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 oder die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 erhalten.

(4) Besondere Leistungen im Einzelfall sind:

1. Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93,

2. die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94,

3. Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 95 sowie

4. Leistungen in sonstigen Lebenslagen nach § 96.

(5) Besondere Leistungen im Einzelfall können als Darlehen erbracht werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Ziele der Sozialen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls zur Deckung des festgestellten Bedarfs geboten erscheint und die Voraussetzungen für eine Beihilfe nicht oder nicht in voller Höhe vorliegen.

(6) Hinterbliebene erhalten Leistungen nach Absatz 4 Nummer 1 und 2, soweit und solange sie nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, den jeweiligen Bedarf aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken, und dieses Unvermögen durch den Tod der oder des Geschädigten entstanden ist. Ein Zusammenhang zwischen dem Tod der oder des Geschädigten und diesem Unvermögen wird vermutet, sofern nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist. Der Zusammenhang ist stets anzunehmen bei Hinterbliebenen, die voll erwerbsgemindert im Sinne des Sechsten Buches sind.

Zu § 92 (Anspruch und Umfang)

Absatz 1 nennt die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme. Geschädigte haben Anspruch auf Besondere Leistungen im Einzelfall, wenn der Bedarf schädigungsbedingt ist (§ 4 Absatz 1 und § 25). Diese Leistungen sind nicht von dem Bezug von Entschädigungszahlungen abhängig. Vielmehr reicht es aus, dass ein Grundbescheid besteht, der die Schädigungsfolge und ggf. deren Grad feststellt. Dies ist eine Änderung im Vergleich zum bisherigen Recht, in dem ein Bezug von Grundrente oder ein Anspruch auf Heilbehandlung bestehen musste. Zudem legt Absatz 1 fest, dass Geschädigte - wie bei den bisherigen Leistungen der Kriegsopferfürsorge - finanziell hilfebedürftig sein müssen. Einkommen und Vermögen sind daher grundsätzlich einzusetzen. Dies gilt nach § 105 Absatz 3 nicht, wenn der Bedarf ausschließlich auf den Schädigungsfolgen beruht. Zudem muss die Hilfebedürftigkeit auf den Schädigungsfolgen beruhen (wirtschaftliche Kausalität). Hierdurch wird der ergänzende Charakter dieser Leistungen bestimmt.

Absatz 2 verweist zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit auf die Bestimmungen des Kapitels 16.

Absatz 3 enthält zur Feststellung der wirtschaftlichen Kausalität eine Vermutungsregelung sowie eine Fiktion und entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 25a Absatz 2 BVG. Neu aufgenommen ist eine Fiktionsregelung für minderjährige Geschädigte, wonach bei ihnen die wirtschaftliche Kausalität stets vorliegt. Die Fiktion gilt, weil bei Minderjährigen in der Regel keine konkreten Berufsaussichten bestehen oder bestanden haben und somit auch keine Prognose über den weiteren beruflichen Lebensweg gestellt werden kann.

Absatz 4 enthält den abschließenden Leistungskatalog der Besonderen Leistungen im Einzelfall.

Im Interesse der Betroffenen regelt Absatz 5, dass Besondere Leistungen im Einzelfall dann als Darlehen erbracht werden können, wenn die Voraussetzungen für eine Beihilfe nicht oder nicht in voller Höhe vorliegen, gleichwohl aber im Einzelfall eine zumindest darlehensweise Leistungserbringung geboten erscheint. Ein Darlehen kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn eine Beihilfe auf Grund des einzusetzenden Einkommens und Vermögens nicht möglich oder der Höhe nach begrenzt ist oder wenn die Voraussetzungen für eine Beihilfe nicht vorliegen.

Durch die Regelung in Absatz 6 erhalten auch Hinterbliebene die Leistungen zum Lebensunterhalt und die Leistung zur Förderung einer Ausbildung, wenn sie hilfebedürftig sind und die Hilfebedürftigkeit durch den Tod der oder des Geschädigten entstanden ist. Auch hier gelten eine Vermutungsregelung sowie eine Fiktion für voll Erwerbsgeminderte.

 

§ 93 Leistungen zum Lebensunterhalt

(1) Geschädigte erhalten Leistungen zum Lebensunterhalt. Hinterbliebene erhalten Leistungen nach Satz 1 für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach dem Tod der oder des Geschädigten. Die Vorschriften des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches gelten entsprechend unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Geschädigten und Hinterbliebenen. Leistungen zum Lebensunterhalt werden nur erbracht, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz bestritten werden kann.

(2) Sind für Geschädigte und Waisen Leistungen zum Lebensunterhalt während der Erbringung von Leistungen nach dem Achten Buch erforderlich, erbringt diese der Träger der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe des Absatzes 1, soweit nicht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen nach § 39 des Achten Buches erbringt.

(3) Ansprüche nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gehen Ansprüchen nach diesem Buch vor. Soweit für Geschädigte weitere Leistungen zum Lebensunterhalt während der Erbringung von Leistungen zur Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erforderlich sind, erbringt diese der Träger der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe des Absatzes 1.

Zu § 93 (Leistungen zum Lebensunterhalt)

Nach Absatz 1 Satz 1 erhalten Geschädigte die zum Lebensunterhalt benötigten Leistungen. Durch die Regelung in Satz 2 erhalten auch Hinterbliebene Leistungen zum Lebensunterhalt. Hinterbliebene können abweichend vom Grundsatz, dass im SGB XIV nur schädigungsbedingte Bedarfe gedeckt werden, die Leistungen zum Lebensunterhalt nach diesem Buch erhalten. Anders als im BVG werden die Leistungen zum Lebensunterhalt an Hinterbliebene für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach dem Tod der oder des Geschädigten gezahlt. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass Hinterbliebenen nach dem Tod der oder des Geschädigten ein hinreichender Zeitraum eingeräumt wird, um sich auf die veränderte (wirtschaftliche) Situation einzustellen und ihren Lebensunterhalt wieder selbst sichern zu können. Den Umfang der Leistungen bestimmt Satz 3. Danach sind die Leistungen - wie nach dem BVG - im Wesentlichen am notwendigen Bedarf nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII ausgerichtet. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden als Leistungen zum Lebensunterhalt bis zu einer Angemessenheitsgrenze erstattet, die sich nach § 35 SGB XII sowie abhängig von der jeweiligen Wohnform, in der Geschädigte oder Hinterbliebene leben, nach § 42 Nummer 4 Buchstabe b SGB XII und nach § 42a SGB XII richtet. Soweit Bedarfe für Unterkunft und Heizung als Leistungen zum Lebensunterhalt erstattet werden, sind Einkommen und Vermögen einzusetzen. Zu trennen sind derartige lebensunterhaltssichernde Leistungen von schädigungsbedingten Fachleistungen, die als Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach § 66 und damit ohne Einsatz von Einkommen und Vermögen zu erstatten sind. Die Abgrenzung zwischen lebensunterhaltssichernden Leistungen und schädigungsbedingten Fachleistungen ist im Sozialen Entschädigungsrecht in gleicher Weise vorzunehmen wie die Abgrenzung zwischen lebensunterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB XII und Eingliederungshilfeleistungen nach Teil 2 des SGB IX. Lebt eine Berechtigte oder ein Berechtigter in einer Wohnform nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII, können Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die die Angemessenheitsgrenze nach § 42a Absatz 5 Satz 4 SGB XII um mehr als 25 Prozent übersteigen, nur als Fachleistung erbracht werden. Bei Geschädigten und Hinterbliebenen, die in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB XII leben, werden Aufwendungen für Flächen, die auf Grund des Umfangs schädigungsbedingt erforderlicher Assistenzleistungen benötigt werden, nicht als Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungen zum Lebensunterhalt, sondern als Bedarfe im Rahmen der Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach § 66 anerkannt.

In Abgrenzung zum SGB XII wird durch die Formulierung in Satz 3 die besondere Lage im Sozialen Entschädigungsrecht berücksichtigt. Satz 4 entspricht der bisherigen Rechtslage in § 27a Satz 1 BVG.

Absatz 2 beruht darauf, dass für die Leistungen zur Erziehung die Jugendhilfeträger nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) zuständig sind. Das SGB VIII sieht Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen nach § 39 vor, wenn sich Kinder oder Jugendliche während des Bezugs von Leistungen zur Erziehung außerhalb des elterlichen Haushalts, d. h. im Rahmen einer teil- oder vollstationären Hilfe, befinden. Durch Absatz 2 ist sichergestellt, dass auch Kinder oder Jugendliche, die während des Bezugs von Leistungen zur Erziehung im elterlichen Haushalt untergebracht sind, Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XIV erhalten.

Die Regelung in Absatz 3 Satz 1 statuiert den generellen Anwendungsvorrang des BAföG für unterhaltssichernde Leistungen zur Förderung einer nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung. Absatz 3 Satz 2 ermöglicht, dass der Träger der Sozialen Entschädigung neben den Leistungen nach dem BAföG weitere Leistungen zum Lebensunterhalt an Geschädigte erbringt, sofern hierfür ein schädigungsbedingter Mehrbedarf besteht.

 

§ 94 Leistung zur Förderung einer Ausbildung

(1) Soweit bei Geschädigten und Waisen die Förderung einer Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Darlehen schädigungsbedingt erfolgt, übernimmt der Träger der Sozialen Entschädigung auf Antrag die Rückzahlung des Darlehens.

(2) Bei Waisen wird unterstellt, dass der Bedarf schädigungsbedingt ist, wenn

1. der Tod eines Elternteils während der Ausbildung eintritt oder

2. die Ausbildung innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod eines Elternteils beginnt.

Im Fall des Satzes 1 Nummer 1 gelten die Darlehensleistungen ab dem Zeitpunkt des Todes als schädigungsbedingt.

(3) Der Antrag ist für nach § 17 Absatz 2 oder 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geleistete Darlehen innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes nach § 18 Absatz 9 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu stellen. Für nach § 17 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Juli 2019 anzuwendenden Fassung geleistete Darlehen ist der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung der Kreditanstalt für Wiederaufbau nach § 18c Absatz 8 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu stellen. Dem Antrag ist der Bescheid nach Satz 1 beziehungsweise die Mitteilung nach Satz 2 beizufügen.

(4) Nach Kenntnis von der Unanfechtbarkeit des Bescheides nach Absatz 3 Satz 1 zahlt der Träger der Sozialen Entschädigung die von ihm zu übernehmende Darlehensschuld binnen drei Monaten in einer Summe an das Bundesverwaltungsamt zurück. § 18 Absatz 10 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes findet keine Anwendung. Nach Kenntnis vom Zugang der Mitteilung nach Absatz 3 Satz 2 zahlt der Träger der Sozialen Entschädigung die von ihm zu übernehmende Darlehensschuld binnen drei Monaten in einer Summe an die Kreditanstalt für Wiederaufbau zurück.

Zu § 94 (Leistung zur Förderung einer Ausbildung)

Die unterhaltssichernde Leistung zur Förderung einer schulischen Ausbildung bzw. einer Hochschulausbildung wird vorrangig durch die Träger nach dem BAföG erbracht. Absatz 1 regelt daher, dass in den Fällen, in denen Geschädigte und Waisen schädigungsbedingt eine Förderung nach dem BAföG als Darlehen erhalten haben, das Darlehen durch den Träger der Sozialen Entschädigung zurückgezahlt wird. Durch den Wortlaut Übernahme wird deutlich gemacht, dass das Bedarfsdeckungsprinzip gilt. Die Leistungsgewährung entfällt somit, soweit der BAföG-Empfänger bereits selbst Raten zurückgezahlt hat. § 94 erfasst keine Erstattungen.

Maßgeblich für die Übernahme der Rückzahlungsverpflichtung ist der schädigungsbedingte Förderungsbedarf nach BAföG. Auf den Bedarf für die Befriedigung der Rückzahlungsverpflichtung nach Abschluss der Förderung kommt es nicht an. Daher kommt eine Übernahme der Rückzahlung des Darlehens durch den Träger der Sozialen Entschädigung nicht in Betracht, wenn die Schädigung nach abgeschlossener BAföG-Förderung in der Rückzahlungsphase eintritt. Tritt die Schädigung während der BAföG-Förderung ein und verlängert sich dadurch die Ausbildung, ist der Förderungsbedarf nach BAföG für die Zeit der Verlängerung durch die Schädigungsfolgen entstanden. Der Träger der Sozialen Entschädigung hat die Rückzahlung des Darlehens in diesem Fall ab dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zu übernehmen. Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt auch in Betracht, wenn sich der Förderungsbedarf schädigungsbedingt erhöht, zum Beispiel, wenn Auszubildende aufgrund ihrer Schädigung nicht mehr bei ihren Eltern wohnen können bzw. Einkommenseinbußen erleiden. Auch dann übernimmt der Träger der Sozialen Entschädigung die Darlehensverpflichtungen, die nach dem schädigenden Ereignis entstanden sind, in voller Höhe.

Absatz 2 trifft eine Sonderregelung für Waisen. Tritt der Tod eines oder beider Elternteile während der Ausbildung ein, ist der bis dahin erfolgte Darlehensbezug nicht schädigungsbedingt. Satz 1 Nummer 1 regelt zusammen mit Satz 2, dass der Darlehensbezug ab dem Tod eines Elternteils oder beider Elternteile als schädigungsbedingt gilt. Erst ab diesem Zeitpunkt übernimmt der Träger der Sozialen Entschädigung die Rückzahlung des Darlehens.

Der Ursachenzusammenhang zwischen Tod und Förderungsbedarf wird nach Satz 1 Nummer 2 auch unterstellt, wenn die Ausbildung innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod eines oder beider Elternteile beginnt. Damit sind allerdings Fallgestaltungen nicht ausgeschlossen, in denen der Tod eines Elternteils oder beider Elternteile länger als fünf Jahre zurückliegt. Hier erfolgt eine Einzelfallprüfung durch den Träger der Sozialen Entschädigung.

Die in Absatz 3 geregelte dreimonatige Antragsfrist ermöglicht dem Träger der Sozialen Entschädigung eine zeitnahe Prüfung der Anspruchsberechtigung. Die Frist beginnt gemäß Absatz 3 Satz 1 bei nach § 17 Absatz 2 BAföG geleisteten Darlehen mit der Bekanntgabe des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes nach § 18 Absatz 5a BAföG. Bei nach § 17 Absatz 3 BAföG geleisteten Darlehen beginnt die Frist gemäß Absatz 3 Satz 2 mit Zugang der Mitteilung der Kreditanstalt für Wiederaufbau nach § 18 Absatz 8 BAföG. Absatz 4 Satz 3 dient der Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens.

Besteht ein Anspruch auf Leistungen zur Förderung einer Ausbildung knüpft die Rückzahlung ausweislich Absatz 4 Satz 1 an die Unanfechtbarkeit des Bescheides nach § 18 Absatz 5a BAföG an. Dies wird im Regelfall der Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid nach § 18 Absatz 5a Satz 1 BAföG, kann aber auch ein Ergänzungsbescheid nach § 18 Absatz 5a Satz 3 BAföG sein. Absatz 4 Satz 2 stellt klar, dass der Träger der Sozialen Entschä- digung die zu übernehmende Darlehensschuld vollständig zurückzahlt ohne Nachlassmöglichkeit, die das BAföG bei Rückzahlung in einer Summe einräumt. Die Rückzahlung nach § 17 Absatz 3 BAföG geleisteter Darlehen knüpft nach Absatz 4 Satz 3 an den Zugang der Mitteilung nach § 18 Absatz 8 BAföG an.

 

§ 95 Leistungen zur Weiterführung des Haushalts

(1) Geschädigte mit eigenem Haushalt erhalten Leistungen zur Weiterführung des Haushalts, wenn weder sie selbst noch, falls sie mit anderen Haushaltsangehörigen zusammenleben, die anderen Haushaltsangehörigen den Haushalt führen können und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden. Leistungen sind unbefristet zu erbringen, wenn

1. durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann oder

2. unwahrscheinlich ist, dass die fehlende Fähigkeit, den Haushalt zu führen, behoben werden kann.

(2) Die Leistungen umfassen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit.

(3) Geschädigten im Sinne des Absatzes 1 sind die angemessenen Aufwendungen für eine haushaltsführende Person zu erstatten. Es können auch angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der haushaltsführenden Person für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Ist neben oder anstelle der Weiterführung des Haushalts die Heranziehung einer besonderen Person zur Haushaltsführung erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der haushaltsführenden Person geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen.

(4) Die Leistungen können auch durch Übernahme der angemessenen Kosten für eine vorübergehende anderweitige Unterbringung von Haushaltsangehörigen erbracht werden, wenn diese Unterbringung in besonderen Fällen neben oder statt der Weiterführung des Haushalts geboten ist.

Zu § 95 (Leistungen zur Weiterführung des Haushalts)

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 26d BVG.

Hinsichtlich der Leistungsberechtigung und des Umfangs orientiert sie sich an § 70 SGB XII. Abweichend von § 26d BVG ist in Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 ein weiterer Fall genannt, in dem die Leistungen unbefristet erbracht werden sollen.

 

§ 96 Leistungen in sonstigen Lebenslagen

Geschädigte können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erhalten, wenn diese den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung der Ziele der Sozialen Entschädigung rechtfertigen.

Zu § 96 (Leistungen in sonstigen Lebenslagen)

Mit dieser Vorschrift können atypische Bedarfe gedeckt werden, d. h. solche, die nicht bereits durch andere Leistungen dieses Buches erfasst sind.

Es handelt sich um einen Auffangtatbestand. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem § 27d Absatz 2 BVG sowie dem § 73 Satz 1 SGB XII.

Zu den atypischen Bedarfen gehören z. B. Aufwendungen für einen Wohnungswechsel, insbesondere Umzugskosten oder Kosten für Einrichtungsgegenstände, wenn aus der Situation der Geschädigten dieser Bedarf erforderlich ist.

Aus der Vergangenheit sind folgende Beispiele bekannt, die unter diese Vorschrift fallen können: Kosten für den Besuch von Selbsthilfegruppen, präventive Sicherungsmaßnahmen an Haustüren von weiterhin gefährdeten Geschädigten oder Kosten für Namensänderungen nach einer Gewalttat.

 

§ 97 Wunsch- und Wahlrecht

Bei der Entscheidung über die Besonderen Leistungen im Einzelfall und bei der Ausführung dieser Leistungen wird den berechtigten Wünschen der Berechtigten entsprochen. Dabei sind Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter besonders zu berücksichtigen. Im Übrigen gilt § 8 des Neunten Buches entsprechend.

Zu § 97 (Wunsch- und Wahlrecht)

Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 33 SGB I gilt im Sozialen Entschädigungsrecht bei der Entscheidung über die Besonderen Leistungen im Einzelfall und bei ihrer Ausführung. Hierbei ist besonders auf Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter Rücksicht zu nehmen. Das unmittelbar nur für Teilhabeleistungen im Sinne des § 5 SGB IX geltende Wunsch- und Wahlrecht nach § 8 SGB IX wird nach Satz 3 für die Besonderen Leistungen im Einzelfall für entsprechend anwendbar erklärt.

 

§ 98 Besonderheiten der Leistungsbemessung

Art, Ausmaß und Dauer der Besonderen Leistungen im Einzelfall richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalls sowie der Art des Bedarfes.

Zu § 98 (Besonderheiten der Leistungsbemessung)

Die Vorschrift enthält den Individualisierungsgrundsatz, der für die Besonderen Leistungen im Einzelfall gilt. Das heißt, dass diese Leistungen den individuellen Erfordernissen des Einzelfalls anzupassen sind.

 

Kapitel 12 Überführung und Bestattung

 

§ 99 Leistungen bei Überführung und Bestattung

(1) Stirbt eine Geschädigte oder ein Geschädigter an den Schädigungsfolgen, so hat diejenige Person, die die Überführung veranlasst hat, einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Überführung. Der Anspruch auf Übernahme umfasst die tatsächlich entstandenen Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, soweit sie erforderlich und angemessen sind.

(2) Stirbt eine Geschädigte oder ein Geschädigter an den Schädigungsfolgen, so hat diejenige Person, die die Bestattung veranlasst hat, einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung. Der Anspruch auf Übernahme umfasst die Kosten der Bestattung bis zur Höhe eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches.

(3) Der Tod gilt stets als Schädigungsfolge, wenn eine Geschädigte oder ein Geschädigter an einer Gesundheitsstörung stirbt, die als Schädigungsfolge anerkannt ist.

(4) Auf den Betrag nach den Absätzen 1 und 2 werden einmalige Leistungen angerechnet, die anlässlich des Todes auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zum Zweck der Übernahme der Kosten der Überführung und Bestattung erbracht werden.

(5) Die Kosten der Überführung und Bestattung werden nicht übernommen, wenn die Voraussetzungen des § 16 oder des § 17 Absatz 1 in der Person der oder des Geschädigten oder derjenigen Person, die die Überführung oder Bestattung veranlasst hat, vorliegen.

(6) Leistungen bei Überführung und Bestattung können ganz oder teilweise versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 17 Absatz 2 in der Person der oder des Geschädigten oder derjenigen Person, die die Kosten veranlasst hat, vorliegen.

Zu § 99 (Leistungen bei Überführung und Bestattung)

Die Vorschrift regelt in Absatz 1, dass der Träger der Sozialen Entschädigung die Kosten der Überführung einer oder eines Geschädigten gegenüber der Person übernimmt, die diese Kosten tatsächlich getragen hat. Es ist nicht erforderlich, dass diese Person mit der oder dem Geschädigten in einem familiären oder verwandtschaftlichen Verhältnis stand. Übernommen werden die tatsächlichen Überführungskosten, soweit diese erforderlich und angemessen sind. Kosten der Überführung sind die Kosten, die durch den Transport des Leichnams vom Ort, an dem der Tod eingetreten ist, zum Ort der Bestattung entstehen.

Nach Absatz 2 werden die Kosten der Bestattung übernommen bis zur Höhe eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 SGB IV. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Höchstbetrag der übernahmefähigen Bestattungskosten regelmäßig dynamisiert wird, ohne dass eine gesetzliche Änderung erforderlich ist.

Voraussetzung für die Kostenübernahme ist nach Absatz 1 und 2, dass der Tod schädigungsbedingt eingetreten ist. Nach Absatz 3 wird dies unwiderleglich vermutet, wenn Geschädigte an einer anerkannten Schädigungsfolge gestorben sind.

Absatz 4 regelt, dass bestimmte einmalige Leistungen auf den übernahmefähigen Betrag nach Absatz 1 und 2 angerechnet werden. Hierzu zählen beispielsweise das in der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringende Sterbegeld sowie das Sterbegeld nach § 18 Absatz 2 Nummer 2 des Beamtenversorgungsgesetzes oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, soweit es die Kosten der Überführung und Bestattung ersetzen soll.

Durch Absatz 5 wird sichergestellt, dass Kosten der Überführung und Bestattung nicht übernommen werden, wenn ein Ausschlussgrund nach § 16 oder ein Versagungsgrund nach § 17 Absatz 1 in der Person der oder des Getöteten oder derjenigen Person vorliegt, die die Übernahme geltend macht.

Durch Absatz 6 wird die Ermessensregelung des § 17 Absatz 2 auf die Fälle der Leistung bei Überführung und Bestattung erstreckt.

 

Kapitel 13 Härtefallregelung

 

§ 100 Ausgleich in Härtefällen

(1) Soweit sich im Einzelfall aus der Anwendung der Vorschriften dieses Buches eine besondere Härte ergibt, kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Bundesbehörde oder der zuständigen obersten Landesbehörde ein angemessener Ausgleich erbracht werden.

(2) Eine besondere Härte ist gegeben, wenn der Ausschluss von Leistungen insgesamt oder der Ausschluss von einzelnen Leistungen dem Sinn und Zweck dieses Buches widerspricht.

(3) Die zuständige oberste Bundesbehörde oder die zuständige oberste Landesbehörde kann Härteausgleichen in vergleichbaren Fallgestaltungen allgemein zustimmen.

Zu § 100 (Ausgleich in Härtefällen)

Die Regelung führt das im Sozialen Entschädigungsrecht seit Jahrzehnten bewährte Instrument eines Ausgleichs in Härtefällen auch für das SGB XIV weiter. Dies gibt in den Fällen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 der jeweils zuständigen obersten Bundesbehörde oder in den Fällen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 und Unterabschnitt 3 der jeweils zuständigen Landesbehörde die Möglichkeit, einer Leistungserbringung zuzustimmen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Ausschluss von der Leistung unbillig wäre. Treten vergleichbare oder gleichgelagerte Fallkonstellationen öfter auf, kann die zuständige oberste Bundes- oder Landesbehörde einem Ausgleich auch allgemein zustimmen, sodass eine gesonderte Prüfung eines unbilligen Leistungsausschlusses im Einzelfall nicht mehr notwendig ist. Möglich ist nach dem Wortlaut der Regelung sowohl ein Ausgleich im vollen als auch im abgesenkten Umfang der Regelleistung. Die Entscheidung darüber wird die zuständige Verwaltungsbehörde anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffen haben.

 

Kapitel 14 Regelungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

 

§ 101 Leistungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

(1) Geschädigte, ihre Angehörigen oder Hinterbliebenen sowie Nahestehende, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten Leistungen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 9.

(2) Leistungen der Schnellen Hilfen nach Kapitel 4 werden im Inland erbracht. Die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der nächstgelegenen Traumaambulanz erforderlichen Fahrkosten werden in angemessenem Umfang erstattet.

(3) Die nachgewiesenen Kosten für medizinisch notwendige und angemessene Leistungen der Krankenbehandlung für Schädigungsfolgen im Umfang der §§ 42 und 43 werden bis zur Höhe des Zweifachen der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu erbringen hätte, erstattet. In besonders begründeten Fällen kann auch der darüber hinausgehende Betrag teilweise oder ganz erstattet werden. Die Krankenbehandlung kann auch im Inland nach vorheriger Genehmigung durch die zuständige Verwaltungsbehörde durchgeführt werden, wenn medizinische Gründe oder Kostengründe dies erfordern. 4Reisekosten können in diesem Fall in angemessenem Umfang erstattet werden. Die Kosten für Arzneimittel und Verbandmittel sowie Heilmittel und Hilfsmittel können in voller Höhe erstattet werden. Leistungen nach den Sätzen 1 bis 5 werden erbracht, soweit diese Bedarfe nicht durch bestehende gesetzliche oder private Versicherungen oder staatliche Leistungen des Wohnsitzstaates im Wohnsitzstaat gedeckt werden können. § 28 Absatz 3 findet keine Anwendung. 8Ist im Staat des Wohnsitzes weder eine Leistung zweckentsprechend der Leistung des Krankengeldes der Sozialen Entschädigung oder der Beihilfe bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage zu verwirklichen, noch können Geschädigte diesen Bedarf durch einen bestehenden privaten oder gesetzlich bestehenden Versicherungsschutz decken und entsteht ihnen hieraus ein Nachteil, wird den Geschädigten eine Leistung in Form der Zahlung eines Krankengeldes der Sozialen Entschädigung oder eine Beihilfe bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage erbracht, wie sie ihm auch bei einem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gezahlt worden wäre.

