Durch das „Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts“ (SozERG) vom 12.12.2019 BGBl. I S. 2652 (Nr. 50) sind überwiegend mit Geltung ab 01.01.2024 (s. dazu Artikel 60 SozERG) weitgehende Änderungen beschlossen worden.
Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Deutscher Bundestag Drucksache 19/13824) „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts“ heißt es u.a. dazu
„A. Problem und Ziel
Opfer einer Gewalttat müssen Leistungen schneller und zielgerichteter als bisher erhalten. Dies ist eine wesentliche Folgerung aus den Auswirkungen des verheerenden Terroranschlags vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin. Das Soziale Entschädigungsrecht (SER), das auf dem im Jahr 1950 für die Versorgung der Kriegsgeschädigten, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen geschaffenen Bundesversorgungsgesetz (BVG) basiert, soll sich zukünftig an den heutigen Bedarfen der Betroffenen, insbesondere Opfer von Gewalttaten einschließlich der Opfer von Terrortaten, ausrichten. Auch ist der im Bereich der Gewaltopferentschädigung verwendete Gewaltbegriff nicht mehr umfassend genug. Er lässt unberücksichtigt, dass nicht nur ein tätlicher Angriff, sondern auch eine psychische Gewalttat zu einer gesundheitlichen Schädigung führen kann.
Die Zahl der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen geht demografiebedingt sehr stark zurück. Absehbar ist, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB XIV) im Jahr 2024 voraussichtlich weniger als 36 000 Kriegsbeschädigte, deren Angehörige und Hinterbliebene Leistungen nach dem BVG beziehen werden. Die Zahl dieser Berechtigten wird in den Folgejahren aus Gründen der Demografie noch weiter zurückgehen. Die Zahl der Berechtigten im Bereich der Entschädigung von Opfern einer Gewalttat wird hingegen voraussichtlich tendenziell zunehmen.
Mit der Reform der Sozialen Entschädigung sollen die Entschädigungszahlungen wesentlich erhöht werden. Mit einer verpflichtenden gesetzlichen Grundlage für Traumaambulanzen und einem niedrigschwelligen Verfahren für die neuen Leistungen der Schnellen Hilfen soll erreicht werden, dass mehr Betroffene die Leistungen der Sozialen Entschädigung in Anspruch nehmen. Erstmals sollen Opfer von psychischer Gewalt (z. B. Opfer von schwerem Stalking und von Menschenhandel) eine Entschädigung und sogenannte Schockschadensopfer einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht erhalten können. Bereits vor dem Inkrafttreten der Gesamtreform sollen die Waisenrenten und die Bestattungskosten erhöht, die Leistungen für Überführungen verbessert und alle Opfer von Gewalttaten in Deutschland, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und vom Aufenthaltsstatus, gleichbehandelt werden.
Das auf dem BVG als Leitgesetz fußende System der Sozialen Entschädigung beinhaltet ein sehr ausdifferenziertes Leistungssystem mit hoch komplexen Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Rechtsvorschriften, das bei einem künftig insgesamt wesentlich kleiner werdenden Personenkreis nicht auf Dauer vorgehalten werden kann. Das den Leistungen zu Grunde liegende Recht nach dem BVG ist für die Bürgerinnen und Bürger z.T. schwer verständlich und für die Verwaltung in der Umsetzung schwer durchführbar.
Das neue Recht soll einen bürgernahen Zugang zu den Leistungen der Sozialen Entschädigung eröffnen und damit auch bekannter werden. Die anwenderfreundliche Ausrichtung des SGB XIV soll auch bei einem aus demografischen Gründen kleiner werdenden Berechtigtenkreis, insbesondere wegen des Rückgangs der Zahl der Kriegsopfer, eine hohe Qualität bei der Durchführung des SER sichern.
Mit der Reform der Sozialen Entschädigung wird der einstimmig gefassten Entschließung des Deutschen Bundestages vom 13. Dezember 2017 (Bundestagsdrucksache 19/234), dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vom 12. März 2018 sowie dem Beschluss der 94. Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales, in dem die Länder einstimmig die SER-Reform in der 19. Legislaturperiode gefordert haben, entsprochen.
B. Lösung
Das Soziale Entschädigungsrecht wird in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuchs (Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch – SGB XIV) geregelt. Das SGB XIV berücksichtigt sowohl die veränderten gesellschaftlichen Entwicklungen als auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Entwicklungen im Recht der sozialen Sicherung. Die neuen Regelungen sind klar strukturiert, transparent und erleichtern den Ländern die Gesetzesausführung. Das SGB XIV tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft, sodass die Länder ausreichend Vorlaufzeit für die Umsetzung, insbesondere im Bereich ihrer IT-Infrastruktur, erhalten.
Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind:
– Das SGB XIV regelt die Entschädigung von schädigungsbedingten Bedarfen von Opfern einer Gewalttat, von auch künftig noch möglichen Opfern der beiden Weltkriege, die eine gesundheitliche Schädigung und eine daraus resultierende Schädigungsfolge beispielsweise durch nicht entdeckte Kampfmittel erleiden, von Personen, die durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben sowie von Personen, die durch eine Schutzimpfung oder sonstige Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe nach dem Infektionsschutzgesetz, eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben.
– Es werden anrechnungsfreie wesentlich erhöhte Entschädigungsleistungen in Form von monatlichen Zahlungen an Geschädigte und Hinterbliebene erbracht. Geschädigte und Witwen oder Witwer können statt der monatlichen Entschädigungszahlungen Einmalzahlungen als Abfindung wählen.
