Anhaltspunkte 2008


Nr. 142 AHP 2008 - Geschwülste

 

(1) Bösartige Geschwülste (z.B. Karzinome, Sarkome) entstehen durch Umbildungsvorgänge besonderer Art in Körperzellen. Die eingetretene Umbildung der Zellen ist an bestimmten Eigenheiten ihres Baues, ihres Stoffwechsels, ihrer Anordnung, d.h. an Besonderheiten des Wachstums, erkennbar. Die Fähigkeit der Zellen, maligne zu entarten, ist fast allen Körpergeweben eigen, wenn auch in verschiedenem Grade; sie ist aber nicht bei allen Menschen gleich groß. Viele bösartige Geschwülste treten bevorzugt in höherem Lebensalter auf.

Der Annahme einer überwiegend endogenen Entstehung aller bösartigen Geschwülste stehen viele Ergebnisse der Geschwulstforschung entgegen. Eine Reihe karzinogener Substanzen, mit denen der Mensch im täglichen Leben in Berührung kommt, und bestimmte Vorkrankheiten, die den Boden für eine Geschwulstentwicklung abgeben können (Präkanzerosen), wurden ermittelt. Wichtig scheint bei der Entwicklung von bösartigen Geschwülsten die Gesamtmenge der jeweiligen Noxe zu sein, die je nach Konzentration erst nach längerer, oft erst nach sehr langer Einwirkungsdauer den für die Krebsentstehung nötigen Grenzwert erreicht.

(2) Soweit bösartige Geschwülste maßgeblich auf beruflichen Schädigungen beruhen, sind sie entschädigungspflichtige Berufskrankheiten, z.B. bestimmte Hautkrebse, Chromat-Lungenkrebs, Schneeberger Lungenkrankheit, Lungenkrebs und Mesotheliom nach Asbestexposition, Krebs der Harnwege durch aromatische Amine u.a.. Erfüllen schädigende Vorgänge die Voraussetzungen, wie sie hinsichtlich der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten gelten, ist der Krebs Schädigungsfolge (auf die Berufskrankheiten-Verordnung und die dazu ergangenen Merkblätter wird verwiesen). Als schädigende Vorgänge kommen vor allem Arbeit im Bergbau während der Gefangenschaft und auch langdauernde Kontakte mit bestimmten Schmier- und Treibstoffen sowie deren Verbrennungsprodukten in Betracht.

Bestimmte bösartige Geschwülste können auch am Ort einer über Jahre und Jahrzehnte in Gang gehaltenen Zellneubildung (Zellproliferation und -regeneration) entstehen, wie z.B. krebsige Entartung einer Lungenkaverne, Leberkrebs bei Leberzirrhose, Anastomosenkrebs am Magenstumpf oder bösartige Geschwülste in Fisteln und Narben. In solchen Fällen ist ein ursächlicher Zusammenhang mit der Vorkrankheit in der Regel wahrscheinlich.

(3) Der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Trauma und einem bösartigen Tumor kann wahrscheinlich sein, wenn gleichzeitig folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Die Gewalteinwirkung muss diejenige Körperstelle unmittelbar oder mittelbar betroffen haben, an welcher sich später der Tumor entwickelt.
  2. Die Gewalteinwirkung muss derartig beschaffen gewesen sein, dass sie länger dauernde und eingreifende Gewebs- und Stoffwechselstörungen in dem betreffenden Gebiet hervorbringen konnte und nach Lage des Falles hervorgebracht hat.
  3. Der Zeitraum zwischen der Gewalteinwirkung und den ersten sicher auf eine Geschwulstbildung zu beziehenden Erscheinungen muss mit der Größe, dem geweblichen Aufbau und der Wachstumsgeschwindigkeit der besonderen Gewebsart in Einklang gebracht werden können, d.h. er darf ein gewisses Maß nicht über- oder unterschreiten.
  4. Zwischen den auf die Gewalteinwirkung zu beziehenden unmittelbaren Krankheitserscheinungen und den auf die Geschwulstbildung zu beziehenden Symptomen müssen Übergänge bestehen.

(4) Soweit nicht über die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs entschieden werden kann, sind die Voraussetzungen für eine Kannversorgung gegeben, wenn das allgemeine Risiko, an Krebs zu erkranken, durch Schädigungstatbestände individuell erheblich erhöht worden ist.

Dies trifft zu

  1. bei Personen, die durch dienstliche Verhältnisse in vermehrtem Maße der Einwirkung von für den entsprechenden Tumor bekannten karzinogenen Substanzen ausgesetzt waren, wobei aber die Exposition nicht so massiv war, dass man die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs annehmen könnte, andererseits aber auch nicht so gering war, dass man dieser Exposition im Verhältnis zu der Menge im täglichen Leben aufgenommener, gleichartig wirkender karzinogener Substanzen keine wesentliche Bedeutung zumessen könnte;
  2. bei Personen mit chronischen Entzündungen, die mit schädigenden Einwirkungen in ursächlichem Zusammenhang stehen, sofern die chronische Entzündung über mindestens 5 Jahre bestanden und der Krebs sich in dem Gebiet der chronischen Entzündung entwickelt hat.

Besteht lediglich ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Verschlimmerung zwischen einer Schädigung und einer chronischen Entzündung, muss der auf die Schädigung zurückzuführende Anteil den Verlauf der Entzündung wesentlich, also mindestens annähernd gleichwertig, mitbestimmt haben.

Anmerkung

(5) Gutartige Geschwülste werden im allgemeinen nicht durch äußere Einwirkungen verursacht. Demgegenüber können geschwulstähnliche Wucherungen in Narben, in Blutungs- und Quetschungsherden und bei ähnlichen Verletzungen Schädigungsfolge sein, wenn die Narben usw. Schädigungsfolge sind.