(4) Bei Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 71 Absatz 1 kann ein Pflegegeld in Höhe der Leistungen nach § 37 des Elften Buches erbracht werden. Kosten für ergänzende Leistungen nach § 75 Absatz 2 werden nur dann erstattet, wenn entsprechende Sachleistungen auch im Wohnsitzstaat vorgesehen sind.

(5) Leistungen bei Blindheit nach § 82 werden erbracht.

(6) Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 werden erbracht, soweit der Leistungszweck erreicht werden kann. Der Leistungszweck wird insbesondere dann nicht erreicht, wenn der Aufenthaltsstaat Zahlungen nach diesem Buch auf eigene Sozialleistungen ganz oder teilweise anrechnet. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn ein ausländischer Staat subsidiäre Leistungen als Entschädigung wegen eines schädigenden Ereignisses erbringt, das in Deutschland stattgefunden hat.

(7) Geschädigte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, haben keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 dieses Buches. Verlegen Geschädigte, für die bereits ein monatlicher Berufsschadensausgleich nach § 90 dieses Buches bewilligt wurde, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland, so ist ihnen auf Antrag eine Abfindung in Höhe des 30-fachen des festgestellten monatlichen Berufsschadensausgleiches auszuzahlen. Der Antrag auf Auszahlung der Abfindung ist bei dem Träger der Sozialen Entschädigung bis spätestens drei Monate nach Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland zu stellen. Durch die Zahlung der Abfindung nach Satz 1 sind alle Ansprüche der Geschädigten auf Berufsschadensausgleich nach diesem Buch abgegolten.

(8) Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93 können erbracht werden, soweit Berechtigte keine anderweitigen Leistungen für denselben Leistungszweck, insbesondere aus sozialen Sicherungs- und Fürsorgesystemen des Aufenthaltsstaates, erhalten. Art, Form und Umfang der Leistung und der Einsatz von Einkommen und Vermögen richten sich nach den besonderen Verhältnissen des Aufenthaltsstaates unter Berücksichtigung der notwendigen Lebensbedürfnisse vor Ort.

(9) Die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94 wird erbracht.

Zu § 101 (Leistungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland)

Die Norm regelt den Fall, dass Berechtigte, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch haben, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 SGB I) außerhalb des Geltungsbereiches dieses Buches haben. Erfasst sind Personen, die nach dem schädigenden Ereignis ins Ausland gezogen sind, aber auch Personen, die nie einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten, z. B. eine Person, die als Tourist in Deutschland Opfer einer Gewalttat war, oder eine im Ausland lebende hinterbliebene Person eines im Inland Verstorbenen. Insbesondere bei der Abgrenzung zu Leistungen der Krankenbehandlung bei vorübergehendem Aufenthalt im Ausland (§ 51) kommt es nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt des Entstehens des Bedarfes an, sondern auf die Absicht des Berechtigten, sich entweder nur vorübergehend im Ausland aufhalten oder sich dort dauerhaft niederzulassen. Die Vorschrift erfasst nicht den Sonderfall der Personen, die Opfer einer Gewalttat im Ausland geworden sind (§ 15), für diese gelten zum Leistungsumfang ausschließlich die Regelungen des § 102.

Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass bestimmte Leistungen von den zuständigen deutschen Behörden oder Leistungsträgern nicht im Ausland erbracht werden können. Dies gilt insbesondere für die Schnellen Hilfen, weil die dafür erforderlichen organisatorischen Strukturen nur im Inland bestehen. Dies gilt auch für die Besonderen Leistungen im Einzelfall, soweit es sich nicht um Leistungen nach den §§ 93 und 94 handelt. Die Vorschrift berücksichtigt auch, dass es auf Grund der zum Teil beträchtlichen Unterschiede in den Lebensumständen in verschiedenen Staaten sehr schwierig ist, die erforderlichen Daten zur Berechnung von Leistungen, z. B. zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs, zu ermitteln bzw. verwertbare Daten überhaupt zu erlangen. Zudem ist bei derartigen Leistungen, wie auch Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt haben, die Missbrauchsgefahr besonders hoch, weil der deutsche Staat im Ausland keine Kontrollmöglichkeiten durch eigene Strukturen hat, die die Einhaltung der erforderlichen Qualitäts- und Verfahrensanforderungen sicherstellen könnten.

Nach Absatz 1 werden Leistungen im Ausland ausschließlich im Umfang der nachfolgenden Absätze erbracht. Das bedeutet:
– Die Schnellen Hilfen werden nur im Inland erbracht.
– Die Kosten für Krankenbehandlung werden nach Maßgabe des Absatzes 3 übernommen.
– Bei Pflegebedürftigkeit kann gemäß Absatz 4 ein Pflegegeld geleistet werden. Darüber hinaus können Kosten für weitere Pflegeleistungen erstattet werden, wenn es diese auch im Staat des Wohnsitzes gibt.
– Nach Absatz 5 werden Leistungen bei Blindheit in vollem Umfang erbracht.
– Entschädigungszahlungen (Kapitel 9) werden nach Maßgabe des Absatzes 6 erbracht.
– Berufsschadensausgleich (Kapitel 10) wird bei Fortzug als Abfindung in Höhe der 30-fachen monatlichen Leistung ausgezahlt.
– Nach Absatz 8 können Leistungen zum Lebensunterhalt erbracht werden.
– Nach Absatz 9 kann die Leistung zur Förderung einer Ausbildung erbracht werden.

Leistungen bei Überführung und Bestattung nach Kapitel 12 müssen in § 101 nicht geregelt werden, weil diese nicht nur an Berechtigte im Sinne von § 2 erbracht werden, sondern unabhängig vom Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt an diejenige Person, die die Kosten tatsächlich getragen hat.

Leistungen zur Teilhabe werden nicht erbracht. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dienen der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, weshalb eine gewisse Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Im Allgemeinen wäre eine Vorhaltung von Leistungen zur Teilhabe im Ausland teilweise praktisch unmöglich und würde in die Zuständigkeit anderer Staaten eingreifen.

Zu berücksichtigen ist, dass neben den aufgeführten Leistungen auch immer noch im Einzelfall ein Härteausgleich nach Kapitel 13 möglich ist, wenn die Anwendung des § 101 für den oder die Betroffenen eine Härte darstellen würde.

Die Anspruchsvoraussetzungen müssen im Übrigen vorliegen, also bei Inanspruchnahme der Traumaambulanz eine Entscheidung im Erleichterten Verfahren, bei allen anderen Leistungen eine Anerkennung dem Grunde nach. Vorläufige Entscheidungen (§ 119) sind möglich.

Nach Absatz 2 werden Leistungen der Schnellen Hilfen im Inland erbracht. Diese Leistungen können nicht exportiert werden, da deutsche Behörden im Ausland keine Strukturen zum Fallmanagement vorhalten können und dort auch keine Traumaambulanzen im Sinne des SGB XIV existieren, die den Anforderungen dieses Buches entsprechen bzw. dies von deutschen Behörden nicht überprüft werden kann. Berechtigte können jedoch auch aus dem Ausland anreisen. Erstattet werden die Fahrkosten, soweit sie erforderlich und angemessen sind.

Absatz 3 regelt die Krankenbehandlung für Schädigungsfolgen im Ausland. Kosten der Aufwendungen für Krankenbehandlung, die nicht von einer Krankenversicherung oder einem vergleichbaren (z. B. steuerfinanzierten) System im Ausland abgedeckt sind, werden erstattet, wenn sie den Leistungen, die nach Kapitel 5 im Inland erbracht werden, vergleichbar sind und wenn sie medizinisch notwendig und angemessen sind. Der Erstattungsbetrag darf grundsätzlich das Zweifache der im Inland üblichen Vergütung nicht übersteigen. In Ausnahmefällen können auch die tatsächlichen Kosten erstattet werden, die darüber hinausgehen. Nach Satz 3 ist auch die Übernahme der Kosten einer Krankenbehandlung im Inland möglich, die aus medizinischen Gründen notwendig, aber im Aufenthaltsstaat nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht in ausreichender Qualität zu erlangen ist. In diesem Fall bleiben wirtschaftliche Gründe außer Betracht. Die Übernahme der Kosten ist auch dann möglich, wenn die Behandlung im Aufenthaltsstaat teurer als im Inland wäre. Fahrkosten können in diesen Fällen erbracht werden. Sie müssen dann aber bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit mit berücksichtigt werden. Der letzte Satz sieht vor, dass die dort aufgeführten Leistungen ausnahmsweise wie im Inland erbracht werden, wenn diese im Staat des Wohnsitzes nicht zu erhalten sind.

Im Falle eines dauerhaften Auslandsaufenthaltes begibt sich eine Person auch dauerhaft in das soziale Sicherungssystem des Aufenthaltsstaates. Daher sind entgegen der Regelung in § 28 Absatz 1 und 3 alle anderweitig bestehenden Ansprüche vorrangig. Dabei ist darauf abzustellen, dass auf Grund der Vorrangigkeit der im Wohnsitzstaat bestehenden Ansprüche nur die Leistungen für die Bedarfe ausgeschlossen sind, die für die Geschädigten auch tatsächlich im Wohnsitzstaat zu realisieren sind. Es gelten für den Geschädigten bei der Realisierung dieser vorrangigen Ansprüche die Mitwirkungspflichten, die auch bei Leistungen im Inland nach den §§ 60 ff. SGB I bestehen. Bestehen keine realisierbaren Ansprüche aus anderen Absicherungssystemen, sind in diesem Fall sämtliche Kosten der Behandlung wegen einer Schädigungsfolge vom Kostenerstattungsanspruch nach Absatz 3 umfasst.

Leistungen zur Pflege werden nach Absatz 4 nur als Pflegegeld in Höhe der Leistung nach § 37 SGB XI erbracht. Eine Erbringung weiterer Pflegeleistungen erfolgt nur dann, wenn diese Leistungen im Staat des Wohnsitzes ebenfalls vorgesehen sind.

Nach Absatz 5 werden Leistungen bei Blindheit nach § 82 wie im Inland erbracht.

Entschädigungszahlungen für Geschädigte und Hinterbliebene werden nach Absatz 6 in gleicher Höhe wie im Inland auch an Berechtigte im Ausland erbracht, allerdings nur insoweit, als sie nicht auf Sozialleistungen im Aufenthaltsstaat, z. B. dortige Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, angerechnet werden, denn auch hier gilt die Regel, dass der Aufenthaltsstaat nicht von Ansprüchen der Berechtigten nach SGB XIV profitieren soll. Mit Satz 3 wird klargestellt, dass damit nicht die Verpflichtung aus der Richtlinie 2004/80/EG gemeint ist, wonach jeder Mitgliedstaat vorrangig für die Entschädigung von Gewalttaten in seinem Einflussbereich aufkommen muss. Wurde also eine Person in Deutschland z. B. Opfer einer Gewalttat und sieht der Heimatstaat Leistungen subsidiär auch für Gewalttaten in anderen Staaten vor, so sind Entschädigungszahlungen nach diesem Buch zu erbringen.

Grundsätzlich entfällt der Anspruch auf Leistungen des Berufsschadensausgleichs bei Fortzug ins Ausland. Geschädigte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen, müssen sich auf das Leistungsund Absicherungsniveau des neuen Wohnsitzstaates verweisen lassen. Der Berufsschadensausgleich ist grundsätzlich nicht exportierbar, da den Trägern der Sozialen Entschädigung Daten zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zugänglich sind (vgl. dazu Einleitung der Begründung zu § 101).

Um einen gewissen Ersatz für den Berufsschadensausgleich bei Fortzug zu gewähren, hat sich der Gesetzgeber entschieden, denjenigen, die bisher als Inlandsberechtigte bereits über festgestellte monatliche Ansprüche auf Berufsschadensausgleich verfügen, auf Antrag eine Abfindung zu erbringen. Die Abfindung, die einmalig erfolgt und auf Antrag, der spätestens - im Rahmen einer Notfrist - drei Monate nach dem Fortzug bei dem Träger der Sozialen Entschädigung vorliegen muss, beträgt das 30-fache des bisherigen monatlichen Berufsschadensausgleiches. Mit Zahlung dieser Abfindung sind alle weiteren, zukünftigen Ansprüche auf Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10, auch bei Rückkehr nach Deutschland, abgegolten. Zur Abwendung von Notlagen können Geschädigte nach Absatz 8 grundsätzlich Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93 erhalten. Da jedoch das Fürsorgesystem des Aufenthaltsstaates nicht von dem Anspruch berechtigter Personen auf Leistungen zum Lebensunterhalt gegen den Träger der Sozialen Entschädigung profitieren soll, wird die Leistung nach Berücksichtigung solcher Fürsorgesysteme ggf. nur aufstockend erbracht.

Nach Absatz 9 wird die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94 wie im Inland erbracht.

Weitere Besondere Leistungen im Einzelfall (Leistungen zur Weiterführung des Haushalts, Leistungen in besonderen Lebenslagen) sowie Teilhabeleistungen nach Kapitel 6 werden nicht erbracht, weil bei ihnen jeweils eine intensive Einzelfallprüfung unter Einbeziehung auch des jeweiligen Umfeldes erforderlich wäre, für die im Ausland nicht die erforderlichen Strukturen vorgehalten werden können und die vom Inland aus nicht zu leisten ist. Dies entspricht zudem dem in § 30 SGB I geregelten Territorialitätsprinzip.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

21. Zu Artikel 1 (§ 101 Absatz 7 Satz 1 – neu – SGB XIV)

In Artikel 1 ist dem Wortlaut des § 101 Absatz 7 folgender Satz voranzustellen:
"Geschädigte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, haben keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 90."

Begründung:
52. Wie der Begründung zu § 101 zu entnehmen ist, ist der Berufsschadensausgleich grundsätzlich nicht exportierbar.
53. Diese Leistung entfällt daher bei Fortzug ins Ausland. Geschädigte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen, müssen sich auf das Leistungs- und Absicherungsniveau des neuen Wohnsitzstaates verweisen lassen.
54. Folgerichtig muss Absatz 7 um den vorgeschlagenen Satz ergänzt werden, damit auch für Geschädigte, die bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses beziehungsweise vor der erstmaligen Bewilligung von Leistungen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, die Gewährung des Berufsschadensausgleichs ausgeschlossen ist.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 21 (Zu Artikel 1, § 101 Absatz 7 Satz 1 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

Kapitel 15 Besonderheiten der Leistungserbringung für einzelne Entschädigungstatbestände

 

§ 102 Leistungen bei Gewalttaten im Ausland

(1) Berechtigte nach § 15 erhalten Leistungen nach Maßgabe der folgenden Absätze.

(2) Geschädigte erhalten Leistungen der Schnellen Hilfen ausschließlich im Inland. Fahrkosten zu Traumaambulanzen werden für Fahrten im Inland übernommen. § 101 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Geschädigte erhalten Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung grundsätzlich im Inland. Besteht unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis ein akuter Behandlungsbedarf im Ausland, so können Kosten, die anderweitig nicht gedeckt sind, nach § 51 übernommen werden.

(4) Geschädigte erhalten Einmalzahlungen in Höhe von

1. 2.600 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30, aber weniger als 50,

2. 7.800 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 und 60,

3. 13.000 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 70 und 80,

4. 20.800 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 90,

5. 28.600 Euro bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100.

(5) Ist eine Person, bei der die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen, an den Folgen der Schädigung gestorben, erhalten Hinterbliebene eine Einmalzahlung. Die Einmalzahlung beträgt bei Halbwaisen 2.600 Euro, bei Vollwaisen 3.500 Euro und bei weiteren Hinterbliebenen 7.800 Euro.

(6) Angehörige und Hinterbliebene haben Anspruch auf Leistungen der Schnellen Hilfen. Diese werden im Inland erbracht. Überführungs- und Bestattungskosten werden nach § 99 erstattet.

(7) Leistungen aus anderen öffentlichen oder privaten Sicherungs- oder Versorgungssystemen sind auf die Leistungen nach den Absätzen 3 bis 6 anzurechnen. Hierzu zählen auch Leistungen aus Sicherungs- oder Versorgungssystemen, insbesondere Systemen der Opferentschädigung des Staates, in dem sich die Gewalttat ereignet hat.

(8) Leistungen nach den Absätzen 2 bis 6 sind zügig zu erbringen, auch wenn im Ausland noch Verfahren anhängig sind. Sieht der ausländische Staat Leistungen für Opfer von Gewalttaten vor und hat eine berechtigte Person einen Antrag auf solche Leistungen nicht gestellt, so können Leistungen nach den Absätzen 3 bis 5 in entsprechender Anwendung der §§ 66 und 67 des Ersten Buches ganz oder teilweise versagt werden.

Zu § 102 (Leistungen bei Gewalttaten im Ausland)

Nach dieser Vorschrift werden eingeschränkte Leistungen erbracht, da die staatliche Gemeinschaft für Opfer von Gewalttaten im Ausland eine geringere Verantwortung als für Opfer von Gewalttaten in Deutschland hat. Erforderlich für die Anspruchsberechtigung íst, dass der oder die Geschädigte einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat und sich nur für einen vorübergehenden Zeitraum im Ausland aufgehalten hat. Nur in dieser Konstellation ist noch eine enge Verbindung mit Deutschland gegeben, die Leistungen aus fürsorgerischen Gesichtspunkten rechtfertigt.

Absatz 1 umschreibt den anspruchsberechtigten Personenkreis.

Geschädigte erhalten gemäß Absatz 2 Leistungen der Schnellen Hilfen im Inland. Die zuständigen Versorgungsbehörden der Länder können jedoch im Rahmen des Fallmanagements, dessen Aufgaben sehr weit gefasst sind, aus dem Inland Maßnahmen zur Vermittlung von im Tatland ansässigen Therapeuten ergreifen. Hierzu können die Behörden über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Auswärtige Amt die Kooperation mit den jeweiligen deutschen Auslandsvertretungen suchen. Die Leistungen nach diesem Buch bleiben durch die Hilfe von Krisenstäben, etwa des Auswärtigen Amtes, unberührt.

Werden Leistungen der Schnellen Hilfen im Inland in Anspruch genommen, werden Fahrkosten nur für im Inland zurückgelegte Wegstrecken erbracht. Fahrkosten für im Ausland zurückgelegte Wegstrecken werden nicht erbracht. Leistungen, für die nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 51 die Kosten übernommen werden können, umfassen auch psychotherapeutische Angebote.

In Absatz 3 wird der Umfang der Krankenbehandlung für Geschädigte geregelt. Leistungen werden grundsätzlich im Inland erbracht. Bei akutem Behandlungsbedarf wäre es jedoch nicht sachgerecht, Geschädigte darauf zu verweisen, die Kosten für die notwendige Behandlung selbst zu tragen. Daher ermöglicht Satz 2 eine Kostenübernahme nach § 51.

Nach Absatz 4 erhalten Geschädigte Einmalzahlungen, deren Höhe sich nach der Höhe der festgestellten Schädigungsfolgen richtet. Die Höhe der Entschädigungszahlungen orientiert sich an den Stufen der Entschädigungszahlungen im Inland (Kapitel 9).

Absatz 5 regelt die Höhe der Leistungen für Hinterbliebene.

In Absatz 6 wird der Zugang von Angehörigen, Hinterbliebenen und Nahestehenden zu Leistungen der Schnellen Hilfen geregelt. Kosten der Überführung und Bestattung werden der Person erstattet, die diese getragen hat.

Absatz 7 regelt den Vorrang anderer Leistungssysteme. Zu nennen sind dabei insbesondere Leistungen von inländischen und ausländischen Kranken-, Unfall- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen. Vorrangig sind außerdem staatliche Entschädigungsleistungen aus dem Land, in dem die Tat geschehen ist.

Absatz 8 stellt klar, dass in dem Fall, in dem eine staatliche Entschädigungsleistung aus dem Tatland in Betracht kommt, die Entscheidung der ausländischen Behörde über diese Leistung nicht abgewartet werden soll. Schnelle Hilfen sind in jedem Fall nach den Regelungen des Erleichterten Verfahrens zu erbringen. Ein Antrag im Ausland sollte in jedem Fall gestellt werden, wenn der Antrag nicht von vornherein als offensichtlich aussichtslos erscheint. Die Unterstützungsbehörde gemäß § 124 Absatz 2 Nummer 3 leistet dabei Hilfe. Die Leistungen aus § 102 bis auf die Schnellen Hilfen können ganz oder teilweise versagt werden, wenn antragstellende Personen es unterlassen, einen Antrag im Ausland zu stellen. Diese Fälle sind entsprechend den Fällen der fehlenden Mitwirkung in den §§ 66 und 67 SGB I zu behandeln.

 

§ 103 Leistungen für Zivildienstgeschädigte und Hinterbliebene

Zivildienstgeschädigte erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 23

1. nach Beendigung des Dienstverhältnisses Leistungen der Sozialen Entschädigung,

2. während des Dienstverhältnisses Leistungen des Kapitels 4 Abschnitt 3 und des Kapitels 9 Abschnitt 1.

Zu § 103 (Leistungen für Zivildienstgeschädigte und Hinterbliebene)

Die Vorschrift regelt, ab welchem Zeitpunkt Zivildienstbeschädigte Leistungen der Sozialen Entschädigung erhalten können. Nummer 2 entspricht dem Regelungsgehalt des § 50 Absatz 1 ZDG, wonach Zivildienstgeschä- digte bereits während des Dienstverhältnisses gewisse Leistungen nach dem BVG erhalten haben.

 

§ 104 Krankengeld der Sozialen Entschädigung für Zivildienstgeschädigte

Zivildienstgeschädigte, die infolge einer Zivildienstschädigung arbeitsunfähig sind, erhalten nach Beendigung des Zivildienstverhältnisses Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47 mit folgenden Maßgaben:

1. Zivildienstgeschädigte, die im Zeitpunkt der Beendigung des Zivildienstverhältnisses infolge einer Zivildienstbeschädigung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, gelten als arbeitsunfähig, wenn sie nicht oder nur mit der Gefahr, ihren Zustand zu verschlimmern, fähig sind, einer Erwerbstätigkeit oder Berufsausbildung nachzugehen. Als Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit gilt der Zeitpunkt der Beendigung des Zivildienstverhältnisses.

2. Als vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenes Einkommen gelten zehn Achtel der vor der Beendigung des Zivildienstverhältnisses bezogenen Geld- und Sachbezüge als Dienstpflichtiger. Hatte der Dienstpflichtige im letzten Kalendermonat vor dem für den Diensteintritt festgesetzten Zeitpunkt Arbeitseinkommen bezogen, so ist dieses Einkommen maßgebend, sofern das für ihn günstiger ist.

Zu § 104 (Krankengeld der Sozialen Entschädigung für Zivildienstgeschädigte)

Die Regelung greift § 49 ZDG in der bis ...[Tag des Inkrafttretens dieses Buches] geltenden Fassung auf.

 

Kapitel 16 Einsatz von Einkommen und Vermögen

 

§ 105 Grundsätze

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für die Besonderen Leistungen im Einzelfall nach Kapitel 11 mit Ausnahme der Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94.

(2) Für den Begriff und den Einsatz von Einkommen und Vermögen sowie die Verpflichtungen anderer gelten das Elfte Kapitel des Zwölften Buches sowie die hierzu erlassenen Verordnungen entsprechend, soweit in den folgenden Vorschriften nichts Abweichendes geregelt ist.

(3) Einkommen und Vermögen sind nicht einzusetzen bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf.

(4) Leistungen der Sozialen Entschädigung dürfen nicht von dem Einsatz von Einkommen oder dem Einsatz oder der Verwertung von Vermögen abhängig gemacht werden, soweit dies im Einzelfall bei Berücksichtigung der besonderen Lage derjenigen Person, die Einkommen oder Vermögen einzusetzen oder zu verwerten hat, oder für ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen unbillig wäre.

Zu § 105 (Grundsätze)

Die Vorschrift bestimmt die Grundsätze für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts, deren Erbringung eine finanzielle Hilfebedürftigkeit voraussetzen.

Absatz 1 regelt, dass Einkommen und Vermögen nur bei den Besonderen Leistungen im Einzelfall nach Kapitel 11 einzusetzen sind. Der letzte Halbsatz regelt eine Abweichung von dem Grundsatz, dass die Besonderen Leistungen im Einzelfall nach Kapitel 11 einkommens- und vermögensabhängig sind. Die Abweichung gilt allein für die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94, der die Rückzahlung des Darlehensanteils des BAföG betrifft. Voraussetzung für die Übernahme durch den Träger der Sozialen Entschädigung ist, dass die Berechtigten schädigungsbedingt auf BAföG angewiesen waren. Auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach Ende des BAföG-Bezuges kommt es nicht an.

Nach Absatz 2 sind für den Begriff und den Einsatz von Einkommen und Vermögen sowie die Verpflichtungen anderer grundsätzlich die Bestimmungen des Elften Kapitels des SGB XII sowie der hierzu erlassenen Verordnungen entsprechend anzuwenden. Dies bezieht sich zum einen auf sämtliche Regelungen des Elften Kapitels des SGB XII, einschließlich derjenigen zu dem Übergang von Ansprüchen nach §§ 93 und 94 SGB XII, und zum anderen auf die Regelungen der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII sowie der Verordnung zur Durchführung des § 90 Absatz 2 Nummer 9 SGB XII. Diese Regelungen sind bei den einkommens- und vermö- gensabhängigen Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts grundsätzlich entsprechend heranzuziehen, soweit sich aus den Bestimmungen des Kapitels 16 nichts Abweichendes ergibt. Der Grund für die entsprechende Anwendung der Regelungen des Sozialhilferechts liegt darin, dass die einkommens- und vermögensabhängigen Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts im Wesentlichen mit sozialhilferechtlichen Leistungen vergleichbar sind. Dies gilt für die lebensunterhaltssichernden Leistungen nach § 64 Absatz 3 und nach § 93, für die Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 95 sowie für die Leistungen in sonstigen Lebenslagen nach § 96.

Absatz 3 enthält den bislang in der Kriegsopferfürsorge geltenden Grundsatz, dass bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf, d. h. bei einem Bedarf, der ausschließlich auf der gesundheitlichen Schädigung bzw. den Schädigungsfolgen beruht, Einkommen und Vermögen nicht einzusetzen sind. Ein ausschließlich schädigungsbedingter Bedarf in diesem Sinne liegt vor, wenn der Zusammenhang zwischen der anerkannten Schädigungsfolge und dem geltend gemachten Bedarf besonders eng ist, so dass der Bedarf ohne die Schädigungsfolge nicht notwendig wäre. Hierfür genügt es daher nicht, dass die Schädigungsfolge nur annähernd gleichwertige Bedeutung für das Entstehen des Bedarfs hat. Es ist auch nicht ausreichend, dass die Schädigungsfolge gleichwertig zu anderen zur Entstehung des Bedarfs führenden Gründen ist. Andere gesundheitliche Faktoren im Sinne bedarfsmitbegründender Ursachen müssen entweder fehlen oder doch von so geringem Gewicht sein, dass sie außer Betracht bleiben können. Andererseits ist ausschließlich schädigungsbedingt nicht nur der Bedarf, der ohne die bestehende Schädigungsfolge überhaupt nicht denkbar wäre. Hierzu gehört vielmehr auch ein Bedarf, der bezogen auf die konkrete Situation des Betroffenen in besonderer Weise auf Grund der Schädigungsfolge besteht. Der Begriff "ausschließlich schädigungsbedingter Bedarf" ist somit in gleicher Weise wie in § 25c Absatz 3 Satz 2 BVG auszulegen.