– Als neue Leistungen werden Schnelle Hilfen eingeführt. Die Schnellen Hilfen – das sind Leistungen in Traumaambulanzen und Leistungen des Fallmanagements – werden als niedrigschwellige Angebote in einem neuen Erleichterten Verfahren zur Verfügung gestellt.
– Im Bereich der Entschädigung von Opfern einer Gewalttat wird der Gewaltbegriff, insbesondere in den Fällen von schwerwiegender Bedrohung und Nachstellung sowie von Menschenhandel, um Formen psychischer Gewalt ergänzt.
– Für die Krankenbehandlung richten sich die Leistungen in Art und Umfang nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Bei darüber hinausgehenden schädigungsbedingten Bedarfen werden den Berechtigten weitergehende Leistungen zur Verfügung gestellt. Einen Schwerpunkt bilden dabei Mehrleistungen im Bereich psychotherapeutischer Maßnahmen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die seelische Verfassung der Betroffenen mit der Vielfalt der zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden zu verbessern.
– Der Teilhabegedanke wird deutlich gestärkt, indem Teilhabeleistungen grundsätzlich ohne den Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht werden.
– Leistungen der Sozialen Entschädigung bei Pflegebedürftigkeit richten sich nach Art und Umfang nach dem Vierten Kapitel des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Bei darüber hinausgehenden schädigungsbedingten Bedarfen werden die notwendigen und angemessenen Kosten übernommen.
– Schädigungsbedingte Einkommensverluste von Geschädigten werden ausgeglichen.
– Die Besonderen Leistungen im Einzelfall ergänzen die übrigen Leistungen der Sozialen Entschädigung bei Hilfebedürftigkeit.
– Die Einmalzahlungen für durch Gewalttaten im Ausland Geschädigte werden wesentlich erhöht.
– Personen, die bis zum 31. Dezember 2023 Leistungen nach dem BVG und den Gesetzen, die das BVG für anwendbar erklären, beziehen oder einen entsprechenden Antrag auf diese Leistungen gestellt haben, erhalten im Rahmen des Besitzstandsschutzes weiterhin qualitativ hochwertige Versorgungsleistungen.
– Folgende Leistungserhöhungen und Leistungsverbesserungen werden nicht erst mit dem Inkrafttreten des SGB XIV, sondern bereits zum 1. Juli 2018 umgesetzt: Erhöhung der Waisenrenten sowie der zu übernehmenden Bestattungskosten, Verbesserungen bei der Übernahme von Überführungskosten sowie die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Opfer einer Gewalttat.“
Änderungen in nachfolgend aufgelisteten Gesetzen sind beschlossen:
Artikel 1 Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch – Soziale Entschädigung – (SGB XIV)
Artikel 2 Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
Artikel 3 Änderung des Opferentschädigungsgesetzes
Artikel 4 Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Artikel 5 Änderung des Unterstützungsabschlussgesetzes
Artikel 6 Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes
Artikel 7 Änderung des Zivildienstgesetzes
Artikel
8 Änderung des Gesetzes zu dem Zusatzvertrag vom 7. Februar 1969 zur
Durchführung und Ergänzung des Vertrages vom 7. Mai 1963 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über
Kriegsopferversorgung und Beschäftigung Schwerbehinderter
Artikel 9 Änderung des Häftlingshilfegesetzes
Artikel 10 Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes
Artikel 11 Änderung der Dritten Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes
Artikel 12 Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes
Artikel 13 Änderung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes
Artikel 14 Änderung des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst
Artikel 15 Änderung der Strafprozessordnung
Artikel 16 Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
Artikel 17 Änderung des Gerichtsvollzieherkostengesetzes
Artikel 18 Änderung des Berlinförderungsgesetzes 1990
Artikel 19 Änderung des Einkommensteuergesetzes
Artikel 20 Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Artikel 21 Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
Artikel 22 Änderung des Altersteilzeitgesetzes
Artikel 23 Änderung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte
Artikel 24 Änderung des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit
Artikel 25 Änderung des Dienstbeschädigungsausgleichsgesetzes
Artikel 26 Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung
Artikel 27 Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung zum Jahr 2022
Artikel 28 Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 29 Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 30 Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 31 Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 32 Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 33 Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
Artikel 34 Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 35 Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 36 Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 37 Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 38 Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 39 Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 40 Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 41 Änderung der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung
Artikel 42 Änderung der Schwerbehindertenausweisverordnung
Artikel 43 Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes
Artikel 44 Änderung der Sonderurlaubsverordnung
Artikel 45 Änderung der Bundesbeihilfeverordnung
Artikel 46 Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Artikel 47 Änderung des Jugendfreiwilligendienstegesetzes
Artikel 48 Änderung des Anti-D-Hilfegesetzes
Artikel 49 Änderung des Conterganstiftungsgesetzes
Artikel 50 Änderung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes
Artikel 51 Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
Artikel
52 Änderung der Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden
sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes
Artikel 53 Änderung der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter
Artikel 54 Änderung des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte
Artikel 55 Änderung des Wohngeldgesetzes
Artikel 56 Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
Artikel 57 Änderung weiterer Vorschriften
Artikel 58 Aufhebung bisherigen Rechts
Artikel 59 Finanzuntersuchung
Artikel 60 Inkrafttreten
Schlussformel
s. dazu im Einzelnen: http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2517/251749.html
und nunmehr:
auf dieser Seite SGB XIV