Absatz 4 enthält eine Bestimmung, wonach Einkommen und Vermögen nicht einzusetzen sind, soweit dies im Einzelfall unbillig wäre. Diese Härtefallregelung ist § 25c Absatz 3 Satz 1 und § 25f Absatz 1 Satz 3 BVG nachempfunden. Eine Änderung der Rechtslage nach dem BVG ist damit nicht verbunden.

 

§ 106 Berücksichtigung von Einkommen

(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind

1. Leistungen nach diesem Buch mit Ausnahme von Leistungen, die dem Ersatz von Einkommen dienen, und

2. das Hinterbliebenengeld nach § 844 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

(2) Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe gelten nur dann als Einkommen, wenn neben Leistungen nach § 62 Satz 1 Nummer 1 Besondere Leistungen im Einzelfall in Betracht kommen.

(3) Als Einkommen gilt neben dem Einkommen der Berechtigten auch das Einkommen der nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder der Personen, die mit Berechtigten eine eheähnliche Lebensgemeinschaft führen, soweit es die für die Berechtigten maßgebliche Einkommensgrenze nach § 107 Absatz 1 übersteigt. Bei minderjährigen unverheirateten Berechtigten ist zur Deckung des Bedarfs auch das Einkommen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen, bei denen die Berechtigten leben. Abweichend von Satz 2 ist Einkommen der Eltern oder eines Elternteils nicht zu berücksichtigen, solange Berechtigte schwanger sind oder mindestens ein Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreuen. Zahlungen auf Grund eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches sind insoweit Einkommen der Berechtigten, als das Einkommen der Unterhaltspflichtigen die für sie nach § 107 Absatz 1 zu ermittelnde Einkommensgrenze übersteigt. Ist ein Unterhaltsbetrag gerichtlich festgesetzt, sind die darauf beruhenden Zahlungen Einkommen der Berechtigten.

Zu § 106 (Berücksichtigung von Einkommen)

Diese Vorschrift regelt, welches Einkommen abweichend von den §§ 82 bis 84 SGB XII zu berücksichtigen bzw. nicht zu berücksichtigen ist.

Nicht zu berücksichtigen sind nach Absatz 1 Nummer 1 die Leistungen nach diesem Buch mit Ausnahme von Leistungen, die dem Ersatz von Einkommen dienen. Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind u. a. die Entschädigungszahlungen, die Leistungen zur Teilhabe sowie die Besonderen Leistungen im Einzelfall. Die Entschädigungszahlung stellt eine Entschädigung für den durch die erlittene gesundheitliche Schädigung und die hierdurch verlorene gesundheitliche Integrität entstandenen immateriellen Schaden dar und hat somit eine stark immaterielle Komponente. Zudem soll sie dazu dienen, kurzfristig die Mehrbelastungen durch das schädigende Ereignis, die ein gesunder Mensch nicht hat, auszugleichen. Dies begründet die Nichtberücksichtigung der Entschä digungszahlung als Einkommen. Dass die Besonderen Leistungen im Einzelfall und grundsätzlich auch die Leistungen zur Teilhabe nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, entspricht dem Recht des BVG. Dem Ersatz von Einkommen dienen das Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47 und der Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10. Diese Leistungen sind somit als Einkommen zu berücksichtigen.

Absatz 1 Nummer 2 bestimmt ausdrücklich, dass das Hinterbliebenengeld nach § 844 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Sozialen Entschädigungsrecht nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Es handelt sich hierbei um eine rein deklaratorische Regelung. Das Hinterbliebenengeld ist in § 83 SGB XII, anders als das Schmerzensgeld nach § 253 Absatz 2 BGB, nicht ausdrücklich als nicht als Einkommen zu berücksichtigende Leistung genannt. Beim Hinterbliebenengeld handelt es sich allerdings ebenso wie beim Schmerzensgeld um eine Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Hinterbliebene sollen im Sinne einer Anerkennung ihres seelischen Leids wegen der Tötung eines ihnen besonders nahestehenden Menschen von dem hierfür Verantwortlichen eine Entschädigung verlangen können (BT-Drucksache 18/11397, Seite 1). Eine rechtliche Gleichbehandlung des Hinterbliebenengeldes mit dem Schmerzensgeld war deshalb bereits nach bisherigem Recht geboten. Diese gebotene rechtliche Gleichbehandlung wird nunmehr ausdrücklich gesetzlich geregelt. Daneben sind auch die übrigen in den §§ 83, 84 SGB XII genannten Leistungen nicht bzw. nur unter den im SGB XII genannten Voraussetzungen als Einkommen zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 105 Absatz 2 auf das Elfte Kapitel des SGB XII. Eine ausdrückliche Regelung im SGB XIV ist somit insoweit entbehrlich.

Absatz 2 enthält eine Ausnahme vom Grundsatz des Absatzes 1 Nummer 1, wonach Leistungen nach diesem Buch nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Demnach gelten Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen als Einkommen. Absatz 2 ist § 26a Absatz 4 BVG nachgebildet. Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe sind jetzt aber nur noch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn neben diesen Leistungen Besondere Leistungen im Einzelfall in Betracht kommen. Besondere Leistungen im Einzelfall kommen in diesem Sinne in Betracht, wenn bei Berechtigten ein Bedarf besteht, zu dessen Deckung die Leistungen nach Kapitel 11 bestimmt sind. Ob und in welcher Höhe Berechtigte im Einzelfall einen Anspruch auf Besondere Leistungen haben, hängt davon ab, inwieweit ihr Bedarf durch einzusetzendes Einkommen und Vermögen gedeckt wird. Als Einkommen einzusetzen sind dabei auch Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe.

Die Regelungen des Absatzes 3 entsprechen im Wesentlichen § 25d Absatz 2 und § 25e Absatz 2 Satz 1 BVG. Erweitert wird dieser Personenkreis um Personen, die mit Berechtigten eine Lebensgemeinschaft führen, die der Ehe ähnlich ist. Die Aufnahme dieses Personenkreises ist erforderlich, weil es sachgerecht ist, ihn den Ehegatten gleichzustellen. Satz 3 übernimmt die in § 19 Absatz 4 SGB XII sowie in § 27 Absatz 2 Satz 3 SGB XII in Verbindung mit § 39 Satz 3 Nummer 1 SGB XII genannte Regelung für das Soziale Entschädigungsrecht. Danach ist bei Schwangeren und bei Personen, die ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreuen, das Einkommen der Eltern nicht zu berücksichtigen.

 

§ 107 Einkommensgrenze

(1) Einkommen der Berechtigten ist nur einzusetzen, soweit es während der Dauer des Bedarfs im Monat eine Einkommensgrenze übersteigt. Abweichend von den in § 85 Absatz 1 des Zwölften Buches genannten Beträgen sind hierbei zu berücksichtigen

1. als Grundbetrag ein Betrag in Höhe des Dreifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches,

2. die Aufwendungen für die Unterkunft sowie

3. als Familienzuschlag ein Betrag in Höhe von 90 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 für nicht getrennt lebende Ehegatten und für jede Person, die von Berechtigten oder deren nicht getrennt lebenden Ehegatten überwiegend unterhalten wird.

Die Einkommensgrenze nach den Sätzen 1 und 2 beträgt höchstens das Achtfache der Regelbedarfsstufe 1 zuzüglich eines Betrags in Höhe von 75 Prozent des jeweiligen Familienzuschlags.

(2) Ist bei minderjährigen unverheirateten Berechtigten zur Deckung des Bedarfs auch das Einkommen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen, so werden die Einkommen Berechtigter und ihrer Eltern oder eines Elternteils unabhängig voneinander betrachtet. Dabei gilt für die Berechtigten die sich aus Absatz 1 ergebende Einkommensgrenze. Für die Eltern oder den Elternteil gilt eine eigene Einkommensgrenze, bei deren Ermittlung die in Absatz 1 genannten Beträge zu berücksichtigen sind. Werden beide Einkommensgrenzen überschritten, so ist vorrangig das Einkommen der Berechtigten einzusetzen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht bei Leistungen zum Lebensunterhalt.

Zu § 107 (Einkommensgrenze)

Diese Vorschrift regelt, welche Einkommensgrenze abweichend von den §§ 85 bis 89 SGB XII gilt. Durch die Berücksichtigung einer Einkommensgrenze wird gewährleistet, dass den Berechtigten ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben.

Absatz 1 bestimmt die Einkommensgrenze, die bei Einkommen der Berechtigten zu beachten ist. Diese setzt sich wie in § 85 Absatz 1 SGB XII aus einem Grundbetrag, den Aufwendungen für die Unterkunft sowie einem Familienzuschlag zusammen. Um dem Sonderopfer der Bezieher von Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts auch weiterhin angemessen Rechnung zu tragen, ist der Grundbetrag im Vergleich zu § 85 Absatz 1 Nummer 1 SGB XII erhöht worden. Zudem ist wie bisher die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf den angemessenen Umfang beschränkt. Ferner wird als Familienzuschlag ein Betrag in Höhe von 90 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 für nicht getrennt lebende Ehegatten berücksichtigt. Auch für jede Person, die von Berechtigten oder deren nicht getrennt lebenden Ehegatten überwiegend unterhalten wird, wird der Familienzuschlag in Höhe von 90 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 berücksichtigt. Dies stellt damit eine Besserstellung im Vergleich zu § 85 Absatz 1 Nummer 3 SGB XII dar. In Absatz 1 Satz 3 wird wie im BVG ein Höchstbetrag für die Einkommensgrenze bestimmt, der ebenfalls angemessen erhöht wird.

Absatz 2 regelt den Einsatz von Einkommen minderjähriger unverheirateter Berechtigter und ihrer Eltern oder eines Elternteils. Satz 1 bestimmt, dass abweichend von § 85 Absatz 2 SGB XII diese Einkommen getrennt voneinander betrachtet werden. Nach Satz 2 gilt für das Einkommen der minderjährigen unverheirateten Berechtigten die Einkommensgrenze nach Absatz 1. Nach Satz 3 ist für das Einkommen der Eltern oder eines Elternteils die Einkommensgrenze nach § 85 Absatz 2 SGB XII unter Berücksichtigung der in Absatz 1 genannten Beträge zu beachten. Diese Regelungen stellen insgesamt eine Besserstellung gegenüber dem Recht der Sozialhilfe dar. Für die Fälle, in denen sowohl die Einkommensgrenze der Berechtigten als auch die Einkommensgrenze der Eltern oder des Elternteils überschritten ist, sieht Satz 4 ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis zum Einkommenseinsatz vor. Vorrangig ist das Einkommen der Berechtigten einzusetzen, nachrangig das Einkommen der Eltern oder des Elternteils.

Nach Absatz 3 ist die Einkommensgrenze wie im bisherigen Recht bei Leistungen zum Lebensunterhalt nicht zu berücksichtigen.

 

§ 108 Berücksichtigung von Vermögen

(1) Als Vermögen einzusetzen sind auch Ansparungen aus Leistungen nach diesem Buch.

(2) Vermögenswerte aus Nachzahlungen von Entschädigungszahlungen nach diesem Buch bleiben für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt.

(3) Von Berechtigten selbst oder zusammen mit ihren Angehörigen genutztes Wohneigentum im Sinne des § 17 Absatz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes ist nicht zu verwerten.

(4) Bei minderjährigen unverheirateten Berechtigten ist zur Deckung des Bedarfs auch Vermögen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen oder zu verwerten. Abweichend von Satz 1 ist Vermögen der Eltern oder eines Elternteils nicht einzusetzen oder zu verwerten, solange Berechtigte schwanger sind oder mindestens ein Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreuen.

Zu § 108 (Berücksichtigung von Vermögen)

Diese Vorschrift bestimmt, welches Vermögen abweichend von den §§ 90 und 91 SGB XII einzusetzen und zu verwerten ist.

Nach Absatz 1 sind wie im bisherigen Recht auch Ansparungen aus Leistungen nach diesem Buch als Vermögen einzusetzen. Dies gilt auch für Ansparungen aus Entschädigungszahlungen trotz ihres Charakters als immaterielle und schädigungsbedingte Mehrbelastungen ausgleichende Leistung. Der besonderen Stellung der Betroffenen wird dadurch entsprochen, dass im Sozialen Entschädigungsrecht im Vergleich zum SGB XII höhere Vermögensschonbeträge gelten.

Die Regelung in Absatz 2 dient dem Schutz von Berechtigten, die Nachzahlungen von Entschädigungszahlungen erhalten. Diese Nachzahlungen bilden zwar Vermögen, werden aber für den Zeitraum von bis zu einem Jahr geschützt. Dies entspricht dem bisherigen Recht in § 25f Absatz 1 Satz 5 BVG.

Die Vorschrift in Absatz 3 dient dem Schutz von Wohneigentum der Berechtigten unabhängig davon, ob sie dieses allein oder gemeinsam mit ihren Angehörigen bewohnen.

Nach Absatz 4 ist bei Leistungen an minderjährige unverheiratete Berechtigte grundsätzlich auch Vermögen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen oder zu verwerten. Dies gilt nicht, solange Berechtigte schwanger sind oder mindestens ein Kind, zu dem sie in einem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis stehen, bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreuen. Eine Änderung zum bisherigen Recht ist mit dieser Regelung nicht verbunden.

 

§ 109 Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, welche weiteren

1. Einkünfte nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist,

2. Beträge von dem Einkommen abzusetzen sind sowie

3. Vermögensgegenstände als Schonbeträge zu berücksichtigen und in welcher Höhe kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte nicht als Vermögen einzusetzen oder zu verwerten sind.

Zu § 109 (Verordnungsermächtigung)

Die Vorschrift knüpft inhaltlich an § 27f BVG an, ist jedoch im Hinblick auf die Anforderungen von Artikel 80 GG konkretisiert. Die Ermächtigung betrifft die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens und des zu schonenden Vermögens. Aufgrund der finanziellen Tragweite hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Verordnungsermächtigung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen herzustellen.

 

Kapitel 17 Anpassung

 

§ 110 Höhe und Zeitpunkt der Anpassung, Verordnungsermächtigung

(1) Die Höhe der Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9, der Betrag nach § 89 Absatz 8 Satz 1 sowie die Höhe der Einmalzahlungen nach § 102 Absatz 4 und 5 werden jeweils entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(2) Die sich durch die Anpassung ergebenden Beträge sind bis 0,49 Euro auf volle Euro abzurunden und ab 0,50 Euro auf volle Euro aufzurunden.

(3) Die Anpassung erfolgt durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.

(4) Die Anpassung nach Absatz 1 wirkt sich nicht auf bereits ausgezahlte Leistungen aus, insbesondere nicht auf die Abfindung nach den §§ 84 und 86.

Zu § 110 (Höhe und Zeitpunkt der Anpassung, Verordnungsermächtigung)

Die Vorschrift regelt die Anpassungen der Geldleistungen im Rahmen der Sozialen Entschädigung. Durch diesen im Sozialen Entschädigungsrecht seit Jahrzehnten bewährten "Anpassungsverbund" mit der gesetzlichen Rentenversicherung werden die Geldleistungen zum selben Zeitpunkt und entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Bis zur Angleichung der aktuellen Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2024 ist durch die in § 110 gewählte Formulierung für die Anpassung der Geldleistungen im Rahmen der Sozialen Entschädigung der für die alten Länder maßgebende aktuelle Rentenwert und ab 2024 der bundeseinheitlich geltende aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend. Der Faktor für die Anpassung der Geldleistungen im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts ergibt sich aus dem Anpassungssatz des aktuellen Rentenwerts in der gesetzlichen Rentenversicherung. Absatz 2 enthält eine Rundungsregelung.

Die Regelung enthält in Absatz 3 die Ermächtigung des BMAS, die Anpassung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats vorzunehmen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

22. Zu Artikel 1 (§ 110 Absatz 4 – neu – SGB XIV)

In Artikel 1 ist dem § 110 folgender Absatz 4 anzufügen:
8. "(4) Die Anpassung nach Absatz 1 wirkt sich nicht auf bereits ausgezahlte Leistungen aus, insbesondere nicht auf die Abfindungen nach den §§ 84 und 86."

Begründung:
55. Die Regelung dient zur Klarstellung, dass keine nachträgliche Neuberechnung von bereits ausgezahlten Leistungen erfolgt.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 22 (Zu Artikel 1, § 110 Absatz 4 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

Kapitel 18 Organisation, Durchführung und Verfahren

 

Abschnitt 1 Organisation und Durchführung

 

§ 111 Träger der Sozialen Entschädigung

Träger der Sozialen Entschädigung sind die Länder.

Zu § 111 (Träger der Sozialen Entschädigung)

Träger der Sozialen Entschädigung sind wie bisher die Länder.

 

§ 112 Sachliche Zuständigkeit

Sachlich zuständig sind die nach Landesrecht bestimmten Behörden. Die Zuständigkeit kann auf gemeinsame Behörden oder auf andere Träger übertragen werden.

Zu § 112 (Sachliche Zuständigkeit)

Die Vorschrift regelt die sachliche Zuständigkeit. Grundsätzlich regeln die Länder, welche Behörden auf ihrem Gebiet das Soziale Entschädigungsrecht ausführen. Eine Übertragung auf andere Träger ist möglich.

 

§ 113 Örtliche Zuständigkeit

(1) Die örtliche Zuständigkeit der Behörden nach § 112 bestimmen die Länder.

(2) Bei der Entschädigung von Opfern einer Gewalttat nach den §§ 13 bis 15, bei der Entschädigung von Berechtigten nach § 21 sowie den Leistungen an Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende dieser Personen ist dasjenige Land zuständig, in dem die berechtigte Person ihren Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(3) Für die Festsetzung nach § 8 Absatz 2 ist das Land zuständig, das über die Ansprüche aus dem letzten schädigenden Ereignis entscheidet.

(4) Bei der Entschädigung von Berechtigten nach § 23 ist dasjenige Land zuständig, in dem die antragstellende Person zum Zeitpunkt des Dienstbeginns ihren Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(5) Bei der Entschädigung nach § 24 ist dasjenige Land zuständig, in dem die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe vorgenommen wurde. Wurde die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe im Ausland vorgenommen, ist dasjenige Land zuständig, in dem die Antragstellerin oder der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren oder seinen Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die örtliche Zuständigkeit der Behörden für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, zu bestimmen.

Zu § 113 (Örtliche Zuständigkeit)

Die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit im Einzelnen treffen nach Absatz 1 die Länder.

Für die Gewaltopferentschädigung sieht Absatz 2 im Interesse der Berechtigten eine gesonderte Zuständigkeit des Landes vor, in dem die antragstellende Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Treffen Ansprüche zusammen, die entweder auf unterschiedlichen schädigenden Ereignissen nach § 1 Absatz 3 oder auf dem SGB XIV und auf anderen Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des SGB XIV vorsehen, beruhen, bestimmt Absatz 3, dass für die Festsetzung des einheitlichen GdS das Land zuständig ist, das über die Ansprüche aus dem letzten schädigenden Ereignis entscheidet. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. Die anteilige Kostentragung der betroffenen Bundesländer ist in § 136 geregelt.

Für die Zivildienstgeschädigten sieht Absatz 4 eine Zuständigkeit des Landes vor, in dem die antragstellende Person zum Zeitpunkt des Dienstbeginns ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Absatz 5 sieht anstelle des § 66 Absatz 2 IfSG bei der Entschädigung nach § 24 vor, dass dasjenige Land zuständig ist, in dem die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe als ursächliches Ereignis vorgenommen wurde. Wurde die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe im Ausland vorgenommen, ist dasjenige Land zuständig, in dem die Antragstellerin oder der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren oder seinen Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Absatz 6 sieht eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung vor, durch die die örtliche Zuständigkeit für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, geregelt wird.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

23. Zu Artikel 1 (§ 113 Absatz 2, § 136 Satz 2 – neu – SGB XIV) Artikel 3 Nummer 2a – neu – (§ 4 Absatz 1 OEG) Artikel 59 Absatz 2 und 3 Nummer 1a – neu – (Inkrafttreten)

a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
aa) § 113 Absatz 2 ist wie folgt zu fassen:
9. "(2) Bei der Entschädigung von Opfern einer Gewalttat nach den §§ 13 bis 15 und bei der Entschädigung von Berechtigten nach § 21 ist dasjenige Land zuständig, in dem Berechtigte nach § 2 Absatz 1 ihren Wohnsitz,
bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben."
bb) Dem § 136 ist folgender Satz anzufügen:
"Das gilt entsprechend für den Bund, soweit dieser nach allgemeinen Regeln die Kosten zu tragen hat."
b) In Artikel 3 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:
,2a. § 4 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
10. "(1) Zur Gewährung der Versorgung ist das Land verpflichtet, in dem die Geschädigten oder Hinterbliebenen ihren Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Für die Entscheidung über einen bis zum 30. Juni 2020 gestellten und nicht bestandskräftig beschiedenen Antrag auf Leistungen nach § 1 ist dasjenige Land zuständig, in dem die Schädigung eingetreten ist. Für Personen, die bereits Leistungen nach § 1 erhalten, ist bis zum 31. Dezember 2020 das Land für die Gewährung der Versorgung verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Sind Feststellungen zu dem Ort der Schädigung nicht möglich, so ist das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte." ‘
c) Artikel 59 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Absatz 2 ist der Punkt am Ende durch die Wörter ", soweit nicht Absatz 3 etwas Abweichendes regelt." zu ersetzen.
bb) Nach Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:
"1a. Artikel 3 Nummer 2a,"

Begründung:
56. Ein wesentliches Ziel der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts ist die Ausrichtung an den Bedarfen der Betroffenen, insbesondere der Opfer von Gewalttaten.
Leistungen sollen personenzentriert bereitgestellt werden. Dazu gehört, dass die Berechtigten nach § 2 Absatz 1 die Leistungen der Schnellen Hilfen an ihrem jeweiligen Wohnsitz in Anspruch nehmen können. Die Behörde am Wohnsitz des Berechtigten kennt die Besonderheiten vor Ort und kann auf Wunsch durch persönlichen Kontakt unterstützen.
57. Konsequent ist es daher, dass der Wohnsitz künftig zum Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit wird (§ 113 Absatz 2 SGB XIV-E).
58. Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe aa
59. Es ist klarzustellen, dass die Wohnsitzregelung ihren wesentlichen Bezug nicht in der Antragstellung oder dem unveränderlichen Zeitpunkt dieses Geschehens, sondern in der jeweiligen Person des Berechtigten nach § 2 Absatz 1 findet, die gegebenenfalls ihren Wohnsitz nach Antragstellung wechselt beziehungsweise den Antrag nicht persönlich gestellt hat. Bei mehreren Berechtigten mit auseinanderfallenden Wohnsitzen
kann es auch zu einer auseinanderfallenden örtlichen Zuständigkeit kommen.
60. Durch eine entsprechende Änderung in § 113 Absatz 2 SGB XIV-E soll die berechtigte Person zum Bezugspunkt werden. Dies gilt gleichermaßen für berechtigte Personen, die durch Auswirkungen kriegerischer Vorgänge im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, eine gesundheitliche Schädigung erleiden.
61. Dies soll nicht zur Folge haben, dass die Prüfung der Berechtigung vor die Prüfung der Zuständigkeit gezogen beziehungsweise mit dieser verknüpft wird; sobald eine leistungsbegehrende Person auftritt, die ihren Wohnsitz nicht im angegangenen Land hat, kann die Verweisung erfolgen.
62. Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe bb
63. Die Kostenträgerschaft für den Entschädigungstatbestand der Gewalttat ist bereits gemäß § 133 Satz 4 SGB XIV-E konsequent an der örtlichen Zuständigkeit ausgerichtet. Diese Verwaltungsvereinfachung gilt auch in den bislang problematischen Konstellationen mehrfacher beziehungsweise mehraktiger Taten; hier wird künftig die Auseinandersetzung über Anteile der Kostentragung entfallen.
64. Bezogen auf eine Konkurrenz mit Ansprüchen, die sich auf andere Entschädigungstatbestände zurückführen lassen, bedarf es jedoch in § 136 SGB XIV-E der Klarstellung, dass gegebenenfalls auch der Bund Kostenträger sein kann. Das gilt für andere Entschädigungstatbestände nach Kapitel 2 Abschnitt 2 sowie – über § 8 Absatz 2 SGB XIV-E – bei entsprechendem Anwendungsbefehl in anderen Gesetzen. Insoweit könnte künftig insbesondere die Soldatenversorgung in Betracht kommen. Eine solche Klarstellung erfolgt mit der vorgesehenen Ergänzung von § 136 SGB XIV-E um einen zweiten Satz.
65. Zu den Buchstaben b und c
66. Die Aufgabe des Tatortprinzips und die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach dem Wohnsitz der Berechtigten sollte nicht erst mit Inkrafttreten des SGB XIV im Jahr 2024 Geltung erlangen; die Umstellung wäre bereits jetzt sinnvoll. In vielen Ländern gibt es bereits Traumaambulanzen, einige Länder haben bereits ein Fallmanagement eingeführt.
67. Der Wechsel vom Tatortprinzip zum Wohnsitzprinzip soll in einem zweistufigen Verfahren stattfinden. Noch nicht rechtskräftig beschiedene Anträge sollen in einer ersten Stufe ab dem 1. Juli 2020 durch die Wohnsitzländer bearbeitet werden. In der zweiten Stufe sollen Berechtigte, die bereits Leistungen nach dem OEG beziehen, ab dem 1. Januar 2021 ihre Leistungen im Wohnsitzland erhalten. Damit besteht für die Versorgungsbehörden ausreichend Zeit, die Fälle zur Abgabe vorzubereiten, in denen Tatort und Wohnsitz sich in unterschiedlichen Bundesländern befinden.
68. Inhaltlich entspricht die vorgeschlagene Änderung des § 4 Absatz 1 OEG der Regelung des § 113 Absatz 2 SGB XIV-E.
69. Infolge der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 59 Absatz 3 würde die geänderte Zuständigkeitsregelung im Opferentschädigungsgesetz am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft treten.
70. Auch die Kostentragung würde mit dieser Änderung für Bestands- und Neufälle vor Inkrafttreten des SGB XIV auf die Wohnsitzbehörde übergehen. Im Opferentschädigungsgesetz gilt ein Gleichlauf von Kostenträgerschaft und Durchführungszuständigkeit.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 23 (Zu Artikel 1, § 113 Absatz 2, § 136 Satz 2 – neu – SGB XIV, Artikel 3 Nummer
2a – neu – (§ 4 Absatz 1 OEG), Artikel 59 Absatz 2 und 3 Nummer 1a – neu – (Inkrafttreten)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 114 Aufgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wirkt auf die bundeseinheitliche Durchführung dieses Buches durch geeignete Maßnahmen hin.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nimmt die Aufgaben der zentralen Kontaktstelle im Sinne des Artikels 16 der Richtlinie 2004/80/EG wahr.

Zu § 114 (Aufgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales)

Diese Vorschrift enthält in Absatz 1 die Verpflichtung des BMAS, im Interesse der Betroffenen auf eine bundeseinheitliche Anwendung der Vorschriften dieses Buches hinzuwirken.

In Absatz 2 werden die Aufgaben benannt, die der Bund auf Grund seiner Verpflichtungen aus internationalen Abkommen übernommen hat.

 

Abschnitt 2 Verfahren zur Prüfung des Leistungsanspruchs

 

§ 115 Erleichtertes Verfahren bei Leistungen der Schnellen Hilfen

(1) Leistungen der Schnellen Hilfen werden in der Regel im Erleichterten Verfahren erbracht.

(2) Im Erleichterten Verfahren genügt es, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass die antragstellende Person nach dem Recht der Sozialen Entschädigung anspruchsberechtigt sein kann. Dabei ist der im Antrag dargelegte Sachverhalt als wahr zu unterstellen, wenn nicht dessen Unrichtigkeit offensichtlich ist.

(3) Im Erleichterten Verfahren wird weder eine Feststellung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des von der antragstellenden Person vorgetragenen Sachverhaltes noch über das Bestehen oder Nichtbestehen weiterer, über die Schnellen Hilfen hinausgehende Ansprüche getroffen.

Zu § 115 (Erleichtertes Verfahren bei Leistungen der Schnellen Hilfen)

Mit den Leistungen nach Kapitel 4 sollen Berechtigte unbürokratisch und erforderlichenfalls unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis Hilfe erhalten. Eine genaue Sachverhaltsermittlung und detaillierte Anspruchsprüfung seitens der zuständigen Behörde würde zu Verzögerungen führen, die die mit den Schnellen Hilfen verfolgten Ziele konterkarieren können. Daher soll die zügige Inanspruchnahme Schneller Hilfen durch ein Erleichtertes Verfahren ermöglicht werden.

Absatz 1 stellt klar, dass Leistungen der Schnellen Hilfen im Regelfall im erleichterten Verfahren erbracht werden. Nur in einfach gelagerten, eindeutigen Ausnahmefällen, in denen ohne zeitliche Verzögerung insgesamt über die in Frage kommenden Ansprüche der Sozialen Entschädigung entschieden werden kann, kann im regulären Verfahren auch über die Leistungen der Schnellen Hilfen entschieden werden.

Im Erleichterten Verfahren wird nach Absatz 2 der vorgetragene Sachverhalt - sofern nicht offensichtlich unrichtig - als wahr unterstellt und das Bestehen von Ansprüchen nach diesem Buch nur summarisch geprüft. Ergibt die summarische Prüfung, dass die antragstellende Person Leistungsansprüche nach diesem Buch haben kann, hat sie einen Anspruch auf Leistungen der Schnellen Hilfen.

Absatz 3 dient der Klarstellung. Das Erleichterte Verfahren betrifft ausschließlich den Anspruch auf Schnelle Hilfen, es werden keine darüber hinausgehenden Feststellungen zu anderen Leistungsansprüchen getroffen.

Der Widerrufsvorbehalt nach Absatz 4 ermöglicht der zuständigen Behörde, den im Erleichterten Verfahren erlassenen Verwaltungsakt zu widerrufen, wenn die reguläre, im Anschluss an das Erleichterte Verfahren erfolgende weitere Prüfung ergibt, dass die antragstellende Person keinen Leistungsanspruch nach diesem Buch hat. Ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs besteht für die Zukunft kein Anspruch mehr auf die Leistungen der Schnellen Hilfen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

24. Zu Artikel 1 (§ 115 Absatz 4 SGB XIV)

In Artikel 1 ist § 115 Absatz 4 zu streichen.

Begründung:

71. Gemäß § 115 Absatz 1 SGB XIV-E werden die Leistungen der Schnellen Hilfen im Erleichterten Verfahren erbracht. Die Berechtigten sollen damit unbürokratisch und erforderlichenfalls unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis Hilfe erhalten.
72. Gemäß Absatz 2 erfolgt daher nur eine summarische Prüfung des vom Antragsteller dargelegten Sachverhalts, der als wahr unterstellt wird, wenn nicht dessen Unrichtigkeit offensichtlich ist. Nach Absatz 3 wird weder eine Feststellung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des vorgetragenen Sachverhalts noch über das Bestehen oder Nichtbestehen weiterer Ansprüche getroffen.
73. Der unbürokratischen Schnellen Hilfe widerspricht aber eine Regelung, dass der Träger der Sozialen Entschädigung eine Entscheidung unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassen muss.
74. Aufgrund der abgestuften Prüfung des vorgetragenen Sachverhalts und des Umstands, dass keine Feststellung irgendwelcher Art dazu getroffen wird, ist der bürokratische Erlass eines – dann – schriftlichen Verwaltungsaktes zur Aufnahme eines Widerspruchsvorbehaltes nicht zweckmäßig.
75. Die umfängliche Prüfung der Ansprüche erfolgt im weiteren Verfahren nach § 116 SGB XIV-E, das mit dem Erlass eines begünstigenden oder ablehnenden Verwaltungsaktes endet.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 24 (Zu Artikel 1, § 115 Absatz 4 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 116 Weiteres Verfahren

(1) Nach der Entscheidung im Erleichterten Verfahren wird geprüft, ob Ansprüche auf Leistungen der Sozialen Entschädigung bestehen, es sei denn, die antragstellende Person hat den Antrag ausdrücklich auf Schnelle Hilfen beschränkt.

(2) Ergibt die weitere Prüfung, dass keine Leistungsansprüche der Sozialen Entschädigung bestehen, wird der Antrag abgelehnt. Zugleich wird der Verwaltungsakt, der zuvor im Erleichterten Verfahren ergangen ist, mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

(3) Ergibt die weitere Prüfung, dass Leistungsansprüche der Sozialen Entschädigung bestehen, erging im Erleichterten Verfahren aber ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, wird der im Erleichterten Verfahren ergangene Verwaltungsakt widerrufen und über den Antrag neu entschieden.

Zu § 116 (Weiteres Verfahren)

Absatz 1 stellt klar, dass ein Antrag auf Leistungen nach diesem Buch außerhalb des Erleichterten Verfahrens umfassend zu prüfen ist.

Die Absätze 2 und 3 regeln das weitere Verfahren, wenn die Prüfung entweder ergibt, dass keine Leistungsansprüche der Sozialen Entschädigung bestehen, im Erleichterten Verfahren jedoch ein begünstigender Verwaltungsakt ergangen ist oder wenn Leistungsansprüche bestehen, im Erleichterten Verfahren aber ein nicht begünstigender Verwaltungsakt ergangen ist.

 

§ 117 Beweiserleichterungen

(1) Die Angaben der antragstellenden Person, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind, wenn Beweismittel nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden der antragstellenden Person oder ihrer Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

(2) Eine Tatsache erscheint glaubhaft, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht.

(3) Die Verwaltungsbehörde kann von der antragstellenden Person in besonderen Fällen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen.

Zu § 117 (Beweiserleichterungen)

Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), auf den § 6 Absatz 3 OEG verwies. Mit der Regelung soll der Beweisnot in den Fällen Rechnung getragen werden, in denen das schädigende Ereignis nicht mit Beweismitteln nachweisbar ist. Entgegen dem bisherigen Wortlaut kommt es nicht allein auf das Fehlen von "Unterlagen" an, sondern - der bisherigen Auslegung der Norm entsprechend - auf das Fehlen von Beweismitteln. Hierbei geht es meist um Fälle, in denen das schädigende Ereignis ohne Zeugen stattgefunden hat oder wenn Zeugen von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen oder die Ladung des Täters für die geschädigte Person nicht zumutbar ist, etwa in Missbrauchsfällen. In diesen Konstellationen, in denen keine anderen Beweismittel als die Angaben der betroffenen Person zur Verfügung stehen, greift die Beweiserleichterung, wenn die betroffene Person oder ihre Hinterbliebenen den Beweisnotstand nicht selbst verschuldet haben und die Angaben glaubhaft erscheinen.

Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R). Diese in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannte Definition der Glaubhaftmachung wird ausdrücklich in Absatz 2 aufgenommen. Glaubhaftmachung bedeutet danach das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit d. h. der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG Beschluss vom 8.8.2001, B 9 V 23/01 B). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 mwN). Grundsätzlich obliegt es der zuständigen Behörde, die Angaben zu beurteilen. Das BSG hat die Berücksichtigung aussagepsychologischer Glaubhaftigkeitsgutachten im Sozialen Entschädigungsrecht zwar für zulässig erachtet (Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R). Eine aussagepsychologische Begutachtung kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Behörde die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt. Gleiches gilt im Gerichtsverfahren (vgl. dazu das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.04.2015, L 15 VG 24/09). Die Einholung eines Gutachtens kann aber vor allem dann geboten sein, wenn die Angaben der Auskunftsperson das einzige Beweismittel für das in Frage stehende Geschehen sind und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie durch eine psychische Erkrankung der Auskunftsperson und deren Behandlung beeinflusst sein können (BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R).

Die anschließende umfassende rechtliche Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich des aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachtens obliegt der entscheidenden Behörde bzw. dem Gericht. Hierzu gehört auch die Feststellung, ob die Aussage einer Auskunftsperson bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten relativ am wahrscheinlichsten und damit glaubhaft ist (BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R).

Nach § 23 SGB X darf die Behörde bei Ermittlung des Sachverhalts eine Versicherung an Eides statt nur auf Grundlage einer entsprechenden Ermächtigungsnorm verlangen und abnehmen. Absatz 3 der vorliegenden Vorschrift stellt eine solche Ermächtigung gegenüber der antragstellenden Person dar. Eine Versicherung an Eides statt kann danach nicht in jedem Fall, sondern nur dann verlangt werden, wenn die Umstände des Einzelfalles sie als das gebotene Mittel erscheinen lassen.

 

§ 118 Beiziehung von Unterlagen und Anhörung

(1) Mit Einwilligung der antragstellenden Person kann die zuständige Verwaltungsbehörde zur Aufklärung des Sachverhalts von öffentlichen, freien gemeinnützigen und privaten Krankenhäusern sowie Krankenhäusern öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Trägern der Sozialversicherung Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder im erforderlichen Maße zur Einsicht beiziehen. Die Verwaltungsbehörde hat für die Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses Sorge zu tragen. Unter denselben Voraussetzungen kann die Verwaltungsbehörde von privaten Ärztinnen und Ärzten und anderen Therapeutinnen und Therapeuten, die die antragstellende Person behandeln oder behandelt haben, Auskünfte einholen und Untersuchungsunterlagen zur Einsicht beziehen.

(2) Die Verwaltungsbehörde ist befugt, von den Auskunftspersonen die eidesstattliche Versicherung zu verlangen, dass sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben. In gleicher Weise kann von den Sachverständigen die eidesstattliche Versicherung verlangt werden, dass sie das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen erstattet haben.

(3) Ist die Anhörung vor den zuständigen Verwaltungsbehörden mit Schwierigkeiten verbunden, namentlich wegen der Entfernung des Aufenthaltsorts der zu hörenden Personen vom Sitz der Verwaltungsbehörde, so kann eine andere Verwaltungsbehörde und, wenn die Anhörung vor dieser ebenfalls Schwierigkeiten unterläge, eine andere Behörde um die Erledigung ersucht werden. Dasselbe gilt bei Gefahr im Verzug.

Zu § 118 (Beiziehung von Unterlagen und Anhörung)

Absatz 1 der Vorschrift entspricht dem bisherigen § 12 Absatz 2 und 3 KOVVfG sowie dem bisherigen § 13 KOVVfG.

Die Norm ergänzt die allgemeinen gelten Vorschriften der §§ 20 und 21 SGB X und regelt die Beiziehung der ärztlichen Unterlagen der antragstellenden Person durch die zuständige Verwaltungsbehörde. Sie benennt dabei genau, welche Unterlagen von der zuständigen Behörde beigezogen werden können. Diese Beiziehung setzt die Einwilligung der antragstellenden Person voraus und darf nur in dem zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Umfang erfolgen. Zudem muss die Behörde für die Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses Sorge tragen.

Nach § 23 SGB X darf die Behörde bei Ermittlung des Sachverhalts eine Versicherung an Eides statt nur auf Grundlage einer entsprechenden Ermächtigungsnorm verlangen und abnehmen.

Absatz 2 stellt eine solche Ermächtigungsnorm dar, um von Auskunftspersonen und Sachverständigen die eidesstattliche Versicherung verlangen zu können.

Absatz 3 ermöglicht der zuständigen Behörde, andere Behörden um die Durchführung der Anhörung zu ersuchen, wenn dies für sie mit Schwierigkeiten verbunden wäre oder Gefahr in Verzug besteht.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

25. Zu Artikel 1 (§ 118 Absatz 1 Satz 3 SGB XIV)

In Artikel 1 sind in § 118 Absatz 1 Satz 3 nach dem Wort "Ärzten" die Wörter "und anderen Therapeuten" einzufügen.

Begründung:

76. Wichtig für die sachgerechte versorgungsmedizinische Beurteilung von psychischen Gesundheitsstörungen sind auch die Auskünfte von Therapeuten und die Beiziehung ihrer Untersuchungsunterlagen. Da diese nicht in Absatz 1 mit aufgeführt werden, können diese die Auskünfte und die Einsicht in Untersuchungsunterlagen formal ablehnen.
77. Dies ist weder für den Betroffenen noch die Verwaltung zielführend im Sinne einer schnellen und qualifizierten Antragsbearbeitung.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 25 (Zu Artikel 1, § 118 Absatz 1 Satz 3 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 119 Vorzeitige Leistungen und vorläufige Entscheidung

(1) Bevor die Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 festgestellt sind, können Geschädigte Leistungen der Krankenbehandlung sowie Leistungen zur Teilhabe und Besondere Leistungen im Einzelfall erhalten.

(2) Kann nach dem Ergebnis der Ermittlungen über den Anspruch oder dessen Umfang noch nicht endgültig entschieden werden, sind jedoch die Voraussetzungen für die Bewilligung einzelner Leistungen mit Wahrscheinlichkeit gegeben, kann über die Erbringung vorläufig entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Antrag auf vorläufige Entscheidung vorliegt und ein berechtigtes Interesse an der vorläufigen Entscheidung besteht. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind in der Entscheidung anzugeben. Nach Abschluss der Ermittlungen ist unverzüglich die endgültige Entscheidung zu treffen.

Zu § 119 (Vorzeitige Leistungen und vorläufige Entscheidung )

Absatz 1 enthält den Katalog der Leistungen, die erbracht werden können, bevor die Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 festgestellt sind. Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 10 Absatz 8 BVG, wurde aber erweitert auf Leistungen zur Teilhabe und Besondere Leistungen im Einzelfall. Voraussetzung ist, dass Ausschließungsgründe nicht vorliegen und der Antrag wahrscheinlich zu einer entsprechenden Anerkennung führen wird.

Absatz 2 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 22 Absatz 4 KOVVfG. Personen, die dringend auf bestimmte Leistungen der Sozialen Entschädigung angewiesen sind, sollen sie vor Abschluss der Ermittlungen erhalten können, wenn die Voraussetzungen für deren Bewilligung wahrscheinlich gegeben sind. Das erforderliche berechtigte Interesse der betroffenen Person kann auch ein wirtschaftliches sein, etwa Bedürftigkeit.

 

Abschnitt 3 Weitere Regelungen

 

§ 120 Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige

(1) § 116 des Zehnten Buches gilt für den Übergang eines Anspruchs der oder des Berechtigten auf Ersatz eines Schadens auf den oder die jeweiligen Kostenträger der Sozialen Entschädigung entsprechend.

(2) Ein Ersatzanspruch kann nicht zum Nachteil der oder des Berechtigten geltend gemacht werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Schadensersatzleistungen der Schädigerin oder des Schädigers oder eines Dritten nicht ausreichen, um den gesamten Schaden zu ersetzen. In diesen Fällen sind die Schadensersatzansprüche der oder des Berechtigten vorrangig gegenüber den Ansprüchen des Kostenträgers.

(3) Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn diese keinen Erfolg verspricht.

(4) Die Krankenkassen haben der Verwaltungsbehörde die Tatsachen mitzuteilen, aus denen sich ergibt, dass ein Dritter den Schaden verursacht hat. Auf Anfrage haben die Krankenkassen und die Unfallkassen der Länder der Verwaltungsbehörde Angaben darüber zu machen, in welcher Höhe ihnen Kosten für Leistungen der Krankenbehandlung entstanden sind. Keine Angaben sind erforderlich für nichtstationäre ärztliche Behandlungen und die Versorgung mit Arzneimitteln und Verbandmitteln.

Zu § 120 (Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige)

Die Vorschrift regelt den gesetzlichen Übergang von Schadensersatzansprüchen von Berechtigten gegen Schädiger auf den Träger der Sozialen Entschädigung. Auf wen der Anspruch übergeht, richtet sich danach, wer im Einzelfall die Kosten für die Leistungen trägt.

Absatz 1 erklärt § 116 des Zehnten Buches für entsprechend anwendbar. Die Absätze 2 bis 4 enthalten darüber hinaus gehende, ergänzende Sonderregelungen:

Absatz 2 Satz 1 übernimmt § 81a Absatz 1 Satz 3 BVG und regelt, dass die Geltendmachung nicht zu Nachteilen für den Berechtigten führen darf. In Anlehnung an das Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 26.11.2002 - IV c 2 - 62039 - können über rein fiskalische Aspekte hinaus auch Nachteile sonstiger Art zum Ausschluss des Rückgriffs auf den Schädiger führen. Dies kommt insbesondere in Fallgestaltungen zum Tragen, in denen zu befürchten ist, dass die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs für ein kindliches Opfer zu schweren gesundheitlichen Schädigungen führen könnte. Satz 2 und 3 konkretisieren den Aspekt fiskalischer Nachteile. So muss der Träger der Sozialen Entschädigung mit der Realisierung seiner Ansprüche zurücktreten, solange und soweit die Ersatzleistungen des Schädigers oder eintrittspflichtiger Dritter nicht ausreichen, um den gesamten Schaden zu ersetzen. Dies gilt auch dann, wenn die Eintrittspflicht eines Dritten gedeckelt ist und deswegen die zur Verfügung stehenden Mittel evtl. nicht ausreichen (der Entschädigungsfonds nach § 12 PflVG leistet im Rahmen der Mindestversicherungssumme, der Versicherer im Rahmen der vereinbarten Leistungspflicht). Es sollen grundsätzlich zuerst Geschädigte und dann erst der Träger befriedigt werden.

Absatz 3 ist der Verwaltungsvorschrift Nr. 8 Satz 3 zum bisherigen § 81a BVG nachgebildet und dient der Entlastung der Träger der Sozialen Entschädigung in Fällen, in denen der Ersatzpflichtige erkennbar mittellos ist und der Ersatzanspruch wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen auch in Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden kann.

Absatz 4 soll wie bisher § 81 a Absatz 3 BVG sicherstellen, dass der Träger der Sozialen Entschädigung Schadensersatzansprüche gegen Dritte erfolgreich geltend machen kann. Das ist nur möglich, wenn die Krankenkassen die Verwaltungsbehörde über Fälle, in denen ein Drittverschulden zu vermuten ist, informieren. Sofern die Verwaltungsbehörde hinsichtlich der Höhe der Kosten für Leistungen der Krankenbehandlung Informationen zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs benötigt, kann sie diese Informationen bei den Krankenkassen und bei den Unfallkassen der Länder erfragen.

 

§ 121 Erstattung von Leistungen durch öffentlich-rechtliche Stellen

Hat ein Träger der Sozialen Entschädigung Leistungen erbracht und stellt sich nachträglich heraus, dass eine andere öffentlich-rechtliche Stelle, die nicht Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches ist, zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, hat die zur Leistung verpflichtete Stelle die Aufwendungen zu erstatten. Der Umfang der Erstattung richtet sich nach den Rechtsvorschriften, die für die verpflichtete Stelle gelten.

Zu § 121 (Erstattung von Leistungen durch öffentlich-rechtliche Stellen)

Die Vorschrift stellt eine Nachfolgeregelung zu § 81b BVG dar. Sie regelt die Erstattungsansprüche des Trägers der Sozialen Entschädigung gegenüber anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern, die nicht Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I sind. Dies sind z. B. die Beihilfestellen der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber sowie öffentlich-rechtlich konstituierte berufsständische Versicherungen. Die Vorschrift ergänzt die §§ 102 ff. SGB X und § 16 SGB IX.

 

§ 122 Überzahlung von Geldleistungen nach dem Tod der oder des Berechtigten

Hat der Träger der Sozialen Entschädigung Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod der oder des Berechtigten zu Unrecht erbracht, gilt § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Zu § 122 (Überzahlung von Geldleistungen nach dem Tod der oder des Berechtigten)

Die Vorschrift stellt eine Nachfolgeregelung zu § 66 Absatz 2 Satz 4 BVG dar. Wenn nach dem Tod der oder des Berechtigten Geldleistungen zu Unrecht gezahlt werden, weil z. B. die Zahlungseinstellung aus technischen Gründen nicht mehr möglich war oder der Tod der oder des Berechtigten erst verspätet angezeigt wird, ist entsprechend den Regelungen des § 118 Absatz 3 bis 4a SGB VI zu verfahren.

 

Kapitel 19 Bundesstelle für Soziale Entschädigung

 

§ 123 Bundesstelle für Soziale Entschädigung

Unter der Bezeichnung "Bundesstelle für Soziale Entschädigung" führt das Bundesamt für Soziale Sicherung die Aufgaben nach § 124 aus. Dabei unterliegt es der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Zu § 123 (Bundesstelle für Soziale Entschädigung)

Die Neuordnung des Rechts der Sozialen Entschädigung erfordert sowohl von den Ländern als auch vom Bund neue Herangehensweisen. Die ausführenden Behörden müssen sich organisatorisch und strukturell neu ausrichten. Dies erfordert eine verstärkte Koordinierung zwischen Bund und Ländern. Zukünftig soll die administrative Umsetzung der Tätigkeit als Unterstützungsbehörde nach der Richtlinie 2004/80/EG, für die bisher das BMAS zuständig war, als nicht ministerielle Tätigkeit von einer eigens für diese Aufgabe qualifizierten Verwaltung ausgeführt werden. Die Richtlinie 2004/80/EG schreibt vor, dass Menschen mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat, die Opfer einer Straftat in einem anderen EU-Mitgliedstaat geworden sind, eine angemessene und gerechte Entschädigung durch das Land, in dem die Tat geschehen ist (Tatland), erhalten sollen. Insbesondere soll ein leichter Zugang zu Entschädigungsleistungen sichergestellt werden. Diese Aufgabe nimmt in Deutschland die Unterstützungsbehörde wahr.

Zu den - für Betroffene kostenfreien - Tätigkeiten der Unterstützungsbehörde zählen insbesondere die:
– Information von Betroffenen über mögliche staatliche Entschädigungsansprüche des Tatlandes,
– formgerechte Weitergabe von Antragsformularen an Betroffene, die vom jeweiligen Tatland akzeptiert werden,
– Entgegennahme von Antragsformularen und antragsbegründenden Unterlagen von Betroffenen,
– Anfertigung von Übersetzungen von Antragsformularen und antragsbegründenden Unterlagen,
– anschließende Weiterleitung an das Tatland, sowie
– weitere Begleitung des Entschädigungsverfahrens bis zur abschließenden Entscheidung, wozu auch der Kontakt mit in- und ausländischen Entscheidungsbehörden und Zentralen Kontaktstellen gehalten wird.

Das Bundesamt für Soziale Sicherung - bis zu seiner Umbenennung Bundesversicherungsamt genannt - führt unter der Bezeichnung "Bundesstelle für Soziale Entschädigung" die Aufgaben nach § 123 aus. Organisatorisch ist die Bundesstelle für Soziale Entschädigung damit ein integraler Bestandteil des Bundesamtes für Soziale Sicherung, d. h. keine eigenständige Behörde oder Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne.

 

§ 124 Aufgaben der Bundesstelle für Soziale Entschädigung

(1) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung nimmt Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe der folgenden Absätze wahr.

(2) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung ist zuständig für die

1. Aufgaben nach § 60 Absatz 3 Satz 3 und § 80 Absatz 3 Satz 3,

2. Aufgaben der zentralen Behörde im Sinne des Artikels 12 Satz 2 des Europäischen Übereinkommens vom 24. November 1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (BGBl. 1996 II S. 1120, 1121) und

3. Aufgaben als Unterstützungsbehörde im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie 2004/80/EG.

(3) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung unterstützt die Länder zur Wahrung der bundeseinheitlichen Gesetzesanwendung bei der Aus- und Fortbildung im Bereich der Sozialen Entschädigung.

(4) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung unterstützt als Kompetenzzentrum für Soziale Entschädigung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei Aufgaben der Qualitätssicherung und bei der bundeseinheitlichen Durchführung der Sozialen Entschädigung insbesondere durch

1. die Begleitung der Umsetzung und Fortschreibung der Rechtsverordnung nach § 40,

2. die Organisation von Veranstaltungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden und der Personen, die Leistungen der Schnellen Hilfen erbringen,

3. die Organisation von Erfahrungsaustauschen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für Personen, die an der Durchführung dieses Buches beteiligt sind,

4. die Entwicklung von Arbeitshilfen und Formularen,

5. das Führen eines Verzeichnisses von im Sozialen Entschädigungsrecht erfahrenen medizinischen Gutachtern,

6. das Erstellen und Führen der amtlichen Statistik nach § 126,

7. die Erstellung des Berichts nach § 132 sowie

8. die Abwicklung von Forschungsprojekten im Bereich der Sozialen Entschädigung.

(5) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung erledigt weitere Aufgaben des Bundes, die mit den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Aufgaben zusammenhängen und mit deren Durchführung sie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt wird.

(6) Die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 4 Nummer 2 bis 5 kann die Bundesstelle für Soziale Entschädigung ganz oder teilweise auf Dritte übertragen oder sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 4 Nummer 2 bis 8 durch Dritte unterstützen lassen.

Zu § 124 (Aufgaben der Bundesstelle für Soziale Entschädigung)

Die Norm führt die Bundesaufgaben auf, die der Bundesstelle für Soziale Entschädigung (Bundesstelle) zugewiesen sind.

Nach Absatz 2 Nummer 1 ist die Bundesstelle zuständig für den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Pauschalierung von Erstattungsansprüchen der Krankenkassen für Aufwendungen von Leistungen der Krankenbehandlung.

Nach Nummer 2 nimmt die Bundesstelle die Aufgaben als zentrale Behörde im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 24. November 1983 wahr.

Nach Nummer 3 ist die Bundesstelle Unterstützungsbehörde im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 2004/80/EG. Die Aufgabe der zentralen Kontaktstelle gemäß Artikel 16 der Richtlinie verbleibt beim BMAS.

Nach Nummer 4 ist die Bundesstelle Kompetenzzentrum für Soziale Entschädigung, dessen Aufgaben in Absatz 4 definiert werden.

Nach Absatz 3 wirkt die Bundesstelle zur Wahrung einer bundeseinheitlichen Durchführung an der Aus- und Fortbildung in der Sozialen Entschädigung mit, die hauptsächlich in der Zuständigkeit der jeweiligen Träger der Sozialen Entschädigung liegt.

In Absatz 4 werden die Aufgaben der Bundesstelle als Kompetenzzentrum beschrieben; es erbringt Dienstleistungen bei der Durchführung und Begleitung des Gesetzes und steht dem Bund und den Ländern zum Austausch und zur Vernetzung zur Verfügung. Bei seiner Aufgabe der Organisation von Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden und der Personen, die Leistungen der Schnellen Hilfen erbringen, sensibilisiert das Kompetenzzentrum diese für ein behördliches Verfahren, das schonend, übersichtlich und zügig durchgeführt wird.

Das BMAS kann nach Absatz 5 der Bundesstelle weitere Aufgaben im Bereich der Sozialen Entschädigung zuweisen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

26. Zu Artikel 1 (§ 124 Absatz 4 Nummer 6,
§ 126 Absatz 1, 2 und 3,
§ 131 Absatz 2, 3 und 4, Satz 1 und 3 SGB XIV)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) § 124 Absatz 4 Nummer 6 ist zu streichen.
b) § 126 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Absatz 1 sind die Wörter "Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung erstellt" durch die Wörter "Das Statistische Bundesamt und die statistischen Ämter der Länder erstellen" zu ersetzen.
bb) In Absatz 2 sind die Wörter "der Bundesstelle für Soziale Entschädigung" durch die Wörter "den statistischen Ämtern der Länder für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich" zu ersetzen.
cc) In Absatz 3 sind die Wörter "Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung" durch die Wörter "Das Statistische Bundesamt" zu ersetzen und die Wörter "und veröffentlicht sie in geeigneter Form" zu streichen.
c) § 131 ist wie folgt zu ändern:
aa) Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:
aaa) In Satz 1 sind die Wörter "die Bundesstelle für Soziale Entschädigung" durch die Wörter "das jeweils zuständige statistische Landesamt" zu ersetzen.
bbb) Satz 2 ist zu streichen.
bb) Absatz 3 ist zu streichen.
cc) In Absatz 4 Satz 1 ist das Wort "Bundesbehörden" durch die Wörter "Bundesund Landesbehörden" zu ersetzen und Satz 3 zu streichen.

Begründung:

8. Mit dem Gesetzentwurf ist beabsichtigt, eine zentrale amtliche Statistik bei der Bundesstelle für Soziale Entschädigung anzuordnen. Dies ist unter verfassungsrechtlichen, fachlichen und auch verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten abzulehnen.
79. Mit den Änderungen an dem vorgelegten Gesetzentwurf wird bezweckt, die Erstellung dieser Bundesstatistik zur Zahl und Struktur der Leistungsempfängerinnen und -empfänger sowie zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung den hierfür fachlich zuständigen statistischen Ämtern der Länder und dem Statistischen Bundesamt zuzuweisen. Diese Fachbehörden nehmen den ihnen unter anderem durch das Bundestatistikgesetz (BStatG) übertragenen Generalauftrag zur Gewinnung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Daten unter Beachtung der jeweils aktuellen Bedarfe eines sozialen, föderativ gegliederten Bundesstaates sowie spezifischer rechtlicher und fachlicher Regelungen als gemeinschaftliche Aufgabe wahr. Insofern erübrigen sich bei sachgerechter Aufgabenzuweisung auch spezielle Vorgaben zur Abschottung der Statistikstelle, Veröffentlichung von Ergebnissen sowie Datennutzung durch obere und oberste Bundes- und Landesbehörden. Darüber hinaus wird gewährleistet, dass die im Bundesstatistikgesetz getroffenen Verpflichtungen zur Wahrung des Statistikgeheimnisses gewahrt werden.
80. Aufgaben der amtlichen Statistik werden in Deutschland grundsätzlich von spezialisierten Fachbehörden, das heißt Statistikämtern auf Bundes- und Länderebene, wahrgenommen (Prinzipien der fachlichen und funktionalen Zentralisation sowie der regionalen Dekonzentration). Deren Auftrag umfasst die Erstellung und kontinuierliche Pflege einer Informationsbasis, die – mit Blick auf die abzudeckenden Nutzerbedarfe – thematisch vielgestaltig sowie fachlich und regional differenziert sein muss. Das Statistische Bundesamt und die statistischen Ämter der Länder schaffen in diesem föderativ gegliederten Gesamtsystem der amtlichen Statistiken die Grundlage für eine am Sozialstaatsprinzip ausgerichtete Politik (vergleiche § 1 BStatG). Im Rahmen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Kompetenzen ist der Bund für die Gesetzgebung der amtlichen Statistik (Artikel 73 Absatz Nummer 11 GG) und die Länder sind für die Umsetzung der gesetzlichen Zuständigkeiten (Artikel 83 GG) verantwortlich. Der Bund darf zwar Aufgaben des Verwaltungsvollzugs übernehmen, jedoch müssen zum einen diesbezüglich zwingende Gründe vorliegen und zum anderen dürfen die von der Verfassung vorgegebenen Kompetenzen nicht ausgehöhlt werden. Da bisher die statistischen Ämter der Länder im Rahmen des Gesetzes über die Durchführung von Statistiken auf dem Gebiet der Kriegsopferfürsorge zu dem hier infrage stehenden Sachverhalt der Sozialen Entschädigung regelmäßig Statistiken erstellt und veröffentlicht haben, bestehen keine hinreichenden Gründe, dieses Prinzip aufzulösen. Alleine durch die Einrichtung einer Bundesstelle für Soziale Entschädigung lässt sich dies nicht rechtfertigen. Insofern würde bei Umsetzung des Gesetzentwurfs die etablierte und rechtlich verbindliche Aufgabenzuweisung im Bereich der amtlichen Statistik willkürlich aufgehoben.
81. Die Erhebung, Aufbereitung und Veröffentlichung der Daten in arbeitsteiliger, ämterübergreifend koordinierter Weise folgt – ungeachtet ökonomischer Überlegungen – dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung entsprechend auf horizontaler (inhaltlicher) Ebene in fachlich konzentrierten Verwaltungseinheiten, die neutral, objektiv und wissenschaftlich unabhängig sowie auf vertikaler (räumlicher) Ebene dekonzentriert (eine Bundes- und 14 Landesbehörden) agieren. Durch die fachliche Bündelung auf horizontaler Ebene werden auch verwaltungsökonomische Vorteile erzielt.
Darüber hinaus dient die fachliche Konzentration der Wahrung von Neutralität, Objektivität und wissenschaftlicher Unabhängigkeit bei der Informationsgewinnung, -aufbereitung und -veröffentlichung. Sie dient zudem der themenübergreifenden Koordinierung aller Statistiken und Nutzeranforderungen und somit der Abstimmung der statistischen Ergebnisse zu einem in sich geschlossenen, kohärenten Gesamtbild von Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Durch die Aufgabenzuweisung an hierfür spezialisierte Fachbehörden werden darüber hinaus redundante Befragungen vermieden und die Sicherung der statistischen Geheimhaltung und des Datenschutzes durch die in diesen Verwaltungsstellen eingerichteten, vom übrigen Verwaltungsvollzug "abgeschotteten Bereichen" gewährleistet.
82. Das Statistische Bundesamt und die statistischen Ämter der Länder stellen die qualitätsgesicherten Ergebnisse der Bundes- und Landesstatistiken kontinuierlich den öffentlichen Verwaltungen, darüber hinaus aber auch allen gesellschaftlichen Gruppierungen und somit auch allen an der politischen Willensbildung beteiligten Institutionen sowie der Wirtschaft und Wissenschaft themenübergreifend auf unterschiedlichen Informationsplattformen zur Verfügung. Hierdurch wird verhindert, dass Datennutzer die jeweils benötigten statistischen Ergebnisse bei den unterschiedlichsten Verwaltungsstellen erfragen müssen.
83. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es verfassungsrechtlich, statistisch-methodisch sowie verwaltungsökonomisch nicht zu rechtfertigen, dass der Bundesgesetzgeber in dem Gesetzentwurf die Aufgabe der Erstellung einer amtlichen Statistik über soziale Entschädigung bei der Bundesstelle für soziale Entschädigung vorsieht. Die anzuordnende Bundesstatistik über Soziale Entschädigungsleistungen fügt sich vielmehr schlüssig in die vom Statistischen Bundesamt und den statistischen Ämtern der Länder dezentral geführten Statistiken auf dem Gebiet der Sozialleistungen und das föderativ geführte Gesamtsystem der amtlichen Statistiken ein und ist dementsprechend diesen Fachbehörden zu übertragen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 26 (Zu Artikel 1, § 124 Absatz 4 Nummer 6, § 126 Absatz 1, 2 und 3, § 131 Absatz
2, 3 und 4, Satz 1 und 3 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt den Vorschlägen des Bundesrates nicht zu. Mit den Regelungen zur Statistik soll weitgehend der Status Quo beibehalten bleiben. Derzeit wird beim BMAS anhand von monatlichen Meldungen der Länder eine Statistik zu den Versorgungsleistungen erstellt. Das Ergebnis dieser Meldungen wird regelmäßig den Ländern zur Verfügung gestellt. Aufgrund des Gesetzes über die Durchführung der Statistiken auf dem Gebiet der Kriegsopferfürsorge erstellt derzeit das Statistische Bundesamt einmal in zwei Jahren eine Bundesstatistik. Grundlage sind Meldungen der sachlich zuständigen Stellen. Da es künftig keine Unterscheidung zwischen Fürsorge und Versorgung mehr gibt, ist eine Anpassung erforderlich. Die einheitliche Statistik zu den Leistungen der Sozialen Entschädigung soll daher von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung erstellt werden. Diese Bündelung ist entgegen der Auffassung der Länder auch zulässig, da es sich um eine "amtliche Statistik" im Sinne einer Geschäftsstatistik handelt. Lediglich "Bundesstatistiken" bzw. "Landesstatistiken" dürfen grundsätzlich allein von Statistikämtern erstellt werden. Da es sich im
vorliegenden Fall aber nicht um eine Bundes- oder Landesstatistik handelt, bleibt es dem BMAS überlassen, wen es mit der Durchführung seiner Geschäftsstatistik beauftragt. Mit der Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesstelle für Soziale Entschädigung wird aufgrund der Zusammenfassung der gemeldeten anonymisierten Daten der Datenschutz und auch die Objektivität gewahrt. Dies führt letztendlich auch zur Entlastung der Länder. Unabhängig davon ist es den Ländern nicht verwehrt, durch ihre Statistikämter eigene Landesstatistiken zu erstellen.

 

§ 125 Fachbeirat Soziale Entschädigung

(1) Der Fachbeirat berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesstelle für Soziale Entschädigung in grundsätzlichen Fragen der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Sozialen Entschädigung.

(2) Mitglieder des Fachbeirats sind:

1. fünf Vertreterinnen oder Vertreter von Verbänden, die die Interessen von Gruppen der Berechtigten der Sozialen Entschädigung wahrnehmen,

2. fünf Vertreterinnen oder Vertreter der Länder und

3. vier Vertreterinnen oder Vertreter der Wissenschaft, die sich mit den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen schädigender Ereignisse im Sinne dieses Buches beschäftigen.

Die Vertreterinnen oder Vertreter der Länder werden auf gemeinsamen Vorschlag der Länder ernannt.

(3) Die Mitglieder des Fachbeirats werden für einen Zeitraum von drei Jahren vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ernannt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat ein Vorschlagsrecht zur Benennung eines Mitglieds für die Wahrnehmung der Interessen von Impfgeschädigten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat ein Vorschlagsrecht zur Benennung eines Mitglieds für die Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, wird für den Rest der Amtszeit eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger berufen.

(4) Die Mitglieder des Fachbeirats sind ehrenamtlich tätig. Sie haben Anspruch auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen.

(5) Der Fachbeirat arbeitet auf der Grundlage einer Geschäftsordnung, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlässt.

(6) Die Geschäftsführung des Fachbeirats erfolgt durch die Bundesstelle für Soziale Entschädigung.

Zu § 125 (Fachbeirat Soziale Entschädigung)

BMAS und Bundesstelle werden in grundsätzlichen Fragen des Sozialen Entschädigungsrechts von einem Fachbeirat beraten, der aus Vertreterinnen und Vertretern der Verbände, der Länder und der Wissenschaft besteht. Durch die Tätigkeit des Beirats werden Aufgaben, Befugnisse und Beschlüsse anderer Gremien nicht berührt.

 

Kapitel 20 Statistik und Bericht

 

§ 126 Amtliche Statistik

(1) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung erstellt eine amtliche Statistik

1. zur Zahl der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger sowie

2. zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung.

(2) Grundlage der amtlichen Statistik sind die Daten, die der Bundesstelle für Soziale Entschädigung von den Trägern der Sozialen Entschädigung übermittelt werden.

(3) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung legt die amtliche Statistik kalenderhalbjährlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor und veröffentlicht sie in geeigneter Form.

Zu § 126 (Amtliche Statistik)

Die Vorschrift bestimmt in Absatz 1, dass über die Leistungsberechtigten sowie die Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung eine amtliche Statistik zu führen ist. Die Statistik dient insbesondere der Information der Öffentlichkeit und dem spezifischen Informationsbedarf der Bundesregierung. Zuständig für die Führung der amtlichen Statistik ist die Bundesstelle.

Die Statistik basiert nach Absatz 2 auf den Daten aus den monatlichen Meldungen der für die Durchführung der Sozialen Entschädigung sachlich zuständigen Stellen nach § 131.

Absatz 3 legt einen kalenderhalbjährlichen Turnus fest, nach dem der Bundesstelle die Statistik dem BMAS vorzulegen hat. Ferner wird die Bundesstelle für Soziale Entschädigung verpflichtet, die Statistik in geeigneter Form zu veröffentlichen.

 

§ 127 Erhebungsmerkmale

§ 127 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) Zur Beurteilung der Auswirkungen dieses Buches und zu dessen Fortentwicklung werden folgende Merkmale erhoben:

1. Geschlecht, Geburtsjahr, Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthaltsort,

2. das Land und die Kennnummer des zuständigen Trägers der Sozialen Entschädigung,

3. die Zugehörigkeit zu den Empfängergruppen:

a) Geschädigte, aufgegliedert nach dem Grad der Schädigungsfolgen,

b) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende,

4. die Art des schädigenden Ereignisses:

a) Art der Gewalttat, aufgegliedert nach Gruppen von Straftatbeständen und Täter-Opfer- Beziehung,

aa) Gewalttat im Inland oder

bb) Gewalttat im Ausland,

b) nachträgliche Weltkriegsauswirkung,

c) Schutzimpfung oder eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, aufgegliedert nach:

aa) Datum der Schutzimpfung oder der anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe,

bb) Bezeichnung und Chargen-Bezeichnung des Impfstoffes oder der anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe sowie

cc) Name der Krankheit, gegen die geimpft oder eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe getroffen wird,

5. das Vorliegen des Krankenversicherungsverhältnisses und die Angabe, ob es sich um eine gesetzliche oder private Krankenversicherung handelt,

6. die Art und Anzahl der erbrachten einmaligen Leistungen im Laufe des Erhebungsmonats sowie die Art und Anzahl der erbrachten laufenden Leistungen zum letzten Tag des Berichtsjahres,

7. die Zahl der Anträge im Erhebungsmonat, aufgegliedert nach Empfängergruppen,

8. die Zahl der im Erhebungsmonat erledigten Anträge, aufgegliedert nach

a) Leistungsempfängergruppen und

b) der Art der Erledigung.

(2) In den Fällen, die von der Richtlinie 2004/80/EG erfasst werden, werden zudem folgende Merkmale erhoben:

1. die Staatsangehörigkeit der Person, die eine Entschädigungsleistung erhält,

2. der Staat, in dem die gesundheitliche Schädigung eingetreten ist,

3. Art und Umfang der Entschädigungsleistung sowie

4. die Dauer des Verwaltungsverfahrens einschließlich eines etwaigen Widerspruchsverfahrens.

(3) Zusätzliche Erhebungsmerkmale von Absatz 1 Nummer 6 sind:

1. Schnelle Hilfen, aufgegliedert nach

a) Leistungen des Fallmanagements und

b) Leistungen in einer Traumaambulanz,

2. Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung, aufgegliedert nach

a) Krankenbehandlung,

b) ergänzenden Leistungen der Krankenbehandlung,

c) Versorgung mit Hilfsmitteln,

d) Krankengeld der Sozialen Entschädigung,

e) Beihilfen bei erheblicher Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage,

f) Zuschüsse bei Zahnersatz,

g) Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung,

h) Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt sowie

i) Beiträgen zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Alterssicherung,

j) Reisekosten,

3. Leistungen zur Teilhabe, aufgegliedert nach

a) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,

b) unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen,

c) Leistungen zur Teilhabe an Bildung sowie

d) Leistungen zur Sozialen Teilhabe,

4. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit,

5. Leistungen bei Blindheit,

6. Entschädigungszahlungen an Geschädigte, aufgegliedert nach

a) monatlichen Entschädigungszahlungen und

b) Abfindungen,

7. Entschädigungszahlungen an Witwen und Witwer sowie an hinterbliebene Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, aufgegliedert nach

a) monatlichen Entschädigungszahlungen und

b) Abfindungen,

8. monatliche Entschädigungszahlungen an Waisen,

9. monatliche Entschädigungszahlungen an hinterbliebene Eltern,

10. Berufsschadensausgleich,

11. Besondere Leistungen im Einzelfall, aufgegliedert nach

a) Leistungen zum Lebensunterhalt,

b) der Leistung zur Förderung einer Ausbildung,

c) Leistungen zur Weiterführung des Haushalts sowie

d) Leistungen in sonstigen Lebenslagen,

12. Leistungen bei Überführung und Bestattung,

13. Ausgleich in Härtefällen sowie

14. Leistungen nach den Vorschriften zu Besitzständen, aufgegliedert nach

a) der Zugehörigkeit zu den Empfängergruppen

aa) Geschädigte oder

bb) Nichtgeschädigte,

b) der jeweiligen Vorschrift zu Besitzständen des Kapitels 23 sowie

c) der Art des schädigenden Ereignisses.

Zu § 127 (Erhebungsmerkmale)

Die Vorschrift benennt in Absatz 1 die Erhebungsmerkmale für jede leistungsberechtigte Person. Diese Erhebungsmerkmale umfassen sowohl personenbezogene Daten als auch Daten zu den erbrachten Leistungen. Die Bundesstelle vergibt im Benehmen mit den Ländern für jeden Träger der Sozialen Entschädigung zur Erleichterung von Auswertung und Prüfung der Statistik eine eigene Kennnummer.

Absatz 2 legt zusätzliche Erhebungsmerkmale in grenzüberschreitenden Entschädigungsfällen fest.

Absatz 3 legt die bei den statistischen Erhebungen nach der "Art der Leistung" zu berücksichtigenden Merkmale fest. Die Merkmale orientieren sich am Katalog der Leistungen, die im Rahmen der Sozialen Entschädigung erbracht werden können. Bei den Leistungen nach den Vorschriften zu Besitzständen wird erstens differenziert nach der Zugehörigkeit zu den Empfängergruppen Geschädigte oder Nichtgeschädigte (z. B. Hinterbliebene oder Ehegatten), zweitens nach der jeweiligen Vorschrift des Kapitels 23 (Heil- und Krankenbehandlung, Geldleistungen und Abgeltung anderer Ansprüche, Befristete oder auf Zeit erbrachte Leistungen, Pflegeleistungen für Geschädigte) sowie drittens nach der Art des schädigenden Ereignisses (z. B. Opfer von ...

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

27. Zu Artikel 1 (§ 127 Absatz 1 Nummer 2, 4 Buchstabe a, Nummer 5, 6, 7, 8,
§ 128 Nummer 1 und 2,
§ 131 Absatz 2 Satz 1 SGB XIV)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
aa) Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. das für die Durchführung zuständige Land,"
bb) Nummer 4 Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
"a) Art der Gewalttat, aufgegliedert nach:
aa) Gewalttat im Inland,
bb) Gewalttat im Ausland,
cc) Gewalttat im familiären Umfeld,
dd) Sexueller Missbrauch,"
cc) Die Nummern 5 bis 8 sind zu streichen.
b) In § 128 sind die Nummern 1 und 2 wie folgt zu fassen:
"1. die Ausgaben, aufgegliedert nach Art des schädigenden Ereignisses, sowie
2. die Einnahmen, aufgegliedert nach:
a) Einnahmen durch Geltendmachung von Regressansprüchen nach § 120,
b) Einnahmen durch Erstattungen von anderen öffentlich-rechtlichen Stellen
nach § 121,
c) Einnahmen durch Rückerstattung von überzahlten Geldleistungen Geschädigter nach § 122."
c) In § 131 Absatz 2 Satz 1 ist das Wort "monatlich" durch das Wort "jährlich" zu
ersetzen.

Begründung:

84. Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe aa und bb
85. Die zusätzlich aufgenommenen Merkmale werden im Rahmen der Bearbeitung der
Antragsverfahren ohnehin erhoben und gewährleisten im Hinblick auf die Kenntnis des
familiären Kontextes und der Art und Weise der Gewalttat eine deutlich aussagefähigere Berichterstattung, die auch politisch auf Landes- und Bundesebene nutzbar ist.
86. Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe cc
87. Die Erhebung dieser Merkmale ist sowohl zur Durchführung des Sozialen Entschä-
digungsrechts unerheblich als auch datenschutzrechtlich zumindest zweifelhaft.
88. Zu Buchstabe b
89. Eine Aufgliederung nach der Art des schädigenden Ereignisses ist ausreichend, um
die Aussagefähigkeit dieses Berichtsteils zu gewährleisten.
90. Im Hinblick auf die fortbestehenden Regressvorschriften des Gesetzentwurfs sind Angaben über die Höhe der Ausgaben nur dann sinnvoll, wenn sichtbar wird, in welcher Weise diese Einnahmen im Rahmen einer Regressierung gegenüberstehen.
91. Zu Buchstabe c
92. Eine jährliche Übermittlung statistischer Daten ist ausreichend, um einen aussagefähigen Bericht erstellen zu können.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 27 (Zu Artikel 1, § 127 Absatz 1 Nummer 2, 4 Buchstabe a, Nummer 5, 6, 7, 8, §
128 Nummer 1 und 2, § 131 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3, Absatz 4 Satz 1 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt den Vorschlägen des Bundesrates insgesamt nicht zu. Es ist davon auszugehen, dass die Daten zur amtlichen Statistik durch eine Softwarelösung übermittelt werden. Deshalb wirkt sich die Zahl der Merkmale nicht auf den Aufwand für die Abgabe der Meldung aus. Eine Reduzierung der Erhebungsmerkmale aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist daher nicht erforderlich. Aus diesem Grund werden die Streichungen in § 127 Absatz 1 Nummer 2 und § 128 Nummer 1 abgelehnt.
Dies trifft auch auf die beantragte Änderung zum Erhebungsmerkmal "Gewalttat" in § 127 Absatz 1 Nummer 4 a) zu. Eine Reduzierung auf "sexuellen Missbrauch" würde einen Großteil der weiteren denkbaren Straftatbestände wie Kindesvernachlässigung, Körperverletzung und gemeingefährliche Straftaten insbesondere mit terroristischem Hintergrund ausschließen. Die von der Bundesregierung im Gesetzentwurf gewählte Formulierung sichert eine aussagefähige Berichterstattung zu allen Gruppen von Straftatbeständen, die auch auf Landesebene nutzbar ist.
Die von den Ländern geforderte jährliche Übermittlungspflicht anstelle der monatlichen Meldungen in § 131 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 SGB XIV lehnt die Bundesregierung ab. Eine monatliche Übermittlung ist bereits jetzt Praxis bei der KOV-Statistik und soll IT-gestützt beibehalten werden.
Die Streichung von § 127 Absatz 1 Nummer 5 SGB XIV wird abgelehnt, denn die Angabe, ob ein gesetzliches oder ein privates Versicherungsverhältnis besteht, ist für die Frage der Zuständigkeit für die Erbringung der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung nach Kapitel 5 SGB XIV unverzichtbar: soweit Berechtigte gesetzlich versichert sind, erbringt ihre Krankenkasse die Leistungen der Krankenbehandlung, nicht gesetzlich versicherte Berechtigte werden einer gesetzlichen Krankenkasse zugeteilt (bzw. dürfen diese wählen). Des Weiteren ist die Angabe relevant für die Evaluierung des SGB XIV und die Ableitung möglicher Handlungsbedarfe. Ebenfalls relevant sind die Nummern 7 und 8 in § 127 Absatz 1 SGB XIV, denn sie ermöglichen u.a. die Evaluierung des SGB XIV gemäß Abschnitt VIII des Allgemeinen Teils der Begründung sowie die Beobachtung der Entwicklung, damit daraus ggf. Erfordernisse der Weiterentwicklung des SER abgeleitet werden können.
§ 127 Absatz 1 Nummer 6 SGB XIV ermöglicht eine Weiterführung der bestehenden KOV- und KOF-Statistiken und muss daher beibehalten werden. Die Statistik der erbrachten Leistungen ermöglicht eine Übersicht über die Inanspruchnahme von Leistungen. Anhand dieser Daten sind Prognosen über die Zahl Betroffener und die mit der Leistung verbundenen Ausgaben möglich, die bei der Fortentwicklung des Rechts und bei der Haushaltsplanung herangezogen werden können.
Auch die bestehende Formulierung in § 128 Nummer 2 SGB XIV muss beibehalten werden. Die davon abweichende Liste der Länder zur Aufgliederung der Einnahmen ist unvollständig, so fehlen zum Beispiel Einnahmen aus Darlehen und aus Rückzahlungen in anderen Fällen als bei überzahlten Geldleistungen.
Die Streichung der Worte "für die Verwendung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften" in § 131 Absatz 4 Satz 1 SGB XIV wird von der Bundesregierung abgelehnt, weil sonst eine Beantwortung parlamentarischer Anfragen nicht möglich wäre.

 

 

§ 128 Erhebungsmerkmale zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung

Zur Beurteilung der Auswirkungen dieses Buches und zu dessen Fortentwicklung werden folgende Merkmale zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung erhoben:

1. die Ausgaben, aufgegliedert nach den in § 127 Absatz 3 genannten zusätzlichen Erhebungsmerkmalen, sowie

2. die Einnahmen, aufgegliedert nach Einnahmearten, jeweils im Inland und Ausland.

Zu § 128 (Erhebungsmerkmale zu den Ausgaben und Einnahmen der Sozialen Entschädigung)

Die Vorschrift bestimmt die Erhebungsmerkmale zu den Ausgaben und Einnahmen.

 

§ 129 Hilfsmerkmale

Hilfsmerkmale sind:

1. Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen sowie

2. Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person.

Zu § 129 (Hilfsmerkmale)

Die Vorschrift bestimmt, dass Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen im Sinne des § 131 Absatz 1 Satz 2 sowie Name und Telefonnummer der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person als Hilfsmerkmale erfasst werden. Da Rückfragen mittlerweile in der Regel per E-Mail erfolgen, wird zusätzlich die E-MailAdresse als Hilfsmerkmal erfasst. Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 129 Nummer 2 sind nach § 131 Absatz 1 Satz 3 nicht verpflichtend.

 

§ 130 Stichtag für die Erhebungen

Stichtag für die Erhebungen ist der letzte Kalendertag des jeweiligen Monats.

Zu § 130 (Stichtag für die Erhebungen)

Die Vorschrift bestimmt den Stichtag für die monatlichen Erhebungen.

 

§ 131 Auskunftspflicht, Übermittlung statistischer Daten

(1) Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die für die Durchführung der Sozialen Entschädigung sachlich zuständigen Stellen. Die Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 129 Nummer 2 sind freiwillig.

(2) Die Auskunftspflichtigen übermitteln die Datensätze aus der Erhebung monatlich in elektronischer Form an die Bundesstelle für Soziale Entschädigung. Diese Daten dürfen bei der Bundesstelle für Soziale Entschädigung ausschließlich für statistische Zwecke und durch eine von Verwaltungsaufgaben räumlich, organisatorisch und personell getrennte Einheit genutzt werden.

(3) Die Bundesstelle für Soziale Entschädigung stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die monatlichen Meldungen unverzüglich in elektronischer Form für die Verwendung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften und für Zwecke der Planung zur Verfügung, jedoch nicht für die Regelung von Einzelfällen.

(4) Datensätze nach Absatz 2 dürfen auch dann in tabellarischer Form an die Bundesstelle für Soziale Entschädigung übermittelt werden, wenn Tabellenfelder nur einen einzigen Fall ausweisen. Tabellen, deren Tabellenfelder nur einen einzigen Fall ausweisen, dürfen nur dann übermittelt werden, wenn sie nicht differenzierter als auf Regierungsbezirksebene, bei Stadtstaaten auf Bezirksebene, aufbereitet sind.

Zu § 131 (Auskunftspflicht, Übermittlung statistischer Daten)

Die Vorschrift bestimmt in Absatz 1, dass die für die Durchführung der Sozialen Entschädigung sachlich zuständigen Stellen auskunftspflichtig sind. Keine Auskunftspflicht besteht hinsichtlich der Hilfsmerkmale nach § 129 Nummer 2, also hinsichtlich des Namens, der Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person.

Absatz 2 bestimmt, dass die Datenübermittlung monatlich zu erfolgen hat. Die Daten müssen in elektronischer Form an die Bundesstelle gemeldet werden.

Absatz 3 stellt sicher, dass die monatlichen Meldungen auch dem BMAS für Auswertungen zur Verfügung stehen.

Absatz 4 regelt die Grenzen der Übermittlungsbefugnisse und trägt damit dem Schutz der individuellen Sozialdaten der einzelnen Leistungsempfänger Rechnung.

 

§ 132 Bericht

(1) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Auswirkungen dieses Buches sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung dieser Vorschriften vor. Der Bericht darf keine personenbezogenen Daten enthalten.

(2) Der Bericht ist erstmals bis zum 1. Januar 2028 und sodann alle vier Jahre vorzulegen.

Zu § 132 (Bericht)

Die Vorschrift regelt, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag erstmalig vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes und sodann alle vier Jahre einen Bericht über die Auswirkungen der Regelungen dieses Buches und ggf. bestehender Bedarfe zur Weiterentwicklung dieser Vorschriften (z. B. Zeitpunkt der Antragstellung in der Traumaambulanz) vorlegt.

 

Kapitel 21 Kostentragung

 

§ 133 Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern

Der Bund trägt die Ausgaben für Geldleistungen wegen schädigender Ereignisse im Geltungsbereich dieses Buches nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 zu 40 Prozent, die Länder zu 60 Prozent. Die Ausgaben für Sachleistungen tragen die Länder in voller Höhe. Geldbeträge, die zur Abgeltung oder an Stelle einer Sachleistung gezahlt werden, gehören nicht zu den Geldleistungen. Soweit die Kostenträgerschaft bei den Ländern liegt, ist Kostenträger das nach § 113 zuständige Land.

Zu § 133 (Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern)

Die Vorschrift enthält die grundsätzliche Regelung zur Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern für Geldleistungen an Opfer von Gewalttaten, die sich im Inland ereignet haben.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

28. Zu Artikel 1 (§ 133 Satz 1 SGB XIV)
In Artikel 1 ist in § 133 Satz 1 die Angabe "40" durch die Angabe "49" und die Angabe "60" durch die Angabe "51" zu ersetzen.

Begründung:

93. Mit dem Gesetzentwurf zur Reform des Sozialen Entschädigungsrechts (SER) soll das bisher im Bundesversorgungsgesetz (BVG) und verschiedenen, auf das BVG verweisende Einzelgesetze geregelte SER in einem neuen Vierzehnten Buch des Sozialgesetzbuches zusammengefasst werden. Hier soll der Fokus zukünftig auf den sogenannten Schnellen Hilfen für Opfer liegen, die aufgrund einer Gewalttat psychische Gesundheitsstörungen erlitten haben. Diese haben Anspruch auf Leistungen des Fallmanagements und erhalten Soforthilfe in Traumaambulanzen. Außerdem werden die Folgen psychischer Gewalt als Tatbestände in das neue Recht eingefügt; auch dies entspricht den Forderungen der Länder. Die Ausweitung der anspruchsbegründenden Tatbestände wird zu einem Anstieg der Anspruchsberechtigten und damit höheren Kosten führen.
94. Der Leistungsbereich des jetzigen BVG wird grundlegend verändert. Zum einen werden Leistungen wegfallen, zum anderen werden die künftigen Entschädigungszahlungen erheblich erhöht.
95. Die Neuregelungen werden zu erheblichen Steigerungen der Haushaltsausgaben und der Ausgaben für den Erfüllungsaufwand führen. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales haben zu der Reform des SER Prämissen für die Anforderungen an ein modernes und zukunftstragendes Entschädigungsrecht aufgestellt. Eine zentrale Forderung ist, dass sich der Bund auch in Zukunft angemessen an den Kosten des SER beteiligt. Dabei gehen sie davon aus, dass alle durch das Gesetz entstehenden Mehrkosten im Leistungs- und Verwaltungsbereich vom Bund zu tragen sind. Dieser Forderung kommt der Entwurf nicht nach. Um den Bund stärker als bisher an den Kosten zu beteiligen, ist eine Erhöhung des Bundesanteils an den Geldleistungen erforderlich.


Gegenäußerung der Bundesregierung


Zu Ziffer 28 (Zu Artikel 1, § 133 Satz 1 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu und teilt auch nicht die Einschätzung des Bundesrates, die diesem Vorschlag zugrunde liegt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die vom Bundesrat behaupteten Kostenanstiege nicht auftreten werden. Sie werden in dem Antrag auch nicht substantiiert und quantifiziert. Es fehlt an einer quantifizierten Darstellung, warum die vorgeschlagene Kostenaufteilung der künftigen Situation entsprechen soll.
Wegen der unveränderten Verantwortung sowohl des Bundes als auch der Länder für die Soziale Entschädigung greift der Gesetzentwurf die bestehenden Kostenanteile von Bund und Ländern für die Geldleistungen auf und führt diese fort. Im Übrigen richtet sich die Lastentragung nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 104a Absatz 1 und Absatz 5 Satz 1 GG). Ein sachlicher Grund, weshalb der Bund sich stärker als bisher an den Ausgaben der Länder für Geldleistungen beteiligen sollte, ist nicht erkennbar. Durch die Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der Länder für Geldleistungen sowie durch die Kostentragung des Bundes bei den Aufgaben in seiner Zuständigkeit trägt auch er das Risiko der Kostenentwicklung mit.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

29. Zu Artikel 1 (§§ 133 ff. SGB XIV)

a) Die Länder fordern, die von der Bundesregierung vorgelegte Kostenschätzung zu überarbeiten.
b) Zudem wird die Bundesregierung zur Implementierung einer gesetzlichen Regelung aufgefordert, nach der sich der Bund zur vollständigen und dauerhaften Übernahme etwaiger den Ländern entstehender Mehrkosten verpflichtet. Konkret ist zwingend eine gesetzliche Sprechklausel zu verankern, die sicherstellt, dass der Bund und die Länder bei sich abzeichnenden Abweichungen der Kostenprognose erneut über die Kostenverteilung der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts verhandeln. Darüber hinaus ist die gesetzliche Regelung für eine Kostenevaluation vorzusehen, die auf Verlangen des Bundes oder der Länder durchzuführen ist.

Begründung:

96. Aus Sicht der Länder führt die Ausweitung des Sozialen Entschädigungsrechts, insbesondere durch die Ausweitung des Betroffenenkreises sowie des Leistungsumfangs, zu Mehr- anstelle der vom Bund angenommenen Minderausgaben. Bereits in jüngerer Vergangenheit (beispielsweise bei der erfolgten Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes) stellte sich die Kostenschätzung des Bundes als deutlich unterzeichnet – zu Ungunsten der Länder – heraus. Daher wird der Bund aufgefordert, die zugrundeliegenden Berechnungsparameter kritisch zu überprüfen und die Kostenschätzung entsprechend anzupassen.
97. Auch für den Fall der geforderten Überarbeitung der Kostenprognose ist die Entwicklung der aus der Reform erwachsenden Belastungen schwer abschätzbar und unsicherheitsbehaftet. Daher ist gesetzlich sicherzustellen, dass der Bund sich zur vollständigen und dauerhaften Übernahme etwaiger Mehrkosten für die Länder verpflichtet. Sollte sich darüber hinaus nach Inkrafttreten des SGB XIV eine der Bundesschätzung konträre Entwicklung abzeichnen, ist durch Implementierung einer Sprechklausel im Gesetz sicherzustellen, dass der Bund und die Länder über die Kostenverteilung der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts neu verhandeln. Sollte sich im Zuge dieser Verhandlung keine Einigung erzielen lassen, haben sowohl der Bund als auch die Länder die Möglichkeit, die Durchführung einer Kostenevaluation einzufordern, auf deren Grundlage schließlich der Zahlungsausgleich erfolgt.
98.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 29 (Zu Artikel 1, § 133 ff. SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt den Vorschlägen des Bundesrates nicht zu.
zu a)
BMAS hat die Kostenschätzung nicht, insbesondere auch nicht zu Lasten der Länder, unterzeichnet. Anhand der vorliegenden Datenquellen und unter Einbeziehung der Länder ist eine valide Gesamtkostenschätzung erfolgt. Bei den zugrundeliegenden Annahmen wurde in Fällen mit unsicherer Prognose oder nicht eindeutiger Datenlage jeweils vom Maximalwert ausgegangen. Die Annahmen wurden in 4 Arbeitsgruppensitzungen mit den Ländern diskutiert. Am 8. August 2019 gab es eine Bund-Länder-Besprechung, in der BMAS die Berechnungen allen Ländern im Detail dargestellt hat. Da sich die erwarteten Ausgaben des Bundes und der Länder anhand der Regelungen zur Kostentragung aus den geschätzten Gesamtkosten ergeben, ist zudem eine einseitige Unterzeichnung zu Lasten der Länder methodisch ausgeschlossen.
zu b)
Für die Implementierung einer gesetzlichen Verpflichtung zur dauerhaften Übernahme von Mehrkosten der Länder durch den Bund besteht keine Veranlassung. Die Übernahme von Ausgaben der Länder für Sachleistungen sowie eine Beteiligung an den Verwaltungskosten der Länder durch den Bund ist zudem finanzverfassungsrechtlich ausgeschlossen (vgl. Art. 104a Absatz 1 und Absatz 5 Satz 1 GG). Die Systematik der bestehenden Quotierung wird fortgesetzt, weil diese die Verantwortung von Bund und Ländern für die Soziale Entschädigung widerspiegelt. Daher ist kein Grund für spätere Neuverhandlungen ersichtlich. Die geforderte Sprechklausel ist daher abzulehnen. Auch für die Verankerung einer Kostenevaluation besteht keine Notwendigkeit, zumal sich die tatsächliche Ausgabenentwicklung aus der amtlichen Statistik nach § 126 SGB XIV und aus den Haushaltsdaten des Bundes und der Länder ablesen lässt.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

30. Zu Artikel 1 (§ 133 Absatz 2 – neu – SGB XIV)
In Artikel 1 ist § 133 wie folgt zu ändern:
a) Der bisherige Satz 1 wird Absatz 1.
b) Folgender Absatz 2 ist einzufügen:
11. "(2) Geldleistungen im Sinne des Absatzes 1 sind
1. Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach § 47,
2. Beihilfe nach § 48,
3. Zuschuss zum Zahnersatz nach § 49,
4. Erstattung von Kosten bei selbst beschaffter Krankenbehandlung nach § 50,
5. Erstattung von Kosten für Krankenbehandlung bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt nach § 51,
6. Beiträge zur Arbeitsförderung, zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zur Alterssicherung nach § 52,
7. Reisekosten nach § 53,
8. Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 62 bis 68,
9. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach den §§ 74 bis 76, mit Ausnahme der Pflegesachleistung im Sinne des § 75 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1,
10. Leistungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit nach § 82,
11. Entschädigungszahlungen nach den §§ 83, 85, 87 und 88 sowie die Abfindungen nach den §§ 84 und 86,
12. Berufsschadensausgleich nach § 89,
13. Besondere Leistungen im Einzelfall nach den §§ 92 bis 96,
14. Leistungen bei Überführung und Bestattung nach § 99."
c) Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden Absatz 3.
d) Der bisherige Satz 4 wird Absatz 4.

Begründung:

99. Der Bund kann sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nur an den Geldleistungen beteiligen, die Sachleistungen werden von den Ländern getragen. Die vorgeschlagene Änderung dient der Klarstellung analog der Aufzählung in § 144.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 30 (Zu Artikel 1 (§ 133 Absatz 2 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung teilt die Intention dieses Vorschlags des Bundesrates, stimmt ihm allerdings in der vorliegenden Fassung nicht zu. Die Bundesregierung erachtet die Definition von Geldleistungen ebenfalls für erforderlich. Aufgrund der Komplexität der Abgrenzung von Geldund Sachleistungen ist dies aber nicht im laufenden Gesetzgebungsverfahren möglich. Die Bundesregierung möchte stattdessen in einen konstruktiven Dialog mit den Ländern treten und den Katalog der Geldleistungen im Sinne von Art. 104a Absatz 3 GG anhand des verfassungsrechtlichen Geldleistungsbegriffs - wie bisher - untergesetzlich durch Rundschreiben festlegen.

 

§ 134 Kostentragung durch den Bund

(1) Der Bund trägt die Ausgaben für Leistungen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 in voller Höhe, wenn der oder die Geschädigte zur Tatzeit den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Buches hatte. Das Gleiche gilt, wenn die Schädigung auf einem deutschen Schiff, einem deutschen Luftfahrzeug oder an einem Ort im Ausland eingetreten ist.

(2) Der Bund trägt die Ausgaben für Leistungen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 und Unterabschnitt 3 in voller Höhe.

Zu § 134 (Kostentragung durch den Bund)

Abweichend von § 133 trägt der Bund, wie bereits bislang, die Kosten für die in § 133 Absatz 1 aufgeführten Fallgestaltungen in voller Höhe.

Absatz 2 enthält die Regelung zur Kostentragung für die Leistungen an Opfer des Krieges und für die Leistungen an die durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes Geschädigten und deren Hinterbliebene. Der Bund ist wie bereits bislang für die Berechtigten nach dem Zivildienstgesetz, nach dem Inkrafttreten des SGB XIV auch für Berechtigte gemäß § 21 (Opfer von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege) alleiniger Kostenträger.

 

§ 135 Kostentragung durch die Länder

(1) Die Länder tragen die Ausgaben für Leistungen nach Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 4 in voller Höhe.

(2) Verpflichtet zur Zahlung der Entschädigung nach § 24 ist das nach § 113 Absatz 5 zuständige Land.

Zu § 135 (Kostentragung durch die Länder)

Die Länder tragen, wie bereits bislang, die Kosten für die in Absatz 1 aufgeführte Fallgestaltung in voller Höhe. Nach Absatz 2 trägt, wie bisher, das Land die Kosten, in dem die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maß- nahme der spezifischen Prophylaxe vorgenommen wurde. Wurde die ursächliche Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe im Ausland vorgenommen, trägt dasjenige Land die Kosten, in dem die Antragstellerin oder der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren oder seinen Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

§ 136 Kostentragung beim Zusammentreffen von Ansprüchen

In den Fällen des § 8 Absatz 2 sind die Kosten, die durch das Hinzutreten einer weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Land zu tragen, das für die Entscheidung über Ansprüche aus der weiteren Schädigung zuständig ist. Das gilt entsprechend für den Bund, soweit dieser nach allgemeinen Regeln die Kosten zu tragen hat.

Zu § 136 (Kostentragung beim Zusammentreffen von Ansprüchen)

Die Vorschrift regelt in Anlehnung an § 4 Absatz 4 OEG die Kostenteilung der betroffenen Länder sowohl für den Fall, dass Ansprüche bestehen, die auf unterschiedlichen schädigenden Ereignissen nach § 1 Absatz 3 beruhen als auch für den Fall, dass Ansprüche aus dem SGB XIV mit Ansprüchen aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die eine entsprechende Anwendung des SGB XIV vorsehen. Gleiches gilt im Hinblick auf Betreuungskosten, die wegen des Besuchs der Traumaambulanz entstehen, diese werden daher, soweit sie notwendig sind, ebenfalls übernommen.

 

Kapitel 22 Übergangsvorschriften

 

§ 137 Zeitlicher Geltungsbereich

Dieses Buch gilt für Anträge auf Leistungen der Sozialen Entschädigung, die ab dem 1. Januar 2024 gestellt werden, soweit die Vorschriften dieses Kapitels nichts Abweichendes bestimmen.

Zu § 137 (Zeitlicher Geltungsbereich)

Die Vorschrift stellt klar, dass für Anträge, die ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Buches gestellt werden, grundsätzlich die in diesem Buch enthaltenen Regelungen zur Anwendung kommen. Für Fälle, in denen die uneingeschränkte Anwendung dieses Buches nicht angebracht wäre, enthalten die §§ 138 bis 140 hiervon abweichende Regelungen.

 

§ 138 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Opfer von Gewalttaten

(1) Personen, die in der Zeit vom 16. Mai 1976 bis 31. Dezember 2023 geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung erfüllt waren. Wurde die Schädigung durch mehrere Taten herbeigeführt, findet diese Vorschrift Anwendung, wenn die letzte Tat in dem in Satz 1 genannten Zeitraum stattgefunden hat.

(2) Hinterbliebene einer in der Zeit vom 16. Mai 1976 bis 31. Dezember 2023 geschädigten Person erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn für die geschädigte Person die Voraussetzungen nach Absatz  erfüllt waren.

(3) Personen, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn sie

1. die Voraussetzungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in der zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung erfüllen,

2. allein in Folge dieser Schädigung einen Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 haben,

3. bedürftig sind und

4. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Bedürftig sind Personen, wenn sie nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken. Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen gilt Kapitel 16. Die Entschädigung umfasst alle nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen mit Ausnahme des Berufsschadensausgleichs.

(4) Hinterbliebene einer in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 geschädigten Person erhalten Leistungen für Hinterbliebene nach diesem Buch, solange sie bedürftig sind und ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland haben. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(5) In dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet gilt dieses Buch nur für Ansprüche aus Taten, die nach dem 2. Oktober 1990 begangen worden sind. Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend. Die Absätze 3 und 4 gelten mit der Maßgabe, dass auf die Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 abgestellt wird.

(6) Für Taten vor dem 23. Mai 1949 werden keine Leistungen nach diesem Buch erbracht. In dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet gilt dies für Taten vor dem 7. Oktober 1949.

(7) Für Taten im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2023 sollen für Geschädigte, Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende im Sinne des § 2 die Leistungen nach den §§ 31 bis 36 erbracht werden, wenn die Voraussetzungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung erfüllt sind.

Zu § 138 (Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Opfer von Gewalttaten)

Die Vorschrift regelt, welches Recht bei Gewalttaten, die vor dem ...[Tag des Inkrafttretens des SGB XIV] stattgefunden haben, angewendet wird. Sie stellt dabei sicher, dass Personen, die ihren Antrag nach Inkrafttreten dieses Buches stellen, nicht gegenüber Personen privilegiert werden, die ihren Antrag vor dem Inkrafttreten dieses Buches, also noch unter Geltung des bisherigen Rechts, gestellt hatten.

Absatz 1 betrifft Gewalttaten, die in der Zeit, in der das OEG in Kraft war, verübt wurden. Da Leistungen nach diesem Buch unter anderen Voraussetzungen als nach dem OEG erbracht werden, sollen Geschädigte nur dann einen Anspruch nach diesem Buch haben, wenn sie auch nach dem im Zeitpunkt der Tat geltenden Recht einen OEG-Anspruch gehabt hätten. Anderenfalls entstünde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Personen, die im gleichen Zeitraum geschädigt wurden, die aber vor dem ...[Inkrafttreten des SGB XIV] einen Antrag gestellt haben, der jedoch mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen bestandskräftig abgelehnt worden war, etwa in den Fällen psychischer Gewalt. Da weder das OEG noch dieses Buch eine Frist für die Antragstellung enthalten, ist davon auszugehen, dass es eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen gibt, in denen vor dem ...[Inkrafttreten des SGB XIV] Geschädigte noch keinen Entschädigungsantrag gestellt haben.

Diese Personen sollen nicht gegenüber Personen privilegiert werden, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Entschädigungsantrag gestellt haben.

Absatz 2 betrifft Hinterbliebene von Personen, die während der Geltung des OEG geschädigt worden sind. Auch die Hinterbliebenen können nur dann Leistungen nach diesem Buch erhalten, wenn die geschädigte Person nach dem im Zeitpunkt der Gewalttat geltenden Recht leistungsberechtigt nach dem OEG gewesen wäre.

Absatz 3 entspricht § 10a OEG. Allerdings bestimmt sich die Bedürftigkeit nicht mehr nach dem BVG und der auf dessen Grundlage erlassenen Anrechnungsverordnung, vielmehr bestimmt sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen nach den Vorgaben des Kapitels 16. Da dieses Buch auch andere Gewalttaten, und zwar auch psychische Gewalt erfasst, wird klargestellt, dass – der Regelung des § 10a OEG entsprechend – auch für die Zeit vom 16. Mai 1976 bis ...[Außerkrafttreten OEG] Leistungen nur für schädigende Ereignisse erbracht werden, die nach Maßgabe des OEG als tätlicher Angriff eingestuft oder diesem gleichgestellt worden wären. Zudem bestimmt sich die Bedürftigkeit nicht mehr nach dem BVG und der auf dessen Grundlage erlassenen Anrechnungsverordnung. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob die berechtigte Person ihren Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen ausreichend decken kann. Dabei bestimmt sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen nach Kapitel 16 dieses Buches.

Absatz 4 entspricht § 10a Absatz 4 OEG. Die Verweise auf das BVG entfallen.

Absatz 5 betrifft die Entschädigung für Taten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet. Der Inhalt der Norm entspricht aus Gründen der Gleichbehandlung § 10 OEG.

Absatz 6 entspricht der Rechtslage nach dem OEG, nach der ebenfalls keine Leistungen für Taten vor dem 23. Mai 1949, dem Tag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, erbracht wurden.

 

§ 139 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Kriegsopfer beider Weltkriege

Personen, die vor dem 1. Januar 2024 geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung erfüllt waren. Die monatliche Entschädigungszahlung wird erbracht, ohne dass in diesem Zeitraum geprüft wird, ob die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.

Zu § 139 (Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Kriegsopfer beider Weltkriege)

Trotz des seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstrichenen langen Zeitraums ist es immer noch möglich, dass z. B. geschädigte ehemalige Wehrmachtssoldaten oder deren Witwen nach Inkrafttreten dieses Buches erstmals Ansprüche auf Kriegsopferversorgung geltend machen. Es dürfte sich dabei zwar nur um wenige Einzelfälle handeln, die staatliche Gemeinschaft muss aber angesichts ihrer besonderen Verantwortung für das erlittene Schicksal für diesen Personenkreis weiterhin Leistungen vorsehen.

In Anerkennung des erbrachten Sonderopfers wird die monatliche Entschädigungsleistung an Geschädigte – wie früher die Grundrente nach dem BVG – ohne zeitliche Begrenzung gezahlt.

 

§ 140 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Zivildienstgeschädigte

Personen, die vor dem 1. Januar 2024 geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach dem Zivildienstgesetz in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung erfüllt waren.

Zu § 140 (Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Zivildienstgeschädigte)

Die Regelung ist erforderlich, wenn Ansprüche nach dem ZDG in Verbindung mit dem BVG erstmals zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BVG und Inkrafttretens dieses Buches geltend gemacht werden.

 

§ 141 Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Geschädigte durch Schutzimpfungen oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe

Personen, die vor dem Inkrafttreten dieses Buches geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 60 des Infektionsschutzgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung erfüllt waren. Hinterbliebene einer bis zum 31. Dezember 2023 geschädigten Person erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn für die geschädigte Person die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt waren.

Zu § 141 (Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für Geschädigte durch Schutzimpfungen oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe)

Personen, die vor dem Inkrafttreten dieses Buches geschädigt worden sind, erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 60 IfSG in der bis zum ...[Tag des Außerkrafttretens des § 60 IfSG] geltenden Fassung erfüllt sind (Satz 1). Für bestandskräftig entschiedene Fälle gelten die Vorschriften des Kapitels 23.

Satz 2 betrifft Hinterbliebene von Personen, die während der Geltung des § 60 IfSG geschädigt worden sind. Auch die Hinterbliebenen können nur dann Leistungen nach diesem Buch erhalten, wenn die geschädigte Person nach dem im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses geltenden Recht leistungsberechtigt nach § 60 IfSG gewesen wäre.

 

Kapitel 23 Vorschriften zu Besitzständen

 

Abschnitt 1 Grundsätze und Leistungen

 

§ 142 Grundsätze

(1) Personen, deren Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt sind, erhalten diese Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach dem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter, soweit dieses Kapitel nichts Abweichendes bestimmt. Kurzfristige Unterbrechungen im Leistungsbezug unmittelbar vor dem 31. Dezember 2023 lassen die Ansprüche auf Leistungen nach Satz 1 jeweils unberührt.

(2) Über einen bis zum 31. Dezember 2023 gestellten und nicht bestandskräftig beschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, ist nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden. Wird hierbei ein Anspruch festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 erbracht.

(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 können im Rahmen des Wahlrechts nach § 152 Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22 in Anspruch genommen werden.

Zu § 142 (Grundsätze)

Die Vorschrift des § 142 bestimmt die Grundsätze für die Wahrung des Besitzstandes. Diese gelten für den Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BVG für bereits bestandskräftig festgestellte Leistungsansprüche sowie für diesen Zeitpunkt gestellte Anträge auf Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts.

Absatz 1 regelt den erforderlichen Schutz des Besitzstandes für Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts ab Geltung des neuen Rechts. Danach gilt, dass die Leistungen, die den Leistungsberechtigten bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BVG zustehen, vom Besitzstandsschutz erfasst sind und dass auch weiterhin ein Anspruch auf diese Leistungen besteht. Der Besitzstandsschutz bezieht sich auf die Leistungsansprüche nach dem BVG oder einem Gesetz, das dieses für anwendbar erklärt. Die Erwartung, bestimmte Leistungen in der Zukunft in Anspruch zu nehmen, unterfällt nicht dem Besitzstandsschutz.

Nach Satz 1 ist Voraussetzung für die Geltung des Besitzstandsschutzes, dass bis spätestens zum Tag des Außerkrafttretens des BVG ein Anspruch auf Leistungen nach den genannten Gesetzen bestandskräftig festgestellt ist. Für die Erbringung dieser Leistungen ist grundsätzlich weiterhin das BVG oder das Gesetz, das das BVG für entsprechend anwendbar erklärt, jeweils in der bis zum Tag des Außerkrafttretens des BVG geltenden Fassung maßgebend, es sei denn, dass Kapitel 23 etwas Abweichendes bestimmt. Von dem Besitzstandsschutz sind sämtliche Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts, also Geld-, Sach- und Dienstleistungen sowie Persönliche Budgets, erfasst. Der Umfang des Besitzstandsschutzes richtet sich grundsätzlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der jeweiligen Leistung. Ist diese beispielsweise befristet bewilligt worden, besteht der Besitzstandsschutz grundsätzlich für die Dauer des festgestellten Leistungsbezuges. Wird anschließend die Weiterbewilligung dieser Leistungen beantragt, gilt für diese Anträge grundsätzlich § 137: diese werden nach neuem Recht entschieden, es sei denn, dieses Buch bestimmt etwas Anderes.

Satz 2 stellt sicher, dass der Besitzstandsschutz auch dann gewahrt bleibt, wenn die berechtigte Person bis kurz vor dem ...[ Monat des Außerkrafttretens BVG] Leistungen bezogen hat und alsbald danach wieder bezogen hätte, wenn das bisherige Recht nicht außer Kraft getreten wäre.

Absatz 2 regelt, dass auch Personen von den Besitzstandsschutzregelungen erfasst werden, die zwar einen Antrag auf Leistungen nach dem BVG oder nach einem Gesetz, das das BVG für entsprechend anwendbar erklärt, zu einem Zeitpunkt gestellt hatten, als das bisherige Recht noch in Kraft war, über deren Antrag jedoch bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des bisherigen Rechts nicht bestandskräftig entschieden wurde. Für die Entscheidung über diese Anträge bleibt weiterhin das außer Kraft getretene Recht maßgebend. Der Besitzstandsschutz soll nicht von der Dauer des Verwaltungsverfahrens abhängen, die die Antragsteller nicht weiter beeinflussen können. Der Besitzstandsschutz gilt nicht für Anträge, die nach Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt werden; diese werden gemäß § 137 nach dem neuen Recht entschieden.

Absatz 3 verweist auf das Wahlrecht nach § 152. Personen, die dem Besitzstandsschutz unterfallen, können an Stelle der Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22 beanspruchen.

 

§ 143 Heil- und Krankenbehandlung

(1) Geschädigte, deren Anspruch auf Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, bestandskräftig festgestellt worden ist, erhalten ab 1. Januar 2024 Leistungen der Krankenbehandlung nach Kapitel 5. § 45 und die §§ 54 bis 61 gelten entsprechend.

(2) Abweichend von Absatz 1 erhalten Geschädigte, deren Ansprüche auf einzelne Leistungen der Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt worden sind, diese Leistungen in dem bewilligten Umfang. Dies gilt auch für Ansprüche auf einzelne Leistungen der Heilbehandlung, die bis zum 31. Dezember 2023 beantragt, aber noch nicht bestandskräftig beschieden worden sind.

(3) Personen, deren Ansprüche auf einzelne Leistungen der Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder eines Gesetzes, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt worden sind, erhalten für sich oder die jeweils berechtigten Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger diese Leistungen in dem bewilligten Umfang. Dies gilt auch für Ansprüche auf einzelne Leistungen der Krankenbehandlung, die bis zum 31. Dezember 2023 beantragt, aber noch nicht bestandskräftig beschieden worden sind.

(4) Zuständig für die Erbringung der Leistungen nach den Absätzen 2 und 3 bleiben die bis zum Außerkraftteten des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Verwaltungsbehörden oder Krankenkassen.

(5) Den Krankenkassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach den Absätzen 2 und 3 entstehen. Als angemessene Verwaltungskosten werden ihnen von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Satz 1 erstattet.

Zu § 143 (Heil- und Krankenbehandlung)

Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Sonderregelung zu den Besitzständen für den Bereich der Heil- und Krankenbehandlung.

Nach Absatz 1 erhalten Geschädigte, deren Anspruch auf Leistungen der Heilbehandlung nach dem BVG oder nach einem Gesetz, das das BVG ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, bestandskräftig dem Grunde nach festgestellt wurde, ab Inkrafttreten dieses Buches ausschließlich Leistungen der Krankenbehandlung nach Kapitel 5. Der Leistungskatalog der Heilbehandlung nach dem BVG stimmt im Wesentlichen mit dem der Krankenbehandlung nach Kapitel 5 überein. Etwaige Ansprüche auf im Kapitel 5 nicht mehr vorgesehene Leistungen werden pauschal nach § 144 Absatz 1 Satz 3 abgegolten. Zudem haben Geschädigte nach § 151 Vertrauensschutz für die Absicherung gegen Krankheit. Damit ist sichergestellt, dass Schwerbeschädigte, die nach bisherigem Recht unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Behandlung von Nichtschädigungsfolgen hatten, weiterhin umfassend abgesichert bleiben. Sofern sich im Einzelfall eine besondere Härte ergibt, besteht die Möglichkeit eines Härteausgleichs nach § 100.

Absatz 2 stellt eine Ausnahme zu Absatz 1 dar. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 werden einzelne Leistungen der Heilbehandlung in dem bewilligten Umfang auf der Grundlage des bisherigen Rechts erbracht. So kann beispielsweise eine unter Geltung des BVG bestandskräftig bewilligte Badekur auch noch nach Außerkrafttreten des BVG angetreten oder (weiter) durchgeführt werden. Damit der Besitzstandsschutz nicht von der Dauer des Verwaltungsverfahrens abhängt, gilt nach Satz 2 Gleiches für Ansprüche auf Leistungen der Heilbehandlung, die unter Geltung des bisherigen Rechts beantragt wurden.

Absatz 3 trifft eine dem Absatz 2 entsprechende Regelung für Personen, deren Ansprüche auf einzelne Leistungen der Krankenbehandlung nach dem BVG oder einem Gesetz, das das BVG ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, vor Außerkraften des BVG bestandskräftig festgestellt oder beantragt wurden. Angehörige von Schwerbeschädigten, Hinterbliebene etc. erhalten über den Besitzstandsschutz nach Absatz 3 hinaus grundsätzlich keine Leistungen der Krankenbehandlung nach Kapitel 5. Da dieser Personenkreis mit dem Außerkrafttreten des BVG Vertrauensschutz für die Absicherung gegen Krankheit nach § 151 hat entsteht keine Versorgungslücke. Auch besteht in begründeten Einzelfällen die Möglichkeit eines Härteausgleichs nach § 100.

Da die nach Absatz 4 weiterhin zuständigen Krankenkassen Leistungen kraft gesetzlichen Auftrags erbringen, werden ihnen Aufwendungen und Verwaltungskosten erstattet.

 

§ 144 Geldleistungen

(1) Berechtigte nach § 142 Absatz 1, die im Dezember 2023 Geldleistungen erhalten haben, erhalten einen monatlichen Betrag, der sich aus der Summe dieser Geldleistungen ergibt. Geldleistungen im Sinne des Satzes 1 sind folgende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung:

1. die Führzulage nach § 14,

2. der Pauschalbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß nach § 15,

3. der Berufsschadensausgleich nach § 30 Absatz 3 bis 12,

4. die Grundrente nach § 31 Absatz 1 Satz 1 und den §§ 38, 40, 42, 45, 46,

5. die Alterszulage nach § 31 Absatz 1 Satz 2,

6. die Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Absatz 4,

7. die Ausgleichsrente nach den §§ 32, 34, 41, 47,

8. der Ehegattenzuschlag nach § 33a,

9. der Kinderzuschlag nach § 33b,

10. die Pflegezulage nach § 35 Absatz 1,

11. der nach § 35 Absatz 6 Satz 2 den Beschädigten und Hinterbliebenen von den Versorgungsbezügen zu belassende Betrag,

12. der Schadensausgleich nach § 40a,

13. der Pflegeausgleich nach § 40b,

14. die Witwen- und Waisenbeihilfe nach § 48 sowie

15. die Elternrente nach den §§ 49 bis 52.

Der sich nach Satz 2 ergebende Betrag wird um 25 Prozent erhöht. Bei der Berechnung der von Einkommen beeinflussten Leistungen nach Satz 2 bleiben Anrechnungen von einmaligen Leistungen im Wege der Verrentung unberücksichtigt. Ist eine Grundrente kapitalisiert nach § 72 Bundesversorgungsgesetz oder nach § 1 Absatz 1 Rentenkapitalisierungsgesetz-KOV, verringert sich der Betrag nach Satz 1 während des Abfindungszeitraums um den kapitalisierten Betrag. Bei der Feststellung der Geldleistungen bleiben Beträge unberücksichtigt, die nach § 65 des Bundesversorgungsgesetzes zum Ruhen der Versorgungsleistungen geführt haben.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erlischt

1. bei Witwen und Witwern durch Wiederverheiratung einer Witwe oder eines Witwers,

2. bei Waisen durch Wegfall der Voraussetzungen nach § 45 des Bundesversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung.

(3) Der Betrag nach Absatz 1 Satz 1 und 2 verringert sich um folgende Anteile, wenn die Anspruchsvoraussetzungen der folgend genannten Leistungen dem Grunde nach wegfallen:

1. den Anteil des Ehegattenzuschlags nach § 33a,

2. den Anteil des Kinderzuschlags nach § 33b des Bundesversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung.

(4) Für Berechtigte nach § 142 Absatz 2 gilt Absatz 1 entsprechend, wenn für Dezember 2023 ein Anspruch auf die in Absatz 1 genannten Geldleistungen festgestellt wird.

Zu § 144 (Geldleistungen)

Die Regelung stellt eine Abweichung von dem in § 142 Absatz 1 Satz 1 festgelegten Grundsatz dar, demzufolge die von dem Besitzstandsschutz erfassten Leistungen unverändert nach dem bisherigen Recht erbracht werden. Sie gilt für die in Absatz 1 Satz 2 abschließend aufgezählten unbefristeten Geldleistungen wie beispielsweise die Grundrente und den Berufsschadensausgleich.

Nach Absatz 1 Satz 1 werden die Beträge, die die berechtigte Person im ...[Monat des Außerkrafttretens des BVG] erhalten hat, addiert. Die Summe wird monatlich ab dem ...[Inkrafttreten SGB XIV] weiterhin unbefristet gezahlt.

Nach Absatz 1 Satz 3 wird der Betrag nach Satz 1 um 25 Prozent erhöht. Damit soll berücksichtigt werden, dass sich bei Fortgeltung des BVG weitere Leistungsansprüche hätten ergeben können. Dies könnten z. B. Ansprüche auf eine Badekur, auf Versehrtenleibesübungen, auf Krankenhilfe, Altenhilfe oder Erholungshilfe nach den einschlägigen Vorschriften des BVG sein.

Mit den Regelungen in den Kapiteln 1 bis 22 wird das Recht der Sozialen Entschädigung für Neufälle weiterentwickelt und an veränderte gesellschaftliche Entwicklungen und Erkenntnisse angepasst. Für bereits bestehende Leistungsbezieher besteht ein Wahlrecht, ob sie in das neue Recht wechseln oder Leistungen im Rahmen des Besitzstandsschutzes weiter beziehen möchten. Der Zuschlag als pauschale Erhöhung der Geldleistungen kommt denjenigen zugute, die im Leistungsbezug nach altem Recht im Besitzstandsschutz verbleiben möchten.

Nach Absatz 2 gilt Absatz 1 entsprechend für Personen, deren Anspruch auf unbefristete Geldleistungen erst nach dem ...[Tag des Inkrafttretens des SGB XIV] festgestellt wird. Für die Zeit bis zum Außerkrafttreten des bisherigen Rechts haben diese Personen Anspruch auf die Geldleistungen nach dem BVG bzw. nach einem Gesetz, das das BVG ganz oder teilweise für anwendbar erklärt. Für die Zeit ab dem Inkrafttreten des neuen Rechts wandelt sich dieser Anspruch um in einen Anspruch auf Zahlung der Summe der unbefristeten Geldleistungen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

31. Zu Artikel 1 (§ 144 Absatz 1 Satz 5 – neu – SGB XIV)
In Artikel 1 ist nach § 144 Absatz 1 Satz 4 folgender Satz einzufügen:
"Bei der Feststellung der Geldleistungen bleiben Beträge unberücksichtigt, die nach § 65 des Bundesversorgungsgesetzes zum Ruhen der Versorgungsleistungen geführt haben."

Begründung:

100. Nach § 144 Absatz 1 Satz 1 SGB XIV-E erhalten Berechtigte, die Geldleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezogen haben, einen monatlichen Betrag aus der Summe der Geldleistungen. Die vorgeschlagene Änderung dient der Klarstellung, dass nur der nach Anwendung der Ruhensregelung des § 65 BVG verbleibende Betrag in die nach § 144 SGB XIV-E festzustellende Summe der Geldleistungen einfließt.


Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 31 (Zu Artikel 1 (§ 144 Absatz 1 Satz 5 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 145 Befristete oder auf Zeit erbrachte Leistungen

(1) Berechtigte nach § 142 Absatz 1 oder Absatz 2, die

1. im Dezember 2023 befristete Geldleistungen oder befristete Sachleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, bezogen haben, und

2. binnen zwei Wochen nach Ablauf der Befristung die Weiterbewilligung der Leistung nach dem Bundesversorgungsgesetz in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung beantragen,

erhalten die bezogenen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt, weiter bis längstens zum 31. Dezember 2033.

(2) Leistungen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere folgende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung:

1. die Hilfe zur Pflege nach § 26c,

2. die Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 26d für Hinterbliebene,

3. die Erziehungsbeihilfe nach § 27,

4. die Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a für Hinterbliebene sowie

5. die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach § 27d Absatz 1 Nummer 3.

(3) Soweit die Weiterbewilligung der Leistung für Zeiten ab dem 1. Januar 2024 beantragt wird, richtet sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge jeweils in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung mit der folgenden Maßgabe, dass:

1. an die Stelle der Einkommensgrenze nach § 25e Absatz 1 in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung des Bundesversorgungsgesetzes die Einkommensgrenze nach § 107 Absatz 1 tritt,

2. an die Stelle des Grundbetrags nach § 27d Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 des Bundesversorgungsgesetzes in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung ein Betrag in Höhe des Vierfachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches tritt,

3. an die Stelle des Grundbetrags nach § 27d Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 des Bundesversorgungsgesetzes in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung ein Betrag in Höhe des Achtfachen der Regelbedarfsstufe 1 tritt,

4. an die Stelle der Einkommensfreibeträge nach der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung die Einkommensfreibeträge der Verordnung nach § 109 treten und

5. an die Stelle der Vermögensschonbeträge nach § 25f des Bundesversorgungsgesetzes in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung in Verbindung mit der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung die Vermögensschonbeträge der Verordnung nach § 109 treten.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn die Leistungen nach Kapitel 1 bis 22 erbracht werden können und diese für die Berechtigten mindestens gleichwertig sind.

Zu § 145 (Befristete oder auf Zeit erbrachte Leistungen)

Die Vorschrift bestimmt, dass der Besitzstandsschutz bei Personen, die nach dem außer Kraft getretenen Recht des BVG befristet bewilligte oder auf Zeit erbrachte Leistungen erhalten, für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2031 auch die Weiterbewilligung dieser Leistungen umfasst. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme zu § 137, wonach für Anträge, die ab dem Tag des Inkrafttretens des SGB XIV gestellt werden, das neue Recht gilt. Die Geltung des Besitzstandsschutzes setzt weiter voraus, dass die leistungsberechtigte Person unmittelbar im Anschluss an die Beendigung der Befristung die Weiterbewilligung der Leistungen beantragt. Ein solcher Weiterbewilligungsantrag kann noch während des laufenden Bewilligungszeitraums gestellt werden. Wird er nach Beendigung der Befristung gestellt, ist nach Absatz 1 Satz 2 der zeitliche Zusammenhang auch bei einer zeitlichen Unterbrechung von bis zu zwei Wochen noch gegeben. Die Rechtsfolge der Regelung, die Fortgeltung des Besitzstandsschutzes für befristete Leistungen, greift nicht nur bei der erstmaligen Weiterbewilligung nach Inkrafttreten des neuen Rechts, sondern auch bei Folgeanträgen, sofern die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Nach Ablauf des Übergangszeitraums, also für Weiterbewilligungsanträge, die ab dem 1. Januar 2032 gestellt werden, gilt hingegen das neue Recht.

Die Vorschrift findet nach Absatz 2 insbesondere Anwendung auf befristet bewilligte Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG, der Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 26d BVG für Hinterbliebene, der Erziehungsbeihilfe nach § 27 BVG, der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt für Hinterbliebene nach § 27a BVG sowie der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 27d Absatz 1 Nummer 3 BVG.

Absatz 3 regelt den Einsatz von Einkommen und Vermögen in diesen Fällen. Grundsätzlich gelten insoweit die Vorschriften des BVG und der KfürsV jeweils in der am … [ Tag des Außerkrafttretens des BVG und der KfürsV] geltenden Fassung. Insbesondere richtet sich auch nach Außerkrafttreten des bisherigen Rechts weiterhin nach dem BVG und nach der KfürsV, was als Einkommen und als Vermögen zu berücksichtigen ist, wessen Einkommen und Vermögen einzusetzen ist und welche Besonderheiten der Einkommens- und Vermögensberechnung bei den einzelnen Leistungen bestehen. So gilt z. B. weiterhin nach § 26c Absatz 5 BVG bei der Hilfe zur Pflege eine besondere Einkommensgrenze, bei Leistungen der Hilfe zur Pflege für ein volljähriges Kind sind Einkommen und Vermögen weiterhin nur in dem nach § 26c Absatz 6 BVG eingeschränkten Umfang einzusetzen und bei der Erziehungsbeihilfe gelten weiterhin die Besonderheiten des § 27 BVG für den Einsatz von Einkommen. Eine Ausnahme vom Grundsatz, wonach sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen nach dem BVG und der KfürsV richtet, gilt für die Einkommensgrenze und für die Vermögensschonbeträge, soweit die Weiterbewilligung der Leistung für Zeiten ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt wird. An die Stelle der Einkommensgrenze nach § 25e Absatz 1 BVG tritt insoweit die Einkommensgrenze nach § 107 Absatz 1. In den Fällen, in denen bisher nach § 27d Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 BVG eine besondere Einkommensgrenze galt, wird der Grundbetrag auf das Vierfache bzw. auf das Achtfache der Regelbedarfsstufe 1 erhöht. Auf diese Weise bleiben die besonderen Einkommensgrenzen für Bestandsfälle auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erhalten. An die Stelle der Einkommensfreibeträge nach der KFürsV und der Vermögensschonbeträge nach dem BVG in Verbindung mit der KFürsV treten die Einkommensfreibeträge und Vermögensschonbeträge der Verordnung nach § 109. Die Einkommensgrenzen und Vermögensschonbeträge sind abhängig von der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Die Abhängigkeit vom Bemessungsbetrag nach § 33 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a BVG entfällt. Dies erleichtert die Rechtsanwendung. Zugleich wird die jährliche Anpassung dieser Freibeträge auch für die Zukunft sichergestellt. Die Höhe der Einkommensgrenzen und Vermö- gensschonbeträge ist so bemessen, dass die Besserstellung der Berechtigten gegenüber Beziehern von Sozialhilfe gewahrt bleibt.

Nach Absatz 4 besteht kein Besitzstandsschutz für die Weiterbewilligung befristeter oder auf Zeit erbrachter Leistungen, wenn die zuvor bezogene Leistung auch nach neuem Recht - in unveränderter oder modifizierter Form - erbracht werden kann. In diesem Fall erfolgt die Weiterbewilligung nach den Kapiteln 1 bis 22. Zu den in modifizierter Form erbrachten Leistungen zählen z. B. das Versorgungskrankengeld nach den §§ 16 ff. BVG und die Beihilfe nach § 17 BVG.

 

§ 146 Pflegeleistungen für Geschädigte

(1) Personen, die Leistungen nach § 35 Absatz 2 und 6 des Bundesversorgungsgesetzes in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung erhalten haben oder nach § 142 Absatz 2 erhalten würden, erhalten ab dem 1. Januar 2024 Leistungen nach Kapitel 7.

(2) Personen, die bis zum 31. Dezember 2023 Leistungen der Pflegezulage nach § 35 Absatz 1 Bundesversorgungsgesetz erhalten haben, können nach Feststellung des monatlichen Betrags nach § 144 Leistungen im Sinne des Absatzes 1 beantragen. Der monatliche Betrag nach § 144 ist dann um den Betrag zu mindern, der der Pflegezulage nach § 35 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes im Dezember 2023 entsprach.

Zu § 146 (Pflegeleistungen für Geschädigte)

Absatz 1 enthält eine Regelung für den Fall, dass die Pflegezulage nach § 35 BVG vor dem Außerkrafttreten des BVG nicht als Pauschale nach § 35 Absatz 1 BVG (dieser Betrag fließt dann in den nach § 144 zu bildenden Gesamtbetrag ein) erbracht wird, sondern als Erhöhung mit Erstattung der Kosten einer besonderen ambulanten Pflegekraft (§ 35 Absatz 2 BVG) oder als Erstattung der Kosten für stationäre Pflege (§ 35 Absatz 5 BVG). In diesem Fall erhalten die Geschädigten Leistungen nach Kapitel 7 dieses Buches, bei denen ihnen ebenfalls die angemessenen Kosten der ambulanten oder stationären Pflege voll erstattet werden.

Absatz 2 regelt den Fall, dass Beschädigte zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BVG Leistungen der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Absatz 1 BVG bezogen haben und dieser Geldbetrag in den festgestellten Gesamtbetrag nach § 144 eingeflossen ist. Wenn dieser Personenkreis danach in das Modell der Erstattung der tatsächlichen Kosten einer ambulanten oder stationären Pflege wechseln möchte (z. B. weil der Pflegebedarf nur noch in einer stationären Einrichtung gedeckt werden kann), kann in die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 gewechselt werden. Übernimmt der Träger der Sozialen Entschädigung nach Inkrafttreten des SGB XIV die Gesamtkosten bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7, so entfällt der Anspruch auf eine pauschale Pflegezulage, um eine Doppelleistung zu vermeiden.

Satz 2 regelt, dass nach der Feststellung des Gesamtbetrags und dessen laufender Dynamisierung nur der Betrag abgezogen wird, der zum Zeitpunkt der Feststellung auf die Pflegezulage entfiel. Ein Herausrechnen des auf die pauschale Pflegezulage entfallenden dynamisierten Betrags wäre zu aufwändig.

 

§ 147 Pflegeausgleich bei langjähriger schädigungsbedingter Pflege

Witwen und Witwer erhalten einen monatlichen Pflegeausgleich, wenn

1. die oder der Geschädigte schädigungsbedingt pflegebedürftig war,

2. sie die Geschädigte oder den Geschädigten während ihrer Ehe bereits vor Inkrafttreten dieses Buches gepflegt haben und

3. die Pflegezeit insgesamt mehr als zehn Jahre betragen hat.

Der monatliche Pflegeausgleich beträgt für jedes Jahr der über zehn Jahre hinausgehenden Pflegezeit 20 Euro. Kalendermonate, in denen die Pflege nicht unentgeltlich geleistet wurde, werden dabei nicht mitgezählt. Die anzurechnende Gesamtpflegezeit wird auf volle Jahre aufgerundet.

Zu § 147 (Pflegeausgleich bei langjähriger schädigungsbedingter Pflege)

Nach dem BVG konnten Witwen und Witwer, die ihre Ehepartnerin oder ihren Ehepartner mehr als zehn Jahre gepflegt hatten, einen monatlichen Pflegeausgleich erhalten. Diese Leistung wird übergangsweise erhalten für diejenigen, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten auf den Erhalt eines Pflegeausgleichs vertraut haben. Die Höhe der Leistung orientiert sich an dem Höchstbetrag von Pflegeausgleichen nach dem Recht des BVG und berücksichtigt die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erwartenden Anpassungen.

 

§ 148 Monatliche Entschädigungszahlung für Witwen und Witwer bei nicht schädigungsbedingtem Tod

(1) Witwen und Witwer eines oder einer nicht schädigungsbedingt verstorbenen Geschädigten erhalten eine monatliche Entschädigungszahlung, wenn

1. die Schädigung bereits vor dem Inkrafttreten dieses Buches eintrat,

2. die Ehe bereits vor Inkrafttreten dieses Buches bestand und

3. der oder die Geschädigte aufgrund der Schädigungsfolgen gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die von dem oder der Geschädigten abgeleitete Witwenrente oder Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nachweislich um mindestens 10 Prozent gemindert ist.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 3 gelten als erfüllt, wenn der oder die Geschädigte zum 31. Dezember 2023 Anspruch auf

1. die Grundrente eines Beschädigten nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 oder

2. eine Pflegezulage nach § 35 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder

3. mindestens fünf Jahre Berufsschadensausgleich nach § 30 des Bundesversorgungsgesetzes

hatte.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 3 gelten auch als erfüllt, wenn der oder die Geschädigte nach dem 31. Dezember 2023 Anspruch auf

1. eine Entschädigungszahlung eines Geschädigten mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 nach § 83 Absatz 1 oder

2. Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 nach einem Pflegegrad mindestens der Stufe 3 oder

3. mindestens fünf Jahre Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10

hatte.

(4) Der Anspruch auf die in Absatz 2 Nummer 1 und 2 und Absatz 3 Nummer 1 und 2 genannten Leistungen muss im Zeitpunkt des Todes des Geschädigten bestanden haben.

(5) Die monatliche Entschädigungszahlung beträgt 500 Euro. Sie beträgt 750 Euro für Witwen und Witwer von Geschädigten mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100.

(6) Berechtigte nach Absatz 1 erhalten auf Antrag eine Abfindung anstelle der monatlichen Entschädigungszahlung. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Bewilligung der Entschädigungszahlung zu stellen.

(7) Die Abfindung beträgt 60.000 Euro bei einer monatlichen Entschädigungszahlung nach Absatz 5 Satz 1, 90.000 Euro bei einer monatlichen Entschädigungszahlung nach Absatz 5 Satz 2.

(8) Auf die Abfindung sind bereits geleistete monatliche Entschädigungszahlungen anzurechnen. Mit der Zahlung der Abfindung sind alle Ansprüche auf die monatlichen Entschädigungszahlungen bei nicht schädigungsbedingtem Tod abgegolten.

Zu § 148 (Monatliche Entschädigungszahlung für Witwen und Witwer bei nicht schädigungsbedingtem Tod)

Nach dem BVG konnten Witwen und Witwer auch bei nicht schädigungsbedingtem Tod der oder des Geschädigten eine monatliche Witwenbeihilfe erhalten. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten wird deshalb für den von dieser Vorschrift umfassten Personenkreis eine der bisherigen Rechtslage weitgehend entsprechende Regelung geschaffen.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

32. Zu Artikel 1 (§ 148 Absatz 1a – neu -, 1b – neu -, 1c – neu – SGB XIV)
In Artikel 1 sind nach § 148 Absatz 1 folgende Absätze 1a bis 1c einzufügen:
12. "(1a) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 3 gelten als erfüllt, wenn der
oder die Geschädigte zum … [einfügen: Datum des Außerkrafttretens des Bundesversorgungsgesetzes] Anspruch auf
1. die Grundrente eines Beschädigten nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 oder
2. eine Pflegezulage gemäß § 35 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder
3. mindestens fünf Jahre Berufsschadensausgleich nach § 30 des Bundesversorgungsgesetzes hatte.
13. (1b) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 3 gelten auch als erfüllt, wenn der oder die Geschädigte nach dem … [Datum des Außerkrafttretens des Bundesversorgungsgesetzes] Anspruch auf
1. eine Entschädigungszahlung eines Geschädigten mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 nach § 83 Absatz 1 oder
2. Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 nach einem Pflegegrad mindestens der Stufe 3 oder
3. mindestens fünf Jahre Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 hatte.
14. (1c) Der Anspruch auf die in Absatz 1a Nummer 1 und 2 und Absatz 1b Nummer 1 und 2 genannten Leistungen muss im Zeitpunkt des Todes des Geschädigten bestanden haben."

Begründung:

101. Entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 148 SGB XIV-E entspricht die vorgesehene Regelung nicht weitgehend der jetzigen Rechtslage und würde einen erheblichen Mehraufwand im Verwaltungsvollzug darstellen. Nach § 48 Absatz 1 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes erhalten Hinterbliebene eines oder einer nicht an den Schädigungsfolgen Verstorbenen eine Witwenbeihilfe, wenn die aus der Ehe hergeleitete Witwenversorgung (aus der Rentenversicherung) durch die Schädigungsfolgen um einen bestimmten Vomhundertsatz gemindert ist. Die Verwaltungsbehörden müssen derzeit, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschädigte durch die Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, einen fiktiven Rentenverlauf berechnen. Für bestimmte Fallgestaltungen unterstellt das Gesetz das Vorliegen dieser Voraussetzungen und vermutet bei Berechtigten, die die Grundrente eines Erwerbsunfähigen, eine Pflegezulage oder fünf Jahre Berufsschadensausgleich bezogen haben, dass damit eine erhebliche Beeinträchtigung des Rentenverlaufs durch eine geringere Entrichtung von Beiträgen in die Rentenversicherung eingetreten ist.
102. § 148 SGB XIV-E enthält diese Vermutungstatbestände nicht mehr. Nach der derzeitigen Fassung müssten die Verwaltungsbehörden in jedem Fall eine fiktive Rentenberechnung vornehmen. Die Intention der bisher über Jahrzehnte geltenden Regelung war aber gerade, in diesen Fällen keine weitergehende Prüfung durchzuführen.
103. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung um den Absatz 1a wird die Regelung an die derzeitige Rechtslage angepasst. Die Einführung des neuen Absatzes 1b ist erforderlich, weil auch die Witwen von Beschädigten, die die Voraussetzungen nach Absatz 1a bis zum 31. Dezember 2023 nicht erfüllen, nach dem Wortlaut des Absatzes 1 ebenfalls einen Anspruch nach § 148 haben. Auch für diese Fälle ist die Einführung entsprechender Vermutungstatbestände aus den oben genannten Gründen sinnvoll.


Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 32 (Zu Artikel 1, § 148 Absatz 1a – neu -, 1b – neu -, 1c – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

Abschnitt 2 Neufeststellungen und Anpassung

 

§ 149 Neufeststellungen

(1) Neufeststellungen zur Anspruchsberechtigung und zum Grad der Schädigungsfolgen erfolgen auf Antrag und richten sich nach den Kapiteln 1 bis 22. Neufeststellungen können auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Könnten nach Kapitel 1 bis 22 keine oder geringere Leistungen als vor Stellung des Neufeststellungsantrags beansprucht werden, werden mindestens die nach diesem Kapitel vor Stellung des Neufeststellungsantrags bezogenen Leistungen weiter erbracht. Dies gilt nicht, wenn sich die nicht mehr bestehende Anspruchsberechtigung oder der geringere Leistungsumfang aus einer festgestellten Verringerung des Grades der Schädigungsfolgen ergeben.

Zu § 149 (Neufeststellungen)

Absatz 1 der Vorschrift regelt, wer das Verfahren zu Neufeststellungen zur Anspruchsberechtigung und zum GdS einleiten darf. Satz 1 bestimmt, dass bei Personen, die dem Besitzstandsschutz unterfallen, Neufeststellungen zur Anspruchsberechtigung und zum GdS auf Antrag erfolgen können. Auf diese Weise haben die Betroffenen die Möglichkeit, Änderungen auch in Besitzstandsfällen auf eigene Initiative feststellen zu lassen. Satz 2 eröffnet der Behörde ein Ermessen auf Neufeststellung von Amts wegen. Die Entscheidung im Neufeststellungsverfahren erfolgt auf Basis der Kapitel 1 bis 22.

Absatz 2 der Regelung sieht vor, dass auch bei der Entscheidung über einen Neufeststellungsantrag der Besitzstand gewahrt bleibt. Ergibt die Prüfung des Neufeststellungsantrags, dass die antragstellende Person nach dem neuen Recht der Art oder dem Umfang nach weniger Leistungen beanspruchen kann als vor Stellung des Neufeststellungsantrags, erhält sie die bis dahin bezogenen Besitzstandsschutzleistungen weiter. Dadurch wird sichergestellt, dass Berechtigte nach § 142 durch einen Neufeststellungsantrag und die damit verbundene Anwendung des neuen Rechts nicht schlechter gestellt werden. Das gilt jedoch nicht, wenn der Wegfall des Anspruchs oder eine geringere Leistung nicht auf das Außerkrafttreten des BVG und die Anwendung des neuen Rechts zurückzuführen ist, sondern auf eine festgestellte Verringerung des GS. In diesem Fall wäre es auch bei Berechtigten nach § 142 nicht angemessen, Leistungen unverändert weiter zu zahlen.

 

§ 150 Anpassung, Verordnungsermächtigung

Der nach den §§ 144 und 145 festgestellte Geldbetrag sowie die Beträge aus den §§ 147 und 148 werden jeweils entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Die sich nach Satz 1 ergebenden Beträge sind bis 0,49 Euro auf volle Euro abzurunden und ab 0,50 Euro auf volle Euro aufzurunden. Die Anpassung erfolgt durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.

Zu § 150 (Anpassung, Verordnungsermächtigung)

Die Vorschrift regelt die Anpassungen der Geldleistungen nach §§ 143 und 144, damit der Besitzstandsschutz nicht durch Inflation entwertet wird. Durch diesen im Sozialen Entschädigungsrecht seit Jahrzehnten bewährten "Anpassungsverbund mit der gesetzlichen Rentenversicherung werden die Geldleistungen zum selben Zeitpunkt und entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Bis zur Angleichung der aktuellen Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2024 ist durch die in § 143 SGB XIV gewählte Formulierung für die Anpassung der Geldleistungen nach §§ 143 und 144 SGB XIV der für die alten Länder maßgebende aktuelle Rentenwert und ab 2024 der bundeseinheitlich geltende aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend. Der Faktor für die Anpassung der Geldleistungen im Rahmen der Sozialen Entschädigung ergibt sich aus dem Anpassungssatz des aktuellen Rentenwerts in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Vorschrift enthält zudem eine Rundungsregelung. Die Anpassung der Geldleistungen nach §§ 143 und 144 erfolgt durch Rechtsverordnung des BMAS.

 

 

Abschnitt 3 Vertrauensschutz für die Absicherung gegen Krankheit

 

§ 151 Absicherung gegen Krankheit

(1) Personen, die bis zum 1. Januar 2024 nach § 10 des Bundesversorgungsgesetzes oder in entsprechender Anwendung des § 10 des Bundesversorgungsgesetzes Leistungen der Heil- oder Krankenbehandlung für Nichtschädigungsfolgen erhalten haben, haben hinsichtlich der Behandlung von Nichtschädigungsfolgen Anspruch auf Leistungen bei Krankheit nach dem Dritten Kapitel des Fünften Buches. § 44 Absatz 2 gilt entsprechend. Ansprüche nach § 143 bleiben von Satz 1 unberührt. Die Leistungen nach Satz 1 erbringt für die zuständige Verwaltungsbehörde die Krankenkasse, die von der Person entsprechend § 173 des Fünften Buches gewählt wurde. § 175 Absatz 4 Satz 1 bis 5 des Fünften Buches gilt entsprechend. § 45 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. 7Die Berechtigten erhalten von der gewählten Krankenkasse eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291 des Fünften Buches.

(2) Den Krankenkassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen durch die Übernahme der Leistungen nach Absatz 1 entstehen. Als angemessene Verwaltungskosten werden ihnen von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Satz 1 erstattet.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 ruht für die Dauer einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zu § 151 (Absicherung gegen Krankheit)

Mit der Vorschrift wird sichergestellt, dass Personen, die bis zum Außerkrafttreten des BVG nach § 10 Absatz 2 und 4 bis 6 BVG Leistungen der Heil- oder Krankenbehandlung für Nichtschädigungsfolgen erhalten haben, weiterhin umfassend gegen das Risiko Krankheit abgesichert bleiben. Sie erhalten Leistungen bei Krankheit in gleichem Umfang wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Da § 44 Absatz 2 entsprechend gilt, werden abweichend vom Recht der gesetzlichen Krankenversicherung Sachleistungen ohne Beteiligung an den Kosten erbracht. Die Leistungen werden von der Krankenkasse erbracht, die die Person zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BVG nach den Grundsätzen des § 173 des Fünften Buches wählt. Die zuständige Verwaltungsbehörde informiert die Berechtigten rechtzeitig vor Außerkrafttreten des BVG über die notwendigen Schritte. Für die Nachweispflicht gegenüber Ärzten und anderen Leistungserbringern gilt § 45 Satz 1 und 2 entsprechend. Berechtigte werden mit einer elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet und können so die Leistungen in Anspruch nehmen wie Versicherte der gewählten Krankenkasse, d. h. sie haben insbesondere Zugang zu den Leistungserbringern wie diese. Personen, die als Geschädigte auch Anspruch auf Behandlung von Schädigungsfolgen nach Kapitel 5 haben, legitimieren sich mit dieser Karte, auch soweit es um die Behandlung von Schädigungsfolgen geht. Über die Telematikinfrastrukur sind unter Nutzung dieser Karte als Authentisierungs- und Autorisierungsmittel Dienste anzubieten, die eine Differenzierung zwischen schädigungsbedingt und nicht schädigungsbedingt erforderlichen Behandlungen zulassen. Ohne eine solche Differenzierung wären die Erstattungsansprüche der Krankenkassen nach Absatz 2 und nach § 60 Absatz 1 und 2 nicht unterscheid- und bezifferbar.

Nach Absatz 2 werden den Krankenkassen ihre Aufwendungen sowie ein angemessener Anteil ihrer Verwaltungskosten von der zuständigen Verwaltungsbehörde erstattet. Die Erstattung ist erforderlich, um eine Belastung der Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung mit Aufwendungen und Verwaltungskosten für die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Sozialen Entschädigung zu vermeiden.

Absatz 3 regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Anspruch nach Absatz 1 und einer nachträglich begründeten Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Abschnitt 4 Wahlrecht

 

§ 152 Wahlrecht

(1) Anstelle der Leistungen nach diesem Kapitel können Berechtigte nach § 142 die Erbringung von Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22 mit Ausnahme der §§ 84 und 86 wählen. In diesem Fall gelten die bisher anerkannten Schädigungsfolgen sowie die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen für die Entscheidung über die Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22 als rechtsverbindlich festgestellt.

(2) Das Wahlrecht ist innerhalb von zwölf Monaten nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung über Leistungen nach diesem Kapitel auszuüben. Die Ausübung des Wahlrechts ist unwiderruflich.

(3) Ist eine Rente kapitalisiert nach § 72 des Bundesversorgungsgesetzes oder nach § 1 Absatz 1 des Rentenkapitalisierungsgesetzes-KOV, verringert sich die Entschädigungszahlung nach § 83 während des Abfindungszeitraums um den kapitalisierten Betrag.

Zu § 152 (Wahlrecht)

Absatz 1 eröffnet den Berechtigten nach § 142 die Möglichkeit, anstelle der Besitzstandsschutzleistung die Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22, also nach neuem Recht, zu wählen. Die Ausübung des Wahlrechts setzt die Kenntnis der Ansprüche nach dem Besitzstand und nach neuem Recht voraus. Dabei unterstützen die Träger der Sozialen Entschädigung die Berechtigten, insbesondere auch im Rahmen des Fallmanagements nach § 30f. Daneben gelten die Vorschriften des Ersten Buches, insbesondere § 14 SGB I. Werden die Leistungen nach neuem Recht gewählt, gelten hierfür die bisher anerkannten Schädigungsfolgen sowie der festgestellte GdS weiter. Ein Wahlrecht hinsichtlich einzelner Leistungen ist nicht möglich.

Absatz 2 Satz 1 regelt die Frist, innerhalb der das Wahlrecht auszuüben ist. Satz 2 stellt fest, dass die Ausübung des Wahlrechts unwiderruflich ist.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

33. Zu Artikel 1 (§ 152 Absatz 1 Satz 1 SGB XIV)In Artikel 1 sind in § 152 Absatz 1 Satz 1 nach den Wörtern "Kapiteln 1 bis 22" die Wörter "mit Ausnahme der §§ 84 und 86" einzufügen.

Begründung:

104. Macht ein Berechtigter nach § 142 SGB XIV-E von seinem Wahlrecht gemäß § 152 SGB XIV-E zu Gunsten der Leistungsgewährung nach den Kapiteln 1 bis 22, also nach dem neuen Recht, Gebrauch, so hat der Träger des Sozialen Entschädigungsrechts die Leistungen auf der Grundlage der bisher anerkannten Schädigungsfolgen sowie des festgestellten Grades der Schädigungsfolgen neu festzustellen beziehungsweise neu zu bewilligen. Sowohl Geschädigte als auch Witwen und Witwer können nach den bisher vorgesehenen Bestimmungen innerhalb eines Jahres nach erneuter Bewilligung ihrer Leistungen im Zuge der Ausübung des Wahlrechts die Abfindung nach § 84 beziehungsweise § 86 SGB XIV-E beanspruchen.
105. Die Ermöglichung der Entscheidung zu Gunsten der Abfindung für Berechtigte nach § 142 SGB XIV-E – insbesondere für die Geschädigten – nach Ausübung des Wahlrechts zu Gunsten des neuen Rechts stellt die öffentlichen Haushalte vor erhebliche Herausforderungen. Geht man angesichts der deutlich höheren monatlichen Entschädigungsleistungen nach dem neuen Recht im Vergleich zum Bundesversorgungsgesetz davon aus, dass zwei Drittel der Berechtigten nach § 142 SGB XIV-E oder mehr in das Leistungssystem des neuen SGB XIV wechseln und sich von diesem Personenkreis ein nicht unwesentlicher Teil für die Gewährung der Abfindung entscheiden wird, werden die Haushalte von Bund und Ländern mit erheblichen Mehrkosten belastet. Dies führt unter Berücksichtigung des Jährlichkeitsgrundsatzes im öffentlichen Haushaltsrecht und der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben (insbesondere der Schuldenbremse) zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Haushaltsaufstellung und dem Haushaltsvollzug.
106. Unter Abwägung der individuellen Interessen der Geschädigten beziehungsweise der Witwen oder Witwer und der öffentlichen Interessen erscheint es daher sachgerecht, den Berechtigten nach § 142 SGB XIV-E die Möglichkeit des Wechsels in das Leistungsrecht des neuen SGB XIV zu eröffnen, gleichzeitig jedoch eine Ausnahme für das Recht auf Abfindungen gemäß den §§ 84 und 86 vorzusehen. Schließlich sollen die
Abfindungsregelungen keine zusätzlichen Anreize für die bisherigen Leistungsberechtigten nach dem BVG im Hinblick auf den Wechsel in das neue Recht begründen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 33 (Zu Artikel 1, § 152 Absatz 1 Satz 1 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

34. Zu Artikel 1 (§ 152 Absatz 1 Satz 2 SGB XIV)

In Artikel 1 sind in § 152 Absatz 1 Satz 2 nach den Wörtern "Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen" die Wörter "gemäß § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes" einzufügen.

Begründung:

107. Das Vierzehnte Buch Sozialgesetzbuch sieht eine Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im Sinne des § 30 Absatz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht mehr vor. Vielmehr richtet sich der Grad der Schädigungsfolgen gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 SGB XIV-E nur noch nach den allgemeinen Auswirkungen der Sinnesbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen.
Dies entspricht der Regelung des § 30 Absatz 1 BVG. Bei Ausübung des Wahlrechts darf für die Entschädigungszahlung gemäß § 83 Absatz 1 SGB XIV-E nur der Grad der Schädigungsfolgen nach § 30 Absatz 1 BVG zugrunde gelegt werden. Eine Übernahme des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Absatz 1 und 2 BVG würde eine nicht beabsichtigten Besserstellung der Besitzstandsfälle nach Ausübung des Wahlrechts gegenüber den Neufällen, die Leistungen nach den Kapiteln 1 bis 22 erhalten, bedeuten, die sich immerhin mit monatlich 400 Euro beziffern lässt.
108. Im jetzigen Recht trägt das BVG der historisch bedingten Überregulierung von beruflich bedingten wirtschaftlichen Einschränkungen (Grundrentenerhöhung nach § 30 Absatz 2 BVG sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs) durch die Ruhensregelung des § 30 Absatz 13 BVG Rechnung. Eine solche Regelung ist im SGB XIV nicht mehr vorgesehen. Dies würde dazu führen, dass ein Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch ungekürzt neben der erhöhten Entschädigungsleistung gezahlt werden müsste.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 34 (Zu Artikel 1, § 152 Absatz 1 Satz 2 SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung ist, Betroffenen den Wechsel in das neue Recht zu ermöglichen, ohne dass diese eine negative Veränderung des bereits festgestellten Grades der Schädigungsfolgen befürchten müssen. Der vor Inkrafttreten des SGB XIV festgestellte Grad der Schädigungsfolgen basiert nicht nur auf § 30 Absatz 1, sondern auch auf § 30 Absatz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Vor diesem Hintergrund erachtet die Bundesregierung eine Einschränkung auf die Feststellungen nach § 30 Absatz 1 BVG nicht für sachgerecht.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019

35. Zu Artikel 1 (§ 152 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

In Artikel 1 ist dem § 152 folgender Absatz 3 anzufügen:
15. "(3) Ist eine Rente kapitalisiert nach § 72 des Bundesversorgungsgesetzes oder nach § 1 Absatz 1 des Rentenkapitalisierungsgesetzes-KOV, verringert sich die Entschädigungszahlung nach § 83 und die Abfindung nach § 84 während des Abfindungszeitraums um den kapitalisierten Betrag."

Begründung:

109. Für die Feststellung der Geldleistung nach § 144 SGB XIV-E ist dort in Absatz 1 Satz 5 geregelt, dass sich für den noch laufenden Abfindungszeitraum der festzustellende Betrag um den kapitalisierten Betrag verringert. Eine solche Regelung fehlt für den Fall des Wechsels in das neue Recht im Sinne des § 152 SGB-E XIV. Sowohl die Entschädigungszahlung gemäß § 83 SGB XIV-E als auch die Abfindung gemäß § 84 SGB XIV-E müssen entsprechend gemindert werden, da es sonst zu einer nicht gewollten Doppelleistung käme.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Zu Ziffer 35 (Zu Artikel 1, § 152 Absatz 3 – neu – SGB XIV)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates zu.

 

§ 153 Schriftform

Die Geltendmachung des Wahlrechts bedarf der Schriftform und ist gegenüber dem Träger der Sozialen Entschädigung zu erklären.

Zu § 153 (Schriftform)

Die Vorschrift bestimmt, dass Ausübung des Wahlrechts nach § 152 der Schriftform bedarf und gegenüber dem Träger der Sozialen Entschädigung zu erfolgen hat.

 

Abschnitt 5 Anrechnung

 

§ 154 Anrechnungsvorschrift

Geldleistungen nach diesem Kapitel bleiben bei anderen Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Einkommen unberücksichtigt, soweit sie den Betrag einer Grundrente nach § 31 Absatz 1 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 zuzüglich der seitdem vollzogenen Anpassungen nach § 150 nicht überschreiten.

Zu § 154 (Anrechnungsvorschrift)

Die Vorschrift regelt die Höhe der Anrechnung von Geldleistungen nach Kapitel 23 auf Sozialleistungen außerhalb dieses Buches. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bestimmte Geldleistungen, wie die Grundrente nach dem BVG, anrechnungsfrei waren, ist eine Anrechnung erst ab einer bestimmten Höhe vorgesehen. Die Grenze, ab der angerechnet wird, bemisst sich nach der bis zum Außerkrafttreten des BVG geltenden Höhe der Grundrente bei einem GdS von 100 zuzüglich erfolgter Anpassungen nach § 150. Damit wird eine allgemeine Anrechnungsgrenze festgelegt, so dass aufwendige Einzelfallberechnungen entfallen. Klarstellungshalber wird auch die Nichtanrechnung der Geldleistungen nach Kapitel 23 auf die Leistungen nach dem AsylbLG ausdrücklich geregelt, weil Leistungen nach dem AsylbLG nicht vom Begriff der Sozialleistungen nach § 11 Satz 1 SGB I erfasst werden.

 

Abschnitt 6 Kostentragung und Zuständigkeit

 

§ 155 Kostentragung

(1) Der Bund trägt die Kosten für Leistungen an Personen, deren nach § 142 festgestellter Anspruch am 31. Dezember 2023

1. auf dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Häftlingshilfegesetz beruhte, in Höhe von 94,5 Prozent der Ausgaben, die den Ländern entstehen,

2. auf dem Zivildienstgesetz beruhte, in voller Höhe,

3. auf dem Opferentschädigungsgesetz beruhte, in Höhe von 40 Prozent der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen entstehen,

4. auf dem Opferentschädigungsgesetz beruhte, in voller Höhe, wenn die Voraussetzungen von § 4 Absatz 2 des Opferentschädigungsgesetzes erfüllt waren,

5. auf dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz beruhte, in Höhe von 65 Prozent der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen entstehen,

6. auf dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz beruhte, in Höhe von 60 Prozent der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen entstehen.

(2) Zu den Geldleistungen gehören nicht solche Geldbeträge, die zur Abgeltung oder an Stelle einer Sachleistung gezahlt werden.

Zu § 155 (Kostentragung)

Absatz 1 der Vorschrift regelt die Kostentragung von Bund und Ländern in den Besitzstandsfällen. Dabei werden die bis zum Außerkrafttreten der genannten Gesetze jeweils geltenden unterschiedlichen Regelungen übernommen. Der Bund trägt die Kosten für Leistungen nach Kapitel 23, die auf dem BVG beruhten, in Höhe von 94,5 Prozent der Ausgaben, die den Ländern entstehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es nach dem SGB XIV – anders als nach § 1 Absatz 1 Nummer 8 des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund – keine gesplittete Kostentragungsregelung für Entschädigungsleistungen des Besitzstandes gibt. Die gesplittete Kostentragung für fürsorgerische Leistungen (80 Prozent der Ausgaben trägt der Bund, 20 Prozent die Länder) und die alleinige Kostentragung des Bundes für Versorgungsleistungen resultierte bei den Ist-Ausgaben im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2018 in einem Anteil der Länder an den Gesamtausgaben von rund 5,3 Prozent. Der Anteil der Ausgaben für fürsorgerische Leistungen an den Gesamtausgaben steigt kontinuierlich leicht an.

Absatz 2 stellt klar, dass anstelle einer Sachleistung erbrachte Zahlungen nicht als Geldleistung im Sinne dieses Kapitels gelten.

 

§ 156 Pauschaliertes Abrechnungsverfahren

(1) Zur Vereinfachung der Abrechnung erstattet der Bund den Ländern in einem pauschalierten Verfahren

1. für Leistungen nach § 155 Absatz 1 Nummer 3 jeweils 22 Prozent der ihnen entstandenen Ausgaben und

2. für Leistungen nach § 155 Absatz 1 Nummer 6 jeweils 57 Prozent der ihnen entstandenen Ausgaben.

(2) Der Bund überprüft in einem Abstand von fünf Jahren, erstmals im Jahr 2024, die Voraussetzungen für die in Absatz 1 genannten Quoten.

Zu § 156 (Pauschaliertes Abrechnungsverfahren)

Die Vorschrift enthält eine Regelung zur Vereinfachung der Abrechnung von Kosten zwischen Bund und Ländern für Leistungen des Besitzstandes. Sie betreffen Leistungen, die auf Grund des OEG bzw. des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes erbracht werden, und entspricht der bislang für diese Gesetze jeweils geltenden Abrechnungsregelung. Die nach bisherigem Recht geltenden Quoten werden fortgeführt. Eine Überprüfung der Quoten findet entsprechend dem bisherigen Verfahren weiterhin alle fünf Jahre statt. Die nächste Überprüfung erfolgt im Jahr 2019, die dann folgende im Jahr 2024. Dabei wird überprüft, ob sich das Verhältnis von Geldleistungen und Sachleistungen an den Gesamtkosten in dem Zeitraum seit der letzten Überprüfung geändert hat.

 

§ 157 Zuständigkeit

Für die Durchführung dieses Kapitels sind die Träger der Sozialen Entschädigung zuständig, die zum 31. Dezember 2023 sachlich zuständig waren.

Zu § 157 (Zuständigkeit)

Die Regelung bestimmt, dass für Verfahren im Bereich des Besitzstandes die vor Außerkrafttreten des BVG und seiner Nebengesetze und Verordnungen zuständigen Träger weiterhin zuständig bleiben.

 

§ 158 Umsetzungsbegleitung

Zur Begleitung der Umsetzung der Vorschriften zu Besitzständen treffen sich Bund und Länder einmal jährlich, erstmalig zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Buches, zum Erfahrungsaustausch, insbesondere zu

1. der Wirkung der Regelungen zu Besitzständen,

2. der Praktikabilität der Abläufe bei der Umsetzung der Regelungen sowie

3. dem Übergang vom Bundesversorgungsgesetz und dem Opferentschädigungsgesetz auf dieses Buch.

Die Erkenntnisse sollen bei der Weiterentwicklung des Sozialen Entschädigungsrechts berücksichtigt werden.

Zu § 158 (Umsetzungsbegleitung)

Ein wichtiges Element der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts stellen die Vorschriften zu Besitzständen dar. Mit Hilfe der Implementierungsbegleitung durch Bund und Länder soll überprüft werden, ob die Vorschriften zu Besitzständen die intendierten Wirkungen erreichen. Es soll ferner beobachtet werden, welche Fragestellungen sich bei der praktischen Umsetzung stellen. Die Umstellung auf das neue Recht sowie das Erfordernis, das bisherige Recht in Besitzstandsfällen weiter anzuwenden, führen zu einem erhöhten Aufwand für die Verwaltung. Im Rahmen der Implementierungsbegleitung sollen auch die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Herausforderungen für die Verwaltung untersucht werden.

Die Implementierungsbegleitung ermöglicht es, Fragen im Bereich des Besitzstandes frühzeitig zu identifizieren und einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Auch dies soll zu einer bundeseinheitlichen Umsetzung der Vorschriften zu Besitzständen beitragen.